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2) Das eigentliche Canada, noch übliche Bezeichnung für die jetzigen Provinzen Ontario (früher Ober- oder Westcanada) und Quebec (früher Unter-, Nieder- oder Ostcanada). Dieses Stammland des Dominion of Canada ist im allgemeinen ein ausgedehntes Tiefland, das, mit Ausnahme der Halbinsel Gaspe zwischen dem Ästuar des St. Lorenz und der Chaleurbai, ganz zum Gebiet des genannten Stroms gehört. Eigentliche Bergzüge fehlen; nur niedrige Landrücken bilden die Wasserscheiden zwischen den sekundären Becken.
Das Laurentische [* 2] Gebirgsplateau, westlich von der Mündung des Mackenzie in das Eismeer beginnend, umzieht das Becken der Hudsonbai im weiten Bogen [* 3] und trägt in seinem bis 500 m hohen südl. Teile auf dem linken Ufer des St. Lorenz Gipfel, die wie der 1372 m hohe Oxford [* 4] bis 900 m über das Tafelland emporragen. An einigen Stellen des Südrandes, wie an der Nordküste der Georgianbai am Huronsee und am linken Ufer des St. Lorenz oberhalb Montreal, [* 5] fällt das Plateau in wildzerrissenen Steilrändern ab und nimmt dabei Gebirgscharakter an. Mehr den Charakter eines wirklichen Gebirges tragen die zum Appalachensystem gehörenden Bergzüge der im Süden des St. Lorenz gelegenen Gebiete, die sich vom Vorgebirge Gaspe an der St. Lorenzmündung bis zum Grünen Gebirge im Staate Vermont hinziehen und in den Bergen [* 6] von Notre-Dame oder Tschickschacks-Bergen bis 1150 m Höhe erreichen.
Der ganze südl. Teil des Landes, etwa von Montreal ab aufwärts zu beiden Seiten des Stroms zu den Gestaden des Ontario-, Erie- und Huronsees, der einer großen Halbinsel gleicht, bildet eine unabsehbare Niederung, die durch einen kaum die Höhe von 107 m über den Huronsee erreichenden, von der Nottawasagabai aus um die Burlingtonbai nach dem Südufer des Ontario ziehenden und hier im Niagara die großen Stromfälle verursachenden Landrücken in zwei Teile geschieden ist.
Die Berge, welche die Wasserscheide zwischen dem St. Lorenz- und Hudsonbai-Gebiete bilden, sind an ihrem höchsten Punkte nur 465 m hoch. Im eigentlichen Canada verbindet sich mit dem Mangel bedeutender Gebirge ein überraschender Reichtum an Wasser. Der Obere, Huron-, St. Clair-, Erie- und Ontariosee gehören Canada zur Hälfte an. Unter die Nebenströme des St. Lorenz zählen an der Nordseite der Ottawa, St. Maurice, Batiscan, St. Anne, Jacques-Cartier und Saguenay, an der Südseite der Richelieu-Chambly, auch Sorel genannt, Abfluß des Champlainsees, Yamaska, St. Francis, Chaudière (mit malerischem Wasserfall unfern Quebec) und Etchemin. Der Restigouche bildet die Südostgrenze, (über die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse s. die Artikel Quebec und Ontario.)
Vgl. Marshall, The Canadian Dominion (Lond. 1871);
Gray, Confederation of Canada (1872);
Wiedersheim, Canada, Reisebeschreibung und Bericht über die dortigen land- und volkswirtschaftlichen Verhältnisse (Stuttg. 1882);
Maritime provinces of Canada (Bost. 1883);
A. Todd, Parliamentary Government in the British Colonies (Lond. 1880);
Bourinot, Parliamentary Procedure and Parliament in Canada (1884);
Clapin, La France transatlantique (Par. 1885);
Ritchie, To Canada with emigrants (Lond. 1885);
Lemcke, Canada, das Land und seine Leute (Lpz. 1887);
von Hesse-Wartegg, Canada und Neu-Fundland (ebd. 1888);
Bourinot, Federal Government in Canada (Baltimore [* 7] 1889);
Statistical year book of Canada for the year 1890 (Ottawa 1890);
Dilke, Problems of Greater Britain (2 Bde., Lond. 1890);
Roper, By Track and Trail; a journey through Canada (ebd. 1890);
as a field for emigration (Coventry 1891).
