Kartäusermönchen bezogen. Eingeweiht wurde die Certosa 3. Mai 1497, doch dauerte der
Bau bis 1542 und im 17. Jahrh. wurden noch
einige Anbauten gemacht. 1782 hob
KaiserJoseph II. das
Kloster auf; 1843 wurde es den Mönchen wieder übergeben, ist aber
jetzt ganz aufgehoben und das
Gebäude zum Nationaleigentum geworden. Die
Kirche, in Form eines dreischiffigen
lat. Kreuzes erbaut, ist 77 m lang und 54 m breit; an der rechten Seite befinden sich sieben,
an der linken sechs Kapellen, zwei an den
Enden des Querschiffs, eine größere mit dem Hauptaltar am obern Ende des Hauptschiffs,
während eine großartige
Kuppel sich auf 10 schlanken Pfeilern über dem Centrum des Kreuzes wölbt.
Die prachtvolle Façade, deren
Entwurf von Ambrogio
Borgognone (da
Fossano) aus dem J. 1473 stammt, gehört zu den glänzendsten
Werken der
Frührenaissance. Ganz in weißem Marmor ausgeführt, ist sie überreich mit
Skulpturen geschmückt; so zieren schon
den
Sockel Reliefs undMedaillons und sind die Mittelstützen der Fenster als reiche Kandelaber
[* 2] gestaltet.
Dazu kommen in den
Nischen zahlreiche
Statuen (s.
Tafel:
Italienische Kunst II,
[* 1]
Fig. 6). Denselben Überreichtum an Bildwerken,
die sich alle durch Zartheit und sinnvolle
Anmut auszeichnen, gewähren auch verschiedene Monumente im Innern der
Kirche.
Unter den Bildhauern, die für die Ausschmückung der Certosa wirkten, befinden sich auch
Andrea Fusina und
AntonioAmadeo, der im
Verein mit Giacomo della
Porta und andern das Grabmal des
Stifters nach dem
Entwürfe von Galeazzo Pellegrini
(1490) ausführte. Ferner enthält die Certosa die Grabmäler des Lodovico
Moro und seiner Gemahlin
Beatrice d'Este. DieWände
der Kapelle, in welcher der prachtvolle Hauptaltar (1510) steht, sind von
Dan. Crespi 1630 mit Fresken geschmückt.
In der neuen
Sakristei befindet sich eine Himmelfahrt Mariä von
Andrea Solario, in einer der Kapellen die Kreuzigung Christi
von Ambrogio
Borgognone (1490). Von Bedeutung sind ferner die Klosterräume;
der große Kreuzgang mißt 125 und 102 m;
seine 128
Arkaden (23 zu 48) ruhen auf Marmorsäulen;
an den drei Seiten liegen die 24 Zellenhäuschen, je mit drei Zimmern
und einem Gärtchen.
Vgl. Die Certosa bei Pavia (20 photograph. Originalaufnahmen von A.
Noack in Genua,
[* 3] Lpz. 1882). -
2) Certosa di
Val d'Ema, ungefähr 4 km südlich von
Florenz,
[* 4] 1341 von Niccolò
Acciajuoli gegründet, enthält
die prachtvollen Grabmäler der Familie
Acciajuoli (s. d.), darunter das des
Stifters Niccolò von Orcagna (1366), und im Kapitelsaal
eine treffliche Freske:
Christus am Kreuz
[* 5] (1505) von M.
Albertinelli.
(spr. tsche-),GiuseppeAntonio Gioachimo, franz. Schriftsteller, geb. zu
Turin,
[* 8] war Professor am Jesuitenkollegium zu
Lyon.
[* 9] Als
Anhänger der Revolution gab er in
Paris
[* 10] die einflußreiche gemäßigte
Wochenschrift «La feuille villageoise» und verschiedene
Broschüren heraus. Nach dem
Tode seines Gesinnungsgenossen
Mirabeau
trat er in die Legislative und starb Bekannt ist seine
«Apologie de l'institut et de la doctrine
des Jésuites» (Par. 1762; neue Ausg. 1846). Seine «Œuvres
diverses» (3 Bde.) erschienen zu
Paris 1793.
