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Eine weitere Folge war ein eigener Modus der Feldverteilung an die einzelnen Bauern: das sog. kommunale oder Brunnenfeldersystem (Tsing-tien). Jedes Quadrat-Li (zu 900 Mou) wurde in 9 gleiche Quadrate geteilt, von denen das mittlere Eigentum des Staates blieb und für diesen bebaut werden mußte, die umliegenden acht jedoch acht Familien zur Bebauung übergeben wurden. Erst im 3. oder 4. Jahrh. v. Chr. wurde diese alte Güterverteilung aufgehoben und ein volles Privateigentum an Grund und Boden ermöglicht.
Dem rapiden Verfall, in den die Landwirtschaft infolgedessen geriet, konnten die verschiedensten Maßregeln nicht Einhalt thun, bis endlich die Ming-Dynastie (1368-1644) nach Vertreibung der Mongolen einen selbständigen Bauernstand dadurch wieder großzog, daß die ziemlich großen Kronländereien an einzelne Familien verpachtet wurden. Die Maßregel bewährte sich, und um eine rasche Ausdehnung [* 2] der Kronländereien zu ermöglichen, wurde gesetzlich verordnet, daß mit Ausnahme des Adels jedermann das 100 Mou übersteigende Grundeigentum gegen eine billige Entschädigung der Regierung überlassen müsse. In weiterer Ausbildung bestehen diese Agrarverhältnisse noch heute.
Dem Staate gebührt das wirkliche Eigentum an Grund und Boden (tien-ti), nur das Nutznießungsrecht (tien-mien) kann von Privaten frei veräußert und erworben werden, mit der Beschränkung jedoch, daß jeder Familie ein unverletzliches und unveräußerliches Erbgut (früher 30, gegenwärtig nur etwa ¾ ha) verbleiben muß. Die Bodenbearbeitung selbst ist eine äußerst intensive und trotz der sehr primitiven Ackergeräte (Pflug, [* 3] Egge) [* 4] eine rationelle zu nennen.
Namentlich setzte eine ausgezeichnete Düngungs- und Bewässerungsmethode den Chinesen in den Stand, den noch ziemlich jungen Alluvialboden der großen Ebene fruchtbar zu machen. Da Viehzucht [* 5] wenig betrieben wird, dienen als Dungmittel menschliche Exkremente, Ölkuchen, Wasserpflanzen, [* 6] Asche, Kompost, Abfälle u. s. w. Was die Bewässerung betrifft, so weiß schon das Tschou-li von einer wohlorganisierten Feldbewässerung und einem ausgebildeten Kanalisationssystem zu erzählen.
Eine besondere Eigentümlichkeit, die Terrassierung, findet sich besonders in volkreichen Gegenden, wo die Abhänge der Hügel und Berge in Terrassen geebnet sind, welche gleichfalls - allerdings mit großer Mühe - ertragfähig gemacht werden. Von Bodenprodukten sind hauptsächlich Thee, Reis, Hirse, [* 7] Mais, Hafer, [* 8] Gerste, [* 9] Hülsenfrüchte, Gemüse, in den südl. Gegenden das Zuckerrohr und die Baumwollstaude zu erwähnen. Die Obstbaumzucht ist arg vernachlässigt.
Industrie. Die chines. Industrie reicht in ein sehr hohes Alter zurück; für ihre große Bedeutung in alter Zeit spricht am besten die Thatsache, daß Korea und Japan [* 10] ihre gesamte gewerbliche Thätigkeit von den Chinesen gelernt haben. Allerdings übertrafen die Schüler sehr oft die Meister, um so mehr jetzt, wo das chines. Kunstgewerbe erheblich zurückgegangen ist. Die ostasiat. Industrie ist bis auf den heutigen Tag Hausindustrie geblieben. In vielen Fällen ist der Bauer selbst auch Handwerker, indem er über den Winter die gewonnenen Rohstoffe verarbeitet.
