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Vorzugsweise die Fortpflanzungsorgane und weniger den übrigen Bau der Blüte [* 2] als Einteilungsgrund nahmen, benutzten die beiden Jussieu den gesamten Bau der Blüte als Basis des natürlichen Systems. Von dieser Zeit an bis jetzt wurden zwar vielfach noch Veränderungen in der systematischen Einteilung vorgenommen, aber im großen und ganzen lehnten sich sämtliche neu aufgestellten Systeme an das Jussieusche an. Von den Botanikern, die das natürliche System weiter ausführten und verbesserten, sind hauptsächlich zu erwähnen: Pyrame Decandolle (1778-1841), Robert Brown (1773-1858), Bartling, Lindley, Endlicher, A. Braun und A. W. Eichler. Fast sämtliche natürlichen Systeme, die jetzt noch gelten, fußen auf dem Bau der Blüte, dessen Erkenntnis nach der Einführung des Mikroskops immer mehr vervollkommnet wurde.
Während die Systematik hiernach schon vom Anfang des 17. Jahrh. an eine wissenschaftliche Behandlung erfuhr, sind Histologie sowie die eingehendere vergleichende Morphologie, abgesehen von einigen wenigen Versuchen gegen Ende des 18. Jahrh., erst von Anfang des 19. Jahrh. an zur weitern Ausbildung gelangt. Da beide Disciplinen abhängig sind von der mikroskopischen Untersuchung, so konnte natürlich erst nach der allgemeinen Einführung des Mikroskops Ersprießliches darin geleistet werden.
Zwar wurde das einfache und auch das zusammengesetzte Mikroskop, [* 3] allerdings nur in sehr roher Ausführung, schon gegen Ende des 17. Jahrh. von einigen Botanikern benutzt, um den innern Bau der Pflanzen genauer kennen zu lernen, und es wurden auch manche, für jene Zeit immerhin beachtenswerte Erfolge damit erzielt, so von Robert Hooke (1635-1703), Marcello Malpighi (1628-94), Nehemia Grew (1628-1711), Anton van Leeuwenhoek (1632-1723). Die genannten Forscher hatten sowohl über den Bau der Blüte als auch über die innere Struktur der pflanzlichen Organe manches Richtige aufgefunden; aber die wenigen Resultate, die sie erzielt hatten, gerieten wieder fast gänzlich während des 18. Jahrh. in Vergessenheit, da die neuen Lehren, [* 4] die in der Systematik sich damals geltend gemacht hatten, das Interesse der Botaniker von histologischen und eingehendern morpholog. Forschungen ablenkten.
Erst zu Anfang des 19. Jahrh, wurde den letztern Disciplinen wieder mehr Beachtung geschenkt; aber ehe man wiederum zu einer annähernd richtigen und nüchternen Betrachtung der Formverhältnisse im Bau der Pflanze gelangte, riefen unklare philos. Vorstellungen über Metamorphosen und über verschiedene in den Pflanzen wirksame Lebensprincipien u. dgl. m. die größten Verwirrungen hervor. Hauptsächlich hatte hierunter die vergleichende Morphologie zu leiden, denn durch die Metamorphosenlehre Goethes, die schließlich zu dem reinsten Mysticismus führte und durch die sog. Spiraltheorie, die von Schimper aufgestellt und von A. Braun weiter ausgeführt wurde (s. Blattstellung), [* 5] war ein so weites Feld für gewagte Deutungen geschaffen worden, daß die vorurteilsfreie Beobachtung und Untersuchung darunter leiden mußte. Allerdings hat die Spiraltheorie insofern viel Neues zu Tage gefördert, als sie die Stellungsverhältnisse der Organe, die für die vergleichende Morphologie von größter Wichtigkeit sind, eingehender betrachtete.
