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Landgemeinden bilden seit 1878 einen Kreis, [* 2] dessen Organe der Kreistag (28 Vertreter) und der Kreisausschuß (7 Mitglieder) sind; Geschäftsleitung und Vorsitz in beiden Versammlungen stehen einem Mitgliede des Senats zu. Die Hafenstädte erhielten 1879 kommunale Verfassungen, die sich dem Entwurf der neuen preuß. Städteordnung anschließen. Für die Rechtspflege bestehen im Bremer Staat zwei Amtsgerichte (in [* 3] und Bremerhaven) und ein Landgericht (in Bremen); die höhere Instanz bildet das Hanseatische Oberlandesgericht zu Hamburg. [* 4]
Die Besetzung erledigter Richterstellen erfolgt durch Wahl; sie wird durch ein Wahlkollegium von 9 Personen vorgenommen, das für jeden Einzelfall in der Weise neu bestellt wird, daß Senat, Bürgerschaft und Richterkollegium je 3 Mitglieder deputieren. Für das Civilrecht bildet das gemeine Recht die Grundlage, aber vielfach abgeändert durch Partikulargesetze, Verordnungen und Gewohnheitsrecht, das sich zum Teil an die Bestimmungen des alten Stadtrechts von 1433 anschließt oder sich aus ihnen entwickelt hat.
Kodifiziert ist das Recht an unbeweglichen Sachen und die Verpfändung derselben in der «Erbe- und Handfestenordnung» von 1833, die in origineller Weise die dem Handelsverkehr erwünschte Mobilisierung des Immobiliarvermögens verbindet mit der größtmöglichen Sicherheit des Gläubigers. Ebenso ist das Vormundschaftsrecht in der Vormundschaftsordnung von 1826 (später Revisionen in Einzelheiten) gesetzlich geregelt worden. – Das Wappen ist ein schräg liegender, silberner Schlüssel in einem von zwei Löwen [* 5] gehaltenen roten Schilde, auf dem eine goldene Krone ruht; die Landesfarben sind Weiß und Rot.
Finanzen. Das Budget des Rechnungsjahres 1891/92 ergab an Einnahmen 16718000 M.; darunter aus:
1) direkten Abgaben: Einkommensteuer 3693000, Grund- und Gebäudesteuer 1039000 Erleuchtungssteuer 555000, Firmensteuer 617000;
2) indirekten Abgaben: Einnahmen vom Reich 1325000, Gebrauchs- und Verbrauchsabgaben 593000, Rechtsgeschäfte und Amtshandlungen 1709000;
3) von Verkehrsanstalten 1090000;
4) von anderm Eigentum 3154000;
5) aus andern Titeln 2431000 M. Die Ausgaben betrugen 22493000 M., und zwar für Gesetzgebung und Verwaltung 3059000, Rechtspflege 987000, Materielle Kultur 5839000, Geistige und sittliche Kultur 1863000, Gesundheitspflege 395000, Finanzverwaltung 4099000 M. Die Staatsschuld belief sich (1892) auf 80,2 Mill. M. Die hauptsächlichsten direkten Steuern bestehen in Grund- und Gebäude- Einkommen- und Firmensteuern, die wichtigsten indirekten sind die Verbrauchsabgaben. Einige Abgaben werden «auf Bürgereid» entrichtet.
Kirchenwesen. Während im 17. und 18. Jahrh. die große Mehrheit der Stadt und des Landgebietes dem reformierten Bekenntnis angehörte und es Herkommen war, die Lutheraner vom Rat und andern wichtigen Ämtern auszuschließen, ohne daß ein förmliches Verbot bestanden hätte, ist seit Beginn dieses Jahrhunderts der Zutritt zu den Staatsämtern den Lutheranern nicht mehr erschwert und ihre Zahl durch Zuzug aus der luth. Umgegend (namentlich Hannover [* 6] und Oldenburg) [* 7] beständig gewachsen.
