Bonn.
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1) Landkreis, ohne die Stadt Bonn, im preuß. Reg.-Bez. Köln, hat 289,17 qkm, (1890) 57 808 (28 733 männl., 29 075 weibl.) E. und 47 Landgemeinden. - 2) Kreisstadt des Landkreises und Stadtkreis (15,94 qkm), liegt in 56 m Höhe (Bahnhof; Rheinspiegel 44 m) am nördl. Ausgang des engen Rheinthals, wo das Gebirge vom Rhein zurücktritt und sich zur Ebene verstacht, in freundlicher Gegend am linken Ufer des Flusses und besitzt mit seinen schönen Münstertürmen, den prächtigen Landhäusern am Rhein aufwärts, den Anlagen des Hofgartens u. s. w. ein anmutiges Aussehen. Die Stadt hat (1890) 39 805 (18 429 männl., 21 376 weibl.) E., darunter 8230 Evangelische, 30 687 Katholiken und 793 Israeliten; 3592 Wohngebäude, 7872 Haushaltungen und 70 Anstalten (2637 Insassen). In Garnison (1200 Mann) liegen das 2. Bataillon des 28. Infanterieregiments von Göben und das 7. Husarenregiment König Wilhelm I. Die Zahl der Geburten betrug (1891) 1684, die der Todesfälle 1178, die der Ehen 373.
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Kirchen. Unter den Kirchen (zwei evangelische, fünf katholische) ist außer der 1700 erbauten von den Altkatholiken benutzten Jesuitenkirche das Münster als die älteste und architektonisch merkwürdigste hervorzuheben. Eine kreuzförmige Basilika mit 2 Chören, 4 kleinen Türmen und einem achteckigen Hauptturm über der Vierung, ist es eine der großartigsten Kirchen des spätroman. Stils; der westl. Teil der Krypta und der Bau darüber aus dem 11., der Chorschluß aus dem 12., der übrige Teil aus dem 13. Jahrh. Die evang. Kirche wurde 1866-71 von Dieckhoff errichtet. Die Kapelle im frühern Schlosse dient der evang. Gemeinde zum Gottesdienst. Im Bau ist (1893) die Marienkirche.
Weltliche Gebäude. Das Rathaus am Markt mit hoher Freitreppe wurde 1782 vollendet. Das Geburtshaus Beethovens in der Bonngasse wurde 1890-91 zu einem Museum eingerichtet. Die Südseite der alten Stadt nimmt das 580 m lange ehemals kurfürstl. Schloß ein, 1717-30 von den Kurfürsten Joseph Clemens und Clemens August erbaut und nach einem Brande 1777 teilweise erneuert; dasselbe wurde von König Friedrich Wilhelm III. zu Universitätszwecken geschenkt und enthält jetzt die Hörsäle, Amtsräume u. s. w. der Universität (s. unten); die Aula mit großen Fresken von Cornelius' Schülern, die vier Fakultäten darstellend.
Zur Universität gehören die unter Argelanders Leitung 1839-46 gebaute großartige Sternwarte, das Poppelsdorfer Schloß (1 km von der Stadt entfernt), ehemals kurfürstl. Lustschloß Clemensruhe (1715-46 erbaut), das 1868 von Dieckhoff vollendete Chemische Laboratorium, ein schönes Gebäude mit großartiger Einrichtung, der Prachtbau der neuen Anatomie, seit 1872 eröffnet, und das 1891 vollendete Gebäude der Landwirtschaftlichen Akademie zu Poppelsdorf.
Das neue Gymnasialgebäude an der Koblenzerstraße ist Okt. 1891, das neue Provinzialmuseum in der Colmanstraße Juli 1893 eröffnet worden. Auf dem Münsterplatz erhebt sich seit 1845 die von Hähnel modellierte eherne Statue Beethovens. Das 1865 errichtete Standbild Arndts (Erzguß nach Asingers Modell) schmückt den Alten Zoll, eine wegen ihrer schönen Aussicht auf den Rhein und das Siebengebirge berühmte Promenadenanlage, ehemalige Bastei, unmittelbar vor dem Koblenzer Thor. Auf dem alten Friedhofe vor dem Sternthor befindet sich das Kriegerdenkmal für 1870/71 von Küppers, ein Genius, mit dem Schilde einen sterbenden Krieger schützend; ein monumentaler Brunnen von Afinger: Christus mit den vier Evangelisten darstellend, ferner die Grabmäler Niebuhrs von Rauch und Robert Schumanns von Donndorf.
