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den Schild gelegten Schnallengurt die Devise: «Immota fides» («Unerschütterliche Treue»);
das Ganze wird von zwei goldenen, gekrönten Löwen gehalten.
Auf dem Spruchband: «Nec aspera terrent». Die Landesfarben sind blau und gelb.
[* ] ^[Abb.]
Finanzen. Das ordentliche Staatsbudget auf das Finanzjahr vom 1. April 1893/94 beläuft sich in Einnahme und Ausgabe auf 13 170000 M. Zu den Einnahmen liefern die direkten Steuern nur die Summe von 1 760000 M., während der Ertrag der indirekten Steuern einschließlich des Anteils an den gemeinschaftlichen Reichszöllen 3 993 700 M. ausmacht. An Matrikularbeiträgen zahlte Braunschweig 2 906000 M. Außer dem Staatsbudget besteht ein Etat des Kloster- und Studienfonds, dessen Einkünfte (1. April 1893/94 2 289000 M.) zu Kultus- und Unterrichtszwecken verwandt werden. Die Landesschuld beläuft sich (ausschließlich eines 1869 kontrahierten Prämienanlehens von nominell 30 Mill. M., welches bis 1924 durch Annuitäten von 1 219 740 M. zu tilgen ist) auf 27 394 200 M. An Aktivkapitalien waren beim Staatshaushalt 19 578 550 M., beim Kammerkapitalfonds 2 472000 M. und beim Klosterkapitalfonds 20 462 200 M. vorhanden.
Geistige Kultur. Das Schul- und Bildungswesen des Landes steht auf einer hohen Stufe. Die Leitung und Beaufsichtigung der staatlichen höhern Unterrichtsanstalten - mit Ausnahme der technischen Hochschule in Braunschweig, die dem Staatsministerium unmittelbar unterstellt ist - wird durch die Oberschulkommission in Braunschweig ausgeübt. 1891 waren vorhanden: 423 Volksschulen mit 1050 Lehrern und 67 200 Schulkindern, 12 unter Oberaufsicht des Konsistoriums stehende Privatschulanstalten, unter denen die Mädchenschule nebst Lehrerinnenseminar des Fräulein Vorwerk in Wolfenbüttel besonders hervorzuheben ist;
6 Gymnasien mit (1893) 1765 Schülern, 1 Realgymnasium in Braunschweig, 1 städtische Oberrealschule in Braunschweig, 1 Realgymnasium (ohne Prima) in Gandersheim, 1 höhere und 1 mittlere Töchterschule in Braunschweig, 1 höhere Bürgerschule in Wolfenbüttel, 1 höhere Mädchenschule in Helmstedt, 1 Schule für Zuckerindustrie, 1 Droguistenakademie, 1 Handelsschule und 1 städtische Gewerbeschule in Braunschweig;
2 Schullehrerseminare und Präparandenanstalten in und Wolfenbüttel, 1 Predigerseminar zu Wolfenbüttel, 1 technische Hochschule (Carolo-Wilhelmina) in Braunschweig mit 40 Professoren und Lehrern und 312 Studirenden und Hörern;
1 Baugewerkschule mit 1000 Schülern zu Holzminden, 1 Landwirtschaftliche Schule und 1 Haushaltungsschule für Töchter bäuerlicher Besitzer (seit 1893) zu Helmstedt-Marienberg, 1 Ackerbauschule in Holzminden;
die berühmte herzogt.
Bibliothek zu Wolfenbüttel (300000 Bände und 10000 Handschriften), das herzogl. Museum zu Braunschweig. Seit der Aufhebung der Universität Helmstedt (durch die westfäl. Regierung 1809) werden die akademischen Stipendien und Freitische an braunschw. Studierende der Universität Göttingen erteilt.
Unter den zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten sind hervorzuheben: die Landesirrenanstalt zu Königslutter, die Idiotenanstalt Neu-Erkerode in Sickte, das herzogl. Krankenhaus, das Große Waisenhaus, die Diakonissenanstalt Marienstift zu und das Krankenhaus zu Marienberg bei Helmstedt. Landesstrafanstalten befinden sich in Wolfenbüttel (Zellengefängnis) und Braunschweig, eine Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder in Bevern (Wilhelmstift).
Heerwesen. Nach der Errichtung des Norddeutschen Bundes traten die braunschw. Truppen unter preuß. Militärverwaltung, bildeten jedoch ein selbständiges Kontingent und behielten ihre abweichende Bekleidung bei. Am Deutsch-Französischen Kriege von 1870 und 1871 nahmen Infanterie und Artillerie im Verbände des 10. Armeekorps, das Husarenregiment in der 5. Kavalleriedivision teil.
Nach der am mit Preußen abgeschlossenen und vom braunschw. Landtage 24. März einstimmig genehmigten Militärkonvention verzichtet Braunschweig auf die Stellung eines selbständigen Militärkontingents; die vorhandenen Truppen blieben bestehen, wurden jedoch in den Verband des preuß. Heers übernommen und können vom Kaiser unbeschränkt außerhalb der braunschw. Landesgrenzen verlegt werden. Alle Militärhoheitsrechte gingen auf den König von Preußen über, und die Truppen stehen in allen dienstlichen Beziehungen unter den preuß. Kommandobehörden, behielten jedoch ihre bisherigen Fahnen und Standarten, die Offiziere auch ihre bisherige Bewaffnung; Offiziere, Portepee-Fähnriche, Ärzte und Beamte leisten dem König von Preußen den Fahneneid.
