Ausschüsse sowie die
Stellvertreter werden vom Plenum des Bundesrat immer für ein Jahr durch Bezeichnung des
Staates, dem die Entsendung
der
Person anheimgestellt bleibt, gewählt. Der 8.
Ausschuß wurde bei Ausrichtung des
Reichs auf Verlangen
Bayerns in die
Verfassung
aufgenommen zum Zwecke einer mittelstaatlichen
Kontrolle der auswärtigen Politik
Preußens.
[* 2]AlleAnträge
von Bundesgliedern müssen zur
Beratung gestellt werden (Art. 7,
Abs. 2).
V. Die Funktionen des Bundesrat sind: A.
Teilnahme an der Gesetzgebung. Reichsgesetze kommen zu stande durch übereinstimmenden Mehrheitsbeschluß
von und
Reichstag (Art. 5). Regelmäßig werden Gesetzentwürfe zuerst im B. festgestellt und sind dann nach Maßgabe der
Beschlüsse des Bundesrat im
Namen des
Kaisers dem
Reichstag in
Vorlage zu bringen (Art. 16); im
Reichstag kann jedes
Mitglied des Bundesrat jederzeit das Wort zur Vertretung der
Ansichten seiner Regierung ergreifen, auch dann, wenn diese im
B. in der
Minderheit geblieben war (Art. 9). Bei der Beschlußfassung im B. entscheidet einfache Mehrheit, nur
1) Verfassungsänderungen sind abgelehnt, wenn 14
Stimmen dagegen sind (Art. 78,
Abs. 2); 2) die sog.
Reservatrechte (Ausnahmerechte)
können nur mit Zustimmung des beteiligten Einzelstaates aufgehoben werden (Art. 78,
Abs. 2); 3) in Sachen des
Heerwesens,
der Marine, der
Zölle und der indirekten
Steuern können Abänderungen der bestehenden Einrichtungen nur
mit Zustimmung
Preußens (Art. 5,
Abs. 2, 3) erfolgen. Der Bundesrat als Repräsentant des
Trägers der
Souveränität erteilt den Reichsgesetzen
die Sanktion, welcher
Akt jedoch nicht zu äußerm
Ausdruck gebracht wird. - Der hat Bundesrat das Verordnungsrecht des
Reichs auszuüben,
und zwar ist er als Repräsentant des
Trägers der
Souveränität hierzu in erster Linie zuständig (Art.
7). Außerdem ist das Verordnungsrecht in weitem
Umfange durch positive Vorschriften
der Verfassung oder von Specialgesetzen
dem
Kaiser, mehrfach auch andern Organen des
Reichs oder den Einzelstaaten übertragen; überall aber, wo nicht eine derartige
besondere Vorschrift das Verordnungsrecht besonders regelt, ist der Bundesrat kompetent, so insbesondere
für das weite Gebiet des Zollwesens und der indirekten
Steuern. Die Verordnungen des Bundesrat werden meist in dem seit 1873 erscheinenden
«Centralblatt für das Deutsche
[* 3]
Reich» (s. d.) publiziert. - Dem Bundesrat sind sodann noch
C. verschiedene einzelne Funktionen übertragen, teils in Gemeinschaft mit dem
Kaiser, teils in alleiniger
Zuständigkeit, welche sich nicht unter einen allgemeinen
Gesichtspunkt stellen lassen.
Dahin gehören 1) das
Recht der Zustimmung zu Kriegserklärungen, es sei denn, daß ein
Angriff auf das Bundesgebiet erfolgt
wäre (Art. 11,
Abs. 2); 2) das
Recht der Zustimmung zu
Staatsverträgen, die in die
Sphäre der Gesetzgebung
fallen (Art. 11,
Abs. 3); 3) das
Recht der Mitwirkung für Ernennung gewisser
Kategorien von
Beamten;
5) die Beschlußfassung über die gegen ein Bundesglied zu verhängende Exekution (Art. 19);
6) die gütliche Erledigung von nicht privatrechtlichen Streitigkeiten unter Bundesgliedern sowie
von Verfassungsstreitigkeiten in Einzelstaaten auf Anrufen eines
Teiles (Art. 76);
7) die Beschlußfassung über die dem Reichskanzler alljährlich zu erteilende Entlastung in betreff der Reichsverwaltung
(Art. 72);
8) die
Teilnahme an der
Kontrolle der
Reichsschuldenverwaltung durch drei in die Reichsschuldenkommission zu entsendende Mitglieder;
9) die
Entscheidung überBeschwerden wegen verzögerter oder verweigerter Rechtspflege gegen ein Bundesglied
(Art. 77);
10) die höchstinstanzliche
Entscheidung von Streitfragen des
Zoll- und indirekten Steuerrechts auf Anregung der Aufsichtsorgane
des
Reichs über die
Zoll- und
Steuerverwaltung, sowie die Abrechnung der
Zoll- und Steuergefälle mit den Einzelstaaten (Art.
