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regieren lassen. Schon war die brasil. oder nationale Partei so mächtig, daß man eine Unabhängigkeitserklärung befürchten mußte. Der Prinz-Regent, der den ernsten Willen hatte, das Land vor Anarchie zu schützen, weigerte sich durch die Erklärung vom dem Befehle zur Rückkehr nach Lissabon [* 2] Folge zu leisten, und zwang die portug. Truppen, Brasilien [* 3] zu verlassen. Er berief im Juni eine Nationalversammlung ein behufs Entwerfung einer Verfassungsurkunde und nahm, nachdem die Trennung B.s vom Mutterlande ausgesprochen worden war, 18. Dez. die ihm angetragene Kaiserwürde an. Inzwischen hatte sich aber auch der republikanische Geist immer weiter verbreitet; umsonst versuchten die Brüder Andrada (s. d.), Minister des Kaisers, durch Verschmelzung der republikanischen mit der portug. Partei sich festen Rückhalt zu schaffen.
Ihre Entlassung bedeutete für die brasil. Partei einen Triumph, zumal kurz vorher die noch vorhandenen portug. Truppen durch Waffengewalt gezwungen worden waren, sich einzuschiffen, und brasil. Regimenter sowohl Montevideo [* 4] im Dez. 1822 als Bahia [* 5] im Juli 1823 erobert hatten. Dom Pedro bemühte sich vergeblich, dem neuen Reiche nach außen Ansehen zu verschaffen; er konnte nicht einmal die Anerkennung desselben in Europa [* 6] erlangen. Die Herstellung der absoluten Königsgewalt in Portugal [* 7] durch die Revolution vom Mai 1823 erfüllte die Brasilier mit größtem Mißtrauen gegen die unter ihnen lebenden Portugiesen, die zum Teil in der Verwaltung und im Heere bedeutende Stellen einnahmen, und veranlaßte eine entschiedene Erklärung gegen die Wiedervereinigung mit dem Mutterlande. Es kam zu Reibungen zwischen den Parteien, und die Presse [* 8] reizte das Volk so auf, daß in Rio [* 9] 10. Nov. ein Tumult ausbrach, der die Minister zwang abzudanken.
Der Kaiser ließ Truppen gegen Rio vorrücken, wo sie den Versammlungsort des Kongresses umzingelten und die Abgeordneten zwangen, dem Auflösungsdekrete Folge zu leisten. Einige Wochen später berief Dom Pedro eine neue Nationalversammlung und legte derselben 11. Dez. einen Verfassungsentwurf vor, der beschworen wurde. Dieses äußerst liberale Grundgesetz legte eine ungewöhnliche Macht in die Hände der Abgeordneten, beraubte sogar den Kaiser eines absoluten Veto und hob alle Vorrechte auf.
Das Volk zeigte sich jedoch nicht befriedigt; in Pernambuco [* 10] brach ein Aufstand aus, der erst nach Eroberung der Stadt sein Ende fand. Nach längern Unterhandlungen unter engl. Vermittelung wurde durch einen von Johann VI. genehmigten Vertrag B.s Unabhängigkeit vom Mutterlande und Dom Pedros Souveränität anerkannt, der Friede und der Verkehr wiederhergestellt, allein die Frage der Thronfolge nicht gelöst, die gleich nach dem Tode des Königs von Portugal Schwierigkeiten hervorrief. Da der Kaiser, laut der Konstitution, ohne Erlaubnis des Kongresses Brasilien nicht verlassen durfte, so trat er zwar die Regierung Portugals an, gab diesem Reiche ebenfalls eine liberale Verfassung, verzichtete aber zugleich auf die portug. Krone zu Gunsten seiner Tochter Donna Maria da Gloria. (S. Portugal.) Fortan ging die Thätigkeit Dom Pedros völlig in der Bekämpfung der anarchischen Zustände auf.
