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v. Chr. lebend) gehört zu den geistvollsten und glänzendsten Schriftstellern der gesamten chines. Litteratur. (Vgl. Legge, The sacred books of China, [* 2] the texts of Tâoism, in den «Sacred books of the East», Bd. 49-50, Lond. 1891.) Es bleibt ein bedauerliches Zeichen für den Rückgang des chines. Geisteslebens, daß seit dem erneuten philos. Schaffen im 11. Jahrh. wieder ein dauernder Zustand der Lethargie eingetreten ist.
Eines berechtigten Ruhmes erfreuen sich die
Chinesen durch den erstaunlichen Reichtum und die Zuverlässigkeit ihrer historischen
Litteratur, durch die uns eine fast viertausendjährige Geschichte erschlossen wird. Abgesehen von dem Schū-kīng und Tschün-tshiēu
ist das Sse-ki,
d. i. geschichtliche
Denkwürdigkeiten, das erste zusammenfassende Geschichtswerk, das,
mit der Urzeit beginnend, bis 122
v. Chr. reicht. Es ist im 1. Jahrh.
v. Chr. von Sse-ma-tshien verfaßt worden und hat allen
spätern Geschichtswerken als Vorbild gedient.
Ihm folgten in ununterbrochener Reihenfolge die 23 amtlichen Reichsannalen, die mit der Geschichte der Ming-Dynastie (1368-1643)
ihren vorläufigen
Abschluß gefunden haben. Genau nach dem Vorbilde des Sse-ki ist der gesamte
Stoff alle
nthalben
unter gewisse stereotype Rubriken verteilt, innerhalb deren er chronologisch geordnet dargestellt wird. Der chines.
Geschichtschreiber beschränkt sich auf ein trocknes Aufzeichnen der
Thatsachen, wobei das Unwichtige und Nebensächliche,
das geringfügigste
Detail mit derselben peinlichen Sorgfalt behandelt wird, wie Ereignisse, die auf den
Gang
[* 3] der Geschichte bestimmend einwirkten.
Künstlerische Gruppierung des Stoffs und dramatisch belebte Darstellung sucht man hier vergeblich, wird aber dafür in der Regel durch Treue und Zuverlässigkeit entschädigt. Daß derartige Riesenwerke nicht bloß geschrieben, sondern auch gelesen werden, beweist der Umstand, daß neuerdings eine chines. Verlagsfirma in Shang-hai es für angezeigt gehalten hat, eine neue billige Ausgabe der Reichsannalen zu veranstalten. Außer diesen amtlichen Annalen giebt es noch eine große Anzahl anderweitiger Geschichtswerke, unter denen das «Tze-tschi-thung-kien» des Ssema-kwang (11. Jahrh. n. Chr.) und das «Thung-kien-kang-mu» des Tschu-hi (von Maillac, «Histoire générale de la Chine», 13 Bde., Par. 1777-85, auszugsweise französisch bearbeitet) die bekanntesten sind.
Auch auf geographischem Gebiete birgt die chines. Litteratur reiche Schätze. Zu einer kartogr.
Aufnahme des
Reichs gelangte man alle
rdings erst spät und nur unter fremder
Beihilfe, wie unter der mongol. Dynastie im 14. Jahrh.
durch Mohammedaner, unter
Kaiser Khang-hi durch die
Jesuiten 1707-17; allein
Beschreibungen
Chinas und bisweilen
auch der Nachbarländer sind schon sehr früh versucht worden. Bereits um Christi
Geburt unter der
Han-Dynastie entstand eine
hydrogr.
Beschreibung
Chinas; aus dem Anfange des 9. Jahrh. wird eine
«Beschreibung aller
Provinzen» mit Karten angeführt. Das bedeutendste
Werk dieser
Art ist jedoch das 1744 mit Benutzung der vorausgegangenen
Aufnahmen gedruckte «Thai-Tshing-jih-thung-tschi»,
d. i. «Umfassende
Beschreibung der
Großen Tshing» (wie die heutige Dynastie sich nennt), statt des
Reichs derselben, in 108
Bänden.
Daneben gehen sehr zahlreiche offizielle
Beschreibungen einzelner
Provinzen und
Kreise,
[* 4] sowie topogr.
