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Innenstadt großenteils durchgeführt; die Anlage von Rieselfeldern steht nahe bevor. Die städtischen Anstalten verbrauchten (1891) 14 020 t Gaskohlen und erzeugten 4 485 270 cbm Gas, nämlich 644 748 cbm zu öffentlicher Beleuchtung, [* 2] 1689 Straßenflammen, 3 482 592 cbm für Privatgebrauch, davon 210 434 cbm zu technischen Zwecken sowie zum Heizen und Kochen (46 Motoren). Elektrische [* 3] Beleuchtung befindet sich nur in Privathäusern.
Finanzen. Im Haushaltplan (1893/94) sind an Gemeindesteuern 1 450000 M. (= 78 Proz. der Gesamteinnahme) vorgesehen; der Staatszuschuß beträgt 7,6 Proz. Es wurden (1891) ausgegeben für Straßenreinigung [* 4] und Kehrichtabfuhr 118000, auf Schuldenverzinsung und Schuldentilgung 356000 M., auf Unterrichtswesen 551 700 M., Armenwesen 175000 M.
Behörden. Braunschweig [* 5] ist Sitz des herzogl. Staatsministeriums, der herzogl. Kammer mit den drei Direktionen der Domänen, Forsten und Bergwerke, der herzogl. Baudirektion, des Finanzkollegiums mit einer Abteilung der Landesrevisionsbehörde, und einer zweiten, der die Leitung des sog. Leihhauses, der Landeskreditanstalt mit den zugehörigen Kreisanstalten obliegt, des Steuerkollegiums für direkte Steuern, der Zoll- und Steuerdirektion, der Landesökonomiekommission, der Oberschulkommission, eines Oberlandesgerichts und eines Landgerichts, beide für das ganze Herzogtum, letzteres mit Kammer für Handelssachen und 24 Amtsgerichten (Blankenburg, Braunschweig, Calvörde, Eschershausen, Gandersheim, Greene, Harzburg, Hasselfelde, Helmstedt, Holzminden, Königslutter, Lutter am Barenberge, Ottenstein, Riddagshausen, Salder, Schöningen, Schöppenstedt, Seesen, Stadtoldendorf, Thedinghausen, Vechelde, Vorsfelde, Walkenried, Wolfenbüttel), [* 6] zweier Amtsgerichte für und Riddagshausen, der Kreisdirektion für den Kreis [* 7] Braunschweig, der Direktion der Braunschw. Landeseisenbahn, der Oberpostdirektion für das Herzogtum (außer Amtsbezirk Thedinghausen), sowie für einzelne Teile der preuß. Reg.-Bez. Cassel, Erfurt, [* 8] Hannover, [* 9] Hildesheim [* 10] und Magdeburg, [* 11] mit 238 Verkehrsanstalten und 2013 km oberirdischen Telegraphenlinien (7427 km Leitungen, einschließlich 953 km Stadtfernsprechanlagen), der Invaliditäts- und Altersversicherungsanstalt für das Herzogtum, eines Eisenbahnbetriebsamtes (306,64 km Bahnlinien der königl. preuß. Eisenbahndirektion Magdeburg, eines Hauptsteuer- und eines Zollamtes und des Kommandos der 40. Infanteriebrigade.
Schul- und Bildungswesen. Die Technische Hochschule (Carolo-Wilhelmina), 1745 vom Herzog Karl I. auf Rat des Abts Jerusalem [* 12] als Collegium Carolinum gegründet, 1835 in drei Teile, die humanistische, technische und merkantilistische Anstalt, geteilt, 1862 in eine Polytechnische Schule umgewandelt, hat seit 1872 akademische Verfassung und ist seit Okt. 1877 Hochschule mit 6 Abteilungen;
sie hatte im Wintersemester (1892/93) 270 Studierende, 42 Hörer, 28 Professoren, 12 Docenten und 3 Assistenten;
das Gymnasium Martino-Katharineum ist 1828 durch Vereinigung des städtischen Martineums und herzogl. Katharineums (beide 1420 eröffnet) entstanden (Direktor Dr. Koldewey, 22 Lehrer, 9 Klassen, 265 Schüler) und seit 1885 in zwei selbständige Gymnasien geteilt;
herzogl. Neues Gymnasium (Direktor Dr. Dauber, 41 Lehrer, 20 Klassen, 575 Schüler), herzoql.
