Bruck,
Karl Ludw., Freiherr von, österr. Staatsmann, geb. zu Elberfeld, [* 2] lernte als Kaufmann, machte in einem preuß. Regiment 1815 den Feldzug gegen Frankreich mit, ging dann nach London, [* 3] bereiste Frankreich und kehrte darauf nach Bonn [* 4] zurück, wo er auch staatswirtschaftliche Vorlesungen an der dortigen Universität besuchte. Um am griech. Befreiungskriege teilzunehmen, wollte er 1821 über Triest [* 5] nach Griechenland, [* 6] wandte sich aber in Triest wiederum dem Kaufmannsstande zu und wurde Sekretär [* 7] einer Versicherungsgesellschaft.
Einer der Hauptbegründer und zugleich Direktor des Österreichischen Lloyd (s. d.), trug er durch Geschick und Energie viel zur Entwicklung dieser Handelsschöpfung bei. 1848 wurde er vom deutschgesinnten Teile seiner Mitbürger als Abgeordneter in die Nationalversammlung nach Frankfurt [* 8] gesandt, wo ihn die österr. Regierung zu ihrem Bevollmächtigten beim Reichsverweser, dem Erzherzog Johann, ernannte. Nach der Wiener Oktoberrevolution von 1848 übernahm er im Ministerium Schwarzenberg-Stadion das Portefeuille des Handels, in welcher Stellung er auch den Frieden mit Sardinien [* 9] verhandelte und sein Verwaltungsdepartement nach einem großartigen Plane organisierte, der im Okt. 1849 die Bestätigung des Kaisers erhielt. Am 19. Dez. desselben Jahres erfolgte seine Erhebung in den Freiherrenstand.
Durch das, was er binnen wenigen Jahren für die Entwicklung einer gesunden Handelspolitik geleistet hat, ist er in Wahrheit der Begründer einer neuen gewerblichen Epoche im Kaiserstaate geworden. Die Statthaltereien erhielten neue Agenden für Straßen- und Wasserbauten, Handelsgerichte wurden eingeführt, Handels- und Gewerbekammern, die Wiener Börsenkammer, die Elbzollgerichte in Böhmen, [* 10] die Central-Seebehörde in Triest, die Centraldirektion der Eisenbahnen wurden errichtet.
Die Generaldirektion der Kommunikationsanstalten öffnete dem Handel und Verkehr neue Wege; der Deutsch-Österreichische Postverein (Vertrag vom der Deutsch-Österreichische Telegraphenverein, Zoll- und Handelsverträge (1853) wurden geschlossen; die Allgemeine Wechselordnung (1852) war B.s Werk. Das System B.s vertrug sich jedoch mit der polit. Reaktion so wenig, daß er Ende Mai 1851 seine Entlassung erbat und erhielt. Er übernahm nun wieder zu Triest die Direktion des Lloyd und wurde 1853 mit den Unterhandlungen betraut, die die Zollverträge Österreichs mit Preußen [* 11] und dem Zollverein zur Folge hatten. Im Juni 1853 ward er als österr. Internuntius nach Konstantinopel [* 12] gesandt. Noch während des Orientkrieges, im März 1855, erfolgte indes seine Zurückberufung nach Wien, [* 13] um hier das Finanzministerium zu übernehmen.
Trotz seiner energischen, schöpferischen, zum Teil äußerst kühnen Thätigkeit, konnte es ihm gegenüber dem polit. System, das den Staat beherrschte, nicht gelingen, die Finanznot gründlich zu heben. Die finanziellen Opfer, die 1859 der Krieg in Italien [* 14] auferlegte, erschütterten vollends die Pläne und Berechnungen des Ministers und nötigten ihn zu Schritten, die dem österr. Staatskredit die härtesten Schläge beibrachten. Er sah sich gezwungen, ein neues Lotterieanlehn auszuschreiben, bei welchem statt 200 nur 70 Mill. gezeichnet wurden; ferner forderte er einen vollständigen polit.
Systemwechsel und die Verleihung einer Reichsverfassung, während seine Gegner auf den faktischen Zustand der Finanzen hinwiesen und diesen der Verwaltung des Ministers zur Last legten. Dazu kamen die Enthüllungen in dem Unterschleifprozeß Eynatten (s. d.), die scheinbar einen Schatten [* 15] auf den Minister warfen. Unter solchen Verhältnissen sah sich Bruck veranlaßt, um seine Entlassung nachzusuchen, die er in ungnädiger Weise erhielt. Bruck faßte in dieser Lage plötzlich den Entschluß, selbst Hand [* 16] an sich zu legen. Man fand ihn am Morgen des 23. April im Bett [* 17] mit tiefen Schnittwunden am Halse und den beiden Vorderarmen; er verschied am Nachmittage.
Auf Veranlassung seines Freundes, des spätern Ministers von Plener, fand eine genaue Untersuchung der B.schen Verwaltung statt, die mit einer vollständigen und offiziellen Wiederherstellung seines Namens und Andenkens endete. Nach seinem Tode erfolgte zu seiner Rechtfertigung die Veröffentlichung seiner anonymen Denkschrift: «Die Aufgaben Österreichs» (Lpz. 1860);
1877 veröffentlichte J. Heller B.s «Memoiren aus der Zeit des Krimkriegs» (Wien 1877).