36,
Abs. 3, 39).
war eine niemals praktisch gewordene Einrichtung beim frühern
DeutschenBunde, welche dazu bestimmt
war, Streitigkeiten einer deutschen Regierung mit ihren
Ständen zu entscheiden.
staatsrechtliche Bezeichnung für diejenige Staatenverbindung, durch welche einzelne
Staaten zu einem
souveränen Gesamtstaat mit föderativ organisierter
Staatsgewalt zusammengefaßt werden. Das
Staatsrecht der
Vereinigten Staaten
[* 5] von
Amerika
[* 6] nennt den Bundesstaat Föderation oder
Union, im Unterschiede zu der
Konföderation oder dem
Staatenbunde.
Der Bundesstaat unterscheidet sich zunächst von der
Allianz (s. d.), der lediglich völkerrechtlichen
Verbindung mehrerer
Staaten zur
Verfolgung wichtiger gemeinsamer polit.
Ziele. Den Wirkungen nach der
Allianz verwandt, aber auf einem andern Rechtsboden erwachsen, erscheint
die sog.
Personalunion, d. h. eine
Verbindung mehrerer
Staaten, welche lediglich auf der Gemeinschaft des Oberhauptes und der
Thronfolge beruht. Obwohl die
Personalunion den Frieden zwischen den fraglichen
Staaten und ihre
Vereinigung zu gemeinsamem Schutz
und Trutz fordert, ist doch der Fall nicht ausgeschlossen, daß sich der
Verband
[* 7] schwächer, als der Gegensatz
der unierten
Staaten zeigt. So wurden beispielsweise der König von
Dänemark,
[* 8] der zugleich
Herzog von
Schleswig
[* 9] und Holstein
war, und der
Kaiser von
Österreich,
[* 10] der zugleich König von
Ungarn
[* 11] ist, mit sich selber, je nach der verschiedenen Staatsstellung,
in
Konflikt und sogar in
Krieg verwickelt.
Weitere Folgen hat schon die sog. Realunion, sofern man nämlich darunter
nicht bloß die Inkorporation (s. unten), oder Staatenzusammensetzungen mit einer gemeinsamen obersten
Gewalt, wie die von
Großbritannien,
[* 12] sondern die
Vereinigung mehrerer
Staaten unter demselben Herrscher und zugleich durch gemeinsame
Institutionen (Gesamtgesetzgebung, Unionsministerien) versteht, wie z. B.
Österreich-Ungarn
[* 13] durch die Delegationen und die
Reichsministerien verbunden und insofern nicht bloße
Personalunion ist.
Diese
Unionen sind weniger Bündnisse als Einungen vom Centrum aus. Dagegen ist die althergebrachte Form des
Staatenbundes
eine dauerhafte, die bloße
Allianz überschreitende
Verbindung mehrerer
Staaten in dem
Sinne, daß wenn auch das Schwergewicht
durchaus auf die einzelnen
Staaten und deren Organe fällt, dennoch ein geordnetes Zusammenwirken derselben
stattfindet und die
Verbindung auch völkerrechtlich wie ein gemeinsames Staatswesen betrachtet wird. Von der Art waren die
althellen. und die altröm. wie die mittelalterlichen Städtebünde, in denen die
Vertreter der verbündeten
Städte und
Staaten
zu gemeinsamen
Tagsatzungen und
Bundestagen zusammentraten und da
Beschlüsse faßten. Aus den Kontingenten
der
Staaten wurde dann ein
Bundesheer gebildet und die finanziellen Bedürfnisse
¶
mehr
des Bundes durch Matrikularbeiträge aufgebracht. Für Streitigkeiten unter den verbündeten Staaten oder mit dem Bunde wurde
gewöhnlich ein schiedsrichterliches Verfahren angeordnet (Austrägalverfahren, s. d.). Der Verband hat einen völkerrechtlichen,
keinen staatsrechtlichen Charakter. Der Staatenbund hat keine Einheit, er ist schwach nach innen und nach außen. Er genügt
daher weder den Interessen noch der nationalen Machtentwicklung großer Völker.