Die Truppen stehen unter preuß. Militärgerichtsbarkeit, das Begnadigungsrecht übt der König von Preußen aus. Der Regent besitzt die Befugnisse eines kommandierenden Generals über alle im Herzogtum stehenden Truppen, kann dieselben zu polizeilichen Zwecken heranziehen, den Garnisondienst ordnen und die Uniform seiner Adjutanten bestimmen. Alle Offiziere haben auf Grund ihres Patents die preuß. Staatsangehörigkeit erworben. Die Kasernen, Wachen und Schilderhäuser behielten die bisherigen Wappen und braunschw.
Farben, die Garnisoneinrichtungen blieben im Besitz der Garnison. Diese Konvention ist in Kraft getreten und kann erst 2 Jahre nach erfolgter Kündigung, die nicht vor dem erfolgen darf, aufgehoben werden. Verwaltung und Unterhalt der Truppen sowie die finanziellen Leistungen des Herzogtums regeln sich nach den Reichsgesetzen. Durch die Militärkonvention ist den braunschw. Offizieren die Aussicht erschlossen, in höhere Stellungen aufzurücken. Das braunschw. Infanterieregiment Nr. 92 hat inzwischen preuß. Uniform mit geringfügigen Abänderungen am Helmbeschlage erhalten, die braunschw. Batterie erhielt die preuß. Uniformierung ohne Abänderung und das braunschw. Husarenregiment Nr. 17 hat seine bisherige Uniform fast unverändert behalten; nur die Gradabzeichen und die Kopfbedeckung wurden nach den für preuß. Husaren vorgeschriebenen Mustern geändert.
Geschichte. Alles Land, das zu dem gegenwärtigen Herzogtum Braunschweig gehört, war in der frühesten Zeit ein Teil des Sachsenlandes, welches Karl d. Gr. sich unterwarf, und gehörte später den Herzögen von Sachsen. Als Heinrich der Löwe 1180 die sächs. Herzogswürde verlor, behielt er seine braunschw., northeimischen, supplinburgischen, billingschen Allodialbesitzungen. Nach seinem Tode 1195 beherrschten seine Söhne, Heinrich, Otto und Wilhelm, das
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welfische Erbe gemeinschaftlich, bis sie es 1203 teilten. Heinrich, der Pfalzgraf, erhielt Hannover mit dem Lande westlich der Leine von dieser Stadt bis Göttingen, den westl. Teil des Lüneburgischen und die nördl. Gegenden (einschließlich Dithmarschen);
Otto, der 1108 zum deutschen König (Otto IV., s. d.) gewählt worden war, das eigentliche Braunschweig mit der Umgegend bis zur Leine und den Unterharz;
Wilhelm den östl. Teil des Lüneburgischen mit der Stadt Lüneburg, den Oberharz u. s. w. Wilhelm starb 1213 und hinterließ einen einzigen Sohn, Otto (s. d.) das Kind;
Kaiser Otto IV. starb 1218 kinderlos;
Heinrich (gest. 1227) hatte nur zwei Töchter.
Otto das Kind, der einzige Stammhalter des welfischen Hauses, wurde in heftige Kämpfe verwickelt, da die beiden Töchter Heinrichs ihre Erbansprüche an Kaiser Friedrich II. verkauft hatten, der auch sofort die Stadt an sich zu bringen suchte. Den Streit zu endigen, gab Otto 1235 das Schloß zu Lüneburg mit seiner Herrschaft dem Kaiser und dieser es dem Reich als «Eigen». Die Stadt und deren Zubehör, wie die Lüneburgischen Lande erhielt Otto als erbliches Herzogtum und wurde Reichsfürst.
Seit dieser Zeit gab Otto sich der Sorge um das Wohl seiner Unterthanen hin, gründete Städte und Schlösser und erteilte den Bürgern von und Lüneburg große Freiheiten. Er starb 1252; das Herzogtum kam an seine Söhne Albrecht und Johann. Diese regierten gemeinschaftlich bis 1267, wo sie auf dem Fürstentage zu Quedlinburg in der Weise teilten, daß Johann das Herzogtum Lüneburg, die Stadt Hannover nebst einigen Schlössern, Albrecht (s. d.) das Herzogtum Braunschweig, das Land zwischen Teister und Leine (Calenberg), das Fürstentum Oberwald (Göttingen) mit dem Weserdistrikt und Harz erhielt. Die Stadt Braunschweig blieb beiden Brüdern gemeinschaftlich. Albrecht residierte auf der Burg Dankwarderode zu Braunschweig, Johann zu Lüneburg; jener begründete die ältere Braunschweigische, dieser die ältere Lüneburger Linie.
I. Das ältere Haus Braunschweig Albrecht, der Große (Longus) genannt, der eine Stütze des Landfriedens in Nordwestdeutschland war, starb 1279, und es erfolgte nun durch seine drei Söhne eine neue Teilung des Landes. Der älteste Sohn, Heinrich, erhielt Grubenhagen; Albrecht der Feiste das Land Oberwald mit den Städten Göttingen und Münden; der dritte, Wilhelm, die Burgen und Wolfenbüttel, Asseburg u. s. w.
1) Die Linie Grubenhagen erhielt sich bis 1596. Nach mehrmaligen Teilungen ihres Erbes kam Philipp I. 1526 wieder zur alleinigen Regierung und trat 1534 der Reformation bei. Sein ältester Sohn und Nachfolger, Ernst, trat dem Schmalkaldischen Bunde bei, wurde mit dem Kurfürsten Johann Friedrich von Sachsen bei Mühlberg 1547 gefangen, aber bald ausgewechselt, und kam 1551 zur Regierung. Ernst, ein vorzüglicher Regent, starb kinderlos; ihm folgten seine Brüder, Wolfgang und Philipp II. Als mit letzterm 1596 die Grubenhagensche Linie erlosch, wurde das Land von Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel in Besitz genommen (s. unten), jedoch später (1616) nach einem reichsgerichtlichen Erkenntnis an die Cellesche Linie abgetreten.
