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Paris [* 2] mit einem Einkommen von 2 Mill. Frs. 1813 bot Ludwig dem Kaiser von der Schweiz [* 3] aus wiederholt seine Dienste [* 4] an, jedoch mit dem Anspruch auf Hollands Herstellung unter einer franz. Dynastie, was jener gar keiner Antwort würdigte. Nach Wiedereinsetzung des Hauses Oranien hielt sich Ludwig aller Verpflichtungen gegen Holland entbunden und ging nach Paris; doch besserte sich das Verhältnis der Brüder nicht. Vergebens waren die Ermahnungen zum Frieden, mit denen Ludwig den Kaiser bestürmte; nach dessen Sturz begleitete er die Kaiserin nach Blois; im April begab er sich nach Lausanne [* 5] und im September nach Rom. [* 6]
Napoleon ernannte ihn 1815 zum Pair von Frankreich und lud ihn nach Paris ein, er lehnte ab und blieb in Rom, wo er sich nachher von seiner Gemahlin trennte. Seit 1826 lebte er in Florenz. [* 7] Er starb in Livorno. [* 8] Ludwig Bonaparte war ein durchaus achtungswerter Mann, der die ihm aufgedrungene Krone mit Würde trug und mit Ehren niederlegte. Als Schriftsteller hat er sich mehrfach bekannt gemacht. Sein Roman «Marie, ou les peines de l'amour» (3 Bde., Par. 1808; 2. Aufl. u. d. T. «Marie ou les Hollandaises», 1814) knüpft an eine Jugendliebe an und enthält eine Schilderung der holländ. Sitten, über seine und seines Hauses Verhältnisse, vorzüglich über die Verwaltung Hollands, berichtet er in dem wichtigen Werke «Documents historiques et réflexions sur le gourvernement de la Hollande, par Louis Bonaparte» (3 Bde., Par. 1820, Lond. 1821). Ferner hat er herausgegeben: «Essai sur la versification» (2 Bde., Rom 1825-26),
«Histoire du parlament anglais» (Bd. 1, Par. 1820),
«Observations de Louis Bonaparte, comte de St-Leu, sur le histoire de Napoléon par M. de Norvins» (ebd. 1834),
«Réponse à Sir Walter Scott sur son histoire de Napoléon» (ebd. 1829).
Vgl. Loosjes, Louis Bonaparte. De koning van Holland (Amsterd. 1888);
L. Wichers, De regeering van Koning Lodewijk Napoleon 1806-10 (Utrecht [* 9] 1892).
Ludwig Bonaparte hatte sich nach dem Willen seines Bruders und sehr gegen seinen eigenen mit Hortense (s. d.), Tochter des Generals Beauharnais (s. d.) und Josephine, der spätern Gemahlin Napoleons I., vermählt.
Ihre und Ludwig B.s Söhne waren: a. Napoléon Charles, geb. gest. bonaparte Napoléon Louis, geb. nach dem Tode seines ältesten Bruders Kronprinz von Holland, und von Napoleon I. zum Großherzog von Cleve [* 10] und Berg ernannt, vermählt mit Charlotte, der Tochter seines Oheims Joseph (s. unter 1), lebte längere Zeit in der Schweiz, dann in Florenz, beteiligte sich mit seinem jüngern Bruder 1830-31 an den Bewegungen in Oberitalien, [* 11] besonders an dem Aufstande Ciro Menottis in der Romagna und starb zu Forli (angeblich an den Masern, wahrscheinlich aber infolge einer Verwundung); c. Charles Louis Napoléon, der nachmalige Kaiser Napoleon III. (s. d.).
6) Carlotta Bonaparte, später Marie Pauline, Gemahlin von Camillo Filippo Ludovico Fürst von Borghese (s. d.).