Selbst die Montanindustrie arbeitet mit den denkbar einfachsten Mitteln. Die Gewinnung ist freilich keine schwierige, die jährliche Ausbeute an Erzen und Kohlen steht aber noch in keinem Verhältnis zu dem thatsächlichen Reichtum des Landes. Besonders Kohle sickert China eine große Zukunft. Salz [* 11] wird aus Meerwasser durch Einwirkung der natürlichen Sonnenwärme oder durch künstliche Mittel gewonnen. Die Textilindustrie erhält durch die Seidenkultur ihre hauptsächlichste Nahrung; Baumwolle, [* 12] Hanf und Chinagras werden überall verarbeitet. Am meisten wird diese Industrie in Kanton, [* 13] Fat-schan und in der zwischen beiden Städten gelegenen Gegend betrieben, wo Tausende von Leuten mit dem Weben, [* 14] Färben und Sticken der verschiedenartigsten Stoffe und Posamentierwaren beschäftigt sind.
Die einstmals so ruhmreich betriebene Kunst des Metallschmiedens und Bronzegießens, welche die Japaner mit so großem Erfolg übernommen haben, ist heute zum großen Teil ganz vergessen. Einen matten Schimmer ehemaliger Herrlichkeit weist noch die heutige keramische Industrie auf. Die Porzellanmanufaktur, welche in Europa [* 15] bekanntlich erst Anfang des 18. Jahrh. aufkam, kannten die Chinesen bereits im 7. Jahrh. Der Hauptsitz dieser Industrie ist seit alters her King-te-tschin in der Provinz Kiang-si (unweit des Po-jang-Sees), das in frühern Jahren über 3000 Öfen [* 16] und eine Mill. Arbeiter beschäftigte.
Viele der Farbenkombinationen und Glasuren, welche man an den alten Vasen, [* 17] Kannen, Tassen, Schalen, Tellern u. s. w. bewundert, sind dem Gedächtnis der heutigen Generationen verloren gegangen, ja auch gewisse Kunstfertigkeiten selbst, wie die Verfertigung des berühmten dünnen und durchsichtigen Spitzenmuster-Porzellans. Die Lackindustrie, welche die Chinesen durch Verwertung des Saftes der Raus vernicifera, zuerst hervorriefen, hat längst in Japan eine neue Heimat gefunden.
In C. blüht sie um Kanton, Fu-tschou und Su-tschou; den Hauptmarkt für diese wie für alle andern kunstgewerblichen Artikel bildet Kanton. Einem ziemlich ausgedehnten Industriezweige gab auch die Verfertigung von Kuriositäten ans Holz, [* 18] Elfenbein, Krystall, Nephrit, Gold [* 19] und Silber, Email u. s. w. das Leben. Außerdem finden sich noch hier und da kleinere Industriezweige, wie die Flechterei von Körben, Matten, Hüten, Erzeugung von Zuckerwaren u. s. w. Über Papier und Buchdruck s. unten unter Kulturzustand (S. 201 a).
Handel. Der Handel mit dem Auslande ist in stetem Zunehmen begriffen. Dem fremden Handel sind 20 Häfen geöffnet:
1) Kanton, 2) Amoy, 3) Fu-tschou, 4) Shang-hai, 5) Ning-po (seit dem Frieden von Nan-king 1842), 6) Tien-tsin, 7) Niu-tschwang, 8) Tschi-fu, 9) Thai-wan (Takao), 10) Tam-sui, 11) Scha-tou, 12) Han-kou, 13) Kiu-kiang, 14) Tschin-kiang, 15) Khiung-tschou auf Hai-nan infolge des Vertrages von Tien-tsin 1858 (Khiung-tschou erst seit wirklich eröffnet), 16) I-tschang und 17) Wu-hu am Jang-tse-kiang, 18) Wen-tschou in Tsche-kiang, 19) Pak-hoi (Pei-hei) in Kwang-tung, infolge des Vertrags von Tschi-fu (1876), 20) Tschung-king (1891). Hierzu kommen Lappa bei Macao, Kau-lung seit 1887 und folgende Jang-tse-Häfen, in denen Waren aus Schiffen fremder Bauart gelöscht werden dürfen:
1) Ngan-king (An-king), die Hauptstadt von Ngan-hwei, 2) Ta-tung zwischen Ngan-king und Wu-hu, 3) Wu-hüe oberhalb Kiu-kiang, 4) Lu-ki-kou oberhalb Han-kou, 5) Scha-schi bei King-tschou in Hu-pe. Seit ist das Grenz-Zollamt von Lung-tschou, seit 28. Aug. das von Möng-tze geöffnet, beide infolge des in Peking [* 20] unterzeichneten zweiten Zusatzartikels zum franz.-chines. Friedensvertrag. Ersteres liegt
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶
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unterhalb Langson am Sung-ki, welcher zum Stromgebiet des Si-kiang gehört, im Bezirk Tai-ping in Kwang-si, letzteres, in drei Tagereisen von Man-hao, dem Ende der Schiffbarkeit des Roten Flusses, zu erreichen, ist eine zu Lin-ngan in Jün-nan gehörige Kreisstadt. Im Juli 1889 war der erste franz. Dampfer bis nach Lao-kai gelangt. Die fremden Zollämter unterstehen dem Inspector General of Customs in Peking. Die jährlichen Handelsberichte aller Zollämter werden in den «Returns of Trade and Trade Reports» zusammengestellt.