Saavēdra,Miguel de, einer der größten span. Dichter, wurde wahrscheinlich zu
Alcala de Henares
geboren. Seine Eltern, Rodrigo de Cervantes (gest. 1579) und Leonor de Cortinas, gehörten
dem kleinen
Adel an und lebten in beschränkten Verhältnissen. Die Familie siedelte bald nach Madrid
[* 12] über. 1568 veröffentlichte dort der
Humanist Lopez de Hoyos einen
Band
[* 13] Epicedien auf den
Tod der Königin Elisabeth, an denen
sein
SchülerMiguel de Cervantes mit sechs kleinen Gedichten beteiligt war; im selben Jahre wurde dieser wegen eines Streithandels
ausgewiesen. 1569 begleitete er den spätern Kardinal
Aquaviva als Kämmerling nach
Italien,
[* 14] 1570 befand
er sich auf der Flotte, die Nikosia entsetzen sollte, 1571 als freiwilliger Gemeiner an
Bord der Marquesa in der Seeschlacht
von
Lepanto.
Schwere Verwundungen, deren eine ihm die linke
Hand
[* 15] verstümmelte und den
Arm lähmte, hielten ihn nicht ab,
Don Juan 1572 vor
Tunis,
[* 16] 1573 vor Goleta und 1574 bei dem Zug
nach Genua zu folgen, bis er sich Ende 1575 wieder nach
Spanien
[* 17] einschiffte.
Die Galeere wurde von einem algier. Kreuzer nach hartnäckigem
Widerstand genommen; den Empfehlungsschreiben
DonJuans und des
Herzogs von Sessa, die Cervantes bei sich führte, verdankte er die
Erhaltung seines Lebens; zugleich aber knüpfte
sich daran die Forderung eines unmäßigen
Lösegeldes.
Eine erste, zu geringe
Summe, welche die Familie aufbrachte, diente zur
Befreiung seines
Bruders Rodrigo, während er selbst
mit außerordentlicher Kühnheit und
Beharrlichkeit Pläne zur Flucht, ja zur Überrumpelung der Stadt ins Werk
zu setzen versuchte. Erst am gelang die
Auslösung. Cervantes diente nun in
Portugal und gegen die
Azoren, fand dann zeitweilige
Verwendung in Rentengeschäften des Ritterordens von Santiago. Derartige
Kommissionen schafften ihm von da ab seinen Lebensunterhalt
neben seiner litterar.
Thätigkeit. Diese eröffnete er jetzt mit dem Schäferroman «Galatea»,
der Febr. 1584 die Druckerlaubnis erhielt, 1585 erschien. Cervantes begann in einem
Alter zu schreiben, in dem die früh entwickelten
südl.
Talente meist schon auf ihrem Höhepunkt stehen. Wo er sich gegebenen
Mustern anschließt, hemmt ihm der
Mangel an
Technik
die
Freiheit der
Bewegung und er bleibt hinter dem zurück, was wir, auch in einer seinem Wesen nicht entsprechenden
Form, von seiner Begabung und Erfahrungsfülle erwarten könnten. Sein Schäferroman zeigt alle Mängel der Stilgattung und
entschädigt kaum in Einzelheiten den heutigen
Leser. Die der Vermutung nach darin gefeierte Hirtin Catalina de Palacios (gest.
1626) war seine Gattin geworden.
Von Esquivias, ihrem Heimatsort, wandte Cervantes sich bald nach Madrid und brachte dort, nicht ohne Beifall, eine
Reihe von Schauspielen zur Aufführung, von denen «Los tratos de
Argel» und die bedeutende «Numancia» erhalten, von sieben
weitern nur die
Titel bekannt sind, der Rest spurlos verschwunden ist. Das alles überglänzende Auftreten
Lopes de
Vega ließ ihn die Feder niederlegen, zumal nun auch die
Sorge für
Mutter und Schwestern auf ihm lag. 1588-93 diente
er in Sevilla
[* 18] als
Kommissar unter den Proveedoren der ind. Flotte,
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
erhielt dann den königl. Auftrag, rückständige Abgaben von Städten des Königreichs Granada
[* 20] einzuziehen - die einzige Gnade,
welche Philipp II. seinen Verdiensten, Wunden, Bitten und Empfehlungen gewährt hat. Als im folgenden Jahre die wenig dankbare
Aufgabe beendet war, blieb ein verhältnismäßig unbedeutender Fehlbetrag, allem Anschein nach erwachsen aus der erheblichen
Differenz zwischen der vorausgesetzten und der wirklichen Dauer des Mandats. Cervantes wurde deshalb von der Rechnungskammer bei jeder
neuen Revision angefochten, 1597 selbst gefänglich eingezogen.