Die Histologie wurde unter diesen Umständen ziemlich vernachlässigt, da man die Aufmerksamkeit hauptsächlich jenen morpholog. Fragen zuwandte. Die Resultate, welche durch die Untersuchungen Malpighis und Grews erzielt wurden, waren, wie schon gesagt, in Vergessenheit geraten und deshalb mußte die histologische Forschung eigentlich wieder von vorn anfangen. Gegen Ende des 18. Jahrh. beschäftigte sich in Deutschland [* 6] besonders Johannes Hedwig (1730-99) mit anatom. Untersuchungen; zu Anfang des 19. Jahrh. traten in Frankreich Brisseau-Mirbel, in Deutschland Kurt Sprengel, Bernhardi, Link, Treviranus, Moldenhawer, Meyen als eifrige Förderer der Phytotomie auf.
Die genannten Forscher untersuchten fast ausschließlich die fertig ausgebildeten Pflanzen und schenkten der Entwicklungsgeschichte keine Beachtung. Es wurden auf diese Weise eine große Menge neuer und wichtiger Thatsachen zu Tage gefördert; aber es fehlte dabei die nötige Übersicht. Von großer Bedeutung für die Entwicklung der Histologie waren die Untersuchungen Hugo von Mohls. Durch seine Gewandtheit in der mikroskopischen Technik und durch die gänzlich vorurteilsfreie Betrachtung der Objekte war er allen andern Botanikern, die sich mit Phytotomie beschäftigten, weit überlegen.
Der allergrößte Teil seiner Untersuchungen hat bis auf die Jetztzeit seine volle Gültigkeit behalten. Infolge der Arbeiten Mohls und der kritischen Anregungen Schleidens machte sich bald eine rege wissenschaftliche Thätigkeit bemerkbar; man untersuchte den Bau der Zellen, die Eigenschaften des Zellhautgerüstes, die Zusammengehörigkeit zu größern Zellkomplexen genauer und gelangte durch Zuhilfenahme der Entwicklungsgeschichte immer mehr zur Betrachtung des anatom. Baues der Pflanzen unter einheitlichen Gesichtspunkten und auf diese Weise zur vergleichenden Anatomie. Unter den Botanikern, die in dieser Hinsicht fördernd einwirkten, sind vorzugsweise zu nennen Nägeli, Schacht, Hanstein, Sanio, de Bary, Schwendener, Haberlandt u. a.
Auf dem Gebiete der vergleichenden Morphologie wurden vor allem durch Schleiden und Nägeli neue Gesichtspunkte eröffnet, auf Grund deren eine rein wissenschaftliche Betrachtung der Dinge sich geltend machte gegenüber der philos. Richtung, die im Anfange des 19. Jahrh. die Morphologie beherrschte. Hauptsächlich wirkte Schleiden in dieser Beziehung bahnbrechend, indem er den hohen Wert der entwicklungsgeschichtlichen Untersuchungen hervorhob. Wenn auch seine Arbeiten in sehr vielen Punkten später widerlegt wurden, so hat er doch durch seine scharfen Angriffe gegen die herrschende philos.
Richtung außerordentlich fördernd gewirkt. Durch die immer weiter fortschreitende Verbesserung der Mikroskope [* 7] und die Vervollkommnung der mikroskopischen Technik wurde eine genauere Kenntnis von den Vorgängen der Zellbildung und Zellteilung ermöglicht, und infolgedessen gelang es, sowohl die Formverhältnisse der niedern Kryptogamen, als auch viele Einzelheiten im anatom. Bau der höhern Pflanzen kennen zu lernen. Die Untersuchung der niedern Kryptogamen hinsichtlich ihres Baues und ihrer Entwicklungsgeschichte wurde gefördert durch Nägeli, Hofmeister, Pringsheim, A. Braun, de Bary, Tulasne, Schwendener, Bornet, Cohn, Brefeld, Zopf u. a.