Die Geschichte C.s war bis 1867 die Geschichte der beiden jetzigen Provinzen Quebec (s. d.) und Ontario (s. d.). Nachdem zu Anfang des 16. Jahrh. der in franz. Diensten stehende Italiener Giovanni Verazzani das Land unter dem Namen Neufrankreich für König Franz I. in Besitz genommen, machte 1534 und 1535 Jacques Cartier aus St. Malo bedeutendere Entdeckungen. Samuel de Champlain errichtete Handelsposten an verschiedenen Punkten, entdeckte die Seen Champlain, Ontario und Nipissing und legte Quebec an. In den Händen verschiedener Privatunternehmer kam die Kolonie nicht zu rechtem Gedeihen, bis Colbert 1674 die Verwaltung einem vom König ernannten Gouverneur, Rat und Richtern überwies. Im Süden grenzte an Canada die franz. Kolonie Louisiana (s. d. und die Karte: Geschichtliche Entwicklung der Staaten Amerikas, Bd. 1, S. 516), und beide standen in schroffem Gegensatz zu den engl. Ansiedelungen.
Während diese nämlich zum größten Teil von Puritanern und Republikanern bevölkert wurden, war die Besiedelung C.s das Werk monarchisch gesinnter Ritter und streng rechtgläubiger Franziskaner und Jesuiten. Frontenac (das heutige Kingston), Niagara, Duquesne (jetzt Pittsburgh), Detroit, Mackinaw, Vincennes im heutigen Indiana, Kaskaskia in Illinois, St. Louis in Missouri, Natchez, Neuorleans u. a. sollten, als eine Reihe fester Punkte, die engl. Besitzungen umzingeln und an die Küstenstriche bannen.
Die Buchdruckerei wurde verboten, kein Ketzer geduldet, der Boden nach altfranz. Recht in Seigneurien an Kavaliere vergeben, welche die Gerichtsbarkeit übten, über alle Wasserkraft geboten, jedoch Mühlen [* 8] bauen und gegen mäßige Rente (gewöhnlich 2 Sous den Morgen) Grundstücke an Erbpächter verleihen mußten. Die Priester errichteten Indianergemeinden und stifteten Klöster, in denen Unterricht erteilt und ein bedeutender Stand Gebildeter geschaffen wurde, die den Sinn für die Sprache [* 9] und die Überlieferungen der Väter wach erhielten. Die von den Ufern der Loire stammenden Einwohner vererbten ihre Hufen von Geschlecht zu Geschlecht, und bei jeder Teilung wurden die Streifen schmäler, weil jeder Erbe an dem Fluß oder an der Landstraße wohnen wollte. So bildeten sich die langgestreckten Côtes, Häuserreihen, die von den unter ihnen stehenden, zum Teil prächtigen Kirchen die Heiligennamen führen. Diesen Typus hat Untercanada behalten.