Die Unterschiede beider Konfessionen [* 8] haben ihre Bedeutung im Bewußtsein der Bevölkerung [* 9] mehr und mehr verloren. Sämtliche Kirchengemeinden haben Presbyterialverfassungen. Die Vermögensverwaltung und die übrigen äußern Angelegenheiten liegen unter Mitwirkung des Kirchenvorstandes den Bauherren ob. Die Rechte des summus episcopus ruhen beim Senat. Die kath. Einwohner stehen unter dem Bischof von Osnabrück [* 10] als apostolischem Provikar der nordischen Mission. – Die Militärhoheit ist durch Konvention vom an Preußen [* 11] abgetreten; das Kontingent bildet das zum 9. preuß. Armeekorps gehörige 1. Bataillon des 1. Hanseatischen Infanterieregiments Nr. 75.
2) Die Stadt Bremen liegt 53° 4’ 48" nördl. Br. und 8° 48’ 15" östl. L. (Ansgariturm) von Greenwich, in 5 m Höhe (Weserspiegel), auf beiden Ufern der schiffbaren Weser, 69 km von der Mündung derselben in die Nordsee und hat eine Ausdehnung [* 12] von 7900 m (O. nach W.) und 8400 m (S. nach N.), 33 km Umfang. Von der Gesamtfläche (23,12 qkm) sind 526 ha Gebäude und Höfe, 437 ha Straßen einschließlich der Wallanlagen und 1349 ha landwirtschaftlich benutzt. Der mittlere Luftdruck ist nach dem Mittel von 1803 bis 1890 760,9 mm, die mittlere Jahrestemperatur 8,7° C. (+ 36° C. Maximum, -27° C. Minimum), die Niederschlagsmenge 695,2 mm. (Hierzu ein Plan mit Verzeichnis der Straßen und Plätze und der öffentlichen Gebäude.)
Bevölkerung. Die Wohnbevölkerung der Stadt betrug 1867: 74574E., 1871: 82969, 1875: 102499, 1880: 112940, 1885: 118043, 1890: 124955 E., d. i. eine Zunahme (1885‒90) von 6912 Personen (6 Proz.) oder jährlich 1382 Personen. Dem Religionsbekenntnis nach waren (1890) 117713 Evangelische (942 auf 1000), 5736 Katholiken (46), 772 sonstige Christen, 734 Israeliten (6). 1890 gab es 19453 Gebäude, nämlich 3185 unbewohnte und 16268 bewohnte mit 1693 Einzel-, 24723 Familienhaushaltungen. Geboren waren (1890) in Bremen 69334, im übrigen Deutschen Reiche 53813, im Auslande 1808 Personen. Die Zahl der Geburten betrug 1891 3719, die der Sterbefälle 2474, die der Eheschließungen 1177. In Garnison liegt das 1. und 2. Bataillon des 75. Infanterieregiments.
Zu dem wirtschaftlichen Weichbilde der Stadt sind außerdem noch die Ortschaften Walle (6753 E.), Hastedt (4999), Schwachhausen (1604) und Woltmershausen (3900) zu rechnen, die in enger Berührung mit der Großstadt stehen und gewissermaßen Bremer Vororte sind; die Einwohnerzahl von Groß-Bremen beträgt somit (1890) 142211.
Anlage, Brücken, [* 13] Plätze, Denkmäler. Die Stadt wird durch die Weser und deren Arm, die Kleine Weser, in die auf dem rechten Ufer liegende Altstadt und die 1622‒26 aus militär.