2) Die von Albrecht dem Feisten gestiftete Linie Göttingen verschmolz 1292, als dessen Bruder Wilhelm, der Stifter der Linie Wolfenbüttel, starb, auf einige Zeit mit der Wolfenbütteler Linie; diese Vereinigung dauerte aber nur bis zum Tode Ottos des Milden 1344, des ältesten Sohnes Albrechts des Feisten, denn Ottos Brüder, Ernst und Magnus, teilten das Land abermals; Ernst erhielt Göttingen, Magnus Wolfenbüttel. Als 1367 Herzog Ernst starb, folgte ihm sein Sohn Otto der Quade (Malus), dessen Regierung eine Kette von Fehden und Kämpfen war. Er starb 1394 und hinterließ einen einzigen Sohn, Otto den Einäugigen (Cocles), der nach dem Tode seines Vormundes, des trefflichen Friedrich von Braunschweig (gest. 1400), sich als Schützer der Städte und ihrer aufblühenden Macht zeigte, aber, durch Krankheit bewogen, 1450 seine sämtlichen Besitzungen, mit Ausnahme der Stadt und des Gerichts Uslar und des Schlosses zu Münden, an Wilhelm den Siegreichen von Calenberg abtrat. Mit Otto erlosch 1463 die ältere Linie Göttingen.
3) Die dritte, von Albrechts d. Gr. Sohn Wilhelm gestiftete Linie Wolfenbüttel verschmolz 1292 mit der Linie Göttingen, bis sie 1344 durch Magnus I. den Frommen wiederhergestellt wurde. Er hatte durch seine Vermählung mit Sophie, der Tochter Heinrichs, des brandenb. Markgrafen von Landsberg, 1327 beträchtliche Besitzungen zur Mitgift erhalten und dadurch eine ungewöhnliche Macht erlangt, lebte aber im Zwist mit seinem Sohne Magnus II. und starb 1369. Magnus II. oder mit der Kette (Torquatus) nahm, als in demselben Jahre mit Wilhelm die ältere Lüneburger Linie ausstarb, die ihm von diesem nicht lange zuvor (1355) überwiesene Erbschaft in Anspruch (s. unten).
Hierüber kam es mit Sachsen-Wittenberg zu dem großen Lüneburger Erbfolgekrieqe. Magnus II. ließ alle kaiserl. Befehle unberücksichtigt, wurde deshalb geächtet und fiel 1373 in der Schlacht bei Leveste am Deister. Die Sachsen-Wittenberger waren nun im Besitz des Lüneburgischen. Nach dem Tode Albrechts von Sachsen verglich sich jedoch dessen Oheim und Erbe Wenzel mit den beiden ältesten Söhnen von Magnus II., Friedrich und Bernhard, die er mit seinen Töchtern vermählte.
Friedrich begnügte sich mit Braunschweig-Wolfenbüttel; Bernhard sollte auf Wenzel im Lüneburgischen folgen. Doch kam es hierüber zu einem Zwiste, in welchem Heinrich, der jüngste Sohn Magnus' II., und Friedrich, von der Stadt Braunschweig unterstützt, gegen die Lüneburger zogen, bei Winsen a. d. Aller siegten (1388) und Bernhard zwangen, den jüngern Bruder Heinrich zum Miterben im Lüneburgischen zuzulassen. Als Friedrich, den eine Partei nach König Wenzels Tode zum Kaiser bestimmte, bei Fritzlar ermordet war (1400), herrschten seine Brüder Bernhard und Heinrich über die Lande Braunschweig-Wolfenbüttel und Lüneburg gemeinschaftlich. Durch die Teilung 1409 erhielt Bernhard das braunschw., Heinrich das lüneburg. Land. Doch Heinrichs Söhne, Wilhelm und Heinrich, nötigten 1428 den Oheim zu einem Tausch ihrer Lande und wurden so Gründer des mittlern Hauses Braunschweig, Bernhard aber Stifter des mittlern Hauses Lüneburg. Im J. 1409 (1428) wurde Calenberg (Hannover) vom Lüneburgischen getrennt und zu Braunschweig-Wolfenbüttel gelegt.
II. In der von Albrechts d. Gr. Bruder, Johann, 1267 gestifteten ältern Lüneburger Linie folgte nach des Stifters Tode 1277 dessen Sohn, Otto der Strenge, der sein Land durch Ankäufe vergrößerte und 1330 starb. Diesem folgten wieder seine zwei Söhne, Otto und Wilhelm, die biss 1352, wo Otto kinderlos starb, gemeinschaftlich regierten. Wilhelm hatte nur zwei Töchter, von denen die eine an des
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Herzogs Magnus I. Sohn, Ludwig, die andere mit Herzog Otto von Sachsen-Wittenberg vermählt war. Ludwig, dem die Nachfolge zugesichert war, starb aber schon 1367, und als Wilhelm nun dessen Bruder, den verhaßten Magnus II., zum Nachfolger bestimmte, erhoben die sächs. Herzöge, von Kaiser Karl IV. begünstigt, Widerspruch dagegen, infolgedessen der schon erwähnte Lüneburger Erbfolgekrieg entstand. Als Wilhelm 1369 starb, erlosch mit ihm die ältere Lüneburger Linie, worauf das Land nach dem Erbfolgekriege an das von der Wolfenbütteler Linie begründete mittlere Haus Lüneburg kam.
