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deutschen Burschenschaft hervor, die sich über alle Hochschulen Deutschlands [* 2] verbreiten sollte. Über deren Grundlagen einigte man sich schon Ende März 1818 auf einem zu Jena [* 3] gehaltenen «Burschentage», an dem die Abgeordneten von neun Universitäten teilnahmen, indem Liebe zu Volk und Vaterland und Weckung und Erhaltung volkstümlicher Sitte als Grundgedanke dieser allgemeinen Vereinigung ausgesprochen wurde. Auf einem weitern Burschentage in Jena berieten und beschlossen Abgeordnete der Burschenschaft von 14 Universitäten die Konstitution der Allgemeinen deutschen Burschenschaft als «der freien Vereinigung der gesamten wissenschaftlich auf der Hochschule sich bildenden deutschen Jugend zu einem Ganzen, gegründet auf das Verhältnis der deutschen Jugend zur werdenden Einheit des deutschen Volks», indem sie «Einheit, Freiheit und Gleichheit aller Bursche untereinander, Gleichheit aller Rechte und Pflichten, und christlich-deutsche Ausbildung einer jeden geistigen und leiblichen Kraft [* 4] zum Dienste [* 5] des Vaterlandes» als ihre Ziele und Grundsätze aufstellten.
Die Leitung der Geschäfte wurde in die Hände einer einzelnen jährlich neu zu erwählenden Burschenschaft, für 1818 in die Hände der Jenaer, für 1819 in die der Berliner [* 6] gelegt. Bis zum Frühjahr 1819 bestanden bereits Burschenschaft auf fast allen deutschen Hochschulen. In mehrern Burschenschaft bildeten sich engere Vereinigungen, und in diesen kleinern und abgeschlossenen Kreisen war es um so leichter möglich, daß sich bei einzelnen die polit. Aufregung bis zu einem gewissen Fanatismus steigerte.
Nach der Ermordung Kotzebues durch Sand wurde, obgleich die an der Mordthat ihres ehemaligen Mitgliedes in keiner Weise beteiligt war, infolge der Karlsbader Beschlüsse vom Bundestage die Burschenschaft verboten und unterdrückt. Überall wurde sie aufgelöst; in Jena wobei von der an ihren bisherigen Gönner und Schützer Großherzog Karl August als Ausdruck der Dankesgefühle und als Rechtfertigung vor der deutschen Geschichte eine Adresse beschlossen wurde und Binzers Lied «Wir hatten gebauet u. s. w.» entstand.
Auf fast allen deutschen Universitäten wurden weitläufige Untersuchungen wegen sog. demagogischer Umtriebe geführt. Aber schon ein Jahr nach Vollziehung der auf die Karlsbader Beschlüsse gegründeten Bundesbeschlüsse bildeten sich im stillen die frühern Verbindungen an vielen Orten wieder und nahmen nun erst, da sie nicht mehr öffentlich hervortreten durften, auf mehrern Hochschulen den Charakter geheimer und eigentlich polit. Verbindungen an. So entstand z. B. der Jünglingsbund (s. d.). Wiederholte Verbote und geschärfte Strafandrohungen hatten auch diesmal keinen Erfolg.
Schon 1827 wurde ein neuer Verband der [* 7] Allgemeinen deutschen Burschenschaft, mit dem Endziel der zu erstrebenden Einheit Deutschlands, ins Leben gerufen. Derselbe Gegensatz, der sich schon in der Entstehung der engern Vereine innerhalb der größern Verbindungen offenbart hatte, trat jetzt schärfer hervor. Während es der Partei der Arminen, mit ihren christlich-german. Ideen, zunächst nur um ideale Einheit des Vaterlandes und, als Mittel zum Zweck, um ihre eigene wissenschaftliche, sittliche und körperliche Ausbildung für den Dienst des Vaterlandes zu thun war, verfolgte die Partei der Germanen eine mehr praktisch-polit.
