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mit der Inschrift: Estados unidos do Brazil 1889. Die Flagge war grün mit goldener Raute; in dieser befand sich das Wappen. (S. Tafel: Flaggen [* 2] der Seestaaten.)
Die Nationalfarben sind Grün und Gold. [* 3] Die (jetzt sämtlich aufgehobenen) kaiserl. Orden [* 4] waren: der Orden des Südlichen Kreuzes (s. d.), der Pedro-Orden (s. d.), der Rosenorden (s. d.), ferner der Christusorden, der Orden des heil. Benedikt von Aviz und der des heil. Theodorich (São Thiago; alle drei von Pedro II. begründet).
Unterrichtswesen und Wohlthätigkeitsanstalten. Mit dem Elementarunterricht ist es in Brasilien [* 5] noch übel bestellt, obwohl gesetzlich jedes Kirchspiel einen Knabenlehrer und eine Mädchenlehrerin haben soll, sowie jede größere Stadt ein Lyceum. Die Zahl der öffentlichen Schulen wird jetzt auf 7500 geschätzt mit 300000 Schülern. Man unterscheidet Primär-, Sekundär- und Fachschulen; erstere (unentgeltlich) entsprechen unsern Volksschulen, letztere mit nur etwa 11000 Schülern den höhern Bürgerschulen und Gymnasien.
Für weitere Ausbildung sorgen zunächst eine Anzahl von militärischen und Marinelehranstalten; zu den erstern gehört vor allem die Centralschule zu Rio [* 6] de Janeiro, in welcher auch Civilingenieure ausgebildet werden, und damit verbunden das Astronomische Observatorium; sodann giebt es Fakultäten der Theologie an den Sitzen des Erzbischofs und der Bischöfe, zwei mediz. Fakultäten mit etwa 1400 Studenten in der Hauptstadt und in Bahia, [* 7] zwei Fakultäten der Jurisprudenz und der socialen Wissenschaften mit 1400 Studenten in São Paulo und Pernambuco, [* 8] mehrere botan. Gärten, eine Polytechnische Schule in Rio de Janeiro, eine Akademie der schönen Künste mit einem Konservatorium für Musik, eine Schule der Künste und Handwerke, eine Bergakademie in Ouro-Preto, das Hydrographische Bureau, die Meteorolog. Centralstation, die Nationalbibliothek und eine ziemliche Anzahl von Bibliotheken in allen Staaten.
Die zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten B.s, früher unter der Aufsicht und Leitung des Klerus, werden jetzt vom Staate verwaltet. Die beachtenswerteste unter ihnen ist die 1545 zu Rio de Janeiro gegründete Sta. Casa da Misericordia, musterhaft geleitet, in welcher alljährlich etwa 15000 Kranke verpflegt werden, und in Verbindung mit derselben ein Findelhaus und ein Waisenhaus. In Rio de Janeiro existiert ferner ein Hospiz, ein Irrenhaus mit 400 Pfleglingen, eine Blindenanstalt, ein Taubstummeninstitut, ein Institut für verkrüppelte Kinder, ein Hospital für Aussätzige und mehrere Militärlazarette. Auch in den andern bedeutenden Städten sind nach den Vorbildern von Rio de Janeiro Kranken- und Waisenhäuser eingerichtet worden, welche auf Kosten der Einzelregierungen unterhalten werden. Daneben aber haben die religiösen Brüderschaften (Irmandades), Freimaurerlogen und unabhängigen Hilfs- und Krankenvereine zahlreiche treffliche Einrichtungen zur Linderung der Leiden [* 9] von Armen und Kranken geschaffen.
Zeitungen. Alle größern und die meisten der kleinern Städte B.s besitzen Zeitungen von allerdings nur sehr geringer Bedeutung. Die Zahl der Blätter mag in politisch erregten Zeiten über 400 betragen. Selbst in den Hauptstädten der einzelnen Staaten ist der Bestand der großen Tageszeitungen infolge der Abhängigkeit von Geldleuten oder dem Wohlwollen der Regierung dem Wechsel unterworfen. Eine Zahlbestimmung für die großen Blätter in Rio de Janeiro würde deshalb bald nicht mehr zutreffend sein, zumal die republikanische Regierung Interesse daran hat, gerade die ältesten monarchisch gesinnten Zeitungen eingehen zu sehen.
