[* 2]Formeln, die unter Benutzung der
Chemischen Zeichen (s. d.) hergestellten
Symbole der chem.
Verbindungen, durch
die nicht nur die qualitativen, sondern auch die quantitativen Zusammensetzungsverhältnisse der letztern ausgedrückt werden.
Handelt es sich dabei um nichts weiter, so heißen die Chemische Formeln
empirische Formeln; empirische
Molekularformeln aber dann, wenn
sie die Zusammensetzungsverhältnisse der bekannten Molekulareinheit der
Verbindung angeben.
So bedeutet die empirische
Molekularformel des Wassers: H2O, daß ein
Molekül Wasser eine
Verbindung von 1
Atom (16 Gewichtsteilen)
Sauerstoff mit 2
Atomen (2 Gewichtsteilen)
Wasserstoff ist und demnach 18 Gewichtsteile darstellt.
Von den empirischen
Molekularformeln werden die rationellen Formeln oder Konstitutionsformeln unterschieden.
Diese sollen, außer der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung auch noch die chem. Konstitution,
d. h. die Gruppierungsweise der Elementaratome, wie sie sich in dem
Ablaufe chem.
Veränderungen zeigt, ausdrücken. Für die
Umsetzung des
Weingeistes z. B., dessen empirische
Molekularformel C2H6O ist, mit Salzsäure
ergiebt sich die rationelle Formel C2H5.OH, denn bei derselben gehen die Gruppen C2H5 (das
zusammengesetzte Radikal
Äthyl) und OH (das Radikal Hydroxyl) unverändert in die neuen
Verbindungen ein. Die Formel C2H5.OH
ist daher eine Radikalformel. Jeder chem.
Verbindung kommen so viele rationelle Radikalformeln zu, als sie Umsatzweisen mit
verschiedenen in die neuen Produkte übertretenden unveränderten Resten oder Radikalen aufweist. Für
die
Bildung des
Aldehyds, C2H4O, und der
Essigsäure, C2H4O2, aus dem
Weingeist durch
Oxydation würde sich die
rationelle Formel C2H4O.H2 ergeben, denn
für die Spaltung in
Äthylen und Wasser dagegen C2H4.H2O. Seitdem für die große Mehrzahl namentlich
der Kohlenstoffverbindungen die Reihenfolge in der gegenseitigen Bindungsweise der das
Molekül zusammensetzenden Elementaratome,
die Art der Verkettung der
Atome oder die
Struktur des Moleküls, ermittelt worden ist, bedient man sich der
Strukturformeln.
Dieselbe ist für den
Weingeist
^[img]
oder
^[img]
d. h. ein
MolekülWeingeist besteht aus zwei miteinander verbundenen vierwertigen
Kohlenstoffatomen, deren eines weiter mit
drei
AtomenWasserstoff vereinigt ist, während das andere außer zwei Wasserstoffatomen noch ein
Atom des zweiwertigen Sauerstoffs
bindet, welch letzteres weiter mit noch einem Wasserstoffatom in
Verbindung steht. In einer solchen
Strukturformel sind alle
möglichen rationellen
Molekularformeln des Moleküls gleichzeitig enthalten, denn die
Strukturformeln der
obenerwähnten
Derivate
des
Weingeistes sind
Die
Strukturformel soll daher ausdrücken, welche Elemente und in welcher Anzahl und gegenseitigen Bindungsweise die
Atome
derselben das
Molekül der
Verbindung zusammensetzen.
Industrie, derjenige
Teil der
Industrie, der sich mit der Herstellung der
«Chemischen Präparate» (s. d.) beschäftigt.
Einige der hierher gehörenden Erwerbszweige, z. B. die Herstellung von Seife, Öl, Leim,
von Gerbstoffen, Harzen
u. dgl. sind uralt, ein großer
Teil verdankt dagegen erst den wissenschaftlichen Forschungen
der theoretischen und praktischen Chemiker der letzten Jahrhunderte und Jahrzehnte seine Entstehung. Die Chemische Industrie hat
sich in allen Kulturstaaten außerordentlich entwickelt, wenn auch nach dem Princip der
Arbeitsteilung das eine Land sich
in dieser, ein anderes in jener chem.
Branche besonders auszeichnet.
Deutschland
[* 3] behauptet hierin eine hervorragende
Stellung. Nach den Aufzeichnungen der
Berufsgenossenschaft
für Chemische Industrie waren 1892 in
Deutschland 5393 chem. Fabriken mit 102 101
Arbeitern vorhanden, denen an Jahreslohn 89,8 Mill. M.
gezahlt wurden. Außerdem zählte die
Berufsgenossenschaft derGas- undWasserwerke, von denen die erstem zu den chem. Fabriken
gerechnet werden können, über 1100 Betriebe mit 25000
Arbeitern und 24,3 Mill. M. Jahreslöhnen. An
Rohstoffen der Chemische Industrie (Salpeter,
Weinstein, Schwefel,
Droguen, Farbholz, Harzen, Gerbstoffen u. s. w.) sowie an chem.
Fabrikaten
(Alkalien, Säuren,
Salzen, ätherischen Ölen, Leim, Lacken, Zündwaren,
Farben, Seifen u. s. w.) wurden 1892 in
Deutschand ^[richtig:
Deutschland] eingeführt: 11 067 208 Doppelcentner im Werte von 249 723000 M. (vorwiegend
Rohstoffe), ausgeführt 6 508 240 Doppelcentner im Werte von 285 396000 M. (vorwiegend Fabrikate). In
Österreich-Ungarn
[* 4] betrug
für chem. Produkte,
Kerzen, Seifen und Zündwaren (also ohne Rohstoffe) die Einfuhr 85 922, die Ausfuhr 168 359 Doppelcentner.