[* 1] ^[Abb. Wappen [* 14] von Bremen] ¶
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Gründen gegenüber angelegte Neustadt [* 16] geteilt; an diese schließt sich jenseit des ehemaligen Festungsgrabens die Südervorstadt an; jene ist, jenseit der nach 1815 an die Stelle der frühern Festungswälle getretenen herrlichen Wallanlagen und des zickzackförmigen Wallgrabens, von einem Kranz belebter Vorstädte mit schönen Neubauten umgeben. Beide sind durch vier Brücken miteinander verbunden, die große und kleine Weserbrücke, die Kaiserbrücke (1875) und die auch für Fußgänger zugängliche Eisenbahnbrücke (1886), 230 m lang, mit drei Bogen. [* 17]
Unterhalb der Brücken ist im Waller Wied am rechten Weserufer ein durch den 1888 erfolgten Anschluß der Stadt an den Zollverein bedingtes Freigebiet mit einem offenen Hafenbassin (2000 m lang, 120 m breit, 6,8 m tief) und großartigen Speichern, Lösch- und Ladeeinrichtungen geschaffen worden. Die Wallanlagen sind ein Werk Altmanns, dessen Büste von Kropp seit 1877 auf einer Bastion nahe dem Doventhor steht. Sechs Übergänge, nach den ehemaligen Thoren benannt, überschreiten den Graben, am weitesten südlich das Osterthor mit der nahen Altmannshöhe, weiter nördlich das Bischofsthor, Heerdenthor, Ansgariithor mit dem nahen 1875 enthüllten Denkmal für die 1870/71 gefallenen Bremer (auf rundem Granitsockel die Bronzefigur eines siegreichen Kriegers), weiter das Doven- und an der Weser das Stephanithor.
Die altertümlichen Giebelhäuser in den zum Teil engen und krummen Straßen der Altstadt dienen neuerdings vielfach nur als Warenräume und Comptoire, während die Wohnungen in die Vorstädte verlegt sind, deren meist nur von einer Familie bewohnte freundliche Häuser den Wohlstand der Bevölkerung bekunden. Das Hauptleben bewegt sich auf den drei in der Altstadt nahe beieinander liegenden Plätzen Domshof, Domsheide und Markt, von dem die beiden wichtigsten Straßen, Langenstraße mit einigen Gebäuden des 16. Jahrh. und die Obernstraße ausgehen. An Denkmälern seien genannt der steinerne Roland (5,6 m hoch) vor dem Rathaus, ein Symbol der Marktgerechtigkeit, 1404 an Stelle einer hölzernen, schon 1366 erwähnten Säule errichtet, das Marmorstandbild des Astronomen und Arztes Olbers (1858) in der Nähe des Osterthores, das Denkmal des Bürgermeisters Smidt (1860) auf der obern Rathaushalle, die Statue des heil. Ansgar (1865), alle drei von Karl Steinhäuser in Bremen; das Erzstandbild Gustav Adolfs von Fogelberg auf der Domsheide (1856), der Willehadibrunnen vor dem Dom, der Centaurenbrunnen (1891) vor der Bismarckstraße von Sommer in Rom. [* 18] Auf dem Körnerwall steht ein Denkmal Theodor Körners von Denys. Im Westen des Rathauses erhebt sich ein Reiterstandbild Kaiser Wilhelms Ⅰ. von Bärwald, das enthüllt worden ist.
Kirchen. Den ersten Rang unter den Kirchen nimmt der Dom (103 m lang, 40 m breit, 31 m hoch) ein. 1044 begonnen, wurde der Bau unter Adalbert und Liemar weitergeführt. Um 1200 wurde die Pfeilerbasilika mit doppeltem Chor gewölbt. Der Plan, sie zu einer Hallenkirche umzubauen, wurde nur beim nördl. Seitenschiff ausgeführt (1502‒22). 1888‒93 wurden die beiden Türme, von denen der nördliche 1656 abbrannte, der südliche 1638 einstürzte, durch den Dombaumeister Salzmann aufgebaut und zugleich die Westfaçade restauriert.
