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Schwiegermutter des hallischen Philologen Klotz, mit dem er vertraut verkehrt hatte, in Verbindungen, die seinen Sitten und Studien nicht förderlich waren. Biester, Sprengel und namentlich Boie, die in Göttingen [* 2] studierten, leiteten ihn auf bessere Wege. Mit ihnen las er außer den Alten die Dichter der Engländer, Franzosen, Italiener und Spanier, besonders Shakespeare und Percys «Reliques». Durch Boies Vermittelung erhielt er 1772 die kärgliche Stelle eines Amtmanns im Uslarschen Amte Altengleichen, Göttingen nahe genug, um mit dem «Göttinger Dichterbund» (s. d.) persönlichen Verkehr zu unterhalten. In Gelliehausen, wo Bürger zunächst seinen Wohnsitz aufschlug (vgl. Gödeke, in Göttingen und Gelliehausen, Hannov. 1873),
dichtete er die «Lenore», die 1773 im «Göttinger Musenalmanach für 1774» erschien und seinen Dichterruhm begründete. 1774 heiratete er Dorette Leonhart, die Tochter eines hannov. Beamten zu Niedeck, und zog nach Wöllmarshausen. Anfangs war die Ehe glücklich, aber bald entbrannte in Bürger eine unwiderstehliche Neigung zu seiner aufblühenden Schwägerin Auguste, die seine Gedichte als Molly feiern. Sie erwiderte seine Liebe, und nach längern Kämpfen gestaltete sich mit dem Willen der Gattin B.s Verhältnis zu den Schwestern zu einer thatsächlichen Doppelehe.
Nachdem er als Pächter in Appenrode 1780-83 fast sein ganzes Vermögen zugesetzt hatte, gab er wegen Zwistigkeiten mit der Gerichtsherrschaft Sommer 1784 seine Stelle auf, um sich in Göttingen als Privatdocent niederzulassen. Kurz vor dem Umzuge starb Dorette, die ihm eine 1862 unvermählt gestorbene Tochter hinterließ, und 1785 heiratete Bürger Molly. Durch Vorlesungen, Privatunterricht und schriftstellerische Arbeit erwarb er hinlängliches Auskommen und schien einer glücklichern Zukunft entgegenzugehen, als Molly schon 14 Tage nach der Geburt einer Tochter, starb.
Das 50jährige Jubiläum der Universität brachte ihm die philos. Doktorwürde; 1789 ward er außerord. Professor ohne Gehalt. erschien im «Stuttgarter Beobachter» ein anonymes Gedicht «An den Dichter, in dem ein «Schwabenmädchen» seine Begeisterung und Liebe für den Dichter aussprach und ihm seine Hand [* 3] anbot. Bürger, der seit einiger Zeit, hauptsächlich seiner 3 Kinder wegen, wieder heiraten wollte, reizte das Geheimnisvolle. Er zog Erkundigungen ein, und das «Schwabenmädchen» Christine Elise Hahn [* 4] (s. unten) ward Herbst 1790 seine Frau.
Einem kurzen Glück folgte die bitterste Enttäuschung, und wurde Bürger von der Unwürdigen gerichtlich geschieden. An Leib und Seele, auch durch ein wachsendes Brustleiden heftig erschüttert, von Schulden und Nahrungssorgen bedrängt, sodaß er die meiste Zeit auf Übersetzungen verwenden mußte, durch Schillers bittere Recension seiner Gedichte (in der «Allgemeinen Litteraturzeitung» von 1791) tief verletzt, lebte er traurig dahin, bis ihn der Tod erlöste.
Der allgemeine Beifall, der B.s Balladen, wie «Lenore», sein Meisterwerk, «Lenardo und Blandine», «Des Pfarrers Tochter von Taubenhain», «Der wilde Jäger», «Das Lied vom braven Mann», «Der Kaiser und der Abt», «Das Lied von Treue», «Die Kuh» und andere teils nachgebildete, teils erfundene, empfing, beweist, daß er zuerst den richtigen Weg einschlug, um die engl. Balladenpoesie in Deutschland [* 5] einzubürgern (vgl. Bonet-Maury, G. A. et les origines anglaises de la ballade littéraire en Allemagne, Par. 1889); in andern Balladen gefällt er sich in einem gesucht burlesken Ton («Der Raubgraf», «Die Weiber von Weinsberg», «Frau Schnips»). Im eigentlichen Liede, wo er sich dem Volkstone nähert und sich nicht, wie im «Hohen Liede» oder in der «Nachtfeier der Venus», mit Rhetorik und rhythmischem Glanze begnügt, steht Bürger den besten Dichtern gleich.
