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Gründen gegenüber angelegte Neustadt [* 2] geteilt; an diese schließt sich jenseit des ehemaligen Festungsgrabens die Südervorstadt an; jene ist, jenseit der nach 1815 an die Stelle der frühern Festungswälle getretenen herrlichen Wallanlagen und des zickzackförmigen Wallgrabens, von einem Kranz belebter Vorstädte mit schönen Neubauten umgeben. Beide sind durch vier Brücken [* 3] miteinander verbunden, die große und kleine Weserbrücke, die Kaiserbrücke (1875) und die auch für Fußgänger zugängliche Eisenbahnbrücke (1886), 230 m lang, mit drei Bogen. [* 4]
Unterhalb der Brücken ist im Waller Wied am rechten Weserufer ein durch den 1888 erfolgten Anschluß der Stadt an den Zollverein bedingtes Freigebiet mit einem offenen Hafenbassin (2000 m lang, 120 m breit, 6,8 m tief) und großartigen Speichern, Lösch- und Ladeeinrichtungen geschaffen worden. Die Wallanlagen sind ein Werk Altmanns, dessen Büste von Kropp seit 1877 auf einer Bastion nahe dem Doventhor steht. Sechs Übergänge, nach den ehemaligen Thoren benannt, überschreiten den Graben, am weitesten südlich das Osterthor mit der nahen Altmannshöhe, weiter nördlich das Bischofsthor, Heerdenthor, Ansgariithor mit dem nahen 1875 enthüllten Denkmal für die 1870/71 gefallenen Bremer (auf rundem Granitsockel die Bronzefigur eines siegreichen Kriegers), weiter das Doven- und an der Weser das Stephanithor.
Die altertümlichen Giebelhäuser in den zum Teil engen und krummen Straßen der Altstadt dienen neuerdings vielfach nur als Warenräume und Comptoire, während die Wohnungen in die Vorstädte verlegt sind, deren meist nur von einer Familie bewohnte freundliche Häuser den Wohlstand der Bevölkerung [* 5] bekunden. Das Hauptleben bewegt sich auf den drei in der Altstadt nahe beieinander liegenden Plätzen Domshof, Domsheide und Markt, von dem die beiden wichtigsten Straßen, Langenstraße mit einigen Gebäuden des 16. Jahrh. und die Obernstraße ausgehen. An Denkmälern seien genannt der steinerne Roland (5,6 m hoch) vor dem Rathaus, ein Symbol der Marktgerechtigkeit, 1404 an Stelle einer hölzernen, schon 1366 erwähnten Säule errichtet, das Marmorstandbild des Astronomen und Arztes Olbers (1858) in der Nähe des Osterthores, das Denkmal des Bürgermeisters Smidt (1860) auf der obern Rathaushalle, die Statue des heil. Ansgar (1865), alle drei von Karl Steinhäuser in Bremen; [* 6] das Erzstandbild Gustav Adolfs von Fogelberg auf der Domsheide (1856), der Willehadibrunnen vor dem Dom, der Centaurenbrunnen (1891) vor der Bismarckstraße von Sommer in Rom. [* 7] Auf dem Körnerwall steht ein Denkmal Theodor Körners von Denys. Im Westen des Rathauses erhebt sich ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelms Ⅰ. von Bärwald, das enthüllt worden ist.
Kirchen. Den ersten Rang unter den Kirchen nimmt der Dom (103 m lang, 40 m breit, 31 m hoch) ein. 1044 begonnen, wurde der Bau unter Adalbert und Liemar weitergeführt. Um 1200 wurde die Pfeilerbasilika mit doppeltem Chor gewölbt. Der Plan, sie zu einer Hallenkirche umzubauen, wurde nur beim nördl. Seitenschiff ausgeführt (1502‒22). 1888‒93 wurden die beiden Türme, von denen der nördliche 1656 abbrannte, der südliche 1638 einstürzte, durch den Dombaumeister Salzmann aufgebaut und zugleich die Westfaçade restauriert.