Arbeiten über einzelne Städte und Lokalitäten her. Da die Namen der Städte unter den verschiedenen Dynastien oft gewechselt haben, so bedarf man besonderer Nachweisungen, um in dieser oft verwirrenden Synonymik sich zurechtzufinden.
Vgl. Biot, Dictionnaire des noms anciens et modernes des villes et arrondissements de la Chine (Par. 1842);
Wegner und Himly (in der «Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde», [* 5] Berl. 1893).
Auch die dem chines. Kaiser zinsbaren Länder, wie Tibet, das östl. Turkestan u. s. w., sind fleißig und sorgfältig beschrieben worden. Mancherlei finanzielle und polizeiliche Statistik bieten die Encyklopädien, wie z. B. die Ma-twan-lins.
Vgl. Documents statistiques officiels sur l'empire de la Chine, hg. von Pauthier (Par. 1841), der aber als Übersetzer sehr unzuverlässig ist.
Unter der Ming-Dynastie wurde das «Ming-jih-thung-tschi», eine allgemeine Beschreibung des Ming-Reichs, zusammengestellt. Einen besonders wertvollen Bestandteil der geogr. Litteratur bilden die Reisewerke buddhistischer Pilger. Aus dem Anfange des 5. Jahrh. rührt «Fuh-kwoh-ki» (d. i. «Beschreibung von Buddhaländern») des Fa-hian (französisch von Rémusat, Par. 1836) her, der (seit 399) 40 Jahre lang ganz Indien, Ceylon [* 6] und Java bereiste. Zwei Jahrhunderte später folgte das wichtigste derartige Werk, das «Si-ju-ki» (d. i. «Kunde der westl. Länder», französisch von Julien, «Mémoires sur les contrées occidentales», 2 Bde., Par. 1857-58) von Hiwen-stang, der 629-645 ebenfalls Indien durchwanderte. Sein Leben und seine Reisen beschrieben seine Schüler Hwei-li und Jen-tsung (französisch von Julien, «Histoire de la vie d'Hiouen-Thsang et de ses voyages dans l'Inde», Par. 1851).
Durch die Einführung des Buddhismus in China (im 1. Jahrh. unserer Zeitrechnung) hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine buddhistische Litteratur von kaum übersehbarem Umfange entwickelt. Größtenteils besteht diese freilich aus Übersetzungen aus dem Sanskrit, doch hat sie auch eine stattliche Anzahl einheimischer Schriftsteller aufzuweisen. Bereits 540 n. Chr. konnte ein chines. Kaiser eine einheimische buddhistische Bibliothek von 5400 Bänden zusammenstellen.
Vgl. Schott, Über den Buddhismus in Hochasien und China (Berl. 1846);
ders. Zur Litteratur des chines. Buddhismus (ebd. 1873);
Wassiljew, Der Buddhismus, seine Dogmen, Geschichte und Litteratur, Bd. 1 (Petersb. 1860).
Auch der Taoismus hat eine an Umfang sehr bedeutende, jedoch noch wenig erschlossene Litteratur aufzuweisen.
Eine ausgedehnte philologische Litteratur war durch die Art der chines.
Sprache
[* 7] und
Schrift gegeben und mehr als bei irgend
einer andern Nationalität die unvermeidliche Begleiterin jeder andern litterar. Thätigkeit. Es kam
vor allem
darauf an, Ordnung in den Schatz der Wortzeichen zu bringen. Den ersten Versuch dieser Art machte Hiu-schin um 100 n. Chr.,
der eine
Anordnung nach 540
Wurzeln auf
Grund der damals gebräuchlichen, der ursprünglichen
Bilderschrift noch näher stehenden
Tschwen-Schrift befolgte.