In dem engl.-franz. Kolonialkrieg, der dem Siebenjährigen Krieg zur Seite ging, erlag Canada (1759) mehr der Hungersnot und Erschöpfung als den engl. Waffen [* 10] und ging im Frieden von Paris [* 11] an die brit. Krone über. Dem starrsten Altgallicismus setzte nun Georg III. den starrsten Toryismus entgegen. Während man die Befugnis der einseitigen Steuerauflage der Krone reformierte, wurden dagegen die engl. Gesetze (die hochpeinlichen Verordnungen gegen alle Papisten und deren Unfähigkeit zu Ämtern) eingeführt, die höhern Staatsämter an Hofgünstlinge, die in England blieben und ihre Posten durch Schreiber verwalten ließen, verschleudert. Das engl. Kriminalrecht ist seither das herrschende geblieben. Daß die
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Canadier sich gleichwohl am Aufstande der übrigen engl. Kolonien in Nordamerika
[* 13] nicht beteiligten, mag der Quebec-Akte des
J. 1774 zuzuschreiben sein, die nicht allein Religionsfreiheit gewährleistete, sondern dem Klerus Zehnten und Gefälle wiedergab,
die Katholiken amtsfähig machte, canad. Regimenter einrichtete, in denen die Seigneurs avancieren konnten, und die alte
Civilgesetzgebung herstellte, die auch bisher in Kraft
[* 14] geblieben ist. Unzufrieden zog sich die abgesetzte
Tory-Oligarchie in die Wildnis an den Seen zurück und gründete die unter dem Namen des «Familienkompakts» bekannte gesellschaftlich-polit.
Verbrüderung, die jahrelang in diesen Landesteilen geherrscht hat.
Die Trennung des Landes in zwei Provinzen, Untercanada (Quebec) und Obercanada (Ontario), erfolgte 1791. Im ganzen bildete der Ottawa die Grenze zwischen den beiden Provinzen. Obercanada schloß den größten Teil der engl. Kolonisten ein, die von den durch den Unabhängigkeitskrieg aus den Vereinigten Staaten [* 15] vertriebenen Tories bedeutend vermehrt wurden, und war in Counties oder Ridings und Distrikte eingeteilt. Untercanada enthielt den größten Teil der franz. Kolonisten und bestand aus drei Haupt- und zwei kleinen Distrikten, die in eine sich stets vermehrende Anzahl Counties zerfielen.
Jede Provinz erhielt eine Gesetzgebung mit wählbarem Unterhaus und ernanntem Rat und Statthalter. Die Verwaltung wurde in oligarchischer, in Obercanada in bigott-hochkirchlicher, in Untercanada in bigott-prot. Weise geführt. 1812 - 14 suchten die Vereinigten Staaten während des Krieges mit England Canada zu erobern. Durch die militär. Unfähigkeit der amerik. Oberbefehlshaber blieb jedoch das noch sehr sparsam bevölkerte Land siegreich. Als im engl. Parlament 1822 der Antrag gestellt wurde, beide Provinzen wieder zu vereinigen, erhoben die franz. Canadier namentlich in Untercanada heftige Klagen über Begünstigung und Bevorzugung des engl. Interesses.
Noch höher steigerte sich die Unzufriedenheit, als durch die Lehnsakte von 1826 die bisherige Verfassung der Seigneurie aufgehoben wurde. In der Hauptsache hielt sich dennoch das Feudalsystem bis ins J. 1854. Da keine gründliche Reform zu stande kam, so faßte endlich 1836 die Gesetzgebende Versammlung von Untercanada unter der Leitung des beredten Papineau den Beschluß, bloß für die nächsten sechs Monate der Regierung die Steuern zu bewilligen, ihre fernere Erhebung aber von der Bedingung abhängig zu machen, daß das Recht, die gesetzgebende Versammlung zu wählen und die vollziehenden Behörden zur Verantwortung zu ziehen, dem Volke gewährt werde.
Dieselbe Forderung stellten auch die Demokraten Obercanadas, welche, unter William Lyon [* 16] Mackenzies Führung, mannigfache Beschwerden über die Anmaßungen und Bedrückungen von seiten der aristokratischen Partei erhoben. Als das brit. Parlament die Forderungen abschlug, entstand in Quebec Tumult, und die Versammlung von Untercanada verweigerte alle Steuern, bis die Entscheidung des Parlaments zurückgenommen sei. Der Gouverneur löste die Versammlung auf, und es kam (1837), zuerst in Montreal, zu einem Kampfe zwischen beiden Parteien.
