herzoglich braunschw. Hauses
Ansprüche auf die
Thronfolge erhob, anheimgestellt hatte, seine
Ansprüche bei den hierfür allein
kompetenten Organen des
Reichs zur Geltung zu bringen. Diesen Weg wollte der engl. Prinz nicht betreten.
In der Landtagssitzung vom stellte die staatsrechtliche
Kommission den
Antrag, der Landtag solle sich dahin
aussprechen, daß er die
ThronfolgeCumberlands ausgeschlossen sehe durch die von diesem selbst eingenommene
Stellung bezüglich
der Geltendmachung von
Rechten auf die preuß.
Provinz Hannover,
[* 2] und daß er über reichs- oder verfassungsmäßige
Mittel nicht
verfüge, die von dem
Herzoge selbst geschaffene
Lage zu beseitigen. Dieser
Antrag wurde mit allen gegen
zwei
Stimmen angenommen.
Darauf nahm der Landtag dem Regentschaftsgesetze von 1879 gemäß die
Wahl eines
Regenten vor. Im
Namen des Regentschaftsrats
schlug
Graf Görtz-Wrisberg den Prinzen
Albrecht (s. d.) von
Preußen
[* 3] vor, der auch 21. Okt. vom Landtag einstimmig zum
Regenten
von Braunschweig
[* 4] gewählt wurde.
Albrecht nahm die
Wahl an, hielt 2. Nov. seinen Einzug in und übernahm die Regierung
des
Landes. Der Gesetzentwurf über Feststellung eines neuen Huldigungseides, in welchem
Treue und Gehorsam dem
Regenten gelobt
wurde, wurde vom Landtag einstimmig angenommen, dabei aber die Aufrechterhaltung der im Erbhuldigungseide dem Hause
Braunschweig gegenüber eingegangenen Verpflichtung ausdrücklich anerkannt. Am 24. März ward die
mit
Preußen abgeschlossene Militärkonvention genehmigt.
Aus den Verhandlungen des 19. ordentlichen Landtags gingen als wichtigste Resultate eine Änderung des Landesgrundgesetzes
von 1832 hervor, wodurch die bisherige sechsjährige Wahlperiode der Landesversammlung in vierjährige, und die dreijährigen
Finanzperioden in zweijährige verkürzt wurden. Der Beginn des Rechnungsjahres wurde auf den 1. April festgesetzt.
Hinsichtlich der
Civilliste des Landesfürsten wurde vereinbart, daß solche von 1888 an um jährlich 300000 M., also auf 1 125 322 M.
für die
Dauer der gegenwärtigen Regentschaft zu erhöhen sei.
Zugleich wurde der
Veräußerung verschiedener Grundflächen der herzogl. Hofstatt zu Herstellung von Straßenanlagen
und als
Baugrund, sowie endlich der Entnahme von 450000 M. aus dem Kammer-Kapitalfonds behufs Verwendung auf Bauten an den
herzogl. Schlössern zugestimmt.
Bei den Reichstagswahlen von 1887 wurden nur
Anhänger des Septennats, 1890 zwei
Deutschfreisinnige
und ein Socialdemokrat, Juni 1893 zwei
Anhänger der Militärvorlage und ein Socialdemokrat gewählt.
Litteratur. G. Hassel und K.
Bege, Geogr.-statist.
Lachmann, Physiographie des Herzogtums und des Harzgebirges (2 Bde.,
ebd. 1851-52);
Guthe, Die
Lande und Hannover (Hannov. 1867; 2. Aufl. 1888);
Beiträge zur
Statistik des Herzogtums Braunschweig (Heft
1-9, Braunschw. 1874 fg.);
Blasius, Die faunistische Litteratur B.s (ebd. 1891);
Ortschaftsverzeichnis
des Herzogtums Braunschweig auf
Grund der
Volkszählung vom (ebd. 1891);
Zavemann, Geschichte derLande und
Lüneburg
[* 6] (3 Bde.,
Gött. 1853-57);
Schaumann, Handbuch der Geschichte der
Lande Hannover
und Braunschweig (Hannov. 1864);
von Malortie, Beiträge zur
Geschichte des braunschw.-lüneb.