7) Annunciata Bonaparte, später Karoline, Gemahlin des Königs Murat (s. d.) von Neapel. [* 12]
8) Jérôme (Hieronymus) Bonaparte, geb. zu Ajaccio, ward im Collage zu Juilly erzogen, das er nach dem 18. Brumaire verließ, um sich nach kurzem Dienst in der Garde des Konsuls dem Seewesen zu widmen. Als Schiffslieutenant war er 1801 und 1802 bei der Expedition nach Haïti, [* 13] von wo er mit Depeschen von Leclerc zurückgesendet wurde. Dann segelte er mit einer Fregatte nach Martinique, kreuzte zwischen St. Pierre und Tabago, begab sich, von den Engländern verfolgt, nach Nordamerika, [* 14] heiratete dort die reiche Kaufmannstochter Elisabeth Patterson und kehrte im Mai 1805 nach Frankreich zurück.
Hier trennte er sich auf Napoleons Geheiß von seiner Gattin, wurde dann Geschwaderchef und beauftragt mit der Zurückforderung der gefangenen Genuesen vom Dei von Algier. Er befreite 250 und führte darauf unter dem Oberbefehl Willaumez' ein Geschwader nach Martinique, von wo er Ende Aug. 1806 in Frankreich eintraf. Zum franz. Prinzen ernannt, befehligte er mit Vandamme im Kriege gegen Preußen [* 15] das 10. Armeekorps in Schlesien, [* 16] zog in Breslau [* 17] ein und belagerte und eroberte mehrere Festungen.
Durch den Frieden zu Tilsit [* 18] erhielt Hieronymus das neugeschaffene Königreich Westfalen. [* 19] Am ward ihm in Cassel gehuldigt, wo er nun, mit Prinzessin Katharina von Württemberg [* 20] vermählt, in üppiger Pracht lebte. Bekannt ist sein täglich wiederholtes «Morgen wieder lustik», so ziemlich die einzigen deutschen Worte, die er sprechen konnte. (Über die Geschichte seiner Regierung s. Westfalen, Königreich.) Im Kriege Napoleons 1809 gegen Österreich [* 21] nahm Jérôme an dem Einmarsch in Sachsen [* 22] teil, 1812 kam er als Chef vom 4. Armeekorps nach Polen, lebte mit großem Aufwande zu Warschau, [* 23] verschuldete durch seine Saumseligkeit, daß sich Bagration 6. Aug. mit Barclay de Tolly vereinigte, und ward daher von Napoleon nach Cassel zurückgeschickt.
Seinem Königreiche machte die Schlacht bei Leipzig [* 24] ein Ende. Schon war er durch den russ. General Tschernyschew aus Cassel vertrieben worden, wohin er zwar 17. Okt. zurückkehrte, allein nur um mit den zusammengerafften Kostbarkeiten sogleich nach Paris zu flüchten. Nach dem Pariser Frieden von 1814 verließ er Frankreich, hielt sich in der Schweiz, dann als «Graf Hartz» zu Graz [* 25] und Anfang 1815 in Triest [* 26] auf. Bei Napoleons Rückkehr von Elba begab er sich erst in Murats Hauptquartier, hierauf gegen Ende Mai mit seiner Mutter und Kardinal Fesch nach Frankreich, wo ihn Napoleon noch zum Pair ernannte.
In den Schlachten [* 27] von Ligny und Waterloo [* 28] focht er mit großem persönlichen Mut. Nach Napoleons Abdankung verließ Jérôme Paris und ging in die Schweiz, dann zu seiner Gemahlin nach Ellwangen, erhielt von seinem Schwiegervater den Namen eines Fürsten von Montfort, nahm 1816 seinen Aufenthalt in Österreich, seit Dez. 1819 gewöhnlich in Triest. Von 1827 an lebte er in der Mark Ancona, [* 29] in Rom, später, aus dem Kirchenstaate verbannt, in Lausanne und endlich meist in Florenz. 1847 reichte er bei der franz. Pairskammer ein Gesuch um Erlaubnis zur Rückkehr ein, das verworfen wurde. Die Deputiertenkammer bestimmte indessen die Regierung, ihm wie seinem Sohne Jérôme den vorläufigen Aufenthalt in Frankreich zu gestatten. Er befand sich daher beim Ausbruch der Februarrevolution in Paris und wurde zum Gouverneur der Invaliden, zum Marschall ernannt. Nach der Thronbesteigung Napoleons III. zum eventuellen Kronerben mit dem Titel eines franz. Prinzen von Geblüt und dem Prädikat Kaiserliche Hoheit erhoben, verbrachte er ¶
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den Rest seiner Tage im Genusse seines neuen Glücks, vermählte sich 1853 zum drittenmale (morganatisch) mit der Marquise Giustine Baldelli aus Florenz und starb zu Villegenis bei Paris. Aus seinem Nachlaß erschienen «Mémoires et correspondance du roi Jérôme et de la reine Catherine» (1. bis 5. Bd., Par. 1861-64).