Realgymnasium (1828 gegründet, Direktor Dr. Dahl, 24 Lehrer, 13 Klassen, 315 Schüler), städtische paritätische Oberrealschule (Direktor vr. Krumme, 19 Lehrer, 13 Klayen, 485 Schüler), Jahnsche höhere Lehranstalt mit Militärberechtigung, herzogl. Lehrerseminar, Lehrerinnenseminar, Taubstummenanstalt, 2 städtische und eine Privat-Mädchenschule, 14 Bürgerschulen, eine Hilfsschule für schwachbefähigte Kinder, Fortbildungs- und Gewerbeschule, kath. Schule, israelit. Religionsschule, Drogistenakademie, Handelsschule, Hochschule für Musik und eine Schule für Zuckerindustrie.
Das Herzogliche Museum, nach Plänen von O. Sommer 1883-87 ausgeführt, enthält eine wertvolle Sammlung von Gemälden, namentlich der holländ. Schule, von Kupferstichen, ital. Majoliken (1000 Stück, reichhaltigste Sammlung in Deutschland), [* 13] Schnitzereien und andern Kunstschätzen, histor. Reliquien und Antiken, worunter sich das berühmte sog. Mantuanische Onyxgefäß befindet. Das 1861 gegründete Städtische Museum enthält unter vielen histor. Merkwürdigkeiten besonders Kunst- und Gewerbegegenstände.
Das 1891 eröffnete Vaterländische Museum birgt Erinnerungsgegenstände der verschiedensten Art, besonders aus der Zeit der Herzöge Karl Wilhelm Ferdinand und Friedrich Wilhelm. Das Hoftheater (1600 Zuschauerplätze, Saison 1. Aug. bis 1. Juni) ist 1826 aus dem Nationaltheater (seit 1818) entstanden und befindet sich seit in dem jetzigen Gebäude; mit ihm verbunden sind eine Pensionsanstalt, eine Witwen- und Waisenkasse und eine Unterstützungskasse.
An Vereinen bestehen: Vereine vom roten Kreuz, [* 14] Bürgerverein, Kunst-, Kunstgewerbe-Museums-Verein, landwirtschaftlicher, naturwissenschaftlicher Verein, Verein für öffentliche Gesundheitspflege, 2 Missions- und 3 andere kirchliche Vereine, Zweigverein des Harz- und Alpenklubs, ein Samariter-, 3 Lehrer-Vereine, Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen, 2 Frauenvereine, Verein gegen Bettelei, 3 Stenographen- sowie zahlreiche Turn- und Gesangvereine.
Wohlthätigkeitsanstalten. In Braunschweig befinden sich ein herzogl., ein städtisches Krankenhaus [* 15] und das Marienstift (Diakonissen- und Krankenanstalt). Das 1874 aufgehobene Blindeninstitut, dessen Zöglinge einstweilen im Blindeninstitut zu Hannover Aufnahme finden, wird nach Vollendung des Neubaues (1893) wieder nach Braunschweig verlegt.
