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Bundeshauptstadt), letzterer jedoch nur bis zur Errichtung der künftigen Bundeshauptstadt auf einem 14 400 qkm großen,
auf dem Hochlande auszuwählenden Gebiete, das sich dann als
Bundesdistrikt konstituieren soll. Den Einzelstaaten bleibt
das
Recht freier Selbstbestimmung, sie sind berechtigt, sich zu teilen und aneinander anzuschließen; nur in Ausnahmefällen
(zur Durchführung der Bundesgesetze, bei feindlichen Einfällen, zum Schutze der republikanischen
Verfassung,
bei Enteignungen im Interesse der föderativen Posten und
Telegraphen
[* 2] u. a.) ist die Einmischung der Bundesregierung erlaubt.
Nur der Bundesregierung steht die Festsetzung von Einfuhrzöllen auf fremde Waren, von
Abgaben des Küstenhandels, die Errichtung
von Notenbanken und Zollhäusern zu.
Die gesetzgebende Gewalt
, insbesondere die Feststellung des
Budgets, die Verteilung der Einkünfte unter
die
Staaten, die
Entscheidung über
Krieg und Frieden, über
Verträge sowie über die Präsenzstärke von
Heer und Marine, ruht
bei dem National
kongreß. Dieser tagt alljährlich vom 3. Mai an 3
Monate lang und zerfällt in die Kammer der
Abgeordneten und
den Senat. Erstere (1892: 205
Abgeordnete) geht hervor aus direkten alle
3 Jahre stattfindenden
Wahlen, in der
Weise, daß auf 70000 E.
ein, auf jeden
Staat aber mindestens vier
Abgeordnete kommen sollen und zwar «unter Gewährleistung der Vertretung der
Minoritäten».
Der Senat besteht aus 63 ebenfalls
direkt gewählten Mitgliedern (je 3 von jedem
Staat),
von denen alle
3 Jahre
ein Drittel zu erneuern ist. Er bildet zugleich den Gerichtshof für «Verantwortlichkeitsvergehen»
des Präsidenten, der Minister und aller
andern Bundesbeamten und ernennt auf Lebenszeit die 15 Mitglieder des höchsten
Bundesgerichtshofs. Letzterer entscheidet über gemeine
Verbrechen der
Beamten, über Streitigkeiten der
Staaten
untereinander oder mit der Bundesregierung und legt die Gesetze aus. Die Legislaturperiode ist dreijährig.
Abgeordnete und
Senatoren erhalten
Diäten.
Wähler ist jeder Brasilianer von 21 Jahren mit Ausnahme der
Analphabeten,
Soldaten und
Angehörigen
der
Kongregationen, denen die freie Willensäußerung unmöglich ist.
Die Exekutive liegt in der
Hand
[* 3] des Präsidenten,
bez. des Vicepräsidenten, der zugleich Vicepräsident
des Senates ist. Beide werden mit absoluter Mehrheit von der Nation auf 4 Jahre gewählt und im Falle
des Abgangs vor
Ablauf
[* 4] dieses
Termins in den beiden ersten Jahren durch Neuwahl, später durch die Präsidenten des
Kongresses und den des Obersten
Gerichtshofs ersetzt. Die Wiederwahl des Präsidenten und die
Wahl des Vicepräsidenten zum Präsidenten
für die unmittelbar folgende
Periode ist verboten.
Der Präsident vertritt Brasilien
[* 5] nach außen, ernennt die Minister, Bundesbeamten und Gesandten, ist Oberbefehlshaber
der bewaffneten Macht, die aber auch verpflichtet ist, die konstitutionellen Einrichtungen zu schützen; ferner erläßt
er al
ljährlich eine
Botschaft an den
Kongreß, sanktioniert und
verkündet die
Beschlüsse desselben, solche
Beschlüsse aber, denen er als verfassungswidrig seine Zustimmung versagt, erhalten nach nochmaliger
Annahme durch beide Kammern
mit zwei Drittel Mehrheit unter bestimmten Förmlichkeiten gleichwohl Gesetzeskraft. Die Minister dürfen keiner Kammer angehören
und können persönlich nur mit den
Ausschüssen verhandeln.