Die Kirche besitzt schöne Glasmalereien und eine treffliche Orgel; berühmt ist auch in derselben der «Bleikeller». Die kath. Johanniskirche, eine got. Hallenkirche aus dem 14. Jahrh., hat ein 19 m hohes, auf acht schlanken Pfeilern ruhendes Gewölbe [* 19] und schöne Glasgemälde;
die Liebfrauenkirche stammt aus dem 12. und 13. Jahrh. Die got. Rembertikirche ist an Stelle eines ältern Baues nach Plänen von H. Müller 1870 erbaut;
die got. Friedenskirche mit Altargemälde von Pfannschmidt wurde 1869 vollendet;
die Ansgariikirche, aus dem 13. Jahrh. stammend, hat Wandbilder aus dem 18. Jahrh.;
die Stephanikirche ist in ihrer ursprünglich roman. Basilikaform neuerdings von Hase [* 20] wiederhergestellt.
Weltliche Bauten. Vor allem zeichnet sich aus das got., 1405‒10 erbaute Rathaus mit der großen Halle [* 21] (Gemälde von Hünten: Schlacht von Loigny und seinem namentlich durch Hauffs «Phantasien im Bremer Ratskeller» berühmt gewordenen, mit Fresken von Arthur Fitger (s. d.) gezierten Weinkeller; es wurde 1609‒12 durch Lüder von Bentheim umgebaut und mit drei prächtigen Giebeln im Renaissancestil an der Südfaçade geschmückt. Gleichzeitig entstand das schöne Schnitzwerk der Güldenkammer und der benachbarten Wendeltreppe in der obern Halle.
Demselben Meister verdankt man die Stadtwage (1586‒87) und das Kornhaus am Fangturm (1590‒91). Dem Rathaus gegenüber liegt der Schütting, das ehemalige Gildehaus der Kaufleute (1537‒94), jetzt im Besitz und Benutzung der Handelskammer; ferner ist zu nennen: das Gewerbehaus, vorher Krameramthaus, noch früher Gildehaus der Tuchhändler (1619‒21);
von neuern Gebäuden die Börse (1861‒64) im got. Stil erbaut, mit Gemälden von Fitger, der Künstlerverein in den Räumen des Domstifts, dessen Refektorium als Halle des Künstlervereins wiederhergestellt wurde (1857), das Gebäude der Gesellschaft Museum (1873‒74 umgebaut), sämtlich von Heinr. Müller;
ferner das Reichspostgebäude (1878), der Bahnhof (1889), die Sparkasse von Poppe (1880‒82), die Kunsthalle und das im Bau begriffene große Gerichtsgebäude.
Verwaltung. Die jetzt im Amt befindlichen Bürgermeister sind Lürman (1892‒95) und Pauli (1890‒93). Ihr Gehalt beträgt 14‒15000 M.
Die ständige Feuerwehr (seit 1870) besteht aus 100 Mann und erfordert eine Ausgabe von jährlich 180000‒200000 M.; es bestehen 4 Feuerwachen, 49 Feuermelder, [* 22] 2 Dampf- und 15 andere Spritzen. Die Gasanstalt erzeugte (1890) 8837930 cbm Gas, darunter 1562707 cbm zur öffentlichen Beleuchtung [* 23] (3695 Flammen) und 1247523 zu technischen Zwecken (91 Gasmotoren). Die Zahl der Sicherheitsbeamten beträgt 175. Die Errichtung eines städtischen Elektricitätswerkes (1,9 Mill. M.) für 8000, später 20000 brennende Glühlampen ist neuerdings (1892) beschlossen.
Behörden. Bremen ist Sitz eines Landgerichts (s. oben unter 1), eines Amtsgerichts, einer Oberpostdirektion für das Gebiet des Staates, Teile der preuß. Reg.-Bez. Hannover, Stade, [* 24] Osnabrück und Teile des Großherzogtums Oldenburg mit 157 Verkehrsanstalten, 1438,37 km oberirdischen Telegraphenlinien (6077,89 km Leitungen, einschließlich 1067,29 km Stadtfernsprechanlagen) und eines Betriebsamtes (318,89 km Bahnlinien) der königlich preuß. Eisenbahndirektion Hannover.
Bildungswesen. hat eine Hauptschule, die 1817 begründet und hervorgegangen ist aus ¶