Verbindung, keine organische Form, kein zelliges Gebilde, das nicht in dem normalen Laufe des Lebens etwas
Analoges hätte.
Denn alle krankhaften Vorgänge beruhen auf Umbildungen oder Rückbildungen oder am unrechten Ort oder zur unrechten Zeit
stattfindenden Wiederholungen typischer physiol. Gebilde, und zwar können diese
Veränderungen nicht bloß einseitig vom
Blut oder vom
Nervensystem, sondern von allen Organen und Organgruppen ausgehen, in denen sich lebensfähige
Zellen finden. Die cellulare
TheorieVirchows, welche unstreitig einen wesentlichen Fortschritt der neuern wissenschaftlichen
Medizin darstellt, gipfelt somit in dem
Satze, daß die Pathologie auf physiol. Grundlagen ruht. (S.
Krankheit.)
oder Zellhorn, ein 1869 von Hyatt in Newark im
Staate Neujersey zuerst dargestellter
Stoff, der, nach mannigfacher
Vervollkommnung, gegenwärtig zur Herstellung zahlreicher
Artikel dient, die sonst aus
Horn, Hartgummi, Elfenbein,
Korallen
[* 2] u. s. w. angefertigt wurden. Es besteht aus einem Gemenge von
Nitrocellulose und
Kampfer. Von den verschiedenen
Nitrocellulosen
(s.Schießbaumwolle) ist nur die in
Äther-Alkohol lösliche und hiernach als Kollodiumwolle bezeichnete
Form brauchbar.
Als Rohmaterial für die Bereitung derselben läßt sich jede möglichst reine
Cellulose verwenden, doch wählen die Fabrikanten
dazu mit Vorliebe möglichst feines Seidenpapier. Dasselbe wird in besondern
Maschinen zu kleinen Fetzen zerrissen, diese
kommen in ein Gemisch von 5
Teilen konzentrierter Salpetersäure und 2
Teilen Schwefelsäure
[* 3] und werden,
nachdem die Nitrierung erfolgt ist, mit Wasser bis zur Beseitigung jeder
Spur von Säure gewaschen, worauf die
Masse einem
starken Druck ausgesetzt wird, um die Feuchtigkeit möglichst zu entfernen.
Die
Verbindung mit dem
Kampfer wird auf verschiedene
Weise bewirkt. Nach dem amerik.
Verfahren wird die
Nitrocellulose
(2
Teile) noch naß mit dem
Kampfer (1
Teil) durch
Mahlen und
Walzen innig vermischt, wobei zugleich die nötigen Farbstoffe,
Zinkweiß,
Zinnober
[* 4]
u. dgl. zugesetzt werden, die gemischte
Masse kommt nach dem
Trocknen in Formen unter den Druck einer hydraulischen
Presse
[* 5] und wird hierbei zugleich einer
Temperatur von 130° C. ausgesetzt. Abweichend hiervon wird in europ.
Fabriken gearbeitet.
In der Fabrik von Magnus in
Berlin
[* 6] wird die trockne
Nitrocellulose mit ihrem doppelten Gewicht
Äther übergossen und dann mit
Kampfer in dem obigen Verhältnis vermischt. Unter häufigem Umrühren entsteht allmählich eine durchscheinende, gallertartige,
klebrige
Masse. Diese wird zwischen
Walzen so lange bearbeitet, bis sie plastische Eigenschaften zeigt,
und dann zu Platten ausgerollt, die der Luft ausgesetzt werden, bis sie einen gewissen
Grad von Härte zeigen; dies geschieht
um so rascher, je dünner sie gewalzt sind, bei einer
Stärke
[* 7] von 10
mm sind 10
Tage dazu erforderlich.
Die gehärteten Platten werden noch zwischen Zinkblechen, die mit erwärmten Eisenplatten abwechselnd geschichtet werden,
in einer hydraulischen
Presse starkem Druck ausgesetzt. Auch in der Fabrik zu Stains bei
Paris
[* 8] befolgt man ein ähnliches
Verfahren
wie in
Berlin, nur verwendet man dort statt des
Äthers Holzgeist. - Das ungefärbte Celluloid hat das Aussehen
von blankem
Horn, ist schwach durchscheinend und sehr elastisch, hart, fest, fast unzerbrechlich und läßt sich auf gleiche
Weise wie
Horn
bearbeiten. Es riecht sehr schwach nach
Kampfer.