Hierin bestehen die einzigen zuverlässigen Nachweise über den chines. Handel. Die Zölle betragen im ganzen 5 Proz. des zur Zeit des Vertrags von Tien-tsin zuerkannten Wertes, bei Opium 30 Taels für 100 chines. Pfund. Nach obiger Quelle, [* 22] welche die Berichte der genannten 20 fremden Zollämter nebst denen der Zollämter von Kau-lung, Lappa, Möng-tze und Lung-tschou zusammenfaßt und nur ausnahmsweise die Ladungen von Schiffen einheimischer Bauart mit einbegreift, ergeben sich für Einfuhr und Ausfuhr folgende Werte. Der Wert des Handelsverkehre für 1892 von 308434712 Taels (gegen 308203367 für 1891) ergiebt sich aus dem Werte der Einfuhr fremder Waren von 143291149 Taels (gegen 142052907), worunter 135101198 Taels neu eingeführter (gegen 134003863), und dem Werte der Ausfuhr von 165143563 Taels (gegen 165550460), bestehend aus 102583525 Taels (gegen 100947849) für Ausfuhr ins Ausland und 62560038 Taels für den Küstenhandel u. s. w. (gegen 64602611).
Ein Bild von dem Anteil der einzelnen Staaten an dem Handel von 1892 in den Vertragshäfen u. s. w. giebt folgende Tabelle (Wert in Taels):
Länder | Einfuhr | Ausfuhr |
---|---|---|
Großbritannien | 28870150 | 10476249 |
Über Hongkong | 69816916 | 40701434 |
Ostindien | 13861094 | 1402891 |
Singapur und Straits Settlements | 1919768 | 1404389 |
Australien, Neuseeland u. s. w. | 320169 | 1625807 |
Südafrika | - | 214501 |
Britisch-Amerika | 694904 | 159151 |
Vereinigte Staaten von Amerika | 6061900 | 10784655 |
Südamerika | - | 268 |
Europa (Kontinent ohne Rußland) | 5128142 | 17166540 |
Rußland über Odessa zur See | 391044 | 1955460 |
Rußland und Sibirien (über Kiachta) | - | 4062629 |
Russische Mandschurei | 159709 | 1025161 |
Japan | 6702302 | 8053732 |
Über Macao | 3178519 | 1684635 |
Philippinen | 43726 | 160815 |
Cochinchina, Tongking und Annam | 200108 | 196808 |
Siam | 37147 | 345288 |
Java und Sumatra | 21421 | 433172 |
Asiatische Türkei, Persien, Ägypten, Algerien und Aden | 15653 | 729940 |
Der russ. Überlandhandel steht nur teilweise unter der Aufsicht der fremden Zollbehörden. Von den Tien-tsin erreichenden Waren werden zwei Drittel des Einfuhrzolles erhoben, und derselbe Satz besteht für das Kia-jü-kwan an der großen Mauer bei Su-tschou. Der Grenzverkehr ist bis 100 Li von der Grenze zollfrei; vorläufig gewährte der Vertrag von 1881 noch Zollfreiheit bis an die große Mauer. An 35 Stellen von Zuruchaitujewsk über Kiachta nach Westen dürfen die Waren die Grenze überschreiten. Russ. Konsulate bestehen außer in Fu-tschou, Shang-hai, Han-kou und Tien-tsin auch in Urga, Kaschgar, Kuldscha und Tschugutschak (Tar-bagatai). Die Errichtung von Konsulaten ist noch vorbehalten für Kobdo, Uljassutai, Gutschen (Ku-tschöng), Urumtschi, Turfan, Chami und Su-tschou. Außer den Fremdenzöllen besteht noch ein besonderer Tarif für gewisse russ. Waren. Die Opiumeinfuhr über die russ.-chines. Grenze ist verboten.