III. Das infolge der Teilung des mittlern Gesamthauses 1409 (1428) begründete mittlere Haus Braunschweig schritt schon unter den Söhnen Heinrichs zu einer nachher mehrmals erneuerten Teilung, indem Wilhelm der Ältere Calenberg, Heinrich der Friedsame Wolfenbüttel bekam. Doch erhielt Wilhelm nicht nur 1450 von Otto Cocles die göttingischen Besitzungen abgetreten (s. oben), sondern beerbte 1473 auch seinen Bruder Heinrich. Nach seinem Tode (1482) nahm sein jüngerer Sohn, Wilhelm II., den ältern, Friedrich, der in Wahnsinn verfallen war, gefangen, teilte aber die sämtlichen Lande des Vaters schon bei seinem Leben 1495 unter seine Söhne, Heinrich (den Ältern) und Erich (den Ältern), von denen jener die wolfenbütteler, dieser die calenberg-göttingischen Lande bekam.
Erich I., der Stifter der Calenbergischen Linie, bekannt als Kampfgenosse Kaiser Maximilians I. und Teilnehmer an der Hildesheimer Stiftsfehde (s. d., 1519-23), starb 1540;
sein Sohn Erich II., der zur kath. Kirche übertrat, gegen den Schmalkaldischen Bund (s. d.) und gegen Moritz (s. d.) von Sachsen focht, starb 1584 kinderlos;
damit erlosch diese Linie wieder;
die Lande fielen an Wolfenbüttel.
Der Begründer der Wolfenbütteler Linie, Heinrich der Ältere, gest. 1514, hinterließ sechs Söhne, doch kam von ihnen nur der älteste, Heinrich (s. d.) der Jüngere, zur Regierung. Dieser begann sein Land zu einem selbständigen Staate umzugestalten und zwang seinen Bruder Wilhelm durch 12jährige Gefangenschaft zur Anerkennung des Primogeniturrechts, welches seitdem im wolfenbütteler Hause unbestritten galt (Pactum Henrico-Wilhelminianum). Während er sich den kirchlichen Neuerungen entgegensetzte, gab er doch dem Lande viele, zum Teil noch bestehende zweckmäßige Einrichtungen.
Fast seine ganze Regierungszeit hindurch war er in Kriege verwickelt. Er starb 1568; ihm folgte sein Sohn Julius (s. d.), der durch Gründung der Universität Helmstedt die Durchführung der Reformation und zugleich des röm. Rechts in seinen Landen sicherte. Um seine 1584 durch den Anfall von Calenberg-Göttingen vergrößerten Lande (s. oben) erwarb er sich hohe Verdienste. Bei seinem Tode 1589 kam sein ältester Sohn, der gelehrte Heinrich Julius (s. d.), zur Regierung. Er erwarb 1596 nach Aussterben der Grubenhagenschen Linie deren Besitzungen, ordnete die Verhältnisse der Landleute zu ihren Gutsherren und erweiterte seine Macht. Auch trat durch ihn das Institut des Schatzkollegiums, das nachher die Thätigkeit eines landständischen Ausschusses versah, ins Leben. Er starb 1613; Nachfolger war sein ältester Sohn Friedrich Ulrich, der den sturmbewegten Zeiten des Dreißigjährigen Krieges nicht gewachsen war. Mit ihm erlosch 1634 das mittlere Haus Braunschweig-Wolfenbüttel; sein Land fiel an August von Braunschweig-Lüneburg-Dannenberg. (S. unten.)
IV. Das mittlere Haus Braunschweig-Lüneburg beginnt zwar 1409 mit Heinrich, da aber seine Söhne Wilhelm und Heinrich 1428 mit ihrem Oheim Bernhard tauschten (s. oben), so wurde dieser nach Lüneburg verpflanzt und somit Stammvater der folgenden lüneburg. Herzöge. Er regierte bis 1434 und hinterließ zwei Söhne, Otto den Lahmen oder von der Heide und Friedrich den Frommen, die bis zu Ottos Tode 1446 gemeinschaftlich regierten, worauf Friedrich die Regierung allein übernahm und bis zu seinem Tode 1478 führte.
Sein Nachfolger war sein Enkel, Ottos des Großmütigen Sohn, Heinrich der Mittlere. Dieser war nachmals in die Hildesheimer Stiftsfehde verwickelt und gegen seinen Vetter Heinrich den Jüngern von Wolfenbüttel im Bunde mit dem Bischof Johann von Hildesheim; er begünstigte auch die Bewerbung Franz' I. von Frankreich um den Kaiserthron gegen Karl V. Als darauf 1520 auf dem Reichstage zu Worms über ihn die Reichsacht verhängt wurde, die erst 1530 aufgehoben wurde, trat er seinen Söhnen Otto, Ernst und Franz seine Lande ab und starb 1532, nachdem bereits 1527 sein Sohn Otto der Mitregierung gegen die Abtretung von Harburg entsagt und so eine neue Linie, Braunschweig-Harburg, gestiftet hatte, während der dritte Sohn Franz, 1539 mit dem Amte Gifhorn abgefunden, die Linie Braunschweig-Gifhorn stiftete.