Beim Erwärmen in kochendem Wasser kann es in jede beliebige Form gebracht werden, die erwärmten
Stücke lassen sich
durch Zusammendrücken vereinigen oder mit Metallen verbinden.
Beim Entzünden an einer offenen Flamme
[* 9] brennt Celluloid mit rußender
Flamme unter
Verbreitung eines
Geruchs nach
Kampfer; bei Berührung mit einem glühenden Körper verglimmt es völlig ruhig.
Obwohl es die
Bestandteile der Schießbaumwolle enthält, so ist doch die Explosionsgefahr durch die Bereitung fast
gänzlich beseitigt; indes ist immerhin Vorsicht zu empfehlen. Man stellt aus Celluloid her: Billardkugeln, Spielsachen,
Messergriffe, Bürstenrücken, Kämme, künstliche Gebisse und unzählige Galanteriewaren, jetzt auch Clichés von Holzschnitten
und Schriftsatz, ferner Wäscheartikel, Kragen und
Manschetten. -
Holzfaserstoff, Zellstoff, Lignose, ein organischer
Stoff, dessen Zusammensetzung wahrscheinlich
ein Vielfaches von C6H10O5 ist. Sie ist demnach isomer mit
Stärke, Dextrin,
Gummi und verwandten
Substanzen. Die Cellulose ist der Hauptbestandteil aller pflanzlichen Zellwandungen und der
Ablagerungen, die beim Verholzungsprozeß
daraus gebildet werden. Sie ist nirgends völlig rein, sondern von Farbstoffen, Harzen, Fetten,Gummi,
Stärke,
Eiweißstoffen und
Salzen begleitet. Am reinsten findet sie sich in der
Baumwolle
[* 11] und in jüngern Pflanzenteilen.
Alle aus Pflanzenfasern hergestellten Fabrikate, wie Leinwand, Baumwollstoffe, Papier, bestehen daher größtenteils
aus Cellulose. Im
Tierreiche wurde es schon vor geraumer Zeit im Mantel der Seescheiden, neuerdings auch in den Hüllen derGliedertiere
nachgewiesen. Seine Gegenwart in der
Haut
[* 12] der Schlangen
[* 13] scheint zweifelhaft. Zur
Darstellung der Cellulose behandelt man die betreffenden
Pflanzenprodukte (am besten
Watte oder schwed. Filtrierpapier) der Reihe nach mit verdünnter Kalilauge, verdünnter
Salzsäure, Wasser,
Weingeist und
Äther, wobei alle Beimengungen (inkrustierende
Substanzen) entfernt werden und Cellulose als amorphe
weißeMasse zurückbleibt.
Die reine Cellulose ist unlöslich in Wasser,
Weingeist und andern Lösungsmitteln, löst sich aber in ammoniakalischer Kupferoxydlösung
unter vorherigem Aufquellen allmählich
auf und wird aus dieser Lösung durch Säuren,
Alkohol und Zuckerlösungen unverändert
wieder gefällt. Trotz ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Säuren wird die Cellulose in den Nahrungsstoffen von
Tieren reichlich
und vom
Menschen in merklicher Menge verdaut. An der Luft ist reine Cellulose unveränderlich, im natürlichen Zustande
indes, wo sie mit stickftoffhaltigen
Stoffen verunreinigt ist, wie im Holz,
[* 14] wird sie an feuchter Luft langsam oxydiert und
zerfällt in braunen Moder. In konzentrierter Schwefelsäure löst sich die Cellulose; auf Zusatz von
Wasser zu dieser Lösung scheidet sich ein stärkeähnlicher Körper
(Amyloid) aus.
Bei längerer Einwirkung von konzentrierter Schwefelsäure in der Kälte entsteht Dextrin.
Beim Erwärmen mit konzentrierter
Schwefelsäure wird die Cellulose unter Schwärzung völlig zerstört, beim
Kochen mit verdünnter Säure entsteht
Traubenzucker,
den man nach der Neutralisation der Lösung mit Kreide
[* 15] in Gärung versetzen und in
Alkohol verwandeln
kann. Taucht man Filtrierpapier einige Sekunden in kalte konzentrierte schwefelsaure und wäscht dann mit Wasser aus, so
erleidet die Cellulose durch Quellung eine
¶
mehr
Veränderung, welcbe sie der tierischen Haut ähnlich macht (vegetabilisches Pergament). Bei der Einwirkung kalter konzentrierter
Salpetersäure oder eines Gemenges von Salpetersäure und Schwefelsäure entstehen Salpetersäureester, sog.