Sein Aufenthalt blieb 1596-1600 und vielleicht bis 1603 fortdauernd Sevilla, wo er, wie auch später in Valladolid und Madrid,
als Sachwalter für Private thätig gewesen zu sein scheint. Was über ein längeres Verweilen in der
Mancha, eine Gefangenhaltung in Argamasilla erzählt wird, sind Konjekturen und Fabeln. Seine Übersiedelung nach Valladolid
(1601-6 Residenz) dürfte 1603 zum Zweck persönlicher Verantwortung vor der Rechnungskammer erfolgt sein. 1604 erhielt er
dort die Druckerlaubnis für den 1. Teil des «Don Quixote», der wahrscheinlich schon 1597 im Kerker von
Sevilla begonnen war, 1605 herausgegeben und im selben Jahre dreimal nachgedruckt wurde.
Die mißgünstige Haltung Lopes de Vega, der sich durch eine gemäßigte Kritik gewisser Schwächen des span. Theaters gekränkt
fühlte, trug jedenfalls dazu bei, daß der Dichter die materiellen Früchte seines großen Erfolges nicht
erntete. In den nächsten Jahren hören wir sehr wenig von Cervantes. Die Akten eines Prozesses, worin ihn das span. Rechtsverfahren
mit aller ihm eigenen Brutalität verwickelte, weil er einen im Duell tödlich Verwundeten aufgenommen hatte, gewährt interessante
Einblicke in sein Haus und dessen beschränkte Verhältnisse.
Die Erwähnung einer natürlichen Tochter Isabella hat zu einer Reihe von Fabeln Veranlassung gegeben. 1608 forderte
ihn die Rechnungskammer neuerdings vor sich und veranlaßte so vielleicht seine Übersiedelung nach Madrid, wo er 1609 einer
frommen Bruderschaft beitrat. 1613 erschienen seine Novellen («Novelas ejemplares»);
die Approbation datiert von 1612, einzelne sind jedenfalls schon Jahre vorher niedergeschrieben. IhreAufnahme
stand der des «Don Quixote» wenig nach. 1614 folgte «El viage del Parnaso», eine poet.
Darstellung der zeitgenössischen Litteraturverhältnisse; 1615 eine Sammlung von acht neuen, Lope nachgeahmten Schauspielen
und acht höchst lebendigen Zwischenspielen; in demselben Jahre, beschleunigt durch die UsurpationAvellanedas, eines pseudonymen
Schriftstellers, der 1614 eine Fortsetzung des «Don Quixote» veröffentlicht hatte, erschien der 2. Teil
dieses Romans. Im Vorwort dazu spricht er von seiner wankenden Gesundheit. Die Wassersucht führte ihn langsam der Auflösung
entgegen. Am empfing er die Letzte Ölung, schrieb am folgenden Tage die rührende Widmung des Reiseromans «Persiles
y Segismunda» an den Grafen von Lemos, am 23. April trat der Tod ein. Die Beisetzung erfolgte, nach seinem Wunsch, im Konvent der
Trinitarianerinnen. Den «Persiles» veröffentlichte seine Gattin im folgenden
Jahre; von einigen Werken, die noch seine letzten Tage beschäftigten, dem zweiten Teil der «Galaatea» und «El famoso Bernardo»,
ist nichts erhalten, vielleicht aber ein Bruchstück der «Semanas del Jardin»
in der in unserm Jahrhundert ans Licht
[* 21] gekommenen Novelle «La tia fingida».