Industrie, Gewerbe, Handel. Die Industrie erstreckt sich auf die Fabrikation von Wurstwaren, Cichorien, Tabak, [* 16] Wollwaren, Papiertapeten, Lack und Farben, Stroh-, Filz- und Seidenhüten, Handschuhen, Nähmaschinen, [* 17] Klavieren, Maschinen, Geldschränken, Kochherden, Wagen, Cement, Kisten, Eisengußwaren, Chemikalien, Branntwein und Liqueuren; ferner auf Zuckerraffinerie, Ziegelei und Bier; berühmt sind die Braunschweiger Mumme (s. d.), die Braunschweiger Schlackwurst und die Honigkuchen, besonders aber die großartige Spargelzucht und die damit verbundenen Konservenfabriken, hervorzuheben ist ferner die Buchdruckerei und der Buchhandel (Friedr. Vieweg & Sohn, G. Westermann). Nach der Gewerbezählung vom gab es in Braunschweig 2398 Haupt-, 69 Nebenbetriebe mit 18 251 Gewerbtreibenden; von erstern waren 460 Groß- und 150 Motorenbetriebe.
Braunschweig ist Sitz der Braunschweigischen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft, der 5. Sektion der ¶
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Nordwestdeutschen Eisen- und Stahl-, der 5. Sektion der Leinen-, der 3. Sektion der Hannoverschen Baugewerks-, der 36. Sektion der Fuhrwerksberufsgenossenschaft und der 5. Sektion der Berufsgenossenschaft für Feinmechanik.
Die 1498 gestiftete Messe (jährlich zweimal) ist bedeutend für Leder, Tuch, Baumwoll- und Kurzwaren. In Braunschweig bestehen eine Handelskammer für das Herzogtum, die 1853 gegründete Braunschweigische Bank, eine Reichsbankstelle (Gesamtumsatz 1892: 655 Mill. M.), eine Kreditanstalt (Reingewinn 1891: 507 022 M.), die Braunschweig-Hannoversche Hypothekenbank (1891: 566 602 M. Gewinn, 5½ Proz. Dividende) mit Sparkasse (576 602 M.), herzogl. Leihhausanstalt, Kredit- und Sparverein, ferner eine Lebensversicherungsanstalt, Allgemeine Sterbekasse, Beerdigungskasse, Viehversicherungsanstalt, Kaiser-Wilhelms-Spende.
Verkehrswesen. hat drei Bahnhöfe [* 19] und liegt an den Linien Braunschweig-Seesen (67 km, Nordbahnhof und Westbahnhof) der Braunschw. Landeseisenbahn und Braunschweig-Wolfenbüttel-Jerxheim (41,30 km), Braunschweig-Meine (15 km) und Braunschweig-Helmstedt (38,80 km) der Preuß. Staatsbahnen, [* 20] welchen letztern der Staatsbahnhof im Süden der Stadt dient. Auf der Staatsbahn (Haupt- und Ostbahnhof, letzterer nur für Güter) kamen (1890/91) an 472 050 t Fracht- und Eilgüter, es gingen ab 162 021 t, 4059 Stück Großvieh, 10 209 Stück Kleinvieh. Die Braunschw. Landeseisenbahn beförderte (1891) 363 024 Personen, 386 059 t Güter, 1512 Ladungen Vieh. Die vier Linien der Straßenbahn (seit haben 12,970 km Gleise und beförderten (1892) zusammen 1 979 205 Personen.
hat ein Postamt erster Klasse mit 3 Zweigstellen sowie ein Telegraphenamt. Der Post-, Telegraphen- und Bahnverkehr ist sehr lebhaft. 1892 betrug die Einnahme an Porto- und Telegrammgebühren 1 314 776 M. Es gingen ein: Briefe, Postkarten, Drucksachen und Warenproben 7 761 104 Stück, Pakete ohne Wertangabe 479 043, desgleichen mit Wertangabe 14 829, Briefe mit Wertangabe 46 293. Abgesandt wurden Briefe u. s. w. 19 198 790, Pakete ohne Wertangabe 599 968, desgleichen mit Wertangabe 10 343, desgleichen Briefe 34 239 Stück. Auf Postanweisungen wurden eingezahlt 20 666 563 M., ausgezahlt 31 712 245 M. Zeitungsnummern wurden abgesetzt 4 712 355. Telegramme gingen ab 109 698, liefen ein 114 489. Ende 1892 waren 586 Sprechstellen im Betrieb; Braunschweig ist mit 25 andern Orten verbunden.
