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Englisch-Ostindischen Compagnie auf, der Handel mit China [* 2] wurde frei und Lord Napier nach Kanton [* 3] geschickt, um als Oberaufseher des chines.-engl. Handels alle Verhältnisse der Engländer in Kanton zu ordnen und zugleich die Gerichtsbarkeit über letztere auszuüben. Die chines. Regierung widersetzte sich dem; und es traten, durch das zuerst schroffe, später allzu nachgiebige Auftreten von Lord Napier mit veranlaßt, Mißverhältnisse ein, die endlich zu dem Abbrechen alles Handelsverkehrs zwischen Engländern und Chinesen führten.
Napiers Nachfolger, Francis Davis (1834), wurde von den chines. Behörden ebenfalls nicht anerkannt, aber der Handelsverkehr stellte sich wieder her. Davis' Nachfolger aber, G. B. Robinson und Kapitän Elliot, schadeten wieder durch ungleichmäßiges Benehmen ihrer Sache in hohem Grade. Der wichtigste und gewinnbringendste Artikel der engl. Einfuhr in China war schon seit lange das Opium, dessen Gebrauch, in der Form des Rauchens bei der chines. Bevölkerung, [* 4] namentlich der Küstenprovinzen, immer allgemeiner geworden war.
Alle schon seit dem 18. Jahrh. von der Regierung wiederholt genommenen Maßregeln zur Bekämpfung dieses Brauches hatten nur einen immer großartigern Schmuggelhandel erzeugt. Die Einfuhr von Opium hatte sich von 9535 Kisten 1827-28 auf 26818 Kisten zum Werte von über 25 Mill. M. 1835-36 vermehrt. Da beschloß der Kaiser Tao-kwang, dem Opiumhandel mit einemmal ein Ende zu machen, und der nach Kanton gesandte Gouverneur Lin forderte die Auslieferung alles in den engl. Schiffen und Magazinen befindlichen Opiums. Über 20000 Kisten im Werte von 4 Mill. Pfd. St. wurden ausgeliefert und verbrannt. Als noch die Engländer einen Landsmann, der einen Chinesen im Streit getötet, auszuliefern sich weigerten, wurde in Macao und Kanton der Verkauf von Lebensmitteln an Engländer verboten. Diese verließen hierauf (Aug. 1839) Macao und begaben sich auf ihre Schiffe [* 5] vor Hongkong.
Neue Streitigkeiten folgten. Als der chines. Admiral Kwang mit 29 Kriegsdschunken die engl. Flotte angriff, ward er mit Verlust zurückgeschlagen; auch der Versuch, die Flotte durch Brander zu vernichten, mißlang. Nun erklärte England den Krieg. Admiral Elliot kam 28. Juni vor Kanton an und blockierte den Tigrisfluß, bemächtigte sich (5. und 6. Juli) der Insel Tschou-schan, besetzte deren Hauptstadt Ting-hai, zerstörte Amoy und stellte dem Kaiser Depeschen der engl. Regierung zu, deren Annahme der Gouverneur Lin in Kanton verweigert hatte. Der Kaiser zeigte sich zum Frieden bereit und versprach einen Kommissar nach Kanton zu senden, wenn die engl. Flotte sich dorthin zurückzöge. Hierauf ging der Admiral ein. Der kaiserl. Kommissar Ki-schan kam nach Kanton; da aber die Unterhandlungen von den Chinesen in die Länge gezogen wurden, nahm Kommodore Bremer, der Nachfolger Elliots, die Forts an der Bocca-Tigris. Hierauf ward 20. Jan. ein Präliminarvertrag abgeschlossen. Die engl. Flotte begab sich nach Hongkong.