Das weite Land bedürfte vor allem einer geregelten Verwaltung, aber alle Versuche, eine solche zu schaffen, scheiterten an dem bösen Willen oder der Unfähigkeit der Brasilier. Die durch die republikanische Partei genährte Unzufriedenheit mit den Zuständen zeigte sich auch in der immer deutlicher hervortretenden Neigung zu provinzieller Sonderung. Am meisten schadete der Regierung ein kostspieliger und unglücklicher Krieg gegen die La-Platastaaten (1825-28, s. Uruguay), [* 11] und geradezu gefährlich wurde das zurückkehrende, meist aus Fremden bestehende Heer, welches wegen ausbleibender Löhnung im Lande raubte und plünderte, während eine in Rio stehende Abteilung in offenen Aufruhr ausbrach und erst durch die Besatzung der fremden Kriegsschiffe zur Ruhe gebracht wurde.
Die Erklärung des Kaisers, die Rechte seiner Tochter in Portugal mit Waffengewalt gegen den Usurpator Dom Miguel (s. d.) verteidigen zu wollen, erregte das Mißfallen der Brasilier, die eine Verwendung der brasil. Staatsmittel zu Gunsten des Familieninteresses Dom Pedros fürchteten und ohnehin in der zunehmenden Zahl fremder Offiziere Ursache zur Beschwerde fanden. Der Kongreß von 1829 bestand fast nur aus Oppositionsmännern und wurde 3. Sept. aufgelöst. Als dann eine neue Empörung ausbrach, dankte Dom Pedro am folgenden Tage zu Gunsten seines Sohnes ab und schiffte sich 13. April nach Europa ein.
Für den sechsjährigen Dom Pedro II. ernannten die Kammern eine Regentschaft, die, zwischen den Republikanern (Faroupilhas) und Monarchisten (Caramuros) stehend, sich nur mit Mühe zu erhalten vermochte. Der Plan der Regierung, in eine Föderativmonarchie umzuschaffen, scheiterte an den Kämpfen der Parteien in Pernambuco und Bahia. Häufig wechselten die Minister und die Glieder [* 12] der Regentschaft, da bald die eine, bald die andere Partei das Übergewicht gewann.
Ein
Aufstand in Rio veranlaßte die Absetzung des d’Andrada
e Silva, des bisherigen Erziehers des
Kaisers,
und brachte den Marquis de Itanhaem an seine
Stelle. Am nahm der
Kongreß aus eigener Machtvollkommenheit eine wichtige
Änderung
der Verfassung vor, durch die jede
Provinz, nach dem Vorbilde der
Vereinigten Staaten
[* 13] Nordamerikas, einen Gesetzgebenden
Körper erhielt, dessen Wirkungskreis sich auf alle politischen, kirchlichen und municipalen Einrichtungen
erstreckte.
Für die Dauer der Unmündigkeit des Kaisers wurde ein Regent auf 4 Jahre gewählt, demgemäß Okt. 1835 die bisherige Regentschaft entlassen und Diego Antonio Feijo zum alleinigen Regenten des föderativen Kaisertums ernannt. Diese neue Verfassung rettete wenigstens die bedrohte Einheit des Reichs und die Erblichkeit der Monarchie und fand in der Hauptstadt und einigen Provinzen Beifall, regte aber in andern den Parteihaß um so mehr auf. In Para war im Jan. 1835 ein blutiger Aufstand ausgebrochen, der erst im Jan. 1836 von den Regierungstruppen mit Hilfe einer engl. Flotte unterdrückt wurde; ähnliche Unruhen ereigneten sich in Bahia. In Rio Grande do Sul erkannten 1837 nur noch die Hauptstadt und der Hafenort Porto-Alegre die Regierung an, während in den übrigen Gegenden der Provinz nach Vertreibung der Truppen die Unabhängigkeit proklamiert worden war. Feijo dankte schon im Sept. 1837 ab; ihm folgte, von den Deputierten erwählt, der zeitherige Kriegsminister Pedro Araujo de Lima. [* 14] Als er die Auflösung der Deputiertenkammer auszusprechen wagte, beseitigte ihn diese sofort, indem sie eigenmächtig den jungen Kaiser für volljährig erklärte. Am ¶
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übernahm demzufolge der 15jährige Dom Pedro II. persönlich die Regierung. Die Brüder Andrada, welche diese Revolution veranlaßt hatten, wurden wieder zu Ministern ernannt. Sie hielten sich aber nur bis zum weil sie, dem Republikanismus zugeneigt, der Unterstützung der sog. portug. oder aristokratischen Partei entbehrten, in deren Händen vorzugsweise das Geld des Landes und somit das einzige Mittel lag, die Anhänglichkeit der Beamten und der Truppen zu sichern. Es gelang der Regierung nicht, die Sicherheit im Innern herzustellen und die immer wachsende Finanznot zu mildern.