Die Unterstützungen, die der
Dichter in den letzten Jahren von dem Grafen von Lemos und dem Erzbischof von Toledo
[* 22] erhielt,
waren von bescheidener Art. Manche der durch die neuere Forschung ans Licht geförderten Daten erzählen
von Sorge und Bedrängnis, erhöhen aber alle zugleich die Achtung vor dem Seelenadel des Dichters, vor der Großherzigkeit
und dem Mut, die ihn in keiner Lebenslage verlassen, seiner ungetrübten Milde und Heiterkeit, tiefen Gerechtigkeit und der
edlen Einfalt seiner Selbstbeurteilung.
Die Tragödie «Numancia», die reizenden Zwischenspiele und «Die
Reise zum Parnaß» würden für sich Cervantes einen Namen in der span. Litteraturgeschichte geben; auch der «Persiles»
wird nur deshalb gering geachtet, weil man von Cervantes etwas Besseres erwartet. Auf «Don Quixote» und den Novellen beruht seine
Stellung in der Weltlitteratur, auf ihnen baute sich die Prosadichtung auf; als Vorbilder nehmen
sie noch heute die ersteStelle in der Gattung ein. Zu Beginn des «Don Quixote» war nur die Verspottung der Ritterbücher beabsichtigt.
Dann gewann Cervantes seinen Helden lieb, vertiefte den Charakter und die Handlung und erschuf in der Darstellung des Gegensatzes
zwischen Idealismus und Wirklichkeit den humoristischen Roman. Den Realismus hatte der Schelmenroman in
die Prosaerzählung eingeführt, bei Cervantes wurde er durch die Verbindung mit dem Ethos und dem Seelenleiden des Dichters geadelt.
Butlers «Hudibras», Wielands«Don Sylvio» sind direkte Nachbildungen, beide in ihren Ländern die Ausgangspunkte einer langen
Reihe ähnlicher Werke. Nicht weniger weittragend ist der Einfluß der Musternovellen gewesen. Unter
ihrer unmittelbaren Einwirkung steht z. B. E. T. A. Hoffmann undL.Tieck.
Von den Ausgaben und Übersetzungen können nur die wichtigsten genannt werden, als Gesamtausgabe die von Argamasilla (12 Bde.,
1864); in der «Biblioteca de autores españoles» fehlt das Theater.
[* 23] Von den unzähligen des «Don Quixote»
die Londoner (1738, mit Biographie von Mayans);
die der Akademie (4 Bde., Madr. 1780; mit
der «Vida» Navarretes, 5 Bde.,
ebd. 1819);
diejenigen Pellicers (5 Bde., ebd. 1797, und 9 Bde.,
ebd. 1798-1800, mit fleißiger Biographie);
die kommentierte Clemencins (6 Bde., ebd. 1833-39),
als Handausgabe die der Leipziger «Coleccion de autores españoles» (2 Bde.,
1891).
Die älteste unter den Übersetzungen war die englische Sheltons (Lond. 1612-20);
ihr folgt die französische Oudins 1616 (1681
die Filleaus de Samt Martin);
die italienische Franciosinis 1622-25;
eine deutsche Bearbeitung «Don Kichote
de la Mantscha, das ist Juncker Harnisch aus Fleckenlandt» (Köthen
[* 24] 1621, Hofgeismar 1648 und Frankf. 1669);
eine andere nach
der franz. Übersetzung Filleaus (1682 u. ö.);
die beste von Braunfels in der «Collection Speemann» (4 Bde.,
Lpz. 1883).
Die Musternovellen u. a. ebenda von Keller und Notter (1881),
von Baumstark (1868). Die «Numancia» im «Span. Theater»
von A. W. von Schlegel (1803-9; 2. Aufl. 1845); die Zwischenspiele von Kurz in Rapps «Span. Theater» (Bd. 2, 1868); vier derselben
in Schacks«Span. Theater» (Tl. 1, 1845). -
Vgl. Dorer, Die Cervantes-Litteratur in Deutschland
[* 25] (Lpz. 1877);
ders., Cervantes und seine Werke nach deutschen Urteilen.
Mit einem Anhang: Die Cervantes-Bibliographie (1881).
Ein
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
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