Die erstere Linie erlosch mit Ottos Enkeln 1642, und die zweite schon 1549 mit ihrem Stifter selbst. So war nun Heinrich des Mittlern Sohn, Ernst der Bekenner, der alleinige Herr in Lüneburg, wo er die Reformation einführte. Er hinterließ bei seinem Tode 1546 vier Söhne, Friedrich, Franz Otto, Heinrich und Wilhelm, von denen die beiden erstern bald starben. Die beiden letztern wurden die Begründer der neuern Häuser und Lüneburg. Zunächst verglichen sich dieselben dahin, daß die Ämter Dannenberg, Lüchow, Hitzacker und Scharnebeck, sowie Jagd und Schloß zu Göhrde an Heinrich, das Herzogtum Lüneburg aber, auf das jedoch der Bruder die Successionsrechte nicht aufgab, an Wilhelm kommen sollten. So wurde Herzog Wilhelm, der jüngere der Brüder, der Stammvater der neuen Linie Braunschweig-Lüneburg, die später die Kurwürde erhielt und seit 1815 Hannover als Königreich regierte.
V. Heinrich, der sich Herzog von Braunschweig-Lüneburg-Dannenberg nannte, wurde durch seinen jüngern Sohn August der Stammvater des neuen Hauses Braunschweig-Wolfenbüttel, das durch Abstammung von ihm den Vorzug des Seniorats besaß. Er starb 1598, und ihm folgte sein ältester Sohn Julius Ernst, der 1636 kinderlos starb. Bedeutender war dessen jüngerer Bruder August (s. d.), ein hochgebildeter Mann. An diesen trat, als 1634 die Wolfenbütteler Linie ausstarb (s. oben unter III), sein Bruder Julius Ernst die Ansprüche auf das wolfenbütteler Erbe ab. August übernahm die Regierung und wurde Stifter des jetzigen braunschw.
Herzogshauses. Er hat das Land, das lange Jahre der Krieg verheert und die Unfähigkeit seines Vorgängers dem Verderben zugeführt hatte, in väterlicher Weise regiert, daher ihn auch schon sein Zeitalter den göttlichen Greis (Senex divinus) nannte. Auch ist er der Begründer der Bibliothek zu Wolfenbüttel. August starb 1666 und hinterließ drei Söhne, Rudolf August, Anton Ulrich und Ferdinand Albrecht. Letzterer erhielt Bevern, und so entstand die apanagierte
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Nebenlinie Braunschweig-Bevern, aus der sich der Herzog August Wilhelm von Braunschweig-Bevern (s. Bevern) im Siebenjährigen Kriege hervorthat. Die Wolfenbütteler Linie setzte Rudolf August fort, der als Jüngling durch Reisen und wissenschaftliche Studien sich eine umfassende Bildung erworben hatte. Er trat die auf seinen Vater vererbten dannenbergischen Ämter an die Lüneburger Linie ab, die dagegen auf ihre Ansprüche auf die Stadt Braunschweig (s. d.) verzichtete, deren Landsässigkeit erst jetzt (1671), nach einem Kampfe von mehrern hundert Jahren, entschieden ward.
Rudolf August starb 1704, nachdem er bereits seit 1685 seinen Bruder Anton Ulrich zum Mitregenten angenommen hatte. Dieser ließ die Grafschaft Blankenburg zum Fürstentum erheben, trat 1710 zur kath. Kirche über und regierte bis 1714. Von seinen beiden Söhnen August Wilhelm und Ludwig Rudolf erhielt der letztere Blankenburg, der erstere aber folgte dem Vater in der Regierung des Herzogtums Braunschweig. Da August Wilhelm 1731 kinderlos, und sein Bruder Ludwig Rudolf ohne Söhne zu hinterlassen 1735 starb, so gelangte die Linie Braunschweig-Bevern zur Regierung in in der Person Ferdinand Albrechts, des Sohnes des gleichnamigen Stifters dieser Linie.
Ferdinand Albrecht starb indes noch in demselben Jahre, und ihm folgte sein ältester Sohn Karl, der erst 22 Jahre zählte. Seine Prachtliebe, die außerordentliche Vermehrung des Militärs sowie manche Projekte zu großartigen und wohlthätigen Zwecken (Stiftung des Kollegium Karolinum u. s. w.) erschöpften die ganze Kraft des Landes. Der Staat wurde unter ihm mit einer Schuld von 11 bis 12 Mill. Thlrn. belastet, und es wäre ein reichsgerichtlicher Lehnskonkurs unvermeidlich gewesen, wenn nicht seit 1773 der Erbprinz in die Regierung eingegriffen und neue Ordnung in den Finanzen zu schaffen gewußt hätte.
Als 1780 Karl starb und ihm der Erbprinz Karl Wilhelm Ferdinand (s. d.) folgte, war ein Teil der Staatsschulden bereits wieder getilgt. Als Oberbefehlshaber des preuß. Heers in der Schlacht bei Auerstädt tödlich verwundet, starb er 1806 zu Ottensen bei Mona, wohin er geflüchtet war, wenige Tage nachdem Napoleon I. das Haus Braunschweig der Regierung für verlustig erklärt hatte. Infolge des Tilsiter Friedens wurde das Herzogtum ein wesentlicher Teil des neugeschaffenen Königreichs Westfalen, und erst die Schlacht bei Leipzig hatte die Wiedereinsetzung des alten Regentenhauses in Braunschweig zur Folge.