Von Einzelbestimmungen sind folgende hervorzuheben: Errichtung eines Oberrechnungshofs;
obligatorische Civilehe;
Gewährleistung des Petitions- und Vereinsrechts und der Preßfreiheit.
Ferner Weltlichkeit des Unterrichts, Schutz für alle Konfessionen [* 6] und Kulte, Beibehaltung der Geschwornengerichte, Abschaffung der Todesstrafe sowie des Adels und der Orden. [* 7] Änderungen der Verfassung sind nur möglich auf Antrag von zwei Dritteln der Staaten auf Grund eines Mehrheitsbeschlusses ihrer Einzelparlamente, oder auf Antrag eines Viertels der Mitglieder einer der Kammern des Kongresses und nach Annahme der Vorschläge durch Zweidrittel-Majorität in beiden.
Die richterliche Gewalt ist unabhängig und wird bei Kriminalfällen in erster Instanz von unbesoldeten Polizeirichtern (Delegados und Subdelegados de Policia) und bei Civilsachen von gewählten Friedensrichtern (Juizes de paz), in zweiter Instanz aber von juristisch gebildeten und staatlich besoldeten Richtern ausgeübt. Daneben existiert das Institut der Jury zur Verhängung der Strafen in schweren Kriminalfällen.
Zum Behuf der Verwaltung wurde das Reich 1829 in 18 Provinzen geteilt; später sind aber zwei neue hinzugekommen, nämlich Amazonas (1850) und Parana (1853), erstere aus Teilen der Provinz Para, letztere aus Teilen der Provinz São Paulo gebildet. Die 20 jetzigen Staaten der Vereinigten Staaten [* 8] von Brasilien sind wieder in Municipios eingeteilt.
Das alte (kaiserl.) Reichswappen (s. beistehende [* 1] Figur) zeigte in grünem Felde die Weltkugel, die durch das rote, silbern eingefaßte Kreuz [* 9] des Christusordens in vier Teile geteilt und von einem blauen Reifen umgeben ist. Letzterer ist mit 19 silbernen Sternen belegt und hat auf beiden leiten eine silberne Einfassung. Den von einem Tabak- und Kaffeezweige umgebenen Schild [* 10] deckte die Kaiserkrone. Das jetzige Wappen, [* 11] oder richtiger Emblem, der Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien (s. untenstehende [* 1] Figur) ist ein fünfstrahliger goldener Stern, facettiert und die Strahlen mit schmalem roten innern Bord. Auf dem Stern liegt eine blaue Scheibe, die innerhalb eines silberbordierten blauen, mit 20 fünfstrahligen silbernen Sternen belegten Reifens das Sternbild des «südlichen Kreuzes» zeigt. Der beschriebene große Stern hat in den Winkeln goldene Strahlen, die überdeckt werden durch einen Kranz aus Lorbeer- und Tabakszweigen, unten zusammengehalten durch eine Schleife, die der Griff eines aufrechten Schwertes halb verdeckt. Unter dem Ganzen ein Band [* 12]
^[Abb.]
[* 1] ^[Abb.] ¶
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mit der Inschrift: Estados unidos do Brazil 1889. Die Flagge war grün mit goldener Raute; in dieser befand sich das Wappen. (S. Tafel: Flaggen [* 14] der Seestaaten.)
Die Nationalfarben sind Grün und Gold. [* 15] Die (jetzt sämtlich aufgehobenen) kaiserl. Orden waren: der Orden des Südlichen Kreuzes (s. d.), der Pedro-Orden (s. d.), der Rosenorden (s. d.), ferner der Christusorden, der Orden des heil. Benedikt von Aviz und der des heil. Theodorich (São Thiago; alle drei von Pedro II. begründet).