Die Opiumeinfuhr betrug 70928,95 Pikul (zu 100 chines. Pfund) im Werte von 27418152 Taels im J. 1892 (gegen 77226,86 Pikul im Werte von 28333156 Taels im J. 1891). Die Einfuhr ind. Opiums nahm wegen der Beschränkung des Opiumhandels durch die ind. Regierung ab, während die des pers. Opiums ein wenig zunahm. Der Wert der ind. Baumwollgarne betrug im J. 1892 schon 21056464 Taels (gegen 19396855 im J. 1891 und 17507547 Taels im J. 1890), der der eingeführten Baumwollwaren überhaupt 52707432 Taels.
Wollwaren wurden 1892 eingeführt im Werte von 4794230 Taels (gegen 4695256 im J. 1891), Metalle im Werte von 7130866 Taels (gegen 7254448), Reis im Werte von 5826455 Taels (gegen 6597259), amerik. Steinöl im Werte von 4081706 Taels (gegen 4308839), russ. Steinöl im Werte von 967847 Taels (gegen 958212), Fische [* 23] u. s. w. im Werte von 2686228 Taels (gegen 2640444), Zucker [* 24] im Werte von 2447807 Taels (gegen 1774111), Steinkohlen im Werte von 2007685 Taels (gegen 1708293), Zündhölzer im Werte von 1423896 Taels (gegen 1506591) bei Zunahme der Ware von 4894611 auf 5227598 Gros. - Ausgeführt wurde Thee zu 25983500 Taels für 1622680,82 Pikul im J. 1892 (gegen 31028584 Taels für 1750034,01 Pikul im J. 1891), der niedrigste Stand seit neun Jahren.
Die Ausfuhr von schwarzem Thee nach Odessa [* 25] betrug 1892 nur 117254,35 Pikul (gegen 189025 Pikul im J. 1891), was mit der Hungersnot in Südrußland zusammenhängen soll; 367707,70 Pikul wurden teils über Tien-tsin, teils von Han-kou den Han-kiang hinaus bis Fan-tsching und von da über Land nach Kiachta, wovon 89706,58 Pikul schwarzer, das übrige meist Ziegelthee, 50855,03 Pikul nach der russ. Mandschurei befördert. Großbritannien [* 26] ist mit 361457,61 Pikul beteiligt, Hongkong mit 138473,85 Pikul (großenteils schwarzem Thee), auf die Vereinigten Staaten [* 27] kommen 307923,44 Pikul (großenteils grüner Thee). Seide [* 28] und Seidenzeuge wurden 1892 ausgeführt im Werte von 38292130 Taels (gegen 36902026 im J. 1891), wovon auf weiße Rohseide kamen 23810567 Taels (gegen 22109749), auf gelbe Rohseide 2032252 Taels (gegen 2405742), auf wilde Seide 1479225 Taels (gegen 1513670). Bedeutend hat die Ausfuhr von Baumwolle zugenommen; im J. 1892 wurde für 5089361 Taels (gegen 3841129 im J. 1891) ausgeführt und zwar großenteils nach Japan.
Zucker wurde 1892 ausgeführt für 2073402 Taels (gegen 2594460 im J. 1891). Die Ausfuhr von Strohflechten, nicht unwichtig für die deutsche Strohhuterzeugung, hatte 1892 einen Wert von 2056856 Taels (gegen 1605234 im J. 1891). Von den von jeher vorzugsweise aus China bezogenen Waren ist die Ausfuhr von Cassiarinde (früher von beinahe zehnfachem Belang) und Kampfer etwas gestiegen, erstere von 405265 Taels im J. 1891 auf 589329 Taels im J. 1892, letztere von 279250 Taels auf 307992 Taels; die von Porzellan und Töpferwaren von 808239 Taels auf 1084008 Taels. Die Fächer [* 29] sind von 32993263 Stück zu 466048 Taels auf 26089749 zu 350665 Taels gesunken. Unter den Waren, die jetzt aus Japan eingeführt werden, sind Zündhölzer zu erwähnen. Die Einfuhr von Gold betrug 1892: 7,3 Mill., von Silber 4,8 Mill. Taels.
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.] ¶