Vergnügungsorte und Umgebung. Beliebte Vergnügungsorte sind die etwa 3 km entfernten Gehölze Buchhorst mit Grünen Jäger und von Pawelsches Holz, [* 21] der Nußberg, Thieder Lindenberg, die umliegenden Dörfer Olper, Gliesmarode, Querum, Riddagshausen, Melverode; ferner die mittels Eisenbahn leicht zu erreichende Asse, der Elm, weiter entfernt auch der Harz (Harzburg).
Geschichte. Nach einer alten Überlieferung soll die Erbauung der Burg Dankwarderode auf dem linken Ockerufer 861 den ersten Anlaß zur Entstehung eines größern Anbaues auf dem Besitztum der den Ludolfingern verwandten Brunonen gegeben haben. Urkundlich wird eines Ortes unter dem Namen Bruneswik, der erwähnten Burg gegenüber, zuerst 1031 gedacht. Stadtrecht erhielt Braunschweig durch Heinrich den Löwen, [* 22] welcher die Befestigung der heranwachsenden Stadt begann. Seit dem 13. Jahrh. blühte sie als Mitglied der Hansa (seit 1247) noch höher auf und wurde eine Quartierstadt derselben; sie kaufte von dem Fürsten die Münze, den Zoll und fast alle Regalien in ihren Stadtmauern und pfandweise die Gerichte Eich, Asseburg, Campen, Wendhausen und Neubrück.
Unter wiederholten Fehden zwischen dem Rate und den Gilden sicherte sich die Stadt mehrmals und noch nach einer blutigen Fehde mit Herzog Heinrich dem Jüngern in der zweiten Hälfte des 16. Jahrh. durch vorteilhaften Frieden eine gewisse Unabhängigkeit. Dabei kam ihr der frühe Übertritt zur Reformation (1528) und der Beistand des Schmalkaldischen Bundes zu statten. Als aber im 17. Jahrh. die Hansa immer mehr in Verfall geriet, sank auch Braunschweig. Es geriet, besonders infolge des Dreißigjährigen Krieges (Abkaufung Tillys, Pappenheims u. s. w.) in eine drückende Schuldenlast, worüber Rat und Bürgerschaft sich immer mehr verfeindeten.
Herzog Rudolf August benutzte diese Verhältnisse und unterwarf sich 1671 Braunschweig, unter Beistand der übrigen Linien, denen bis dahin die Mitherrschaft über die Stadt gehörte. Die Verwaltung des städtischen Vermögens (sog. großen Stadtärars) wurde zunächst einer Kommission überwiesen, von welcher sie an die herzogl. Kammer überging. Die seit jener Zeit zwischen Regierung und Stadt bezüglich der städtischen Besitzungen bestehenden Differenzen wurden durch Vertrag vom 1./10. Aug. 1858 beseitigt und damit der städtischen Vermögensverwaltung eine feste Grundlage gegeben. Die Stadt war seit 1753 beständige Residenz der Herzöge. Unter der westfäl. Herrschaft war sie 1807-13 zweite Residenz dieses Königreichs. Seit 1885 ist Braunschweig Residenz des Regenten Prinz Albrecht von Preußen. [* 23]
Vgl. Schröder und Aßmann, die Stadt ein histor.-topogr.
Handbuch (Braunschw. 1841);
Sack, Kurze Geschichte der Stadt Braunschweig (ebd. 1861);
Heusinger, Geschichte der Residenzstadt Braunschweig von 1806 bis 1831 (ebd. 1861);
Die Chroniken der niedersächs.
Städte, Bd. 1 u. 2 (Lpz. 1868-80);
Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, hg. von Hänselmann (Bd. 1 in 3 Abteil., Braunschw. 1862-73);
Dürre, Geschichte der Stadt Braunschweig im Mittelalter (ebd. 1875);
Knoll, und Umgebung (2. Aufl., ebd. 1881);
Führer durch die Stadt Braunschweig (ebd. 1884).