Hauses und
Hofes (6 Hefte, ebd. 1860-72;
Neue Folge, 1. Bd., ebd. 1879);
Urkundenbuch zur Geschichte der
Herzöge von und
Lüneburg, hg. von Sudendorf (11 Bde., ebd. 1859-80);
Görges, Vaterländische
Geschichten und
Denkwürdigkeiten der Vorzeit, hg. im
Verein braunschw. und hannov. Geschichtskundiger (2. Aufl., 3 Bde.,
Braunschw. 1880-81); O. von Heinemann, Geschichte von und Hannover (3
Bde., Gotha
[* 7] 1882-92); Ad.
Köcher, Geschichte von und Hannover, 1648-1714 (1. Bd.:
1648-68, Lpz. 1884).
1)
Kreis
[* 8] im Herzogtum hat 543,08 qkm und (1890) 141 632 (69 642 männl., 71 990 weibl.) E., 11 535
Gebäude mit 31 699 Haushaltungen, 1 Stadt
und 92 Landgemeinden und umfaßt die Amtsgerichtsbezirke Braunschweig, Riddagshausen,
Vechelde und
Thedinghausen.
2) Braunschweig (Brunsvyk, Brunonis vicus), Haupt- und Residenzstadt des Herzogtums Braunschweig, liegt
unter 52° 16' 19" nördl.
Br. und 10° 32' östl. L. von Greenwich, 7 km von der nördl.
Landesgrenze und 61 km von Hannover entfernt, in 83 m Höhe, an der Ocker, in einer flachen, aber fruchtbaren
Gegend und hat im
Mittel eine Jahrestemperatur von +8 °C. (+33° Maximum, -17° Minimum), einen Luftdruck von 754
mm (772
Maximum, 731 Minimum) und eine Niederschlagsmenge von 748
mm. Von dem Weichbilde (27,19 qkm) kommen 2,62 qkm auf
die Innenstadt, die von dem Umflutgraben der Ocker umgeben ist.
Bevölkerung.
[* 9] Braunschweig hatte 1880: 75 038, 1885: 85 174, 1890: 101 047 (49 598 männl., 51 449 weibl.) E.,
d. i. eine Zunahme (1885-90)
von 15 873
Personen oder 18 Proz. oder jährlich 3174
Personen;
Dem Religionsbekenntnis nach waren 90 467
Lutherische, 2524
Reformierte, 6297 Katholiken, 465 andere
Christen und 710 Israeliten.
Geboren sind in Braunschweig 45 047, im übrigen
Lande 22 799, im übrigen
DeutschenReiche 31 849 (davon in
Preußen 27 699) und im
Auslande 1288. Die
Zahl der
Geburten einschließlich Totgeburten betrug (1892) 3962, Sterbefälle 2514,
Eheschließungen 965. Es
zogen zu (1891) 21 668, ab 19 374. In Garnison liegt das 1. und 2.
Bataillon des 92. Infanterieregiments und das 17. Husarenregiment.
Anlage,
Straßen, Plätze,
Denkmäler. Die Stadt ist meist unregelmäßig gebaut und hat 297
Straßen und 17 Plätze. Die
auf der
Stelle der 1797 geschleiften Befestigungen entstandenen und durch schöne Neubauten gezierten Promenaden mit dem herzogl.
und dem Eisenbahnpark, besonders zwischen
August- und Wendenthor, zählen zu den schönsten derartigen
AnlagenDeutschlands.
[* 11] Der Hauptverkehr bewegt sich auf dem
Altstadt-,
Kohl- und Hagenmarkt, dem Bohlweg und den dazwischen liegenden
Strecken. Die
Außenstadt zeigt und zwar abweichend von andern
Städten, besonders im östl.
Teile, eine reiche Villenentwicklung. Auf dem
Burgplatz mit dem ehernen Löwen,
[* 12] den
Heinrich der Löwe als Zeichen seiner Oberhoheit 1166 errichten ließ und der 1858 erneuert
ist, hielten bis 1486 die herzogl. Vögte öffentlich
Rügegericht; der Altstadtmarkt hat einen 1408 errichteten, 1847 erneuerten
Brunnen
[* 13] (s.