Von wissenschaftlichem Interesse auch für das Ausland sind die sehr unregelmäßig erscheinenden Berichte des «Historisch-geographischen Instituts» und die der «Centralgesellschaft für Einwanderung», beide in Rio. Auch der Bestand der in Brasilien bestehenden deutschen Zeitungen wechselt häufig. Ihre Zahl war vor einigen Jahren auf 15 gestiegen, betrug jedoch im Juli 1890 nur noch 12. In Rio erschienen in den Jahren 1886, 1887 und 1888 zwei deutsche Zeitungen; beide sind eingegangen, trotzdem dort zahlreiche und wohlhabende «Deutsche [* 10] leben. Die Auflage der maßgebenden dieser deutschen Zeitungen erreicht etwa 1650 Stück, während die andern nur eine Auflage von 3-400 besitzen. In Rio de Janeiro und São Paulo bestehen auch einige gut unterstützte franz. und engl. Zeitungen.
Litteratur. Außer den Reisewerken des Prinzen Maximilian von Wied-Neuwied, von Spix und Martius, Eschwege, Pohl, Tietz, Burmeister, Saint-Hilaire, Kidder, Gardner, Tschudi, Agassi vgl. besonders: Avé-Lallemant, Reise durch Südbrasilien (2 Tle., Lpz. 1859) und Reise durch Nordbrasilien (2 Tle., ebd. 1860);
de Lahure, L’empire du Brésil (Par. 1862);
Hetwood, Resources of Brazil im «Journal of the Statistical Society of London» [* 11] (Bd. 27, 1864);
Wappäus, Brasilien (in: Stein und Hörschelmann, «Handbuch der Geographie und Statistik», 7. Aufl., Bd. 1, Abteil. 4, Lpz. 1871);
Liais, Climats, géologie, faune et géographie botanique du Brésil (Par. 1872);
Pradez, Nouvelles études sur le Brésil (ebd. 1872);
de Macedo, Geogr. Beschreibung B.s (übersetzt von Nogueira und Schiefler, Lpz. 1873);
Das Kaisertum Brasilien im J. 1873 (Rio de Janeiro 1874);
Lange, Südbrasilien (2. Aufl., Lpz. 1885);
van Rijkevorsel, Ut Brasilië (Rotterd. 1886);
Dent, A year in Brazil (Lond. 1886);
von den Steinen, Durch Centralbrasilien (Lpz. 1886);
Wells, Exploring and travelling three thousand miles through Brazil (2 Bde., Lond. 1886);
Derby, Physische Geographie und Geologie [* 12] von (in den «Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft zu Jena», [* 13] Bd. 5, 1886);
L’Empire du Brésil (Rio de Janeiro 1887-88);
Deventer, Brazilië, Land en Volk geschetst (Amsterd. 1888);
Schanz, Brasilianische Reiseskizzen (Lpz. 1889);
Courcy, Six
semaines aux mines d’or du Brésil (Rio 1889);
Levasseur, Le [* 14] Brésil (2. Aufl., Par. 1889);
Frances, Beyond the Argentine; Letters from Brasilien (Lond. 1889);
Lomonaco, Al Brasile (Mail. 1889);
Marc, Un explorateur brésilien (Par. 1889);
Santa-Anna Néry, Le Brésil en 1889 (ebd. 1889);
ders., Aux États-Unis de Brésil (ebd. 1890);
Le Brésil, excursion à travers ses 20 provinces (ebd. 1890);
Ehrenreich, Beiträge zur Völkerkunde B.s.
Veröffentlichungen des Museums für Völkerkunde (Berl. 1891).
