(spr. bŭjóng), ein ursprünglich niederlothr. Herzogtum in dem jetzt belg.
Anteile des Großherzogtums Luxemburg
[* 4] an der franz. Grenze, umfaßt einen waldigen und bergigen
Strich in den
Ardennen von 385 qkm, mit einer Stadt und 21 Flecken oder Dörfern. Das Herzogtum Bouillon besaß einst
Gottfried (s. d.)
von Bouillon. Um die Kosten zu seinem Kreuzzuge zu bestreiten, verpfändete er das Herzogtum 1095 an den
Bischof Otbert von
Lüttich.
[* 5] Schließlich machte sich das Haus
Lamarck vom
Bischofe unabhängig, aber
Karl V. gab 1521 das Herzogtum
an
Lüttich zurück, dessen
Souveränität in den Friedensschlüssen von
Cambrai (1529),
Cateau-Cambresis (1559) und Vervins
(1598) bestätigt wurde.
Dennoch erhielten sich die Herren von
Lamarck im
Besitze mehrerer früher von Bouillon abhängigen
Lehen und fuhren
fort, sich
Herzöge von Bouillon zu nennen.
DerenRechte fielen 1591 durch Heirat an
Heinrich de Latour d'Auvergne (s. d.), wurden
indes 1641 dem
StifteLüttich und 1651 für event. Rückfall von an das Haus Latour an
Frankreich abgetreten.
Im
Kriege von 1672 eroberte
Ludwig XIV. das Herzogtum, das im Nimwegener Frieden 1678
GottfriedMoritz von Latour d'Auvergne
zuerkannt wurde. Seitdem gehörte Bouillon als souveränes Herzogtum unter franz.
Schutze dem Hause Latour (s. d.), bis es 1793 unter dem
Herzog Godefroi Charles (gest. 1802) eingezogen
wurde.
Durch den
Pariser Frieden von 1814 kam es größtenteils an das dem Könige der
Niederlande
[* 6] zugefallene Großherzogtum Luxemburg.
Hierauf ward in der
WienerKongreß-Akte von 1815 festgesetzt, daß der König der
Niederlande, als
Großherzog von Luxemburg,
den
Teil des Herzogtums Bouillon, der nach dem
PariserVertrage bei
Frankreich nicht geblieben, mit voller
Souveränität
besitzen, daß aber das Eigentumsrecht, nach schiedsrichterlichem Ausspruche, einem der Bewerber, unter der Oberhoheit des
Königs der
Niederlande, zuerkannt werden solle.
Der Ausspruch rücksichtlich der verschiedenen Bewerber erfolgte zu
Leipzig
[* 7] und zwar zu Gunsten des Fürsten Charles
Alain von Rohan-Monbazon, vermöge seines auf
Geburt, Hausverträgen und
Substitution beruhenden
Erbrechts
als Enkel der Schwester des letzten
Herzogs von Bouillon. Dieser aber verkaufte seine
Rechte 1821 an die
Niederlande. Bei der Revolution 1830 trennte
sich Bouillon mit Luxemburg von den
Niederlanden und wurde 1837 mit zu
Belgien geschlagen.
(spr. bŭjóng), deutsch
Beulen, Stadt in der belg.
Provinz Luxemburg, in schöner
Lage
zwischen steilen
Bergen
[* 8] an der zur Maas gehenden
Semoy, 15 km nordöstlich von
Sedan,
[* 9] an der Linie Paliseul-Bouillon der
Belg.
Vicinalbahnen,
hat (1889) 2623 E., Post,
Telegraph,
[* 10] ein festes Schloß auf einem Felsen, Eisenwarenfabriken und Gerbereien. Bouillon war der Stammsitz
der
Herzöge von Bouillon.