Tafel:
Brunnen I,
[* 1]
Fig. 3);
¶
mehr
der Hagenmarkt ein von Howaldt in Bronze
[* 15] gegossenes Brunnenstandbild Heinrichs des Löwen (von A. Breymann), der Schloßplatz
die von Howaldt in Kupfer
[* 16] getriebenen beiden Reiterstandbilder (seit 1874) der HerzögeKarl Wilhelm Ferdinand (von Pönninger)
und Friedrich Wilhelm (von Hähnel), der Monumentsplatz den den genannten beiden Herzögen 1822 errichteten 12 m hohen
eisernen Obelisk, der Lessingsplatz das 1853 enthüllte, von Howaldt gegossene Standbild Lessings (von Rietschel), der Siegesplatz
das 1881 errichtete Landes-Siegesdenkmal für 1870/71, auf einem mit Bronzereliefs geschmückten Obelisken die Germania
[* 17] mit
dem Lorbeerkranze (entworfen von Breymann, vollendet von Diez).
Auf dem Wilhelmsplatze steht das 1881 vollendete Justiz-, das neue Polizeigebäude und die Dompfarre;
auf dem St. Leonhardplatz das DenkmalSchills, 1837 ihm und den im Juli 1809 hier erschossenen 14 Unteroffizieren und Soldaten
seines Korps errichtet, deren Gebeine nebst Schills Haupt hier beigesetzt sind. Unweit des Wendenthores auf der Promenade
am Gaußberge das von Schaper modellierte und von Howaldt gegossene Standbild von Gauß. Nördlich vom
Hoftheater wurde 1891 das von Echtermeyer entworfene DenkmalFranzAbts errichtet.
Kirchen. Unter den 11 Kirchen zeichnen sich aus: der von Heinrich dem Löwen 1173-88 im roman. Stil begonnene, 1194 vollendete
Dom (St. Blasius- oder Burgkirche), eine gewölbte Pfeilerbasilika mit neuer Taufkapelle (1892), Krypta (seit 1681 Erbbegräbnis
des braunschw. Welfenhauses), mit Wandmalereien im Chor, einem Geschenk von Heinrichs Gemahlin Mechthildis (1188), aus dem
Ende des 12. Jahrh., den Grabdenkmälern des Gründers und seiner Gemahlin aus dem Anfang
des 13. Jahrh., deren Deckelplatte mit herrlichen Reliefbildern des herzogl.
Paares geziert sind, sowie dem GrabeKaiserOttos IV.; die 1195 abgebrannten Türme sind nicht wieder vollkommen
hergestellt; ferner die Martinikirche, eine ursprünglich roman. Pfeilerbasilika von 1180 bis
1190, in der 2. Hälfte des 13. Jahrh. im frühgot.
Stil erweitert, mit spitzgewölbten Seitenschiffen, got. Maßwerk
[* 18] (1250-80), der prächtigen
spätgot. Annakapelle (1434), einem Chorschiff (1490-1500) und reichen Portalen (Priesterthor, Braut- und
roman. Turmportal);
die Katharinenkirche, ursprünglich eine gewölbte Säulenbasilika, 1172 von Heinrich dem Löwen begonnen, 1252 weiter
gebaut, Chor um 1500 vollendet, mit zahlreichen Grabdenkmälern des 16. bis 18. Jahrh.;
die Brüdernkirche, Chor 1361 geweiht, 1451 vollendet,
1861-65 unter Leitung von Tappe und 1869-70 renoviert, mit spätgot. messingenem Taufbecken (1450) und
schönem Schnitzaltar aus dem Ende des 14. Jahrh.;
das Refektorium des zur Kirche gehörigen ehemaligen Franziskanerklosters
(1486), jetzt Militärmagazin, hat ein schönes Renaissanceportal (1604);
die um 1200 im Übergangsstil begonnene, 1360-1420
im spätgot.
Stil weiter gebaute Andreaskirche, eine Säulenbasilika mit zwei ungleich hohen got. Türmen, von denen
der südliche (92 m) 1518-32 aufgeführt, nach den Zerstörungen von 1551, 1680 (durch Blitz und Sturm) und 1740 erneuert ist;
die jetzt zu Kunstausstellungen. Konzertenu. dgl. bestimmte frühere Egidienkirche got.
Stils, jetzt Ägidienhalle; die Magnikirche, 1031 geweiht, der jetzige Bau aus dem 13. und 15. Jahrh.,
1877 erneuert. Die
Synagoge in maur.-byzant. Stil ist 1875 von Uhde erbaut.