Schätzbare Materialien zur Kunde B.s enthält die «Revista trimensal de historira o geografia», welche seit 1839 von dem «Instituto historico-geografico Brasileiro» herausgegeben wird. Über die Auswanderung nach Brasilien vergleiche: Lehmann, Die deutsche Auswanderung (Berl. 1861);
Expilly, La traite, l’émigration et la colonisation au Brésil (Par. 1864);
Jahn, Wichtige Beiträge zur Einwanderung und Kolonisation in Brasilien (Berl. 1874); ¶
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Holtermann, Die deutsche Kolonie Dona Francisca in Südbrasilien (Hamb. 1878);
Naeher, Land und Leute in der brasil. Provinz Bahia (Lpz. 1881);
Sellin, Das Kaiserreich Brasilien (ebd. 1882);
Zöller, Die Deutschen im brasil. Urwald (2 Bde., Berl. u. Stuttg. 1883);
von Schütz-Holzhausen, Der Amazonas.
Wanderbilder aus Peru, [* 16] Bolivia [* 17] und Nordbrasilien (Freib. i. Br. 1883);
von Koseritz, Bilder aus Brasilien. Mit einem Vorwort von Sellin (Lpz. 1885);
Carapebus, Notice sur les ressources minérales du Brésil (Par. 1885);
Eye, Der Auswanderer.
Winke und Weisungen für Ansiedler in den deutschen Kolonien Südbrasiliens (Berl. 1885); Coppin, L’Empire du Brésil au point de vue de l’émigration (Brüss. 1888); d’Altri, Colonizzazione nel Brasilie (Neapel [* 18] 1888). - Kartenwerke: Mendes de Almeida, Atlas [* 19] do Imperio do Brazil (24 Karten, Rio de Janeiro 1868);
de Mello, Atlas do imperio do Brazil segundo os dados officiaes (erscheint seit 1882 als 2. Aufl. des Atlas von Brasilien von Mendes de Almeida, unter technischer Leitung von Lomchico de Carvalho in Rio);
Bianconi und Marc, Le Brésil.
Cartes commerciales, physiques etc. avec notice descriptive (Par. 1889).
Geschichte. Zur Zeit der Entdeckung wohnten in Brasilien zwei Völkergruppen: die sog. Tapuyas (Feinde) oder Indios do matto (Waldindianer) und die Tupi-Guarani-Stämme oder Indios mansos (zahme Indianer). Der erste, der das brasil. Festland betrat, war der Spanier Vincente Yanez Pinzon, ein Gefährte des Columbus auf seiner ersten Reise, der am Kap St. Augustin, in der Nähe des heutigen Pernambuco landete. Durch Zufall gelangte sodann 1500 der Portugiese Pedro Alvarez Cabral (s. d.) an die Küste von Brasilien, das er für den König von Portugal [* 20] in Besitz nahm und Terra da vera Cruz (Land vom wahren Kreuz) [* 21] nannte.
Portugal genehmigte zwar die in seinem Namen vollzogene Besitzergreifung B.s, schickte aber nur anrüchige Personen oder die von der Inquisition Verurteilten dorthin, die das von Madeira [* 22] nach Brasilien verpflanzte Zuckerrohr mit solcher Betriebsamkeit anbauten, daß es bald ein Gegenstand der Ausfuhr wurde. Endlich beschloß König Johann III., das Land zu kolonisieren. Auf seinen Befehl gründete Thomas de Sousa 1549 die Stadt Bahia, zugleich erlaubte der König dem Adel, Strecken Landes für sich zu erobern und anzubauen; die Jesuiten bemühten sich, die Eingeborenen zu civilisieren.
Gegen Ende des 16. Jahrh. ließen sich viele franz. Hugenotten in Brasilien nieder. Von 1580 bis 1640 war Portugal und mit ihm ein Teil des span. Reichs. 1624 eroberten die Niederländer im Kampfe gegen Spanien die Stadt Bahia und 1630 die ganze Landschaft Bahia mit Pernambuco. Der niederländ. Statthalter daselbst, Moritz von Nassau, unterwarf dann in den folgenden Jahren den an der Küste gelegenen Teil der 14 Provinzen, aus denen die Kolonie Brasilien bestand. Nach der Thronbesteigung des Hauses Bragança in Portugal, 1640, schloß die Republik mit diesem einen zehnjährigen Waffenstillstand, kraft dessen sie im Besitz B.s blieb.