Zur Regierung kam Karl Wilhelm Ferdinands Sohn Friedrich Wilhelm (s. d.), der 1805 von seinem Oheim, dem Herzog von Braunschweig-Öls, das schles. Fürstentum Öls (s. d.) ererbt hatte. Die Rückkehr Napoleons rief den Feldherrn 1815 von neuem ins Feld, wo er bei Quatre-Bras den Heldentod starb. Da seine Söhne Karl und Wilhelm noch minderjährig waren, so erhielt der Prinz-Regent von Großbritannien (nachmals König Georg IV.) die vormundschaftliche Regierung für den ältesten Sohn Karl.
Hierauf leitete der Graf von Münster (s. d.) von London aus die öffentlichen Angelegenheiten B.s. Im ganzen wurde Ordnung in der Staatsverwaltung hergestellt, namentlich das Schuldenwesen geregelt. Auf das Drängen der Ritterschaft wurde nach einigen Jahren die landständische Verfassung wiederhergestellt, und 1820 kam, im Einverständnis mit den zusammenberufenen Ständen, die revidierte Landschaftsordnung zu stande, ein Werk, das weit hinter den Forderungen der Zeit zurückblieb. Am trat der unterdessen mündig gewordene Herzog Karl (s. d.) die Regierung an. Nachdem wiederholte Anträge an den eigenmächtig schaltenden Fürsten auf Anerkennung der Verfassung von 1820 fruchtlos geblieben waren, traten 1829 die Landstände kraft des ihnen zustehenden Konvokationsrechts zusammen, um die Hilfe des Bundes für dieselbe in Anspruch zu nehmen. Die Verhandlungen darüber zogen sich jedoch in die Länge, bis der schon lange in den Gemütern herrschende Unwille in offenen Aufruhr ausbrach, das Residenzschloß des Herzogs in Braunschweig erstürmt und in Brand gesteckt wurde und der Herzog entfloh.
Schon 10. Sept. langte der Bruder des vertriebenen Fürsten, der damals in Berlin sich aufhaltende Herzog Wilhelm (s. d.) in an und übernahm anfangs provisorisch, später selbständig die Regierung. Die Ruhe wurde bald wiederhergestellt; auch sprach der Bundestag nun die Rechtsgültigkeit der Verfassung von 1820 aus. Die Agnaten erklärten den Herzog Karl der Regierung für unfähig und verlustig, worauf die Huldigung des Herzogs Wilhelm erfolgte, nachdem derselbe die Verfassung anerkannt hatte.
Noch 1831 wurde ein neues Landesgrundgesetz entworfen und den Ständen vorgelegt. Ein neuer Verfassungsentwurf wurde im wesentlichen im Okt. 1832 von den Ständen angenommen und als Landesgrundgesetz nebst den damit zusammenhängenden Umänderungen im Staatsorganismus veröffentlicht. Die erste reformierte Landesversammlung trat zusammen und blieb nach mehrmaligen Vertagungen bis zum Mai 1835 in Wirksamkeit. Unter vielen neuen Gesetzen, die die ständische Zustimmung erhielten, zeichneten sich die Ablösungsordnung und die Städteordnung aus, und ihren Einwirkungen verdankte das Land zunächst die Entwicklung der polit. Freiheit.
Der zweite Landtag (1836/37) genehmigte das Gesetz über die Aufhebung (Modifikation) der Feudalrechte und eine Summe zum Bau einer Eisenbahn von Braunschweig nach Harzburg. Eine kurze außerordentliche Versammlung der Stände Ende 1837 hatte den Anschluß einiger Gebietsteile des Herzogtums (Blankenburg, Walkenried und Kalvörde) an den Preußisch-Deutschen Zollverein zum Gegenstande. Das wichtigste Werk des dritten ordentlichen Landtags (1839-42) war das neue Kriminalgesetzbuch, dessen Gültigkeit mit dem begann.
Von besonderm Belang waren die Verhandlungen über die Zoll- und Steuerverhältnisse des Landes, die durch den mit Schluß des J. 1841 bevorstehenden Ablauf der Verträge nötig wurden. Nachdem Differenzen zwischen und Hannover den Abbruch der Unterhandlungen zur Folge gehabt hatten, wandte die braunschw. Regierung sich an den Preußisch-Deutschen Zollverein und erreichte die Aufnahme des Landes in denselben. Doch blieb der südwestl. Teil des Landes noch auf ein Jahr mit Hannover vereint, welches bis zu dessen Ablauf seinen Beitritt zu dem Zollverein in Aussicht stellte. Der vierte ordentliche Landtag wurde im Nov. 1842 eröffnet. Nachdem das Provisorium hinsichtlich der Steuerverbindung der südwestl. Landesteile mit Hannover nochmals auf ein Jahr verlängert war, wurden dieselben (mit Ausnahme der hannov. Enklaven) in den Zollverein aufgenommen. Die einzige Aufgabe des im Nov. 1845 eröffneten fünften ordentlichen Landtags sollte die Feststellung des
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Budgets sein; die Ständeversammlung gedachte bedeutende Ersparungen am Militäretat durchzusetzen, traf aber bei der Regierung auf unüberwindlichen Widerstand. Eine vollständige Einigung über die Etats kam (auch bei dem bis verzögerten Landtagsabschiede) nicht zu stande; doch hielt sich die Regierung ermächtigt, nach den festgestellten Posten die Steuern während der Finanzperiode 1846-48 fortzuerheben; eine erwartete Zusammenberufung der Stände durch den permanenten Ausschuß wurde von diesem für jetzt abgelehnt.
Die braunschw. Regierung schloß sich 1848 den auf Freiheit und Einheit der deutschen Nation gerichteten Bestrebungen an, wie dieselben von dem Vorparlament und der Nationalversammlung zu Frankfurt begonnen wurden. Schon in den ersten Tagen des März wurden die Fragen über Aufhebung der Censur und über Öffentlichkeit der Verhandlungen beim Landtage wie bei den Stadtverordneten im liberalsten Sinne entschieden, und ein außerordentlicher Landtag bereits 31. März eröffnet.