Die Kirche besitzt schöne Glasmalereien und eine treffliche Orgel; berühmt ist auch in derselben der «Bleikeller». Die kath. Johanniskirche, eine got. Hallenkirche aus dem 14. Jahrh., hat ein 19 m hohes, auf acht schlanken Pfeilern ruhendes Gewölbe [* 8] und schöne Glasgemälde;
die Liebfrauenkirche stammt aus dem 12. und 13. Jahrh. Die got. Rembertikirche ist an Stelle eines ältern Baues nach Plänen von H. Müller 1870 erbaut;
die got. Friedenskirche mit Altargemälde von Pfannschmidt wurde 1869 vollendet;
die Ansgariikirche, aus dem 13. Jahrh. stammend, hat Wandbilder aus dem 18. Jahrh.;
die Stephanikirche ist in ihrer ursprünglich roman. Basilikaform neuerdings von Hase [* 9] wiederhergestellt.
Weltliche Bauten. Vor allem zeichnet sich aus das got., 1405‒10 erbaute Rathaus mit der großen Halle [* 10] (Gemälde von Hünten: Schlacht von Loigny und seinem namentlich durch Hauffs «Phantasien im Bremer Ratskeller» berühmt gewordenen, mit Fresken von Arthur Fitger (s. d.) gezierten Weinkeller; es wurde 1609‒12 durch Lüder von Bentheim umgebaut und mit drei prächtigen Giebeln im Renaissancestil an der Südfaçade geschmückt. Gleichzeitig entstand das schöne Schnitzwerk der Güldenkammer und der benachbarten Wendeltreppe in der obern Halle.
Demselben Meister verdankt man die Stadtwage (1586‒87) und das Kornhaus am Fangturm (1590‒91). Dem Rathaus gegenüber liegt der Schütting, das ehemalige Gildehaus der Kaufleute (1537‒94), jetzt im Besitz und Benutzung der Handelskammer; ferner ist zu nennen: das Gewerbehaus, vorher Krameramthaus, noch früher Gildehaus der Tuchhändler (1619‒21);
von neuern Gebäuden die Börse (1861‒64) im got. Stil erbaut, mit Gemälden von Fitger, der Künstlerverein in den Räumen des Domstifts, dessen Refektorium als Halle des Künstlervereins wiederhergestellt wurde (1857), das Gebäude der Gesellschaft Museum (1873‒74 umgebaut), sämtlich von Heinr. Müller;
ferner das Reichspostgebäude (1878), der Bahnhof (1889), die Sparkasse von Poppe (1880‒82), die Kunsthalle und das im Bau begriffene große Gerichtsgebäude.
Verwaltung. Die jetzt im Amt befindlichen Bürgermeister sind Lürman (1892‒95) und Pauli (1890‒93). Ihr Gehalt beträgt 14‒15000 M.
Die ständige Feuerwehr (seit 1870) besteht aus 100 Mann und erfordert eine Ausgabe von jährlich 180000‒200000 M.; es bestehen 4 Feuerwachen, 49 Feuermelder, [* 11] 2 Dampf- und 15 andere Spritzen. Die Gasanstalt erzeugte (1890) 8837930 cbm Gas, darunter 1562707 cbm zur öffentlichen Beleuchtung [* 12] (3695 Flammen) und 1247523 zu technischen Zwecken (91 Gasmotoren). Die Zahl der Sicherheitsbeamten beträgt 175. Die Errichtung eines städtischen Elektricitätswerkes (1,9 Mill. M.) für 8000, später 20000 brennende Glühlampen ist neuerdings (1892) beschlossen.
Behörden. Bremen ist Sitz eines Landgerichts (s. oben unter 1), eines Amtsgerichts, einer Oberpostdirektion für das Gebiet des Staates, Teile der preuß. Reg.-Bez. Hannover, [* 13] Stade, [* 14] Osnabrück [* 15] und Teile des Großherzogtums Oldenburg [* 16] mit 157 Verkehrsanstalten, 1438,37 km oberirdischen Telegraphenlinien (6077,89 km Leitungen, einschließlich 1067,29 km Stadtfernsprechanlagen) und eines Betriebsamtes (318,89 km Bahnlinien) der königlich preuß. Eisenbahndirektion Hannover.