(spr. bŭjih),JeanNicolas, franz. Dichter, geb. zu Coudraye
(Tours),
[* 11] war Jurist und debütierte als
Dramatiker 1790 mit der komischen
Oper «Pierre-le-Grand». Seit 1792 wirkte er als
Richter, dann als öffentlicher Ankläger in
Tours und wurde später nach
Paris
[* 12] berufen, um bei der Einführung der Primärschulen
in
Frankreich mitzuwirken. 1799 zog er sich vom öffentlichen Leben zurück und starb in
Paris. Bekannt sind unter
seinen
Stücken besonders «L'Abbé de l'Èpée» (1795; deutsch von Kotzebue,
Lpz. 1800),
«AgnèsSorel», «Les deux
pères» (deutsch von Theod.
Hell, ebd. 1808),
«Madame de Sévigné» (deutsch von Iffland, Berl.
1809) und «L'intrigue aux fenêtres». Ferner schrieb er die oft aufgelegten
und übersetzten «Contes offerts aux enfants deFrance», «Contes à ma fille» (1809),
«Conseils à ma
fille» (1811; deutsch, 2. Aufl., 2 Bde.,
Lpz. 1823),
(spr. bulängwillĭeh),Henri,
Graf, franz.
Historiker, aus einer alten Familie der
Picardie, geb. zu St. Saire
(Normandie), besuchte das Collège von Juilly, wurde
Soldat und widmete sich dann ausschließlich
dem
Studium der Geschichte. Er starb Seine
Schriften verfolgen den Zweck, die Verdienste, die der alte
Adel gegenüber
dem absoluten Königtum um die
Civilisation des
Landes und die
Entwicklung des Staatswesens sich erworben,
hervorzuheben. Boulainvilliers selbst ließ keins seiner Werke drucken.
Nach seinem
Tode erschienen: «Mémoires historiques sur les anciens gouvernements de la
France» (3 Bde., Haag
[* 13] 1727),
«Histoire
de la pairie de
France et du parlement de
Paris» (2 Bde., Lond. 1746; 2. Aufl.
1753);
«Abrégé chronologique de l'histoire de
France» (3 Bde., Haag 1733);
«L'état de la
France etc.»
(3 Bde., Lond. ^Rouen)
[* 14] 1727 u. ö.).
Außerdem wurden von Boulainvilliers'
Schriften veröffentlicht ein Leben Mohammeds, eine Geschichte der
Araber, mehrere theol. und philos.
Arbeiten, darunter «La vie et l'esprit de
Spinoza» (Amsterd. 1719).
(spr. bulangscheh),GeorgesErnestJean Marie, franz.
General, geb. zu Rennes trat 1855 in die
Militärschule zu St. Cyr und wurde 1856
Unterlieutenant in der Infanterie. Im ital. Feldzuge wurde er bei Turbigo
durch die
Brust geschossen, empfing das Kreuz
[* 15] der Ehrenlegion, wurde 1860
Lieutenant und ging nach Cochinchina,
nahm 1861-64 am Feldzug in
China
[* 16] teil und wurde Kapitän. 1867 ward Boulanger als
Lehrer an die Militärschule zu St. Cyr
berufen, Bataillonscommandeur, 9. Nov. als
Oberstlieutenant Commandeur des 114. Linienregiments, an dessenSpitze er30. Nov. in der
Schlacht bei
Champigny verwundet wurde. Im Jan. 1871 zum Oberst befördert, wurde er in den Kämpfen gegen die Commune am 24. Mai abermals
verwundet und empfing das Commandeurkreuz der Ehrenlegion. Bei der Reorganisation der
Armee erhielt Boulanger den
Grad eines
Oberstlieutenants;
er organisierte das 133. Linienregiment und wurde 1874 zum zweitenmal Oberst, 1880 Brigadegeneral und
erhielt bald darauf den
Befehl über die 14. Kavalleriebrigade, vertrat die franz. Regierung bei der hundertjährigen
Jubelfeier der Unabhängigkeit der
¶
mehr
Vereinigten Staaten
[* 18] mit Geschick, lenkte hierdurch die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich und übernahm 1882 im Kriegsministerium
die Leitung der Infanteriedirektion. In dieser Stellung wirkte er namentlich für die Hebung des Militärerziehungs- und Bildungswesens
und vereinfachte den Verwaltungsdienst bei Behörden und Truppen. Boulanger wurde 1884 Divisionsgeneral und übernahm den Befehl über
die franz. Besatzungstruppen in Tunesien, wo er die Würde des Heers und des Offizierkorps nachdrücklich gegen Ungehörigkeiten
der Verwaltungsbehörden in Schutz nahm und hierdurch im Heere rasch bedeutenden Anhang gewann. Im Kabinett Freycinet übernahm
er das Kriegsministerium.