Als die chines. Regierung mit der Anerkennung dieses Präliminarvertrags zögerte, begannen 25. Febr. die Feindseligkeiten aufs neue. Die Engländer nahmen wieder die Forts an der Bocca-Tigris, rückten 18. März nach Kanton vor und besetzten die Vorstädte und europ. Faktoreien. Ein Waffenstillstand wurde den Chinesen gewährt unter der Bedingung, daß der Handel wieder geöffnet und den Europäern Schutz verliehen werden solle. Als dann aber die chines. Regierung ein beträchtliches Heer zusammenzog, rückte Sir Hugh Gough aufs neue gegen Kanton vor, schlug 25. März das mehr als 50000 Mann starke chines. Heer und wollte die Stadt bestürmen, während die Flotte die Forts nahm und die Dschunken verbrannte, als der chines. Minister Hu Friedensanträge machte, worauf denn der frühere Vertrag mit einigen Änderungen 27. Mai zu stande kam.
Die Engländer erhielten 6 Mill. Doll. Kriegsentschädigung und zogen sich nach Hongkong zurück. Doch die Chinesen meinten es mit dem Frieden nicht ernstlich, und England beschloß, mit noch größerer Energie aufzutreten. Sir Hugh Gough verblieb in seiner Stellung, aber Sir Henry Pottinger wurde zum Bevollmächtigten der Königin und Oberaufseher des Handels, Admiral Parker zum Befehlshaber der Flotte ernannt. Am 21. Juni verließ die engl. Flotte Hongkong, eroberte Amoy, nahm 30. Sept. Tschou-schan, 10. Okt. Tschin-hai, zwei Tage später Ning-po, gelangte an die Mündung des Jang-tse-kiang, vernichtete am folgenden Tage am Zusammenflusse des Jang-tse-kiang und des Wu-sung-Flusses in diesen eine starke, mit 250 Geschützen besetzte Sperrung und nahm 19. Juni Shang-hai.
Stärkern Widerstand bot die von Tataren verteidigte Stadt Tschin-kiang-fu an der Kreuzungsstelle des Kaiserkanals mit dem Jang-tse-kiang. Als die Expedition 5. Aug. vor Nan-king gelangte, bot die chines. Regierung die Hand [* 6] zum Frieden. Die Unterhandlungen führten schon 26. zu einem Friedensschlusse, der den Engländern außer Kanton die Häfen Amoy, Fu-tschou-fu, Ning-po und Shang-hai öffnete, ihnen Hongkong überließ und Regulierung der Zölle, Zulassung von Konsuln in den fünf Häfen, Behandlung auf gleichem Fuß mit den Chinesen und 20 Mill. Doll. Kriegsentschädigung sicherte. Dieser Vertrag wurde vom Kaiser vollzogen. Auf ernstliches Andringen erreichten die Nordamerikaner einen ähnlichen Handelsvertrag; 24. Okt. ward auch ein Handels- und Freundschaftstraktat mit Frankreich geschlossen und ratifiziert, der die Gründung von Kirchen und Schulen in den fünf Hafenorten sowie freie Religionsausübung der eingeborenen Christen garantierte.
Der Kaiser Tao-kwang-Hwang-ti starb und ihm folgte sein vierter Sohn Ji-tschu (Wön-tsung, Zeitraum Hien-föng 1851-61, daher Hien-föng-Hwang-ti). In seine Regierung fiel nicht nur ein zweiter, für China höchst nachteiliger Krieg mit europ. Mächten, sondern auch die durch die halb polit., halb religiöse Verbindung der Tai-ping hervorgerufene Revolution. Aus den Überresten der Weißen Wasserlilie, chines. Pe-lien-kiao, der «Verbrüderung des Himmels und der Erde», chines. Thien-ti-hwei, und anderer geheimer Genossenschaften hatte sich der weitverbreitete sog. Dreifaltigkeitsbund herausgebildet, mit der Haupttendenz, die Mandschu-Dynastie zu stürzen und socialistisch-demokratischen Bestrebungen im einzelnen zu huldigen. Mit den Genossen des Dreifaltigkeitsbundes (San-ho-hwei) vereinigten sich nun die Tai-ping unter ihrem Anführer Hung-tsiu-tsüan, einem aus dem nordwestlich von Kanton gelegenen Hakka-Gebiete hervorgegangenen Schriftgelehrten,
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
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der, zur Religionsschwärmerei neigend, sich zu der Stiftung einer neuen Sekte berufen glaubte. Sein erstes Auftreten bestand in der Zerstörung von Tempeln und Götzenbildern. Seine Lehre [* 8] war ein phantastisches Gemisch christlicher, buddhistischer und ihm selbst angehörender Religionsbegriffe. Er nannte sich Thien-wang, Himmelkönig, und den jüngern Bruder Jesu, sein Reich Thien-kuo, Himmelreich, und die Zeit seiner Herrschaft Tai-ping (großer Friede).