Mit diesem vereinbarte die Regierung alsbald eine Menge der wichtigsten Gesetze, wie über Öffentlichkeit der Rechtspflege, Einführung von Geschworenengerichten in Strafsachen (20. April), über Freiheit der Presse und des Buchhandels, über Aufhebung des Verbots der Ehe zwischen Christen und Juden, über das Vereinigungsrecht, über die Volkswehren (provisorisch), über Aufhebung des Jagdrechts sowie die provisorischen Gesetze über Zusammensetzung der Abgeordnetenversammlung und die Art der Wahlen. Im Verlaufe des sechsten Landtags wurde der Lehnsverband gänzlich aufgehoben und die neue Gerichtsverfassung geordnet; 1850 folgte eine Advokaten- und Notariatsordnung, eine revidierte Städteordnung und die erste freie Landgemeindeordnung; 1851 erschienen Gesetze über Errichtung eines Handelsgerichts in der Stadt Braunschweig, über allgemeine Wehrpflicht (wobei jedoch seit 1855 Stellvertretung wieder gestattet wurde), über Zusammensetzung der Landesversammlung, das Wahlrecht u. s. w., über Kirchenvorstände und Gemeindeschulen. Der Rücktritt des Herzogs in die Bundesversammlung wurde angezeigt.
Bei dem Bedürfnis einer ruhigen Entwicklung nach der Aufregung des J. 1848 brachten die vier nächsten ordentlichen Landtage (1852, 1855,1858 und 1861) keine bedeutenden Ergebnisse für die Gesetzgebung. Auf dem 11. ordentlichen Landtage (1863/64) gelangten ein neues Gewerbe- und Personalsteuergesetz und ein Postgesetz zur Annahme. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch trat im Nov. 1863 in Gültigkeit. Nachdem in der verhängnisvollen Bundestagssitzung vom zu Gunsten Preußens gegen den österr.
Mobilisierungsantrag gestimmt und in dem bald darauf ausbrechenden Kriege seine Truppen dem König von Preußen zur Verfügung gestellt hatte, erklärte es 4. Aug. seinen Austritt aus dem Deutschen Bunde und 18. Aug. seinen Eintritt in den neu zu bildenden Norddeutschen Bund. Die Verhandlungen der Landtagssession von 1869 bis 1871 hatten insbesondere eine neue Wege- und eine Kreisordnung und die Errichtung einer Landessynode für die evang.-luth. Kirche des Landes zum Gegenstande.
Ferner wurde dem Verkaufe der Staatseisenbahnen an die Bank für Handel und Industrie zu Darmstadt, sowie der Verwendung eines Betrags von 1 Mill. Thlrn. von den Kaufgeldern zur gesetzlichen Ablösung der Stolgebühren der Geistlichen u. s. w. und der Überweisung von 2 Mill. Thlrn. zur Dotierung der Kreiskommunalverbände ständischerseits zugestimmt. Unter den Verhandlungen des 14. ordentlichen Landtags (1872-74) sind die Gesetze über den Wohnsitz im Herzogtume, die Verhältnisse der Dissidenten und über den bäuerlichen Grundbesitz (Aufhebung der Geschlossenheit der Bauergüter unter Beibehaltung des sog. Anerbenrechts) besonders hervorzuheben.
Auf dem 15. ordentlichen Landtage wurden von den fast 9 Mill. M. betragenden Überschüssen der vergangenen Finanzperiode 3 Mill. an die Kreisfonds und 2 Mill. zur Verstärkung des Kloster- und Studienfonds überwiesen, ferner zu Bauten und Einrichtungen überhaupt 2 350000 M. bewilligt. Der 16. ordentliche Landtag (1878-80) hatte sich vornehmlich mit den zur Ausführung der Reichs-Justizverfassung erforderlichen legislatorischen Arbeiten zu befassen. Um bei künftig eintretender Thronerledigung die verfassungsmäßige Verwaltung des Herzogtums gegen Störung in dem Falle thunlichst zu sichern, daß der erbberechtigte Thronfolger am sofortigen Regierungsantritte behindert sein sollte, wurde außerdem das Landesgrundgesetz geändert und ein «die provisorische Ordnung der Regierungsverhältnisse bei einer Thronerledigung betreffendes» Gesetz (vom vereinbart. Am starb Herzog Wilhelm in seinem Schlosse Sibyllenort in Schlesien. Da weder er noch sein verstorbener Bruder, der vertriebene Herzog Karl, vermählt war, so erlosch mit ihm die ältere welfische Linie.
Der Sohn des 1878 verstorbenen Königs Georg von Hannover, der Herzog Ernst August von Cumberland (s. d.), besaß zwar ein unanfechtbares Recht auf die Erbfolge in Braunschweig; da ihm aber durch seine Stellung zu Preußen die thatsächliche Übernahme der Regierung unmöglich gemacht war, so trat der Fall ein, den das Regentschaftsgesetz vom vorgesehen hatte, «daß der erbberechtigte Thronfolger am sofortigen Regierungsantritte behindert» war. Es konstituierte sich daher der Regentschaftsrat, der auch sogleich die Anerkennung von Kaiser und Bundesrat fand.
