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auszudehnen. Die Revolution gegen das fremde Regime zeigte sich unbesieglich, und die Engländer unter Wellington gewannen von Portugal [* 2] aus immer mehr Boden. Nach der Niederlage bei Vittoria, verließ Joseph Spanien auf immer und zog sich auf sein Landgut Morfontaine zurück. Als der Kaiser im Dez. 1813 im Traktat von Valencay Ferdinand VII. als König von Spanien anerkannte, weigerte sich Joseph, seine Abdankung zu unterzeichnen, mußte jedoch bald nachgeben.
Obwohl Napoleon Josephs Mangel an Thatkraft kannte, ernannte er ihn vor seiner Abreise von Paris [* 3] im Jan. 1814 zum Generallieutenant des Reichs und Oberkommandanten der Nationalgarden. Bei Annäherung der Verbündeten erließ Joseph zwar 29. März eine energische Proklamation, ermächtigte aber 30. März die Marschälle, den Alliierten Kapitulationsanträge zu machen, und flüchtete nach Blois, wohin ihm Kaiserin Marie Luise 29. März vorangegangen war. Mit einem ihm zugesicherten Einkommen von 500000 Frs. zog sich Joseph nach Napoleons Absetzung in das Waadtland zurück, wo er das Landgut Prangin kaufte, erschien aber 1815 in Paris als franz. Prinz und Präsident des Conseils.
Nach der Schlacht von Waterloo [* 4] folgte er seinem Bruder nach Rochefort, von wo aus beide sich nach Amerika [* 5] begeben wollten. Erst als er den Entschluß seines Bruders, sich den Engländern zu ergeben, erfuhr, verließ er Frankreich und begab sich nach den Vereinigten Staaten. [* 6] Im Besitz eines bedeutenden Vermögens, lebte er als Graf von Survilliers auf dem früher von Moreau bewohnten Landgute Point-Breeze am Delaware. In einer an die franz. Deputiertenkammer gerichteten Adresse vom erhob er gegen die Thronbesteigung eines Bourbonen Einspruch zu Gunsten seines Neffen, des Herzogs von Reichstadt, dessen Rechte nach Napoleons I. Abdankung die Repräsentantenkammer anerkannt habe.
Als dieser starb, reiste Joseph, der sich nun als nächsten Erben erklärte, 1832 nach London [* 7] und hielt sich zur großen Besorgnis Ludwig Philipps in England auf. 1837 nach Amerika zurückgekehrt, erschien er 1839 wieder in England, bis er 1841 die Erlaubnis erhielt, nach Italien [* 8] überzusiedeln, wo seine Gemahlin lebte. Joseph starb zu Florenz. [* 9] Im Juni 1862 wurde sein Leichnam im Dom der Invaliden zu Paris beigesetzt. Es wird ihm ein Roman «Moina» (Par. 1799 u. 1814) zugeschrieben. Seine «Mémoires es correspondance politique et militaire» gab Du Casse heraus (10 Bde., Par. 1853-55: 2. Aufl. 1856-58); sie enthalten manches wertvolle histor. Material.
Vgl. Abbott, History of Joseph Bonaparte (Neuyork [* 10] 1869);
Miot de Melito, Mémoires (3 Bde., 1788-1815);
Du Casse, Les Rois frères de Napoléon I (Par. 1883). -
Seine Gemahlin, Julie Marie Clary, geb. Tochter des reichen Seidenhändlers Clary zu Marseille, [* 11] Schwägerin Bernadottes (s. Karl XIV., König von Schweden), [* 12] war eine einfache, anspruchslose, aber begabte Frau und wußte sich in ihren spätern Verhältnissen mit Würde zu benehmen. Sie ging nie nach Spanien, auch hielt sie sich als Königin nur wenige Wochen zu Neapel [* 13] auf. Ihrer Gesundheit wegen vermochte sie nicht, ihrem Gemahl 1815 nach Amerika zu folgen.
Sie wohnte einige Zeit zu Frankfurt, [* 14] durfte sich dann zu Brüssel [* 15] niederlassen, ging aber 1823 nach Florenz, wo sie starb. Sie hatte zwei Töchter: a. Zenaide Charlotte Julie, geb. die, an Lucian B.s ältesten Sohn, den Fürsten von Canino (s. unter 3), verheiratet, die Mutter einer zahlreichen Familie wurde und zu Neapel starb;
bonaparte Charlotte Napoléone, geb. die sich mit Napoleon Louis, dem zweiten Sohne des Exkönigs Ludwig Bonaparte (s. unter 5) vermählte und zu Sarzana starb.
2) Napoleon Bonaparte, s. Napoleon I.