Doch schon 1645 unternahmen die von Cromwell und der portug. Regierung unterstützten Grundbesitzer unter Führung des kühnen Abenteurers Cavalcante einen Aufstand gegen die Niederländer, die Jan. 1654 gezwungen wurden Brasilien zu räumen, worauf sie 1661, unter Englands Vermittelung, gegen eine Summe von 350000 Pfd. St. allen Ansprüchen an Brasilien entsagten. Die Ausbeutung der kolonialen Reichtümer, die Unterdrückung jeder Selbständigkeit im geistigen und wirtschaftlichen Leben wurden jetzt hier, fast noch ärger als in den span. Kolonien, geübt und die Ausschließung der Fremden mit der größten Unduldsamkeit betrieben. 1678 kam die Regierung durch die Buenos-Aires gegenüber gegründete Kolonie San Sacramento mit Spanien in Streitigkeiten wegen des von hier aus in die span. Provinzen getriebenen Schleichhandels.
Die Spanier bemächtigten sich dieser Kolonie, in deren Besitz sie bis 1777 verblieben. Unterdessen war der Wert B.s für Portugal immer höher gestiegen, da man daselbst seit 1698 Gold und um 1730 Diamanten entdeckt hatte. Rio de Janeiro war der Stapelplatz für den Ertrag der brasil. Bergwerke und der einheimischen Erzeugnisse. Allein die portug. Verwaltung hatte weniger die Entwicklung des Landes als vielmehr die Ausbeutung der Gold- und Diamantenlager und die Erhebung von Handelszöllen im Auge. [* 23]
Eine Änderung in diesen Verhältnissen trat erst ein unter der Verwaltung Pombals, des reformatorischen Ministers Josephs I. (1750-77), der die systematische Ausnutzung der Kolonie durch das Mutterland abzustellen suchte und Brasilien auf eine vergleichsweise hohe Stufe materiellen Wohlergehens brachte. Gleichwohl wurde der Widerwille der Brasilier gegen die Portugiesen durch mancherlei Umstände genährt. Die portug. Könige verteilten an arme Adlige und Günstlinge (nach der Schenkung Donatarios genannt) große Gebiete in Brasilien, oder schlossen auch mit Abenteurern Verträge, welche die Eroberung unbekannter Landstriche auf eigene Kosten übernahmen.
Diese Art der Landverteilung brachte später große Rechtsunsicherheit in Bezug auf das Grundeigentum zu Wege, eine der Hauptursachen, warum die Versuche, europ. Einwanderer in Massen nach Brasilien zu ziehen, geringen Erfolg hatten. Als 1808 der portug. Hof, [* 24] der vor Napoleon geflohen war, in Rio eintraf, bevorzugte man Portugiesen dunkler Herkunft, während die vornehmen, von den Konquistadoren (s. d.) abstammenden Brasilier gleichgültig behandelt wurden. Die Abgaben wurden erhöht, Gold und Edelsteine, [* 25] welche in Privatländereien vorkamen, allem Herkommen entgegen als Regal in Anspruch genommen, und sogar in Rechtssachen zu Gunsten der Europäer parteiisch verfahren.
Diese Übelstände schienen den Brasiliern durch die Vorteile nicht aufgewogen zu werden, die der Aufenthalt der königl. Familie im Lande mit sich brachte, wie die Freiheit und größere Ausdehnung [* 26] des Handels, die Eröffnung des Landes für Fremde und die dadurch bewirkte Förderung der Civilisation. Auch das Beispiel der ehemaligen span. Kolonien in Südamerika [* 27] blieb nicht ohne Einfluß auf die Stimmung. Ein in Pernambuco im April 1817 ausgebrochener, aber bald unterdrückter republikanischer Aufstand war der Vorläufer der nunmehr folgenden Ereignisse. Die aufrührerischen portug. Truppen ertrotzten die Ausdehnung der im Aug. 1820 in Lissabon [* 28] erzwungenen Konstitution (s. Portugal) auf und beschwor sie der Kronprinz Dom Pedro für sich und seinen Vater.
Am schiffte sich Johann VI. nach Portugal ein, indem er Dom Pedro als Prinz-Regenten zurückließ. Die portug. Cortes, dem Beispiele der spanischen von Cadiz [* 29] folgend, versagten den brasil. Deputierten den Zutritt und verlangten, daß Brasilien sich wie früher als abhängige Kolonie solle ¶