Boulanger schloß sich politisch niemals an eine Partei ganz an. Als Minister veranlaßte er die
Ausweisung der erst kurz vorher aus dem Heere entfernten Prinzen aus Frankreich und scheute sich nicht, hierbei seinen ehemaligen
Gönner, den Herzog von Aumale, öffentlich anzugreifen, um seine republikanische Gesinnungstüchtigkeit zu erweisen. Jedes
Mittel war ihm recht, um Anhang zu gewinnen, und bei allen Gelegenheiten ließ er seine Person möglichst
auffallend hervortreten.
Die jüngern ehrgeizigen Offiziere gewann er für sich durch die emsig verbreitete Meinung, er sei der berufenste Vollstrecker
der Rache an Deutschland. Im übrigen machte er viele Fehler, sodaß General Miribel nach Paris berufen werden muhte, um den in der
Heeresverwaltung durch Boulanger angerichteten Schaden wieder gut zu machen. Der von Boulanger im Dez. 1886 vorgelegte
Gesetzentwurf zur Reorganisation des Heers sollte die Mittel zu einem erfolgreichen Kriege gegen Deutschland bieten. In Ausführung
eines Gedankens Gambettas wollte Boulanger die Friedensstärke bedeutend erhöhen und für die Kriegsformation eine
große Zahl von Stämmen bereit stellen, die Ausgaben der Militärverwaltung aber durch Abkürzung der aktiven
Dienstzeit und zeitweilige Beurlaubung eines großen Teils der Mannschaft nicht erheblich über das bisherige Maß der Leistung
hinaus vermehren.
Die Kammer bewilligte seine Forderungen. Die namhafte Verstärkung
[* 19] der östl. Garnisonen und
der dort veranstaltete Barackenbau zur Aufnahme der vierten Bataillone wiesen nun auf den Entschluß eines
baldigen Revanchekrieges hin, und trotz der Angriffe, denen Boulanger wegen seiner Eigenmächtigkeit und kriegerischen Tendenzen in
Kabinett, Kammer und Presse
[* 20] ausgesetzt war, galt er doch als der am wenigsten zu ersetzende Minister. Er behielt auch nach
dem Sturz Freycinets unter Goblet sein Portefeuille, und erst als dieser zurücktrat, Rouvier
sich weigerte, ein Kabinett mit Boulanger zu bilden, und der Senat durch die drei Parteipräsidenten der Linken feierlich gegen das
Verbleiben B.s protestierte, verlor er seinen Posten. Er wurde darauf zum Commandeur des 13. Armeekorps in Clermont-Ferrand
ernannt, blieb aber fortwährend in Verbindung mit den Radikalen, namentlich mit der von Deroulède geleiteten
Patriotenliga, und kam wiederholt heimlich ohne Urlaub nach Paris.
Von der neuen Regierung unter Tirard ward er deshalb wegen schwerer Vergehen gegen die Disciplin in Nichtaktivität
versetzt und am 26. durch das Urteil eines aus angesehenen Generalen zusammengesetzten Untersuchungsrats
mit schlichtem Abschied aus dem Heer entlassen. Da die Absetzunq auch von den radikalen Republikanern, die B.s Ehrgeiz tadelten,
gebilligt wurde, traten Laguerre, Drugnot und Laisant aus dem Klub
der äußersten Linken aus und nannten sich hinfort Boulangisten
(s. d.), welcher Fraktion sich auch Deroulède, der Senator Naquet u. a. anschlossen.