Richtung im Sinne einer polit. Einigung Deutschlands. Der Streit zwischen beiden Parteien kam im Sept. 1827 auf dem Burschentage in Bamberg [* 8] zur Sprache [* 9] und bildete bis zu dem in Frankfurt [* 10] im Sept. 1831 den Hauptgegenstand der Verhandlungen. Hier blieben wie auf spätern Burschentagen die Arminen in der Minderheit, wurden sogar zeitweilig mit Verruf belegt. Das Princip der Burschenschaft war damit aufgegeben. In den unruhigen Jahren von 1830 ab nahmen an den Volksversammlungen, patriotischen Vereinen u. dgl. zahlreich teil, beteiligten sich am Hambacher Feste und endlich auch 1833 an dem Frankfurter Attentat (s. d.). Es wurde infolgedessen vom Bundestage durch Beschluß vom die sog. Centraluntersuchungsbehörde eingesetzt, auf allen deutschen Universitäten eine allgemeine strenge Untersuchung eingeleitet und viele Mitglieder der in den großen Kriminalprozeß mit hineingezogen. Im Laufe der nächsten Jahre ergingen in den einzelnen deutschen Staaten gegen Hunderte von Studenten Strafurteile, die vieljährige Zuchthaus- und Festungsstrafen, Verlust der Anstellungsfähigkeit u. s. w., ja sogar in einigen Fällen die Todesstrafe verhängten.
Diese wurde allerdings nicht vollzogen, sondern in Freiheitsstrafen verwandelt; aber erst die in Preußen [* 11] 1840 erteilte vollständige Amnestie gab endlich auch den dort am härtesten Betroffenen die Freiheit zurück. Trotz aller Unterdrückungsmaßregeln der Regierungen und des Bundestags bestand aber die Burschenschaft im geheimen fort. In der Bewegung von 1848 trat die und überhaupt die Studentenschaft wenig hervor; eine Versammlung von etwa 1500 Studierenden von 16 Hochschulen faßte im Juni 1848 zu Eisenach [* 12] Resolutionen über Umgestaltung der Universitäten und ließ sie der deutschen Nationalversammlung in Frankfurt durch eine Deputation überreichen. Nur die Universität zu Wien [* 13] hat an den Ereignissen von 1848 in größerm Umfange teilgenommen (s. Akademische Legion). Seit dem Sturze des Metternichschen Systems dürfen auf allen deutschen Hochschulen, wie die studentischen Verbindungen überhaupt, so auch die burschenschaftlichen offen und frei sich regen und entfalten.
Für die polit. Ziele der heutigen Burschenschaft sind die Jahre 1866 und 1870 nicht ohne Einwirkung geblieben. In der durch Herstellung des Deutschen Reichs erlangten polit. Einheit ist die eine Seite der alten burschenschaftlichen Bestrebungen erfüllt. Es scheint aber auch der alte burschenschaftliche Geist verschwunden zu sein, was vielleicht eine Folge des Umstandes ist, daß die einzelnen Burschenschaft nicht wie die Korps einen ununterbrochenen Bestand hatten; denn von den 50 jetzt bestehenden Burschenschaft datiert nur eine auf 1817 zurück, 2 auf das Jahrzehnt 1830-40, 12 auf das 1840-50, 11 auf das 1850-60 und 9 auf das 1860-70. Mit der Zeit entwickelte sich neben der germanistischen und arministischen Richtung noch eine dritte, die teutonistische, die zum landsmannschaftlichen Wesen neigte, ohne die burschenschaftlichen Principien mehr aufzugeben als die andern Richtungen.
Nach mehrfachen vergeblichen Versuchen, die deutschen Burschenschaft zu vereinigen, gelang es die sog. Eisenacher Konvention zu gründen, nach deren Auflösung (1872) in Eisenach der noch jetzt bestehende A. D. C., d. h. der Allgemeine Deputierten-Konvent, gegründet wurde, der allerdings erst von allen Burschenschaft anerkannt ward. Eine innerhalb des A. D. C.-Verbandes bestehende enge Vereinigung, das sog. Süddeutsche Kartell, bilden die Burschenschaft Alemannia in Heidelberg, [* 14] Germania [* 15] ¶
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in Tübingen, [* 17] Teutonia in Jena und Teutonia in Kiel. [* 18] Da indes das Princip der unbedingten Satisfaktion (s. d.) angenommen, das Turnen nicht mehr Zwang ist und die wissenschaftlichen Abende durch Kneipabende verdrängt sind, da Bestimmungsmensuren sogar unter den Mitgliedern der Burschenschaft eingeführt sind, so haben die meisten jetzigen Burschenschaft mit der alten allgemeinen Burschenschaft nichts weiter als den Namen gemein.