Bildungswesen. hat eine Hauptschule, die 1817 begründet und hervorgegangen ist aus ¶
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einer Vereinigung des reform. Gymnasium illustre (seit 1584) und des luth. Athenäums (seit 1681); reorganisiert wurde sie 1857. Sie besteht aus Gymnasium (Direktor Dr. Henke, 46 Lehrer, 30 Klassen, 680 Schüler) und Handelsschule (von Michaelis 1893 an Oberrealschule, Direktor Dr. Kasten, 23 Lehrer, 15 Klassen, 352 Schüler). Ferner bestehen 2 städtische Realschulen ohne Latein, eine Privatrealschule (Debbe), die Jansonschen und Kippenbergschen Bildungsanstalten (höhere Mädchenschule, Lehrerinnenseminar mit Gouvernanteninstitut und Fortbildungsanstalt für erwachsene Töchter), ein Schullehrerseminar, zwei evang. Privatvorschulen, sechs höhere Privatmädchenschulen, eine Privattaubstummenanstalt mit Internat, gewerbliche Schule, Zeichen- und Fortbildungs-, Seefahrtsschule, Volks-Freischulen und ein Gewerbemuseum.
Die Stadtbibliothek (Dr. Bulthaupt, s. d.) hat 120000 Bände. Die naturhistor. Sammlungen des Staates sind in Bezug auf Ornithologie und Ethnographie [* 18] sehr reich. Die Kunsthalle hat eine Galerie meist moderner Bilder und einige Skulpturen sowie eine beachtenswerte früher Klugkistsche Sammlung Dürerscher Handzeichnungen, älterer Stiche und Holzschnitte. Ein städtisches Museum für Natur-, Völker- und Handelskunde ist im Bau begriffen. Von Vereinen sind zu nennen: der Künstlerverein mit seinen Abteilungen, der histor. und litterar. Gesellschaft, der Naturwissenschaftliche Verein, die Geographische Gesellschaft, der Kaufmännische, der Gewerbe- und Industrie- und der Gewerbeverein. hat ein Stadttheater und ein Sommertheater im Tivoli.
In Bremen erscheinen 6 polit. Zeitungen, darunter die Weserzeitung (liberal).
Freimaurerlogen sind: «Zum Ölzweig» (1788) und «Friedrich Wilhelm zur Eintracht» (1374).
Wohlthätigkeitsanstalten. Das Haus «Seefahrt», über dessen Portal der bekannte Spruch «Navigare necesse est, vivere non necesse est», 1876 durch ein neues Gebäude ersetzt, bietet den Witwen von Seeleuten Unterkunft (vgl. Kohl, Das Haus Seefahrt zu Bremen, 1862); in dessen großem Saale wird jährlich nach alter Sitte die «Schaffermahlzeit» begangen. Ferner bestehen ein Armenhaus, ein Siechenhaus (Kahrwegs Asyl),
die allgemeine Krankenanstalt (485 Betten),
verbunden mit einer Irrenanstalt (174),
das Kinderkrankenhaus (130),
drei andere Krankenhäuser (172) sowie das Mannhaus, 7 Witwenhäuser, 3 Stifte, 3 Waisenhäuser", u. a.
Industrie und Gewerbe. Die Industrie der Stadt ist infolge der erst 1888 gefallenen Zollschranken noch nicht sehr entwickelt; größere Unternehmungen befinden sich in den Nachbarorten, so eine Wollwäscherei in Burg-Lesum, Wollkämmerei in Blumenthal, Wollkämmerei und -Spinnerei in Delmenhorst, Baumwollspinnerei und -Weberei in Grohn-Vegesack, Jutespinnerei in Delmenhorst, Jutespinnerei und -Weberei in Hemelingen, Cigarrenfabrikation in Hemelingen; doch wird sich fernerhin auch das Bremer Gebiet mehr an industriellen Unternehmungen beteiligen, wie auch schon länger Eisengießereien, Schiffswerften, Maschinenfabriken, sehr bedeutende Reismühlen, Bierbrauereien (1888 und 1889: Export im Werte von je etwa 5,5 Mill. M.) und Silberwarenfabriken bestehen.