Weltliche Bauten. Das Residenzschloß, 1831-36 an Stelle des bei dem Aufstande im Sept. 1830 niedergebrannten «GrauenHofes»
nach Ottmers Plan im Renaissancestil erbaut und nach dem Brande 1865 fast ganz neu aufgeführt; die Hauptfaçade ist 125 m
lang, 34 m hoch; das großartige Portal krönt eine von Rietschel entworfene Quadriga
[* 19] der Brunonia, von
Howaldt 1868 nach dem Brande zum zweitenmal und noch vollendeter in Kupfer getrieben. Die Sandsteinstatuen KaiserOttos IV.
und Ottos des Kindes auf den Zinnen, sowie die Gruppe im Giebelfeld sind von Bläser.
Das Altstadt-Rathaus in zierlichem got. Stil, aus zwei rechtwinklig zusammenstoßenden Flügeln (19 m und 17 m
lang) bestehend, 1250 begonnen, 1393-96 fortgesetzt, 1447-68 vollendet, hat in beiden Stockwerken durchbrochene Laubengänge,
an deren neun Pfeilern die Standbilder sächs. Fürsten von Heinrich I. bis zu Otto dem Kinde nebst Gemahlin aufgestellt sind,
die meisten um 1455 von Hans Hesse gefertigt. Die HofburgHeinrichs des Löwen am Burgplatz, 1150-60 an
Stelle der alten Burg Dankwarderode erbaut, im 13. und 16. Jahrh. durch Brand beschädigt, im 17. Jahrh. im Renaissancestil
erneuert, diente später unter dem Namen Mosthaus der herzogl. Hofhaltung und bis zu einem abermaligen Brande 1873 als Kaserne.
Jetzt wird die Burg mit ihrem zweistöckigen Saalbau (40 m lang, 13 m breit) im ursprünglichen roman.
Stil unter Leitung des Baurats Winter wiederhergestellt. Die alte Wage,
[* 20] ein schöner spätgot. Fachwerkbau von 1534, 1856 erneuert,
das Gewandhaus mit Ostgiebel von 1590 im Renaissancestil von Magnus Klinge und Balzer Kirchner, das Landschaftliche
Haus, das Hauptbahnhofsgebäude, 1843-45 von Ottmer errichtet, ebenso die Infanteriekaserne, das neueTheater
[* 21] von Wolf, 1861 eröffnet,
das Gymnasium Martino-Katharineum von Fr. Krahe, die 1877 nach Plänen von Uhde und Körner vollendete Technische Hochschule,
das 1878-81 von Raschdorff erbaute Oberpostdirektionsgebäude, die Polizeidirektion, 1879-80 nach Plänen von Bohnsack erbaut,
das Justizgebäude (1879-81), das Land- und Oberlandesgericht (von Lilly), das neue herzogl. Museum, nach
Plänen von Oskar Sommer 1883-87 aufgeführt, das Direktionsgebäude für das Feuerlöschwesen und die Gas- undWasserwerke im
got. Stil (1880-82), das Schlachthaus (1879),beide vonL. Winter und endlich die zahlreichen Schulgebäude.
Einen großen Reichtum besitzt die Stadt an altertümlichen Wohnhäusern, deren interessante Holzschnitzereien
durch neuere buntfarbige Bemalung sehr gewonnen haben. Außerhalb des Augustthores liegen die dem Herzoge von Cumberland zugehörigen
Lustschlösser Richmond (1768) mit Park und Villa Richmond, 1834-35 in normann. Stil erbaut.
Verwaltung. Die Stadt wird verwaltet durch einen Oberbürgermeister (Pockels, lebenslänglich, 12000 M.), 8 Stadträte
(3 besoldete) und 36 Stadtverordnete. Das städtische Wasserwerk besteht seit 1864, die ständige Feuerwehr seit 1875; letztere
verfügt über 43 ständige und 497 nicht ständige Personen, 15 Spritzen, 1125 Hydranten und 136 Feuermelder
[* 22] und erfordert eine
jährliche Ausgabe von 56000 M. Die Kanalisation (60 km Kanallänge) ist in der Außenstadt fast ganz,
in der
¶