Das Studium der Befruchtungsvorgänge sowohl bei Phanerogamen wie bei Kryptogamen war ebenfalls erst durch Einführung besserer Mikroskope ermöglicht worden. Zwar wußte man betreffs der ¶
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Phanerogamen schon seit langer Zeit, daß man Staubgefäße [* 9] und Griffel als Geschlechtsapparate anzusehen habe; aber ein klarer Einblick in den Vorgang der Befruchtung [* 10] konnte erst in den letzten Jahrzehnten gewonnen werden. Man wußte allerdings schon zu Ende des 18. Jahrh. durch die Untersuchungen Gottlieb Koelreuters (1733-1806), Joseph Gärtners (1732-91), daß Bastardzeugungen (s. Bastardpflanzen) im Pflanzenreiche vorkommen, man wußte ferner durch die Beobachtungen Konrad Sprengels (1715-1816), daß die Insekten [* 11] eine wichtige Rolle bei der Befruchtung spielen (s. Bestäubung); aber alle diese Angaben bezogen sich nur auf die äußere Vereinigung der Pollenkörner [* 12] und der Narbe.
Erst 1823 wurde von Amici entdeckt, daß die Pollenkörner Schläuche treiben, und von da an war die Frage von dem Zustandekommen der Befruchtung in ein neues Stadium getreten. Amici selbst und Mohl verfolgten den Verlauf der Pollenschläuche und beobachteten, daß sie sich an die Samenknospe anlegten; Schleiden und Schacht dagegen behaupteten, der Pollenschlauch dringe in die Samenknospe ein und aus dem Ende desselben entstehe der Embryo. Diese Frage wurde schließlich von Hofmeister endgültig zu Gunsten von Amici und Mohl entschieden. In neuerer Zeit hat sich Strasburger noch genauer mit dem Befruchtungsvorgang bei den Phanerogamen beschäftigt und denselben nach der morpholog. Seite hin vollständig klargelegt. Die Sexualität der Kryptogamen war ebenfalls der Gegenstand vieler Untersuchungen und auch hier ward bald durch Nägeli, Hofmeister, Pringsheim, de Bary und Thuret der Sachverhalt richtig erkannt.
Die Physiologie der Pflanzen hatte sich unabhängig von der Systematik sowohl wie von der Morphologie schon in der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. entwickelt. Wohl hatten schon Malpighi, Grew und andere vor dieser Zeit in ihren Werken einige Bemerkungen über die Lebenserscheinungen der Pflanzen gemacht; aber dieselben waren teils von philos. Anschauungen zu sehr durchsetzt, teils auch fußten sie auf ganz unzureichenden Versuchen. Der erste Botaniker, der die Physiologie rein wissenschaftlich betrieb, war der Engländer Stephan Hales (1677-1761), er beschäftigte sich hauptsächlich mit der Transpiration und der Wasserbewegung in den Pflanzen, und auch über die Ernährung derselben machte er bereits lehrreiche Versuche.
Mit der weitern Entwicklung der Chemie machte auch die Pflanzenphysiologie immer mehr Fortschritte. Über die Ernährung der Pflanze (s. d.) wurden Untersuchungen angestellt von Priestley, Ingenhousz, Senebier, Théodore de Saussure. Zu Anfang des 19. Jahrh. trat auch die physik. Physiologie mehr hervor, es wurden die Wirkungen der Schwerkraft, der Wärme, [* 13] des Lichts auf die Bewegungserscheinungen und das Wachstum der Pflanzen eingehender behandelt. Andrew Knight wies nach, daß das Aufrichten der Stengel, [* 14] das Eindringen der Wurzeln in den Boden von der Schwerkraft abhängig sei, Dutrochet, A. P. Decandolle, Link, Mohl, Meyen beschäftigten sich mit den Erscheinungen des Heliotropismus und Geotropismus. Seit der Mitte des 19. Jahrh. wurden chem.-physiol. Fragen, die auf Ernährung, Assimilation, Atmung Bezug haben, vorzugsweise von Boussingault, Liebig, Nägeli, Sachs, Pringsheim, Pfeffer behandelt; mit den physik.-physiol. Problemen beschäftigten sich Nägeli, Hofmeister, Schwendener, Sachs, Wiesner, Frank u. a.