Die Zahl der Tai-ping wuchs so schnell an, daß sie die gegen sie ausgesandten kaiserl. Truppen zurückwarfen und schon Aug. 1851 die Stadt Jung-ngan in Kwang-si erobern konnten. Im September desselben Jahres ließ sich Hung-tsin-tsüan zum Kaiser ausrufen und umgab sich mit vier nach den Himmelsgegenden genannten Königen. Im Frühjahr 1852 unternahm er einen Eroberungszug gegen Norden [* 9] zum Jang-tse-kiang, infolgedessen ein großer Teil dieses Flusses in seine Macht kam.
Auf dem Wege waren der Nan-wang oder König des Südens und der Si-wang oder König des Westens (letzterer vor dem von Tsöng-kwo-fan behaupteten Tschang-scha) gefallen. Die Tai-ping zogen in das eroberte Nan-king ein, erschlugen die ganze tatar. Garnison mit Frauen und Kindern, über 20000 Personen, und machten die Stadt unter dem Namen Thien-ting (Residenz des Himmels) zum Hauptort ihrer Theokratie, nachdem sie alles, was an die andern Religionen und die herrschende Dynastie erinnern konnte, zerstört hatten.
Der Thien-wang lebte fortan unter den Weibern seiner neuen Hofburg, während seine Feldherren auszogen, erst die Städte im Osten zu erobern, dann aber einen Streifzug nach Norden unternahmen, um die Macht der Mandschu in Peking [* 10] selber zu vernichten. Ihre erste Niederlage erlitten die Tai-ping vor Kai-föng. Hierauf belagerten sie, nach einem Zuge durch Schan-si und Pe-tschi-li, Tien-tsin, mußten sich aber zurückziehen und wurden von dem aus der Mongolei herbeigeeilten San ko-lin-sin eingeschlossen.
Verstärkt durch ein von Süden gekommenes Hilfsheer errangen sie im April 1854 am Großen Kanal [* 11] wieder einen Sieg, wurden aber später bei Tung-tschang vollständig geschlagen und mußten sich über den Hoang-ho zurückziehen. 1856 war Nan-king der Schauplatz innerer Zwiste unter den Führern der Tai-ping. Der Tung-wang oder König des Ostens, welcher durch seine angeblichen himmlischen Eingebungen dem Thien-wang lästig geworden war, wurde durch den Pei-wang oder König des Nordens getötet, was zu einem allgemeinen Gemetzel Anlaß gab und auch zur Zerstörung des berühmten Porzellanturmes führte.
Der verhaßte Pei-wang fiel bald selber einem gewaltsamen Tode anheim, nachdem sein früherer Mitverschwörer, der I-wang Schi-ka-lai, sich den Folgen seiner Feindschaft entzogen und den Schauplatz seiner Thaten nach Sze-tschwan verlegt hatte. 1858 wurde das von den Kaiserlichen bedrängte Nan-king vom Tschung-wang oder «treuen König» zum ersten, 1860 zum zweitenmal entsetzt, nachdem derselbe durch die Belagerung von Hang-tschou einen Teil der vor Nan-king liegenden Kaiserlichen dorthin gelockt hatte. Im Mai nahmen die Tai-ping Su-tschou, Ning-po ein und begannen Anfang Jan. 1862 die Belagerung von Shang-hai.
