Anfang der 42zeiligen Bibel: [* 2] Vorrede des heiligen Hieronymus.
(Phototypisches Faksimile des Originals der k. k. Hofbibliothek zu Wien.) [* 3] ¶
Titel
Buchdrucke
rkunst.
I. Geschichtliches. Die mechan. Vervielfältigung von Schriftzeichen ist alt, blieb aber bis zum Ausgang des Mittelalters auf die Prägung der Münzen, [* 4] Stempelung von Thonwaren [* 5] u. dgl. beschränkt. Zwar bedienten die alten Ägypter nach Plinius’ «Historia naturalis», 35, 11, 42 und nach Gräberfunden bei Herstellung gemusterter Kattune sich unzweifelhaft des Tafeldruckes oder der Patronen, und in ähnlicher Weise zubereitete Leinen- und Lederstoffe waren im Mittelalter ganz gewöhnlich. Daß aber die Griechen und Römer [* 6] Texte oder Bilder durch Schablonen (Durchzeichnung) oder Patronen (Aufdruck) vervielfältigt hätten, ist aus Plinius’ «Historia naturalis», 35,2, 11, oder Petronius, §. 2 (vgl. Plinius, 35, 10, 110), nicht zu schließen, nach Plinius, 25, 2, 8, vielmehr abzuweisen, wie ¶
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auch die pompejanischen Wandgemälde keine Spur der Verwendung von Schablonen zeigen. Auch die Kunstschreiber und Illuminatoren (s. Briefmaler) des Mittelalters haben die Umrisse der Initialen u.s.w. in der Regel wohl nicht auf das Pergament oder Papier aufgedruckt, sondern freihändig entworfen. Dagegen konnte das erwähnte Aufdrucken von Mustern auf Tapeten und andere Stoffe zu einer gleichen Praxis bei Anfertigung von Bildern erbaulichen, belehrenden und unterhaltenden Inhalts führen.
Holz- und Metallschnitte sind erst aus dem Anfang des 15. Jahrh. nachweisbar. Der älteste datierte Holzdruck ist von 1423; ein Bild mit der Zahl 1418 wird angezweifelt, doch darf man den ersten Gebrauch dieser Drucke ohne Bedenken um mehrere Jahrzehnte früher ansetzen. Schnell wurden solche Tafeldrucke, die nachweislich selbst vom Stein abgezogen wurden, ein sehr beliebtes Mittel der Verbreitung populärer Bilder und kurzer Texte. Aus den Brief- und Kartenmalern wurden nunmehr zum Teil Briefdrucker und Formschneider.
Das weiche und billige Papier war hierbei dem Pergament bei weitem vorgezogen, ja fast ausschließlich im Gebrauch. Kleinere und größere Blattreihen einheitlichen Inhalts ergaben die sog. Blockbücher (s. d.), welche den typographischen Büchern bereits sehr ähnlich sind. Die ursprünglich nur auf einer Seite (anopisthographisch) abgezogenen Blätter pflegte man in jenen Fällen auf den leeren Seiten zusammenzukleben, sodaß ihr Inhalt ohne Unterbrechung fortlief. Aus der Mitte des 15. Jahrh. hat man bereits doppelseitige Tafeldrucke. Süd- und Westdeutschland sowie Holland scheinen die Heimat und hauptsächliche Werkstätte der Holz- und Metallschnitte gewesen zu sein.
In diese Zeit, d. h. in das zweite Drittel des 15. Jahrh., fällt
die Erfindung und Ausbildung der Buchdrucke
rkunst. Die Entwickluug des Tafeldrucks hatte die Vorteile einer mechan. Vervielfältigung
der Bücker, zugleich aber auch die Mängel dieser Vervielfältigungsweise klar gelegt: nur für den einen geschnittenen Text
waren die Tafeln zu benutzen, Verbesserungen und Änderungen kaum anzubringen. Der wesentliche Schritt zum Gebrauch beweglicher
Typen, aus welchen die abzudruckende Platte sich zusammensetzen ließ und die von absolut gleicher
Höhe und dabei dauerhaft sein mußten, wenn sie eben jenen Vorteil gewähren sollten, war noch zu machen.
Diese geniale Idee faßte und brachte zur Ausführung Joh. Gutenberg (s. d.) aus Mainz. [* 8] Daß dabei die Praxis des Stempelschneidens und Münzens, welche es mehrfach mit gleichen Aufgaben zu thun haben, anregend und anleitend wirkte, ist nicht unwahrscheinlich. Unter anderm läßt die Übereinstimmung mancher technischer Ausdrücke (z. B. patrona, bez. patronus) darauf schließen. Auch der Gebrauch der Presse [* 9] kann daher entlehnt sein, indem man bei Holzschnitten durch längere Zeit nur des Reibers oder der Bürste sich bediente.