Fortwährend hatte man mit Empörungen im Norden [* 16] und Süden des Reichs zu kämpfen, die erst 1845 ein Ende nahmen. Zwistigkeiten mit Nordamerika [* 17] und England, mit letzterm besonders wegen Erneuerung des 1845 erloschenen Vertrags über das Durchsuchungsrecht der brasil. Schiffe [* 18] sowie wegen Abschluß eines neuen Handelsvertrags, zogen sich durch die nächstfolgenden Jahre. Trotz des England vertragsmäßig zustehenden und mit der größten Strenge geübten Durchsuchungsrechts war es nämlich den Sklavenschiffen gelungen, jahraus jahrein 50000 Sklaven in den unzähligen Buchten einer 3700 km langen unbewachbaren Küste zu landen.
Diesem Zustande nun ein Ende zu machen war die vom engl. Parlament beschloßene Bill Aberdeen [* 19] bestimmt, indem sie für die engl. Kreuzer das Recht in Anspruch nahm, Sklavenschiffe bis in die brasil. Gerichtsbarkeit unterworfenen Küstengewässer zu verfolgen. Die brasil. Regierung nahm, um der Ausführung dieser Gewaltmaßregel vorzubeugen, nunmehr die Unterdrückung des Sklavenhandels selbst energisch in die Hand, [* 20] sodaß die Sklaveneinfuhr in wenigen Jahren ganz aufhörte. Zu gleicher Zeit machten die Bestrebungen des Diktators der Argentinischen Konföderation, Rosas (s. d.), die Beibehaltung einer kostspieligen Armee nötig.
Doch genoß Brasilien im allgemeinen, einige Sklavenaufstände abgerechnet, mehrere Jahre der Ruhe. Infolge der europ. Februarrevolution von 1848 kam es dann im Juni in Pernambuco zu einem Aufstand, der nur mit Mühe im Mai 1849 vorläufig unterdrückt wurde. Seit 1850 begannen die auswärtigen Angelegenheiten B.s immer schwieriger zu werden. Zwar kam im Juli 1850 eine Übereinkunft über die Durchsuchung der Schiffe mit England zu stande. Dagegen wurden die Zustände an der Südgrenze des Reichs immer mehr gefahrdrohend.
Rosas und dessen Parteimann General Oribe hatten Uruguay verwüstet, Paraguay bedrängt und die Interessen B.s stark gefährdet. Von der Kammer ermächtigt, ausländische Truppen zu werben, sandte die Regierung den frühern Kriegsminister Barros als Kommissar nach Deutschland, [* 21] der aus den Trümmern der schlesw.-holstein. Armee im Frühjahr 1851 etwa 2000 Mann zusammenbrachte und als Deutsch-Brasilische Legion nach Brasilien überführte. General Caxias wurde an die Spitze der brasil. Armee gestellt, Admiral Grensell zum Befehlshaber der Flotte ernannt, und mit Urquiza, dem Gouverneur der argentin.
Provinz Entre-Rios, schloß man zu gemeinschaftlicher Operation gegen Rosas einen Vertrag. Im Juli 1851 wurde der brasil. Gesandte aus Buenos-Aires abberufen und durch den Übergang Urquizas über den Uruguay 20. Juli der Krieg gegen Buenos-Aires eröffnet. Urquiza wurde von den Landeseinwohnern freudig empfangen und sah sich bald durch den Übertritt zahlreicher Truppen verstärkt. Durch die geschickten Bewegungen Urquizas einerseits, der brasil. Flotte auf dem Parana andererseits sowie durch das Vorrücken der brasil. Hauptarmee in der Front und im Rücken bedroht, mußte der argentin.