Zuerst hat die Union derVereinigten Staaten von Amerika den Fortschritt aus dem Staatenbunde in die höhere Form des Bundesstaat oder
der Föderation gemacht, indem Hamilton den Gedanken aussprach und mit Hilfe der Konvention von 1787 zur Geltung brachte, daß
zwar die staatliche Existenz und Selbständigkeit der verbündeten Staaten erhalten bleiben solle, aber
trotzdem der Verband derselben als nationaler Gesamtstaat ausgebildet und mit eigenen Organen für Gesetzgebung, Regierung,
Rechtspflege ausgestattet werde, die verschieden sind von den entsprechenden Organen der verbündeten Staaten.
Damit wird auch die Gesamtheit zu einer souveränen, lebensfähigen und mächtigen Staatsperson erhoben.
Diese Verfassung wurde sodann 1848 von der Schweiz nachgebildet und mit den Modifikationen, welche die deutschen monarchischen
Staaten und die preußisch-deutscheEntwicklung forderten, auch bei der Gründung des Norddeutschen Bundes 1867 und des DeutschenReichs 1871 angenommen. Der Bundesstaat ist staatsrechtlich, nicht mehr völkerrechtlich. Die Form nähert sich
dem Einheitsstaate, welcher eine Autonomie der Provinzen oder Kronländer verstattet (Österreich mit seinen
Kronländern, Ungarn mit seinen Nebenländern).
Die principielle Verschiedenheit des Bundesstaat vom Einheitsstaats liegt in der Organisation der Centralgewalt, welche
in letzterm einheitlich, in ersterm föderativ ist. Im DeutschenReich ist die Einheit der verbündeten Regierungen Träger
[* 15] der souveränen Centralgewalt, derart, daß dieselbe durch einen Repräsentanten, den Bundesrat, zur Ausübung
gelangt. Der hat eine ihm eigene Gesetzgebung, Regierung, Gerichte, eigenes Heer und Marine, eigene Finanzen, eigene Diplomatie
und Konsularvertretung im Auslande.
Die Funktionen des Staates sind geteilt zwischen und Einzelstaaten, jedoch so, daß die Rechtssetzung des erstem stets
derjenigen der letztern vorgeht («Reichsrecht bricht Landesrecht») und
daß die Grenzen
[* 16] der Kompetenz durch den Bundesstaat gegenüber den Einzelstaaten gezogen werden, demgemäß auch
verändert werden können. Allerdings mögen bei der weitgezogenen autonomen Selbständigkeit der Einzelstaaten leicht Reibungen
und Schwierigkeiten vorkommen. Indessen lassen sich diese teils durch Kompetenzausscheidung, teils durch richterliche
Entscheidungen (Nordamerika),
[* 17] teils durch verfassungsmäßige Mittel (Deutsches Reich), insbesondere aber durch kluge Politik
der Centralgewalt zurückdämmen, und die Vorzüge der Einrichtung, welche zugleich die Macht und Wirksamkeit des gemeinsamen
nationalen Vaterlandes und die Freiheit der einzelnen kleinern Länder sichert, sind für die Völker so wertvoll, daß vor
diesem Interesse alle Bedenken zurücktreten.
Freilich scheint die Form des Bundesstaat doch nur eine Übergangsform zu sein. Wenn das Streben nach voller Staatseinheit
erwacht und das Bewußtsein der
innern Zusammengehörigkeit des ganzen Volks erstarkt, so liegt die Gefahr nahe, daß diese
Form in die der vollen Union umgewandelt werde. Die Einverleibung eines bisher selbständigen, wenn auch
nur halbsouveränen Partikularstaates in den Hauptstaat oder den Gesamtstaat wird Inkorporation genannt und, je nachdem man
sich auf den Standpunkt des letztern stellt, auch als Annexion bezeichnet oder, wenn man auf dem Standpunkte des erstern steht,
der freiwillig sich an den Hauptstaat oder Gesamtstaat anschließt, Accession genannt.
Beispiele für jene sind die Annexion von Hannover,
[* 18] Kurhessen, Nassau, Frankfurt,
[* 19] Schleswig-Holstein
[* 20] an Preußen
[* 21] 1866 und für
diese der Beitritt der ital. Mittelstaaten zum neugebildeten Königreich Italien.
[* 22] Für die staatsrechtliche Wissenschaft ist
der Begriff des Bundesstaat immer noch eine lebhaft umstrittene Kontroverse; bedeutende Schriftsteller wie Seydel verwerfen denselben
ganz und erklären nur den Begriff«Staatenbund» als dem Einheitsstaat gegenüber juristisch haltbar.
Litteratur. Außer den Werken über allgemeines und deutsches Staatsrecht vgl. Brie, Der Bundesstaat (1. Abteil., Lpz. 1874);
Jellinek, Die Lehre
[* 23] von den Staatenverbindungen (Wien
[* 24] 1882);
Westerkamp, Staatenbund und Bundesstaat (Lpz. 1892).