- Gleichfalls für chem. Produkte führten 1892 ein:
Frankreich für 97 Mill.
Frs.,
Großbritannien
[* 5] für 14 783 325 Pfd.
St., während die Ausfuhr 94 Mill.Frs.
bez. 12 368 574 Pfd. St. betrug. Hierbei ist jedoch nicht zu übersehen, daß in den
vorgenannten
Ländern die Handelsstatistik den
Begriff der chem. Produkte bald enger, bald weiter faßt.
Laboratorien nennt man die Arbeitsstätten der Chemiker. Dieselben dienen entweder
Lehr- und Forschungs-
oder Erwerbszwecken. In gerechter Würdigung des Einflusses, den die
Chemie auf sämtliche Naturwissenschaften ausübt,
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
sind gegenwärtig in Deutschland alle höhern Lehranstalten mit zum größten Teil mustergültig eingerichtetenChemische Laboratorien ausgestattet,
welche die Aufgabe haben, die Lernenden in die Wissenschaft einzuführen und sie zu der Fähigkeit eigener Forschung auszubilden.
Außer den Laboratorien der öffentlichen Lehranstalten giebt es eine große Anzahl von Privatlaboratorien, deren Inhaber
sich die Aufgabe stellen, gegen Entgelt chem. Untersuchungen der verschiedensten Art auszuführen,
und die vielfach von Gewerbtreibenden, Kaufleuten und Fabrikanten benutzt werden, um Auskunft über die verschiedensten Gegenstände
des täglichen Lebens zu erhalten. Für gerichtliche Untersuchungen bedarf der Chemiker der behördlichen Konzession und wird
vereidigt.
Da dieChemische Laboratorien den verschiedensten Zwecken zu dienen haben, so müssen ihre
Einrichtungen diesen Zwecken angepaßt sein; ein für Lehrzwecke dienendes Laboratorium
[* 7] bedarf einer ganz andern Ausrüstung
als das einer Zuckerfabrik, dieses einer andern wie das einer Sodafabrik u. s. f. Es lassen
sich daher keine allgemein gültigen Normen aufstellen; dasjenige, was für das eine Laboratorium nötig
ist, ist für ein anderes überflüssig. Ein mustergültig eingerichtetes Universitätslaboratorium ist das 1868 von Kolbe
in Leipzig
[* 8] errichtete, in dem alle notwendigen Einrichtungen in zweckmäßigster Weise vereint sind und bei dessen Konstruktion
keine Kosten gescheut wurden, durch die Nützliches hätte geschaffen werden können, während andererseits aller unnötige
Luxus vermieden ist.
Die vorstehende
[* 2]
Fig. 1 stellt einen Grundriß des Erdgeschosses,
[* 2]
Fig. 2 einen
Grundriß des obern Stockwerks dar. Die Tafel: Chemisches Laboratorium giebt in
[* 2]
Fig. 1 die Ansicht eines Arbeitstisches zu vier
Plätzen, in
[* 2]
Fig. 2 eine Ansicht eines der großen Arbeitssäle im obern Stockwerk. Im Grundriß des Erdgeschosses
liegen drei große Arbeitssäle für Anfänger A, A' undB;
C ist offene Halle
[* 9] mit Fensterverschluß, D offene Halle zum Arbeiten
mit Chlor und andern giftigen Gasen, E Raum zum Arbeiten mit Schwefelwasserstoff;
letzteres Gas wird im Keller entwickelt und
den einzelnen, gut ventilierten Kapellen durch eine Röhrenleitung zugeführt. F Arbeitszimmer der Assistenten,
G Vorratskammer, H Kammer zur Aufbewahrung der Reagentien, J Wagenzimmer, auch für mikroskopische Untersuchungen, Luftpumpen
[* 10] u. s. w., K Feuerraum mit Schmelzöfen u. dgl., L Garderobe für die Praktikanten des Laboratoriums, L' desgleichen
für den großen Hörsaal M, N Vorbereitungszimmer für die in den Vorlesungen anzustellenden Experimente, N'
Vorzimmer, O Saal für die Sammlungen, P kleineres Auditorium, QQ', RR', SS' Wohnungen für drei Assistenten, T dunkles Zimmer
für Spektralanalyse,
[* 11] U V W X Y Z zur Wohnung des Direktors gehörige Räume.
Im obern Stockwerk
[* 2]
(Fig. 2), dessen Räume für die Arbeiten der bereits weiter vorgeschrittenen Studierenden
bestimmt sind, sind A, A' und B die Arbeitssäle, C offene Halle mit Fenstern versehen, D offener Dachraum zum Arbeiten im Sonnenlicht,
E Schwefelwasserstoffraum, F Arbeitszimmer der Assistenten, G Raum zum Erhitzen von explodierbaren Röhren,
[* 12] H Reagenskammer,
J Zimmer für Luftpumpen, K für Wagen, L Raum für Elementaranalysen, M Garderobe, N, O und P Privatlaboratorium
des Direktors, Q Raum für Spektralanalyse und Photometrie,
[* 13] R Bibliothek, S Zimmer für Gasanalyse. Die Räume T bis Z gehören
zur Wohnung des Direktors.
Dazu kommen noch in dem hohen Kellergeschoß Räume für Dampfkessel,
[* 14] Schmelz- und Feuerarbeiten, Vorräte und für besondere
chem. Arbeiten. Die Zahl der in diesem Laboratorium in letzter Zeit unterrichteten studierenden Praktikanten
beträgt zwischen 175 und 190. Der Unterricht wird vom Direktor und sechs staatlich angestellten Assistenten geleitet.