Die vertrautesten Anhänger wurden «Graf» Dillon und Rochefort. Boulanger ließ sich in Paris nieder, trieb einen fürstl. Aufwand und
galt von nun an als der Anwalt aller mit dem herrschenden System des Kammerterrorismus und der Unsicherheit der Regierungsziele
Unzufriedenen. Reiche Geldmittel flossen ihm von einer Anzahl Bankiers und andern Ehrgeizigen, die seine
Zukunft eskomptierten, zu, namentlich auch auf Wunsch des Grafen von Paris seitens der Herzogin von Uzès. Seine Freunde konstituierten
sich als «Republikanisches Komitee des nationalen Protestes».
Die Monarchisten, mit denen er längst Fühlung hatte, unterstützten ihn, indem sie ihn als Sturmbock benutzen zu können
meinten. Am ward er im Norddepartement mit großer Mehrheit zum Abgeordneten gewählt. Seine
Geltung verminderte sich auch nicht, als er 4. Juni formloser Weise einen Antrag auf Revision der Verfassung stellte, und als er 12. Juli, die
Kammerauflösung fordernd, sich durch die Übergabe eines vorbereiteten Briefes, worin er sein Mandat niederlegte,
lächerlich machte. In dieser Sitzung kam es zwischen ihm und dem Ministerpräsidenten Floquet zu einem heftigen Wortwechsel,
der ein Duell zur Folge hatte. Boulanger wurde 13. Juli von Floquet am Halse verwundet. Im August ward er in drei Departements zu gleicher
Zeit wiedergewählt und schlug sogar in Paris selbst bei einer Nachwahl einen radikalen Mitbewerber Dieser
Erfolg erhöhte die polit.
Bedeutung B.s derart, daß er in einer ganzen Reihe von Departements gewählt wurde und dieses Wahlergebnis als eine Art
von Plebiscit zur Geltung zu bringen suchte. Den Wunsch seiner Anhänger, er möge sich durch eine rasche
That an die Spitze des Staates schwingen, lehnte er unentschlossen ab. Es war aber doch so viel an Anstalten hierzu geschehen,
daß das Ministerium Tirard die Anklage zunächst gegen die Patriotenliga, dann gegen Boulanger selbst «wegen Verschwörung
und Attentaten auf die Sicherheit des Staates» erheben konnte.
Boulanger entzog sich einer möglichen Verhaftung, indem er mit seiner Geliebten, einer Frau Bonnemain,
nach Brüssel
[* 21] floh, womit er seine Sache bedeutend schädigte. Dies zeigte sich bei den allgemeinen Wahlen wo die
«Boulange» insbesondere in der ProvinzNiederlagen erlitt. Inzwischen war Boulanger 14. Aug. mit Rochefort und Dillon
durch den Senat als Staatsgerichtshof für schuldig erklärt und wegen Komplotts und Veruntreuung von Staatsgeldern in contumaciam
zur Deportation nach einem befestigten Platze verurteilt worden.
Die Enthüllungen, welche die Untersuchung zu Tage förderte, entfremdeten ihm fast alle Sympathien. Boulanger verließ Brüssel auf
den Wunsch der belg. Regierung und ging nach Jersey, von wo er mit seinen engern Parteigenossen ununterbrochenen
Verkehr unterhielt, bis endlich die Gemeinderatswahlen in Paris den völligen Zusammenbruch der Partei offenbarten:
es wurde nur ein einziger Boulangist gewählt, ein zweiter nachträglich durch eine Stichwahl. Seine Getreuen erblickten nur
noch ein Mittel, die Sache der «Boulange» zu retten: Boulanger sollte sich dem Staatsgerichtshof in Paris stellen.
Aber er ging auf dieses Ansinnen nicht ein, sondern legte Mitte Mai seine Stelle als Parteichef nieder. Da nach dem Tode¶