Obschon Gutenberg sich selbst nie als den Erfinder der Buchdrucke
rkunst nennt, wird er doch am
frühesten und durch längere Zeit ausschließlich von in- und ausländischen Autoren, auch solchen, die gut unterrichtet
sein konnten, als Erfinder bezeichnet: das älteste, freilich nur mittelbar überlieferte Zeugnis ist von 1458. Auch ist
ihm nicht allein mit Sicherheit der früheste Betrieb einer vollständigen Druckerei (in Mainz seit 1450),
sondern es sind ihm ebenso mit größter Wahrscheinlichkeit viel ältere Versuche im
Drucken (mindestens seit
1436 in Straßburg)
[* 10] zuzuschreiben. Mit letztern hängt auch vielleicht zusammen, was ein Procop Waldvogel
seit 1444 in Avignon, wie man seit 1890 weiß, in dieser Richtung ausübte. Es hat nicht an Versuchen gefehlt
und fehlt noch nicht daran, Gutenberg die Ehre der Erfindung der Buchdrucke
rkunst abzusprechen und sie teils seinen Gesellschaftern und
Schülern (Fust und Schöffer von Mainz, Mentel von Straßburg, Pfister von Bamberg),
[* 11] teils Fremden (Coster [s. d.] von Haarlem
[* 12] und Castaldi [s. d.] von Feltre) zuzuschreiben; die Forschungen der Neuzeit haben jedoch die Nichtigkeit
dieser Versuche zweifellos klargelegt.
Das erste größere, mit Missaletypen (s. Mönchsschrift) gedruckte Werk, von dem wir wissen, ist
die lat. 42zeilige Bibel, zu deren Herstellung sich Gutenberg mit Joh. Fust (s. d.)
von Mainz 1450 verband (s. Tafel: Buchdrucke
rkunst I). Diese Verbinduug endigte 1455 mit einem Prozeß,
welcher zu Fusts Gunsten entschieden wurde, in dessen Eigentum anscheinend das Druckgerät überging. Fust verband sich nun
mit Pet. Schöffer (s. d.), einem frühern Schönschreiber, der bei Gutenberg
und Fust beschäftigt gewesen war und dem der Typenguß wichtige Verbesserungen zu verdanken hatte, zum eigenen
Betriebe einer Druckerei.
Beide ließen 1457 den Psalter lateinisch erscheinen, das erste Buch mit Druckort, Druckernamen und Erscheinungsjahr, in dem überdies angegeben ist, daß es durch Druck und Lettern (adinventione artificiosa imprimendi ac characterizandi) hergestellt sei. Ihre nächsten Drucke zeigen die der gewöhnlichen Schreibschrift nachgeahmte Texttype (je nach der Wichtigkeit des Textes in verschiedener Größe), welche ähnlich in den Ablaßbriefen von 1454 und 1455 zuerst zur Anwendung gekommen war.
Auch Gutenberg, welcher nach seiner Trennung von Fust sich mit dem Dr. Konr. Homery verbunden hatte, druckte ein neues großes Werk, das «Catholicon» des Johannes von Janua, mit einer kleinen rundlichen Texttype. Es erschien 1460 und hat am Schlusse die berühmte Unterschrift, welche mit schwungvollen Worten die neue Kunst und die deutsche Nation als ihre Erfinderin preist und das Wesentliche der Erfindung in «mira patronarum formarumque concordia proportione et modulo» findet.
Eine Kunst, zu deren Ausübung zahlreiche Hilfskräfte nötig waren, welche überdies durch die Unterschriften des Psalteriums (1457 und 1459) und des «Catholicon» (1460) die Aufmerksamkeit aller Leser auf sich zog, konnte nicht Geheimnis bleiben. Zwar waren die Arbeiter in den Druckereien zur strengsten Geheimhaltung verpflichtet, aber man konnte sie doch nicht hindern, fortzuwandern oder sich selbständig zu machen, zumal wenn ein Wechsel in der Leitung der Druckerei eintrat. Es ist nachgewiesen, daß Mentel schon 1460 in Straßburg, Pfister 1461 zu Bamberg druckte, und die Erstürmung von Mainz durch den Grafen Adolf von Nassau, bei welcher auch die Druckerei des Fust verbraunt sein soll, trug wesentlich zur Ausbreitung der Kunst nach andern Städten bei. Die nächste deutsche Stadt, welche die neue Kuust aufnahm, war Köln, [* 13] wo Ulrich Zell (s. d.) 1466 sein erstes datiertes Werk, anderes wahrscheinlich schon früher druckte. Indes nur langsam rückte die in den ersten Decennien ihres Bestehens von der Heimaistätte Mainz aus weiter vor: das Neue der Kunst, die großen Schwierigkeiten ihrer Ausübung, die bedeutenden Anforderungen, welche technisch, kaufmännisch und vor allem ¶