Alle spätern Arbeiten dieser Art sind aber durch die beiden großen Wörterbücher des Kaisers Khang-hi überholt und geradezu überflüssig gemacht worden. Diese sind: das «Khang-hi-tsze-tian» in 32 oder 40 Teilen (zuerst gedruckt 1716),
welchem das im 17. Jahrh. von Tschang-oil-kong verfaßte, zuerst nach 214 Radikalen angeordnete, große begriffliche Schärfe bekundende Wörterbuch «Tsching-tze-thung» zu Grunde liegt, und das «Pei-wen-jun-fu», ein nach Reimen
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geordnetes Wörterbuch, welches zuerst 1711 in 131 Bänden erschien und später noch ein Supplement von 106 Büchern erhielt. In dieses Riesenwerk sind auch die meisten sog. Komposita, d. h. durch mehrere Charaktere umschriebenen Begriffe, aufgenommen. Unter den für Unterrichtszwecke veranstalteten Vokabularien ist eins der merkwürdigsten das einen durchgehenden Reim festhaltende «Tshian-tze-wen», welches 1000 verschiedene Schriftzeichen zum Memorieren zusammenstellt.
Denkmäler der Poesie der Chinesen liegen aus fast allen
Zeitaltern vor, wenn auch in Europa
[* 9] nur erst verhältnismäßig Weniges
bekannt geworden ist. Die älteste Sammlung von Liedern ist das obenerwähnte «Schī-kīng».
Der größte Teil derselben betrifft die Dynastie der Tscheu, einige jedoch gehen bis auf die ältesten
Zeiten der Dynastie Schang (seit 1766 v. Chr.) zurück, ohne daß ihr Alter sich verdächtigen ließe. Die ganze Sammlung zerfällt
in vier Bücher, von denen das erste eigentliche Volkslieder, das zweite und dritte Festlieder, das vierte Totenlieder enthält.
Die Form der Lieder ist sehr einfach. Sie bestehen aus Strophen von mehrern, an Silbenzahl ziemlich gleichen,
gewöhnlich gereimten Zeilen; in der Regel ist an eine einfache Naturanschauung eine Allegorie geknüpft. Der dichterische
Wert der einzelnen Stücke ist ungleich; an Zartheit und Unmittelbarkeit der Empfindung übertreffen viele derselben alle
spätere
Poesie. Es findet sich wenig eigentlich Religiöses; sehr viele Lieder handeln von Kaiser und Staat, meist
voll Pietät, aber zum Teil auch politisch widersetzlich und zuweilen voll socialistischer Bitterkeit.
Auch an frischen Kriegs- und Jägerliedern fehlt es nicht. Das Leben der Natur und das des Gemüts werden sinnig behandelt und Motive der Liebe mit tiefer Empfindung aufgefaßt. Zwischen der echten Ursprünglichkeit dieser Poesie und der nüchternen, erzwungenen Kunst späterer Zeiten gähnt eine breite Kluft. Die einfache Kunst des Reims, [* 10] wie sie die alte, mehr volkstümliche Dichtung zeigt, genügte nicht mehr; man begann die Reime in den einzelnen Strophen mannigfach zu kreuzen, welche Tendenz übrigens schon in mancher Ode des «Schī-kīng» vorwaltete.
Die Verszeilen haben jetzt gewöhnlich eine Länge von fünf oder sieben Silben mit der Cäsur; unter den Thang hat sich aber ein Gesetz der «Harmonie» (jün) ausgebildet, vermöge dessen gewisse Silben der einen Zeile zu andern in der andern in einem ganz bestimmten Betonungsverhältnisse stehen müssen. Der Sinn darf aus der einen Verszeile nicht in die folgende übergreifen. In ihren Motiven geht die Dichtung im engern Sinne nicht über eine lehrhafte, beschreibende, elegische oder spöttische Lyrik hinaus. Eine neue Blüteperiode erlebte die chines. Lyrik zur Zeit der Thang-Dynastie (618-907).
Vgl. Hervey de Saint-Denis, Poésies de l'époque des Thang, traduites du chinois (Par. 1862).
Als Meister der Lyrik gelten im 8. Jahrh. Thu-fu (s. d.) und Li-tai-peh (s. d.), wozu noch aus dem 9. Jahrh. Wang-wei kommt. Diese haben seitdem den poet. Geschmack in der chines. Kunstdichtung bestimmt.
Vgl. Davis, On the poetry of the Chinese (Lond. 1830).