Im Wintersemester 1892-93 bestanden A. D. C.-Burschenschaften mit 651 Aktiven, 232 Inaktiven am Ort und 378 auswärtigen Inaktiven; dazu kamen 40 Konkneipanten und 6 Mitglieder suspendierter Burschenschaft. - Gesamtstärke des A. D. C., nach Abrechnung der doppelt gezählten Angehörigen mehrerer Burschenschaft: 1250 Burschenschafter. - Die an derselben Universität existierenden Burschenschaft ordnen die gemeinschaftlichen Verhältnisse durch einen D. C., d. i. Deputierten-Konvent. Das Organ sind die «Burschenschaftlichen Blätter», hg. von G. H. Schneider (1.-8. Jahrg., Berl. 1886-93),
die auch ein «Handbuch für den deutschen Burschenschafter» (Berl. 1890) zusammenstellten und die Verzeichnisse alter Burschenschafter besorgen.
Am wurde in Jena das Burschenschaftsdenkmal enthüllt. Seit demselben Jahre hat, von ehemaligen Mitgliedern der Burschenschaft, besonders Dr. Konrad Küster zu Berlin, [* 19] angeregt, auf dem Boden der Burschenschaft sich eine neue Bewegung gebildet, die als Reform-Burschenschaft oder Allgemeiner Deutscher Burschenbund (A. D. B.) das Duellwesen und den Luxus bekämpft. Doch hat diese Richtung wenig Bedeutung erlangt, weil die A. D. C.-Burschenschaften sie nicht anerkennen, weil ihnen die alten Herren und somit auch deren pekuniäre Unterstützung fehlen, und weil nach statutarischen Bestimmungen an keiner Universität mehr als eine solche Burschenschaft sein soll.
Auch bei ihnen hatten sich die Bestimmungsmensuren eingestellt; nicht wenige verschmolzen mit A. D. C.-Burschenschaften. Gegenwärtig bestehen auf den deutschen Universitäten 13 Reformburschenschaften, von denen sich zur Zeit acht zum A. D. B., zum Allgemeinen Deutschen Burschenbunde, vereinigt haben, dessen Vertreter sich alljährlich nach Pfingsten in Berlin versammeln. Ihr Organ ist die «Allgemeine Deutsche [* 20] Universitäts-Zeitung», hg. von Dr. Konrad Küster (1.-7. Jahrg., Berl. 1887-93),
vorher u. d. T. «Deutsche Studenten-Zeitung» (1.-4. Jahrg., ebd. 1884-87).
Vgl. die zahlreichen Literaturnachweise über die in Pernwerth von Bärnstein, Beiträge zur Geschichte und Litteratur des deutschen Studententums (Würzb. 1882), S. 127-136; ferner R. Hessen, [* 21] Korps und Burschenschaft, fort mit dem Verruf! (Lpz. 1886);
ders., Der 70jährige Verruf zwischen Korps und Burschenschaft (Berl. 1887);
Statuten des A. D. C. (2. Ausg. 1886);
Kalb, Die alte Burschenschaft und ihre Entwickelung in Erlangen [* 22] (Erlangen 1892);
zahlreiche histor. Aufsätze in den «Burschenschaftlichen Blättern»; E. Wolff, Die neue Burschenschaft (2. Aufl., Berl. 1883);
Fahrenbruch, Die am Scheidewege (Straßb. 1884);
David, Zweck und Mittel einer einheitlichen Organisation der deutschen Studentenschaft (Lpz. 1888).