Die Belagerung Nan-kings durch die Kaiserlichen war noch immer erfolglos geblieben. Durch die Einnahme von Ning-po und den Angriff auf Shang-hai, den Mittelpunkt des chines.-europ. Handels, wurden die Interessen der Engländer und Franzosen, mit denen die chines. Regierung Okt. 1860 nach einem mehrjährigen Kriege (s. unten) neue Verträge geschlossen hatte, unmittelbar bedroht. Beide Mächte leisteten deshalb der chines. Regierung Hilfe, und ein franz.-engl. Truppenkorps vertrieb im April und Mai 1862 die Tai-ping aus der Umgegend von Ning-po und Shang-hai.
Zugleich wurden chines. Truppenabteilungen unter engl. und franz. Offiziere gestellt, während der engl. Kapitän Osborne ein chines. Kriegsgeschwader für den Dienst auf den Flüssen organisierte. Das franz.-chines. Korps eroberte von Ning-po aus Febr. 1863 Schao-hing und Hang-tschou, die Hauptstadt der Provinz Tsche-tiang, während die kaiserl. Truppen die letzte Position der Tai-ping daselbst, Hu-tschou, einnahmen. Der Befehlshaber der engl.-chines. Legion, Major Gordon (s. d.), hatte währenddessen von Shang-hai aus in der Provinz Kiang-su nach dem Jang-tse-kiang hin operiert und Tai-tsang, und 3. Dez. Su-tschou eingenommen. Im Mai 1864 fiel Tschang-tschou in seine Gewalt, sodaß die Tai-ping jetzt auf Nan-king beschränkt waren, das sich nach tapferer Gegenwehr 19. Juli dem kaiserl. Feldherrn Tsöng-kwo-fan ergeben mußte. Am 30. Juni schon hatte sich Thien-wang mit seinen Weibern und Schätzen selbst verbrannt.
Zwar wurde sein Sohn als Thien-wang ausgerufen, und Tschung-wang suchte ihn bei der Erstürmung zu retten. Einige Tage später wurde Tschung-wang gefangen und 7. Aug. hingerichtet, welches Schicksal schon 1863 den I-wang Schi-ta-kai in Sze-tschwan betroffen hatte. Mit dem Falle von Nan-king war die Sache der Tai-ping verloren, obschon ihre Überreste, zerstreute, im Lande umherziehende Räuberbanden, sich gegen Ende 1864 wieder vereinigten und 1865 deren endliche Unterdrückung in den Provinzen Fu-kien, Tsche-kiang und Kiang-fu der Regierung noch viele Mühe kostete.
Der mit dem Aufstande der Tai-ping gleichzeitige Krieg C.s mit England und Frankreich wurde hauptsächlich durch folgende Umstände veranlaßt. Die mit beiden Staaten abgeschlossenen Verträge C.s widerstritten sowohl dem Gefühl der Bevölkerung im allgemeinen als auch dem persönlichen des Kaisers. Anlässe zum Bruche boten die Ermordung eines kath. Missionars (Juni 1856) und die Beschlagnahme eines chines. Fahrzeugs, das früher engl. Schiffspapiere und die engl. Flagge geführt hatte und die Gefangensetzung von 12 angeblich der Piraterei verdächtigen Matrosen.
Als die geforderte Genugthuung ausblieb, besetzte der engl. Konteradmiral Seymour die Forts an der Bocca-Tigris und beschoß 28. und 29. Okt. sowie 1., 3. und 14. Nov. Kanton. Da die vorhandenen Streitkräfte jedoch nicht ausreichten, sandte die engl. Regierung eine bedeutende Seemacht und Landarmee nach China, die Lord Elgin als Regierungskommissar mit unbeschränkter Vollmacht befehligte. Frankreich schloß sich England an, ernannte Baron Gros zu seinem Bevollmächtigten in China und sandte unter Admiral Rigault de Genouilly eine bedeutende Schiffsmacht ab, der später ungefähr 1500 Mann Infanterie folgten. Nordamerika [* 12] und Rußland beteiligten sich durch Bevollmächtigte. Infolge des ind. Aufstandes standen die engl. Streitkräfte aber erst Okt. 1857 völlig zur Verfügung.
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