Seine Liebesgedichte, obschon sie die Liebe mehr in ihrem sinnlichen Gehalt als in ihren zarten Tiefen und geistigen Elementen erfassen, sind oft hinreißend durch den klangvollen Strom der Worte und die leidenschaftliche Glut des Gefühls. Er zuerst wieder ließ alle Empfindungen des Herzens in seinen Versen zu völlig ungekünsteltem, ehrlichem und doch poetisch vollendetem Ausdruck gelangen. Kräftiger Mannessinn lebt in manchen tüchtigen Gedichten, wie auch als einer der ersten Deutschen die abgeschlossene, dünkelhafte und pedantische «Quisquiliengelehrtheit» mutig angriff. Bürger ist als Mitschöpfer der neudeutschen Dichtersprache zu betrachten.
Fast überängstlich auf Korrektheit und Wohllaut des Verses haltend und z. B. in seiner «Rechenschaft über die Veränderungen in der Nachtfeier der Venus» Zeile 1-4 in 40 eng gedruckten Seiten behandelnd, hat er auch fremdländische poet. Formen, wie das Sonett, in Deutschland neu zu Ehren gebracht; seine Sonette gehören zu den besten in deutscher Sprache; [* 6] der glänzende Formkünstler Aug. Wilh. Schlegel war sein Jünger. Bürger war mit der erste, der (in Übersetzungsproben aus der Iliade und in der Übertragung von Buch 4 der Äneide) leichte und fließende deutsche Hexameter lieferte; auch versuchte er eine Übersetzung der Iliade in fünffüßigen reimlosen Jamben und eine prosaische des Shakespeareschen «Macbeth» (vgl. Lücke, B.s Homer-Übersetzung, Norden [* 7] 1891). Die erste Sammlung seiner «Gedichte» (mit Kupferstichen von Chodowiecki) erschien 1778 zu Göttingen, 1779 ebenda eine zweite (Jubelausgabe mit Einleitung und bibliogr. Register von Grisebach, 2 Bde., Berl. 1889). Diese Sammlungen sind beachtenswert wegen vieler Lesarten, die Bürger später durch weniger passende ersetzte. Von 1779 bis zum Tode gab er den «Göttinger Musenalmanach» und 1790-91 das Journal «Akademie der schönen Redekünste» (Berlin) [* 8] heraus. Die zum Volksbuch gewordenen «Wunderbaren Reisen und Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen» (Gött. 1787) sind von Bürger nicht verfaßt, sondern nach dem 1785 in London [* 9] erschienenen engl. Urtext von Raspe übersetzt und erweitert.
Von B.s Werken besorgte K. von Reinhard mehrere Ausgaben (zuletzt 7 Bde., Berl. 1823-24), dann Bohtz («B.s Sämtliche Werke», 1 Bd., Gött. 1835),
eine Auswahl Grisebach, «B.s Werke» (2 Bde., Berl. 1872),
mit biogr.-litterar. Skizze. Die «Gedichte» allein haben außer Grisebach (s. oben) Tittmann (Lpz. 1869),
Berger (ebd. 1891) und am besten Sauer (Stuttg. 1881) mit Biographie herausgegeben. B.s Leben beschrieb außerdem Pröhle («G. A. Bürger. Sein Leben und seine Dichtungen», Lpz. 1856). A. Strodtmann veröffentlichte «Briefe von und an Bürger» (4 Bde., Berl. 1874). Retzsch illustrierte mehrere von B.s Balladen (neue Aufl., Lpz. 1872),
Ruhl «Lenore» in 12 Umrissen (Cass. 1827),
Führich «Der wilde Jäger» (5 Blätter, mit kritischen Aufsätzen von A. Müllner, Prag [* 10] 1827). Die bedeutendsten Balladen B.s wurden in fast alle Kultursprachen übersetzt, namentlich «Lenore» (z. B. auch von Walter Scott ins Englische). [* 11] ¶
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B.s dritte Frau, Christine Elise, geb. Hahn, geb. zu Stuttgart, [* 13] wurde nach der Scheidung Schauspielerin in Altona, [* 14] Hannover [* 15] und Dresden, [* 16] zog später als Deklamatorin und plastisch-mimische Darstellerin (s. Attitüde) in Deutschland umher und starb zu Frankfurt [* 17] a. M., zuletzt erblindet. Sie veröffentlichte Dramen, z. B. das Ritterstück «Adelheid, Gräfin von Teck» (Hamb. 1799),
den Roman «Irrgänge des weiblichen Herzens» (ebd. 1798),
«Gedichte» (ebd. 1812) u. a.