Nitrocellulosen, die je nach der Einwirkungsart stärker oder schwächer nitriert sind. Die schwächer nitrierten Nitrocellulosen,
z. B. Tetranitrat, C12H14O6(ONO2)4, lösen sich in einem Gemisch von
Äther mit wenig Alkohol auf (s. Kollodium), die stärker nitrierte Hexanitrocellulose, C12H14O4(ONO2)6, ist
unlöslich und wird Schießbaumwolle (s. d.) genannt.
Bei der Destillation
[* 17] unter Luftabschluß zersetzt sich die Cellulose unter Hinterlassung von Kohle und Verflüchtigung von Methylalkohol
(Holzgeist), Ameisensäure, Essigsäure (Holzessig), Kohlenwasserstoffen, Kreosot u. s. w., welch letztere Bestandteile des Holzteers
sind. (Vgl. Holzstoff.)
[* 18] Technische Verwendung findet die Cellulose in den verschiedensten Formen; die Gespinstfasern,
[* 19] Baumwolle, Lein, Hanf sind fast reine Cellulose, ebenso das daraus bereitete Papier. Die aus Holz dargestellte Cellulose ist
seit etwa 1865 ein wichtiges Rohmaterial für die Fabrikation besserer Papiere geworden, nachdem das auf mechan.
Wege zerteilte Holz, der Holzschliff, sich nur für grobe Papierarten tauglich erwiesen hat.
Zur Darstellung der Holzcellulose sind vielfache Vorschriften gegeben worden, von denen sich besonders zwei als praktisch
nutzbar erwiesen haben, das Natronverfahren und das Sulfitverfahren. Bei dem Natronverfahren wird das zu kleinen Stücken zerschlagene
Holz, vorzugsweise Nadelholz, mit Ätznatronlauge in geschlossenen eisernen Kesseln erhitzt, bis eine Dampfspannung
von 6 bis 10 Atmosphären erreicht ist. Dabei wird alles im Holz enthaltene Harz und die inkrustierende Substanz gelöst, während
die Cellulose nicht oder nur wenig angegriffen wird.
Zweckmäßig verbindet man dabei eine Anzahl von Kochapparaten so untereinander, daß die gebrauchte Lauge mit frischem Holz,
dagegen die schon nahezu fertige Cellulose mit frischer Lauge zusammengebracht werden kann. Die mir den löslichen
Stoffen beladene Lauge wird endlich eingedampft und der Rückstand im Flammofen geglüht, um das Natron wiederzugewinnen. Das
Holz braucht, nachdem es durch Waschen von der aufgesogenen Lauge befreit ist, nur noch im Kollergang,
[* 20] Stampfwerk
oder Holländer gemahlen zu werden, um dann als Halbzeug an Papierfabriken abgegeben zu werden. Bei dem Sulfitverfahren (Mitscherlich)
erfolgt die Zerstörung der Lignite und Harze durch Kochen in wässriger schwefliger Säure oder in einer Lösung von unterschwefligsaurem
Kalk in einer solchen Säure. Das Sulfitverfahren hat sich in den meisten Fällen als vorteilhafter erwiesen
als das Natronverfahren, sodaß jetzt meist mit Sulfitlauge gekocht wird. Das Wiedereindampfen der Kochlauge unterbleibt hier.
- Die Fabrikation von Cellulose hat sich rasch entwickelt und ist anscheinend noch im Zunehmen; 1890 wurde in Deutschland
[* 21] an chemisch
bereitetem Holzstoff und Strohstoff, Esparto und anderm Faserstoff 75 757 Doppelcentner (im Werte von 1 856000
M.) eingeführt, dagegen 381 665 Doppelcentner (im Werte von 10 114000 M.) ausgeführt; 1891 betrug die Ausfuhr 467030
Doppelcentner. -
Vgl. Schubert, Die Cellulosefabrikation (Berl. 1892).