General Oribe 2. Sept. die Belagerung von Montevideo aufgeben und Anfang Oktober kapitulieren. Brasilien schloß jetzt mit Paraguay, Corrientes, Entre-Rios und Uruguay ein Schutz- und Trutzbündnis und schickte dem General Urquiza Verstärkungen zu. Dieser brach von Montevideo auf, rückte mit 23000 Mann in Eilmärschen gegen Buenos-Aires vor und trug in dessen Nähe, bei Monte-Caseros, über die Armee des Diktators einen Sieg davon, der den Krieg zu Gunsten B.s entschied und Rosas stürzte.
Nach dem Kriege nahm Brasilien einen gewissen Aufschwung. Der Handel hob sich, die Finanzlage verbesserte sich; mit Peru [* 22] wurde ein Schiffahrts- und Grenzberichtigungsvertrag geschlossen, die Regierung nahm einige dringend notwendige Straßenbauten in Angriff, es bildete sich eine Dampfschiffahrts-Gesellschaft für den Amazonenstrom, [* 23] und es wurden Anläufe zur Verbesserung des Volksschulunterrichts und der Armee-Einrichtungen gemacht. Vor allem aber wandte man der Herbeiziehung von Einwanderern und dem Gedeihen ihrer Ansiedelungen neue Aufmerksamkeit zu. Seit der 1825 erfolgten Gründung der deutschen Kolonie San Leopoldo in der Provinz Rio Grande do Sul unweit Porto-Alegre war nämlich in der brasil. Kolonisation für längere Zeit ein Stillstand eingetreten.
Die Unterdrückung des Sklavenhandels, die einen empfindlichen Mangel an Arbeitskräften im Lande zur Folge hatte, rückte nun die Kolonisationsfrage wieder in den Vordergrund der Interessen B.s. Ein 1850 neu eingesetztes Generallandamt suchte die Kolonisation durch Unterstützung teils schon bestehender, teils neu zu gründender Ansiedelungsunternehmungen zu fördern, und zu den am besten gedeihenden gehörten die in dieser Zeit mit deutschen Auswanderern in der Provinz Sta. Catharina gegründeten Dona-Francisca (s. d.) und Blumenau (s. d.). 1853 wurde die Bank von Brasilien mit einem Stammkapital von 30 Mill. Milreïs gegründet und der Bau von Eisenbahnen begonnen, der jedoch einen äußerst langsamen Fortgang genommen hat.
Eine Meinungsverschiedenheit zwischen und Paraguay, die durch das vom Präsidenten dieser Republik ausgegangene Verbot der Schiffahrt fremder Handels- und Kriegsfahrzeuge auf dem Paraguay veranlaßt war, führte die Absendung eines brasil. Geschwaders unter Ferreira de Oliveira herbei, hatte aber keine kriegerische Verwicklung zur Folge. 1855 wurde der vom Ministerpräsidenten Parana vor die Kammern gebrachte Entwurf einer wichtigen Wahlgesetzänderung durch die Unterstützung der liberalen Partei angenommen.
Kurz nach Paranas Tode, im Frühjahr 1857, kam ein Koalitionsministerium unter dem Marquis de Olinda ans Ruder. In demselben Jahre wurde ein von der Regierung mit reichen Mitteln ausgestatteter Kolonisations-Centralverein in Rio de Janeiro gegründet. Die von ihm übernommene Verpflichtung, innerhalb 5 Jahren 50000 Kolonisten in Brasilien einzuführen, vermochte der Verein aber nicht zu erfüllen, weil eine immer zunehmende Abneigung gegen das auf den großen Gütern herrschende Halbpacht-(Parceria) System bei der für die Auswanderung in Betracht kommenden europäischen, namentlich deutschen und schweiz. Bevölkerung [* 24] Platz gegriffen hatte. Um die ¶