Bremen ist Sitz der Bremischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft und folgender Berufsgenossenschaftssektionen: der 3. der Nordwestlichen Eisen- und Stahl-, der 3. der Töpferei-, der 6. der Norddeutschen Holz-, der 4. der Hannoverschen Baugewerks-, der 5. der Speicherei- und Kellerei-, der 37. der Fuhrwerks-, der 2. der See-, der 4. der Westdeutschen Binnenschiffahrt- und der 4. der Tabakberufsgenossenschaft.
Handel. Bremen ist nächst Hamburg [* 19] der bedeutendste Seehandelsplatz Deutschlands. [* 20] Die weite Entfernung von der See sowie die geringe Tiefe der Weser, welche den größern Schiffen nicht mehr gestattete, bis Vegesack hinaufzufahren, endlich das Bestreben Oldenburgs, den Handel von Bremen nach Brake zu ziehen, ließen in Bürgermeister Smidt den Plan reifen, an der Geestemündung von Hannover Gebiet für eine eigene bremische Hafenanlage zu erwerben, ein Gedanke, der zu der Gründung Bremerhavens führte (1827-30). Doch brachte die Trennung der Handelsstadt von der Hafenstadt große Übelstände mit sich. Namentlich belastet der Zwischentransport mittels Leichterfahrzeuge oder Eisenbahn den entwicklungsfähigen europ. Verkehr, der nur ein verhältnismäßig geringes Maß von Gesamtkosten tragen kann. Endlich machte der Anschluß B.s an das Zollgebiet die Anlage eines großen Freihafens notwendig, der aber ohne genügende Verbindung mit der See wertlos war.
Aus diesen Gründen wurde 1887 beschlossen, ein vom Oberbaudirektor Franzius ausgearbeitetes Projekt der Unterweserregulierung auszuführen. Nach Vollendung der Arbeiten, deren Kosten auf 30 Mill.M. veranschlagt sind, sollte es Schiffen bis zu 5 m Tiefgang möglich werden, Bremen zu erreichen. Nach einem März 1892 zwischen Preußen [* 21] und Bremen geschlossenen Vertrage soll nördlich von Bremerhaven ein Gebiet von 114,67 ha von Preußen an Bremen abgetreten werden zur Herstellung von Hafenanlagen, für die 16 Mill. M. bewilligt sind. Eine Kammerschleuse von 26 m Breite [* 22] und 7 m Tiefe unter Niedrigwasser wird den größten Kriegsschiffen der Reichsmarine sowohl wie den demnächst zu erbauenden Schnelldampfern des Norddeutschen Lloyds die Einfahrt ermöglichen. Zugleich wird im Interesse der Marine statt des beabsichtigten hölzernen Docks ein massives für Schiffe [* 23] von 9,5 m Tiefgang erbaut. Die dadurch entstehenden Mehrkosten trägt das Reich.
Dem Zollgebiete wurden angeschlossen der Bahnhof Sebaldsbrück mit einem kleinen benachbarten Gebiet 1854, die rechts der Wumme und links der Ochtum gelegenen Ländereien 1856, Zabenhausen, Arsten, Buntenthorssteinweg, das neue Land und die Stadt Vegesack 1875, der Stadtwerder 1879, die Stadt selber mit Ausschluß des Freihafens 1888.
Bremen ist seit längerer Zeit der erste Tabakmarkt der Welt, neuerdings auch, seit es Liverpool [* 24] überflügelt hat, der erste Welthandelsplatz für Reis, abgesehen von dem Hauptausfuhrhafen Rangun. [* 25] Für Baumwolle [* 26] ist Bremen der zweitwichtigste Einfuhrplatz und wird nur von Liverpool übertroffen. Auch der Handel mit Schafwolle hat sich in letzter Zeit so außerordentlich entwickelt, daß dieser Artikel dem Wertbetrage nach die nächste Stelle nach der Baumwolle einnimmt. Neuerdings gehen auch bedeutende Mengen Zucker [* 27] über Bremen In den letzten Jahren betrug die Ein- und Ausfuhr in Tonnen:
Zucker | Einfuhr 1891 | Ausfuhr 1891 | Einfuhr 1892 | Ausfuhr 1892 |
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Roher | 25995 | 25517 | 29119 | 28755 |
Raffinierter | 13438 | 10594 | 20834 | 18043 |
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