Verwaltung, Finanzen. Die Stadt wird verwaltet von einem Oberbürgermeister (Spiritus, seit 1891, 10000 M.), 3 Beigeordneten (2 besoldeten) und 30 Stadtverordneten und hat eine Wasserleitung mit Kanalisation, städtische Gasanstalt (Produktion 1892: 2,59 Mill. cbm Gas), freiwillige Feuerwehr, Schlachthaus. Demnächst wird eine städtische Berufsfeuerwehr mit Kasernement eingerichtet. Städtische Einnahmen (1892/93) 1,250, Schulden (1893) 5,037 Mill. M.
Behörden. Bonn ist Sitz eines Landgerichts (Oberlandesgericht Köln) mit 8 Amtsgerichten (Bonn, Eitorf, Euskirchen, Hennef, Königswinter, Rheinbach, Siegburg, Waldbröl), Amtsgerichts, Landratsamtes für den Landkreis Bonn, des Oberbergamtes für die Rheinprovinz, mit Ausnahme der Kreise Rees, Essen, Duisburg und der nördlich der Düsseldorf-Schwelmerstraße belegenen Teile der Kreise Düsseldorf und Elberfeld, für Teile der Provinz Westfalen (s. Dortmund, Behörden), für Hohenzollern, den Reg.-Bez. Wiesbaden und die Fürstentümer Waldeck und Pyrmont (s. Bergbehörden) mit einer Bergwerksdirektion und -Schule (Saarbrücken), einer Landesbauinspektion, einer Eisenbahnbauinspektion, eines altkath. Bischofs, eines Katasteramtes, einer Kreiskasse, Handelskammer, Reichsbantnebenstelle und eines Gewerbegerichts für Stadt und Landkreis Bonn (seit März 1892).
Bildungs- und Vereinswesen. Die 1777 vom Erzbischof Maximilian Friedrich von Köln gestiftete Akademie wurde 1784 durch Diplom Kaiser Josephs II. zur Universität erhoben, 1797 unter franz. Herrschaft aufgelöst. Die jetzt bestehende Universität wurde von Friedrich Wilhelm III. von Preußen gegründet; sie hat evang.- und kath.-theol. Fakultäten und (1892) 135 Docenten sowie 1204 Studierende. Zu ihr gehören eine Bibliothek (219000 Bände, 1273 Handschriften), seit 1892 in einem neuen Gebäude, eine Münzsammlung, das Akademische Kunstmuseum; eine Sternwarte, ein großer Botanischer Garten (4,5 ha.) mit Palmenhaus, das evang.-theol.
Stift, die Institute der mediz. und philos. Fakultät und ein Paläontolog. Museum. Die naturhistor. Sammlungen und die Zweiginstitute der 1847 eröffneten landwirtschaftlichen Akademie (160000 Nummern) befinden sich in 16 Sälen des Poppelsdorfer Schlosses. Ebenso ist die Provinzialirrenanstalt (3 km vor der Stadt) den Lehrzwecken der Universität dienlich gemacht. Ferner bestehen das Museum rhein. Altertümer, ein königl. Gymnasium, 1629 von den Minoriten gegründet, 1673 von den Jesuiten übernommen, 1816 reorganisiert (Direktor Dr. Buschmann, 27 Lehrer, 18 Klassen, 560 Schüler) verbunden seit 1890 mit einem pädagogischen Seminar, ein städtisches paritätisches Realprogymnasium, früher höhere Bürgerschule, das jetzt zu einer Oberrealschule mit Gymnasialklassen umgestaltet wird (Rektor Dr. Kölscher, 20 Lehrer, 11 Klassen, 270 Schüler, 3 Vorschulklassen,
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93 Schüler) und 4 höhere Privat-Mädchenschulen. Das Museum vaterländischer (namentlich röm.) Altertümer siedelte 1892 in das neuerbaute Provinzialmuseum über. Das städtische Museum «Villa Obernier», ein Vermächtnis des 1882 verstorbenen Professor Obernier, enthält neuere Bilder von Düsseldorfer und Münchener Künstlern. Im Stadttheater (1000 Plätze, eröffnet) giebt die Direktion des Kölner Stadttheaters im Sommer Vorstellungen. Von den Vereinen seien erwähnt: der Naturhistorische Verein der Rheinlande und Westfalens, der Verein von Altertumsfreunden im Rheinland, der Landwirtschaftliche Verein für Rheinpreußen, die Niederrheinische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde, der Handels- und Gewerbeverein und der Verein «Alt-Bonn» für die Geschichte der Stadt Bonn (Sammlungen im Oberniermuseum). Es erscheinen 4 tägliche Zeitungen.
Wohlthätigkeitsanstalten. Städtische Irrenpflegeanstalt, 2 Privatirrenanstalten, 1 evang., 1 kath. Hospital, 2 Waisenhäuser und das Männerasyl Wilhelm-Augusta-Stiftung), evang. und kath. Mägdeherberge.