Die Pflanzengeographie, als deren Begründer Alexander von Humboldt anzusehen ist, wurde hauptsächlich von Alphonse Decandolle, Grisebach, Engler, Drude gefördert. Die Phytopaläontologie, die Untersuchung der fossilen Pflanzen, die zuerst durch Brogniart und Unger angeregt wurde, fand eifrige Bearbeiter in Göppert, Heer, Schenk, Renault u. a. Die Pflanzenpathologie wurde durch Fortschreiten der Ernährungsphysiologie und durch den genauern Einblick in die Lebensweise der parasitisch lebenden Pflanzen schnell zu einem wichtigen Teil der botan. Wissenschaft; als Forscher, die auf diesem Gebiete thätig waren, sind zu nennen Kühn, de Bary, Sorauer, Frank. In allen Disciplinen der wissenschaftlichen Botanik herrscht gegenwärtig ein reger Forschungseifer, der durch die aufs höchste vervollkommneten Mikroskope und die glänzend eingerichteten botan. Gärten, Institute und Sammlungen genügend unterstützt und genährt wird.
Litteratur. A. Geschichte der Botanik: E. Meyer, Geschichte der Botanik (4 Bde., Königsb. 1854-57);
Irmisch, Einige Botaniker des 16. Jahrh. (Sondersh. 1862);
Jessen, Botanik der Gegenwart und Vorzeit (Lpz. 1865);
Sachs, Geschichte der Botanik (Münch. 1875).
Botanik Lehrbücher der Botanik: Linné, Fundamenta botanica (Amsterd. 1736);
ders., Philosophia botanica (Stockh. 1751);
Link, Elemanta philosophiae botanicae, Grundlehren der Kräuterkunde (Berl. 1824);
Bischofs, Lehrbuch der allgemeinen Botanik (Stuttg. 1834-39);
Schleiden, Grundzüge der wissenschaftlichen Botanik (Lpz. 1842-43; 4. Aufl. 1861);
Endlicher und Unger, Grundzüge der Botanik (Wien [* 15] 1843);
Sachs, Lehrbuch der Botanik (4. Aufl., Lpz. 1874);
Leunis, Synopsis der Botanik (3 Bde., 3. Aufl., bearbeitet von Frank, Hannov. 1883-86);
Schenk, Handbuch der Botanik (4 Bde., Bresl. 1881-90);
Warming, Handbuch der systematischen Botanik (deutsch von Knoblauch, Berl. 1890).
C. Botan. Zeitschriften: Flora (Regensb. seit 1818, seit 1889 Marburg); [* 16]
Annales des sciences naturelles (Par. seit 1824);
Botanique (Halle, [* 17] Berl. 1826-82);
Botan. Zeitung (Berl., Lpz. seit 1843);
Zeitschrift für wissenschaftliche Botanik (Zür. 1844-46);
Jahrbücher für wissenschaftliche Botanik, hg. von Pringsheim (Berl., Lpz. seit 1863);
Just, Botan. Jahresbericht (Berl. seit 1873);
Botan. Centralblatt (Cass. seit 1880);
Botan. Jahrbücher für Systematik, Pstanzengeschichte und Pflanzengeographie, hg. von Engler (Lpz. seit 1881);
Berichte der Deutschen Botanischen Gesellschaft (Berl. seit 1883);
Botan. Adreßbuch. Verzeichnis der lebenden Botaniker, sowie der botan. Anstalten, Gesellschaften und Zeitschriften, hg. von Fachmännern (Lpz. 1891).
Specielle Litteratur über die einzelnen Disciplinen der Botanik s. die Artikel: Morphologie, Histologie, Physiologie, Systematik, Pflanzenkrankheiten, [* 18] Pflanzengeographie, Paläontologie. Ein fast vollständiges Verzeichnis der gesamten botan. Litteratur bis 1872 ist von Pritzel in seinem Thesaurus literaturae botanicae (2. Aufl., Lpz. 1872-77) gegeben worden.