Unter diesen Verhältnissen glaubte das Ministerium die Gegenzeichnung und Veröffentlichung des ihm übersandten, vom Herzoge wegen seines Regierungsantritts in Braunschweig erlassenen Patents ablehnen und diesem überlassen zu müssen, seine Ansprüche auf die Thronfolge bei Kaiser und Reich geltend zu machen. Der braunschw. Landtag, der den mit Preußen zum Zweck des Übergangs der braunschw. Eisenbahnen an den preuß. Staat abgeschlossenen Vertrag genehmigt hatte, wurde, zu einer außerordentlichen Session einberufen, 23. Okt. wieder eröffnet.
Derselbe erklärte sich einverstanden mit den Beschlüssen des Staatsministeriums bezüglich der Thronfolgefrage und wurde 17. Dez. geschlossen. Auf den Vorschlag des Reichskanzlers sprach sich der Bundesrat dahin aus, daß die Regierung des Herzogs von Cumberland in Braunschweig wegen seines Verhältnisses zu dem Bundesstaat Preußen mit den Grundprincipien der Bündnisverträge und der Reichsverfassung nicht vereinbar sei. Der braunschw. Landtag stimmte dem Antrage des Reichskanzlers beim Bundesrate schon 30. Juni bei und erklärte sich 1. Juli einverstanden damit, daß der Staatsminister Graf Görtz-Wrisberg dem Herzog von Cambridge, der als nächster und einziger volljähriger Agnat des
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herzoglich braunschw. Hauses Ansprüche auf die Thronfolge erhob, anheimgestellt hatte, seine Ansprüche bei den hierfür allein kompetenten Organen des Reichs zur Geltung zu bringen. Diesen Weg wollte der engl. Prinz nicht betreten.
In der Landtagssitzung vom stellte die staatsrechtliche Kommission den Antrag, der Landtag solle sich dahin aussprechen, daß er die Thronfolge Cumberlands ausgeschlossen sehe durch die von diesem selbst eingenommene Stellung bezüglich der Geltendmachung von Rechten auf die preuß. Provinz Hannover, und daß er über reichs- oder verfassungsmäßige Mittel nicht verfüge, die von dem Herzoge selbst geschaffene Lage zu beseitigen. Dieser Antrag wurde mit allen gegen zwei Stimmen angenommen.
Darauf nahm der Landtag dem Regentschaftsgesetze von 1879 gemäß die Wahl eines Regenten vor. Im Namen des Regentschaftsrats schlug Graf Görtz-Wrisberg den Prinzen Albrecht (s. d.) von Preußen vor, der auch 21. Okt. vom Landtag einstimmig zum Regenten von Braunschweig gewählt wurde. Albrecht nahm die Wahl an, hielt 2. Nov. seinen Einzug in und übernahm die Regierung des Landes. Der Gesetzentwurf über Feststellung eines neuen Huldigungseides, in welchem Treue und Gehorsam dem Regenten gelobt wurde, wurde vom Landtag einstimmig angenommen, dabei aber die Aufrechterhaltung der im Erbhuldigungseide dem Hause Braunschweig gegenüber eingegangenen Verpflichtung ausdrücklich anerkannt. Am 24. März ward die mit Preußen abgeschlossene Militärkonvention genehmigt.
Aus den Verhandlungen des 19. ordentlichen Landtags gingen als wichtigste Resultate eine Änderung des Landesgrundgesetzes von 1832 hervor, wodurch die bisherige sechsjährige Wahlperiode der Landesversammlung in vierjährige, und die dreijährigen Finanzperioden in zweijährige verkürzt wurden. Der Beginn des Rechnungsjahres wurde auf den 1. April festgesetzt. Hinsichtlich der Civilliste des Landesfürsten wurde vereinbart, daß solche von 1888 an um jährlich 300000 M., also auf 1 125 322 M. für die Dauer der gegenwärtigen Regentschaft zu erhöhen sei.
Zugleich wurde der Veräußerung verschiedener Grundflächen der herzogl. Hofstatt zu Herstellung von Straßenanlagen und als Baugrund, sowie endlich der Entnahme von 450000 M. aus dem Kammer-Kapitalfonds behufs Verwendung auf Bauten an den herzogl. Schlössern zugestimmt. Bei den Reichstagswahlen von 1887 wurden nur Anhänger des Septennats, 1890 zwei Deutschfreisinnige und ein Socialdemokrat, Juni 1893 zwei Anhänger der Militärvorlage und ein Socialdemokrat gewählt.
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Beschreibung der Fürstentümer Wolfenbüttel und Blankenburg (2 Bde., Braunschw. 1802);
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Blasius, Die faunistische Litteratur B.s (ebd. 1891);
Ortschaftsverzeichnis des Herzogtums Braunschweig auf Grund der Volkszählung vom (ebd. 1891);
Zavemann, Geschichte derLande und Lüneburg (3 Bde., Gött. 1853-57);
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von Malortie, Beiträge zur Geschichte des braunschw.-lüneb.
Hauses und Hofes (6 Hefte, ebd. 1860-72; Neue Folge, 1. Bd., ebd. 1879); Urkundenbuch zur Geschichte der Herzöge von und Lüneburg, hg. von Sudendorf (11 Bde., ebd. 1859-80); Görges, Vaterländische Geschichten und Denkwürdigkeiten der Vorzeit, hg. im Verein braunschw. und hannov. Geschichtskundiger (2. Aufl., 3 Bde., Braunschw. 1880-81); O. von Heinemann, Geschichte von und Hannover (3 Bde., Gotha 1882-92); Ad. Köcher, Geschichte von und Hannover, 1648-1714 (1. Bd.: 1648-68, Lpz. 1884).