Elisabeth Patterson begab sich, nachdem ihre Ehe von Napoleon für illegitim erklärt und auf dessen Befehl im April 1805 getrennt worden war, zunächst nach England und kehrte dann nach Amerika [* 31] zurück. Sie starb zu Philadelphia. [* 32]
Vgl. Didier, Life and letters of Madame Bonaparte (Lond. 1879; ins Französische übersetzt von Munro, Par. 1885). -
Der Sohn aus dieser Ehe, Jérôme Bonaparte-Patterson, geb. zu Camberwell in England, vermählte sich 1829 in Baltimore [* 33] mit der reichen Susan Mary Williams und privatisierte seitdem teils auf seinen Gütern, teils auf Reisen in Europa. [* 34] Unter der Restauration und unter der Regierung Ludwig Philipps besuchte er Frankreich, wo er durch seine Ähnlichkeit [* 35] mit Napoleon großes Aufsehen erregte. Er war einer der angesehensten Bürger des Staates Maryland, machte mit großem Erfolge ausgedehnte Waldungen urbar und starb zu Baltimore. Von seinen beiden Söhnen, Jérôme Napoléon, geb. 1832, und Charles, geb. 1852, wurde der ältere in der Militärakademie zu Westpoint erzogen, diente als franz. Offizier im Krimfeldzuge, kehrte 1878 nach Amerika zurück und starb im Sept. 1893 auf seiner Besitzung bei Prides (Neuyork). [* 36]
Jérômes zweite Gemahlin (seit war Friederike Katharine Sophie Dorothea, Tochter des Königs Friedrich I. von Württemberg, geb. Als ihr Vater nach der Schlacht von Waterloo die Ehe aufheben wollte, schrieb die Prinzessin einen Brief, in dem sie erklärte, daß sie ihren Gemahl nie verlassen werde. Sie war eine verständige und tüchtige Frau, wie sowohl ihre Briefe an ihren Vater («Briefwechsel der Königin Katharine und des Königs Jérôme u. s. w. mit dem König Friedrich von Württemberg», hg. von Schloßberger, 3 Bde., Stuttg. 1886-87) als die bisher veröffentlichten Bruchstücke ihres Tagebuchs (in der «Revue historique», 1888) beweisen.
Ihren Rang als württemb. Prinzessin behielt sie bis an ihren Tod. Sie starb zu Lausanne. Ihre Kinder waren: a. Jérôme Napoleon Charles Bonaparte, Prinz von Montfort, geb. zu Graz, württemb. Oberst, gest. bonaparte Mathilde Lätitia Wilhelmine Bonaparte, geb. zu Triest, vermählte sich 1840 mit Anatol Demidow, Fürsten von San Donato, von dem sie sich 1845 wieder trennte. Sie lebte dann in Paris und wußte hier in der hohen Gesellschaft eine bedeutende Stellung zu behaupten.
Bei Errichtung des Kaiserthrons wurde sie unter die Mitglieder der kaiserl. Familie aufgenommen und erhielt den Titel Hoheit. Seit 1871 soll sie heimlich mit dem Maler Paupelin vermählt sein (vgl. Gothaer Almanach von 1879 und Nauroy, Les secrets des Bonapartes, Par. 1889); c. Napoleon Joseph Charles Paul Bonaparte, geb. zu Triest, gest. zu Rom, bekannter unter dem Namen Plon-Plon oder Prinz Napoleon (s. Napoleon, Joseph Charles Paul). Sein Sohn Victor (s. Napoleon, Victor Jérôme Frédéric) ist seit dem Tode des Vaters der Träger [* 37] der bonapartistischen Thronansprüche.