Auch in Obercanada entstanden Unruhen, die aber leicht unterdrückt wurden. Infolge dieses Aufstandes wurde auf den Rat des mit der Untersuchung betrauten Lord Durham durch die Akte vom eine neue Verfassung verkündigt. Die Gouvernements Ober- und Untercanada wurden zu einem Gouvernement Canada unter einem Governor-general, dem in Militärangelegenheiten die Gouverneure (Lieutenant-governors) der übrigen vier östl. Provinzen von Britisch-Amerika untergeordnet waren, vereinigt und das ganze Regierungssystem dem englischen nachgebildet. 1847 wurde die Verantwortlichkeit der Regierung in der von England dem Gouverneur Lord Elgin erteilten Anweisung, den Rat seiner Minister anzunehmen, anerkannt. Am ward durch brit. Parlamentsakte die Bestimmung über den ausschließlichen Gebrauch der engl. Sprache widerrufen.
Die Bill, welche zur Entschädigung der während der Ausstände von 1837 und 1838 von Untercanada erlittenen
Verluste auch Obercanada herbeizog, stieß auf den heftigsten Widerstand der von Sir Allan M'Nab geführten toryistischen oder
«sächsischen» Partei, erlangte aber, nach einem Ministerwechsel und einer
Kammerauflösung im März 1849, von der Majorität der engl. Vertreter die Bestätigung. Als die Bill
auch von dem Gouverneur gutgeheißen wurde, brach, wie schon vorher (22. März) in Toronto, noch an demselben Tage zu Montreal der
offene Aufstand aus, bei dem das Parlamentshaus samt Bibliotheken und Archiven durch Brand vollständig zerstört wurde. Seit
dieser Zeit wechselte der Regierungssitz von vier zu vier Jahren zwischen Toronto und Quebec. Als permanente
Hauptstadt bestimmte 1857 die Königin auf Ersuchen der Canadier das halb in Ober-, halb in Untercanada gelegene Ottawa.
In der bis 1860 reichenden Periode wurde das Feudalsystem abgeschafft und der Civildienst reorganisiert, und Canada erhielt von
der brit. Regierung die Vollmacht, eigene Tarife festzusetzen. Da Obercanada trotz seines täglich wachsenden
Übergewichts über Untercanada im Parlament nicht mehr Stimmen als dieses hatte, aber in eine Abänderung der Vertretung
nicht willigen wollte, so suchte jenes auf Umwegen zu einer Verbesserung der polit. Lage zu gelangen und bahnte nach verschiedenen
erfolglosen Versuchen (1856 - 64) endlich die Bildung eines neuen weitern Bundes C.s und der ihm benachbarten
Provinzen an. Die Regierung Großbritanniens kam diesen Bestrebungen entgegen, weil eine festere Vereinigung ihrer sämtlichen
nordamerik.
Besitzungen das einzige Gegengewicht gegen die wachsende Macht der Vereinigten Staaten zu bilden versprach. So machte 1864 das canad. Ministerium selbst den Vorschlag, daß die sechs Kolonien von Britisch-Nordamerika einen Bund schließen, dagegen in ihrer Lokalverwaltung unabhängig bleiben sollten. Der Vorschlag fand vielseitig Anklang, und trat ein Delegiertenkongreß sämtlicher Kolonien in Quebec zusammen und faßte in den berühmten «72 Resolutionen» den Beschluß der Vereinigung, der den gesetzgebenden Versammlungen der einzelnen Kolonien zur Genehmigung vorgelegt wurde.
Obwohl die Prinz-Edward-Insel und Neufundland den Antrag abwiesen, sandten die Regierungen der verschiedenen Provinzen Delegierte nach England, um die Genehmigung der Krone für die von ihnen entworfene gemeinsame Verfassung zu erlangen, und erklärte eine königl. Proklamation das Dominion of Canada mit dem als zu Recht bestehend. Anfangs bildeten die vier Provinzen Ontario, Quebec, Neuschottland und Neubraunschweig den neuen Bund;
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