Industrie, Handel. Die Industrie erstreckt sich auf Fabrikation von Maschinen, Klavieren, Orgeln, Tapeten, Goldleisten, Porzellan- und Drahtwaren, künstlichen Blumen, Bonbons, Stühlen, Parkettböden, Strohhüten, Knöpfen, Fayence, Seife, Kerzen, Senf, Cement, Jute und Chemikalien. Ferner bestehen die «Bonner Fahnenfabrik», eine Fabrik für Schreibwaren (Soennecken), Kaffeebrennereien (Zuntz' sel. Witwe und Inhoffen); die Wesselsche Porzellan- und Steingutfabrik geht in ihren Anfängen auf die 1755 vom Kurfürsten Clemens August gegründete Fabrik zurück. Gegenüber von Bonn im Dorfe Beuel bedeutende Spinnereien (Westdeutsche Jute-Spinnerei und -Weberei), in Kessenich die Mechanische Jute-Spinnerei und -Weberei. Der Handel wird unterstützt durch eine Handelskammer, eine Bank für Handel und Gewerbe sowie die Bonner und andere Privatbanken. Bonn ist Sitz der 2. Sektion der Deutschen Buchdrucker-Berufsgenossenschaft.
Verkehrswesen. Bonn liegt an den Linien Köln-Bingerbrück, Bonn-Euskirchen (34,20 km) und Bonn-Obercassel (5,29 km) der Preuß. Staatsbahnen, hat ein Postamt erster Klasse mit Zweigstelle (in Bonn-Poppelsdorf), Telegraphenamt, Pferdebahn in der Stadt, Dampfstraßenbahn Bonn-Mehlem (im Bau bis Godesberg) und ist Station für die Rheindampfer. Mit dem rechten Rheinufer verbinden Bonn eine fliegende Brücke, Personendampfer und etwas oberhalb der Stadt ein Eisenbahntrajekt nach Obercassel. Von Königswinter aus gehen Zahnradbahnen auf den Drachenfels und den Petersberg.
Umgebung. Über dem Dorfe Poppelsdorf erhebt sich der Kreuzberg (120 m) mit der weithin sichtbaren Weißen Kirche, dem Überrest des von Kurfürst Ferdinand von Bayern 1627 erbauten Klosters, sehenswert wegen der Heiligen Treppe (28 Stufen) hinter dem Altar, die Kurfürst Clemens August (gest. 1761) erbauen ließ, und die nur mit den Knien berührt werden darf; sie ist eine Nachahmung der Scala santa beim Lateran in Rom. Über dem Dorfe Kessenich (4 km) am Abhang des Vorgebirges die Rosenburg, ein Schlößchen mit Anlagen, und weiter oben auf dem Venusberg die Casselsruhe mit schöner Aussicht. Hier wird jetzt zum Andenken an Kaiser Wilhelm I. der sog. Kaiserpark (100 Morgen Waldfläche) von der Stadt angelegt. Weiter sind in der romantischen Umgebung Godesberg, Rolandseck, die Insel Nonnenwerth, der Drachenfels und Petersberg (Siebengebirge) vielbesuchte Punkte.
Geschichte. Bonn war eins der von den Römern in Deutschland angelegten Kastelle und hieß Bonna oder Castra Bonnensia (von Tacitus erwähnt). 70 n. Chr. wurden hier die Römer von den Batavern geschlagen. Nachdem das Lager im 4. Jahrh. von den Franken zerstört und durch Kaiser Julian wieder aufgebaut worden war, litt es vorzüglich in den Kämpfen der Hunnen, Franken, Sachsen und Normannen (869 von letztern zerstört). Zu Bonn ward 942 eine große Synode gehalten. 1273-1794 war es Residenz der Kurfürsten von Köln.
Hier hielten sich 1673 die Franzosen gegen Holländer, Spanier und Österreicher. Nach einem heftigen Bombardement wurde die Stadt 1689 durch Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg eingenommen, 1703 durch die Holländer unter Coehoorn. Erst 1715 kam sie wieder in den Besitz des Kurfürsten von Köln. Die Festungswerke wurden 1717 zum großen Teil geschleift. 1801 wurde die Stadt durch den Lunéviller Frieden französisch, 1814 durch den Wiener Kongreß preußisch.
Litteratur. Ritter, Entstehung der drei ältesten Städte am Rhein, oder Urgeschichte von Mainz, und Köln (Bonn 1851);
Hesse, Geschichte der Stadt Bonn während der franz. Herrschaft (ebd. 1879);
Würst, und seine Umgebungen (2. Aufl., ebd. 1881);
Das röm. Lager in Bonn, hg. vom Verein von Altertumsfreunden im Rheinland (ebd. 1888);
Hesse, Erinnerung an Bonn (4. Aufl., ebd. 1889);
von Sybel, Gründung der Universität Bonn (ebd. 1869).