Kulturhistorisch wichtiger sind die Romane der Chinesen. Sie zerfallen
nach Schott in drei Klassen: historische,
phantastische und bürgerliche. Am meisten geschätzt von erstern sind «San-kwoh-tschi»,
d. i. Geschichte der drei Reiche, eine romanhafte Geschichte Chinas, als
es 200 n. Chr. in drei Königreiche zerfiel (französisch
von Pavie, 2 Bde., Par. 1845-51),
und «Schui-hu-tschwen», eine sehr umständliche Erzählung von Räubern und Abenteurern, welche zur Zeit der Dynastie Song im 10. Jahrh. die Seeküsten der Provinz Kiang-nan beunruhigten, fast ohne histor. Hintergrund. Das erstere Werk ist dem reifen Alter, das andere der Jugend angemessener gedichtet. Beide stammen aus den Zeiten der mongol. Herrschaft. Der phantastische Roman zeigt eine Geisterwelt im Verkehr mit sich selbst und in Einwirkung auf menschliche Schicksale.
Hierhin gehört unter andern das «Peh-sche-tsing-ki» (französisch von Julien als «Blanche et bleue, ou les deux couleuvres-fées», Par. 1834). Der bürgerliche oder Familienroman, ungleich objektiver gehalten als die übrigen, bietet ein sehr treues Bild der Licht- und Schattenseiten des chines. Charakters, des öffentlichen wie des häuslichen Lebens dieser Nation. Dahin gehören: «Hao-kieu-tschwen», die Erzählung von der vollkommenen Frau (englisch von Davis u. d. T. «The fortunate union», Lond. 1829; französisch von Guillard d'Arcy, Par. 1842),
«Ju-kiao-li», die beiden Basen (wörtlich die Schönen Ju und Li; französisch von Rémusat, 4 Bde., Par. 1826; deutsch, 4 Bde., Stuttg. 1827; mit Erläuterungen von Julien, 2 Bde., Par. 1864),
und «Ping-schan-ling-jen», die beiden gelehrten Mädchen (französisch von Julien, «Les deux jeunes filles lettrées», 2 Bde., Par. 1860). Poetisch bedeutender und oft von überraschender Anmut sind die kleinern Erzählungen und Novellen, darunter vieles in dem Sammelwerke «Kin-ku-khi-kwan», d. i. Schauplatz merkwürdiger Begebenheiten aus alter und neuer Zeit, und «Lung-tu-kung-ngan», d. i. Sammlung berühmter Rechtsfälle. Aus diesen und andern Quellen haben Davis («Chinese novels», Lond. 1816),
Pavie («Choix de contes et nouvelles», Par. 1839),
Thoms, Prémare, Julien u. a. mancherlei übersetzt. Halb lyrisch und halb episch kann man gewisse spießbürgerliche Novelletten in Versen nennen; hierher gehört z. B. das «Hoa-tsien-ki», d. h. die «Erzählung von den Visitenkarten», durch Thoms u. d. T. «Chinese courtship in verse» (Macao und Lond. 1824) übersetzt. Eine große Anzahl von Fabeln, Märchen und Legenden, die großenteils mit dem Buddhismus aus Indien nach China gelangten, hat Julien in «Les Avadanas: Contes et apologues indiens» (3 Bde., Par. 1859) zusammengestellt.
Wie das Zeitalter der Thang die bedeutendsten Lyriker, so hat das der Juen (Mongolen) die meisten und vorzüglichsten Bühnendichter hervorgebracht. Die Anfänge des Dramas wie die des Romans verlieren sich im Dunkeln. Es gab zwar schon unter den beiden vorangehenden Dynastien Bühnenstücke, doch wahrscheinlich noch keine von ernsterer Gattung. Die ersten Lustspiele in regelrechter Form sollen unter den Sung verfaßt worden sein. Seit den Zeiten der Juen ist die dramat. Poesie der Chinesen in zahlreichen Erzeugnissen von dem ergreifendsten Trauerspiele bis herab zur gemeinsten Posse vertreten. Alle Dramen, die in der berühmten Sammlung «Juan-shin-peh-tschung», d. i. die hundert Stücke aus der Dynastie der Mongolen (wörtlich der Juen-Leute),
vollständig analysiert und teilweise übersetzt von Bazin in «Le [* 11] siècle des Youen», 2 Bde., Par. 1850-54), enthalten sind, tragen in Bezug auf Entwicklung der Fabel, Ökonomie des Plans, Anordnung der Scenen dasselbe Gepräge;
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