Unterrichtswesen und Wohlthätigkeitsanstalten. Mit dem Elementarunterricht ist es in Brasilien noch übel bestellt, obwohl gesetzlich jedes Kirchspiel einen Knabenlehrer und eine Mädchenlehrerin haben soll, sowie jede größere Stadt ein Lyceum. Die Zahl der öffentlichen Schulen wird jetzt auf 7500 geschätzt mit 300000 Schülern. Man unterscheidet Primär-, Sekundär- und Fachschulen; erstere (unentgeltlich) entsprechen unsern Volksschulen, letztere mit nur etwa 11000 Schülern den höhern Bürgerschulen und Gymnasien.
Für weitere Ausbildung sorgen zunächst eine Anzahl von militärischen und Marinelehranstalten; zu den erstern gehört vor allem die Centralschule zu Rio [* 16] de Janeiro, in welcher auch Civilingenieure ausgebildet werden, und damit verbunden das Astronomische Observatorium; sodann giebt es Fakultäten der Theologie an den Sitzen des Erzbischofs und der Bischöfe, zwei mediz. Fakultäten mit etwa 1400 Studenten in der Hauptstadt und in Bahia, [* 17] zwei Fakultäten der Jurisprudenz und der socialen Wissenschaften mit 1400 Studenten in São Paulo und Pernambuco, [* 18] mehrere botan. Gärten, eine Polytechnische Schule in Rio de Janeiro, eine Akademie der schönen Künste mit einem Konservatorium für Musik, eine Schule der Künste und Handwerke, eine Bergakademie in Ouro-Preto, das Hydrographische Bureau, die Meteorolog. Centralstation, die Nationalbibliothek und eine ziemliche Anzahl von Bibliotheken in allen Staaten.
Die zahlreichen Wohlthätigkeitsanstalten B.s, früher unter der Aufsicht und Leitung des Klerus, werden jetzt vom Staate verwaltet. Die beachtenswerteste unter ihnen ist die 1545 zu Rio de Janeiro gegründete Sta. Casa da Misericordia, musterhaft geleitet, in welcher alljährlich etwa 15000 Kranke verpflegt werden, und in Verbindung mit derselben ein Findelhaus und ein Waisenhaus. In Rio de Janeiro existiert ferner ein Hospiz, ein Irrenhaus mit 400 Pfleglingen, eine Blindenanstalt, ein Taubstummeninstitut, ein Institut für verkrüppelte Kinder, ein Hospital für Aussätzige und mehrere Militärlazarette. Auch in den andern bedeutenden Städten sind nach den Vorbildern von Rio de Janeiro Kranken- und Waisenhäuser eingerichtet worden, welche auf Kosten der Einzelregierungen unterhalten werden. Daneben aber haben die religiösen Brüderschaften (Irmandades), Freimaurerlogen und unabhängigen Hilfs- und Krankenvereine zahlreiche treffliche Einrichtungen zur Linderung der Leiden [* 19] von Armen und Kranken geschaffen.
Zeitungen. Alle größern und die meisten der kleinern Städte B.s besitzen Zeitungen von allerdings nur sehr geringer Bedeutung. Die Zahl der Blätter mag in politisch erregten Zeiten über 400 betragen. Selbst in den Hauptstädten der einzelnen Staaten ist der Bestand der großen Tageszeitungen infolge der Abhängigkeit von Geldleuten oder dem Wohlwollen der Regierung dem Wechsel unterworfen. Eine Zahlbestimmung für die großen Blätter in Rio de Janeiro würde deshalb bald nicht mehr zutreffend sein, zumal die republikanische Regierung Interesse daran hat, gerade die ältesten monarchisch gesinnten Zeitungen eingehen zu sehen.
Von wissenschaftlichem Interesse auch für das Ausland sind die sehr unregelmäßig erscheinenden Berichte des «Historisch-geographischen Instituts» und die der «Centralgesellschaft für Einwanderung», beide in Rio. Auch der Bestand der in Brasilien bestehenden deutschen Zeitungen wechselt häufig. Ihre Zahl war vor einigen Jahren auf 15 gestiegen, betrug jedoch im Juli 1890 nur noch 12. In Rio erschienen in den Jahren 1886, 1887 und 1888 zwei deutsche Zeitungen; beide sind eingegangen, trotzdem dort zahlreiche und wohlhabende «Deutsche [* 20] leben. Die Auflage der maßgebenden dieser deutschen Zeitungen erreicht etwa 1650 Stück, während die andern nur eine Auflage von 3-400 besitzen. In Rio de Janeiro und São Paulo bestehen auch einige gut unterstützte franz. und engl. Zeitungen.
Litteratur. Außer den Reisewerken des Prinzen Maximilian von Wied-Neuwied, von Spix und Martius, Eschwege, Pohl, Tietz, Burmeister, Saint-Hilaire, Kidder, Gardner, Tschudi, Agassi vgl. besonders: Avé-Lallemant, Reise durch Südbrasilien (2 Tle., Lpz. 1859) und Reise durch Nordbrasilien (2 Tle., ebd. 1860);
de Lahure, L’empire du Brésil (Par. 1862);
Hetwood, Resources of Brazil im «Journal of the Statistical Society of London» [* 21] (Bd. 27, 1864);
Wappäus, Brasilien (in: Stein und Hörschelmann, «Handbuch der Geographie und Statistik», 7. Aufl., Bd. 1, Abteil. 4, Lpz. 1871);
Liais, Climats, géologie, faune et géographie botanique du Brésil (Par. 1872);
Pradez, Nouvelles études sur le Brésil (ebd. 1872);
de Macedo, Geogr. Beschreibung B.s (übersetzt von Nogueira und Schiefler, Lpz. 1873);
Das Kaisertum Brasilien im J. 1873 (Rio de Janeiro 1874);
Lange, Südbrasilien (2. Aufl., Lpz. 1885);
van Rijkevorsel, Ut Brasilië (Rotterd. 1886);
Dent, A year in Brazil (Lond. 1886);
von den Steinen, Durch Centralbrasilien (Lpz. 1886);
Wells, Exploring and travelling three thousand miles through Brazil (2 Bde., Lond. 1886);
Derby, Physische Geographie und Geologie [* 22] von (in den «Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft zu Jena», [* 23] Bd. 5, 1886);
L’Empire du Brésil (Rio de Janeiro 1887-88);
Deventer, Brazilië, Land en Volk geschetst (Amsterd. 1888);
Schanz, Brasilianische Reiseskizzen (Lpz. 1889);
Courcy, Six semaines aux mines d’or du Brésil (Rio 1889);
Levasseur, Le [* 24] Brésil (2. Aufl., Par. 1889);
Frances, Beyond the Argentine; Letters from Brasilien (Lond. 1889);
Lomonaco, Al Brasile (Mail. 1889);
Marc, Un explorateur brésilien (Par. 1889);
Santa-Anna Néry, Le Brésil en 1889 (ebd. 1889);
ders., Aux États-Unis de Brésil (ebd. 1890);
Le Brésil, excursion à travers ses 20 provinces (ebd. 1890);
Ehrenreich, Beiträge zur Völkerkunde B.s.
Veröffentlichungen des Museums für Völkerkunde (Berl. 1891).
Schätzbare Materialien zur Kunde B.s enthält die «Revista trimensal de historira o geografia», welche seit 1839 von dem «Instituto historico-geografico Brasileiro» herausgegeben wird. Über die Auswanderung nach Brasilien vergleiche: Lehmann, Die deutsche Auswanderung (Berl. 1861);
Expilly, La traite, l’émigration et la colonisation au Brésil (Par. 1864);
Jahn, Wichtige Beiträge zur Einwanderung und Kolonisation in Brasilien (Berl. 1874); ¶