3) Lucian Bonaparte, wegen seiner nicht standesmäßigen Ehe vom Kaiser nicht als franz. Prinz anerkannt, geb. zu Ajaccio, besuchte das Collège zu Autun, dann die Militärschule zu Brienne, endlich das Seminar zu Aix. 1792 kehrte er nach Corsica [* 16] zurück, schloß sich Paoli (s.d.) an, brach aber mit diesem gleich seiner Familie und ging ihr voraus nach Marseille. Napoleons Glücksstern brachte ihm 1795 die Stellung eines Kriegskommissars, in der er in die Niederlande, [* 17] dann nach Corsica (1798) ging, wo er in der Wahl der Mittel, sich zu bereichern, nicht ängstlich war. Im März 1798 in den Rat der Fünfhundert gewählt, gewann er bald bedeutenden Einfluß und bildete mit Joseph Bonaparte eine Parteigruppierung, die dem Direktorium entgegen und den ehrgeizigen Absichten seines Bruders vorarbeitete.
Kurz vor dem 18. Brumaire (1799) zum Präsidenten des Rats der Fünfhundert gewählt, ward er der eigentliche Held dieses Tages. Als er die durch Napoleons Eintritt entstandene Gärung nicht zu dämpfen vermochte, verließ er seinen Sitz, setzte sich zu Pferde, [* 18] sprengte an die Fronte der versammelten Truppen und forderte sie auf, ihren General, den man ermorden wolle, zu retten. Nach dem Staatsstreiche zum Minister des Innern ernannt, überwarf er sich bald mit Fouché, der selbst nach diesem Portefeuille strebte, und seinem Bruder.
Ein völliger Bruch ward verhütet, indem Lucian das Ministerium niederlegte und als Gesandter im Nov. 1800 nach Madrid [* 19] ging, wo er den engl. Einfluß beseitigte und zum Kriege mit Portugal trieb. Der für Frankreich ungünstige Friede zu Badajoz zu dem er vorschnell die Hand [* 20] bot, konnte das Verhältnis beider Brüder nicht bessern. Lucian gab daher seine Stellung auf und ging nach Paris. Hier ins Tribunat berufen, vertrat er den Plan zur Errichtung der Ehrenlegion, deren Großoffizier er wurde, und erwarb sich die Gunst des Papstes Pius VII. durch Befürwortung des Konkordats.
Als Lucian nach dem Tode seiner ersten Gattin (s. unten) die ihm vom Kaiser zugedachte verwitwete Königin von Etrurien ausschlug und gegen dessen Willen eine bürgerliche Ehe einging, führte dies zum völligen Bruch mit Napoleon. Lucian zog sich auf eine Villa bei Rom [* 21] zurück, um den Künsten und Wissenschaften zu leben (April 1804). Vergebens bot ihm 1807 der Kaiser den Thron [* 22] von Spanien an, indem er Trennung von seiner Gattin verlangte. Ebenso verweigerte Lucian seine Zustimmung zu der Verheiratung seiner Tochter mit dem Prinzen von Asturien.
Napoleon wurde dadurch so erbittert, daß jener den Plan faßte, sich nach Nordamerika [* 23] in Sicherheit zu bringen. Er schiffte sich zu Civita-Vecchia ein, wurde jedoch durch einen Sturm genötigt, in Cagliari einzulaufen. Hier von brit. Kreuzern angehalten, ward er nach England gebracht und zum Kriegsgefangenen erklärt. Napoleons Sturz gab ihm seine Freiheit; er ging wieder nach Rom, wo ihn der Papst 1814 mit dem von ihm erkauften kleinen Fürstentum Canino belehnte. Nach Napoleons Rückkehr von Elba 1815 begab sich Lucian nach Paris und trat ¶
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in die Pairskammer ein. Nach der Niederlage von Waterloo behielt er allein seine Besonnenheit und riet seinem Bruder, die Kammern aufzulösen und als Diktator an die Spitze zu treten. Nachdem Napoleon abgedankt hatte, versuchte er, den König von Rom zum Kaiser ausrufen zu lassen, um für sich die Regentschaft zu erlangen, konnte indes nicht durchdringen. Nach der zweiten Thronbesteigung Ludwigs XVIII. wollte er nach Rom zurückkehren, ward aber auf Befehl des österr.
Generals Graf Bubna in Turin [* 25] festgenommen und interniert. Die Fürsprache des Papstes befreite ihn, doch mußte sich dieser verbürgen, weder Lucian noch ein Glied [* 26] seiner Familie aus dem Kirchenstaate wegzulassen. Nach den Ereignissen von 1830 wurde dieser Bann aufgehoben, und Lucian ging 1832 zu Joseph nach England, von wo er 1838 auch Deutschland [* 27] besuchte. Später kehrte er nach Italien zurück und starb zu Viterbo. Nächst Napoleon war Lucian das begabteste Glied der Familie Bonaparte. Nicht ohne Ruhmbegier, setzte er seinen Ehrgeiz hauptsächlich darein, sich seinem Bruder gegenüber in Unabhängigkeit zu behaupten. Durch die von ihm veranstalteten Ausgrabungen erwarb er sich um die Altertumskunde Toscanas besondere Verdienste. Weniger glücklich war er als Dichter und Schriftsteller. Zuerst trat er mit einem Roman «La tribu indienne, ou Édouard et Stellina» (2 Bde., Par. 1799; deutsch, Münch. 1812) auf. 1801 schrieb er eine «Parallele [* 28] zwischen Cäsar, Cromwell und Bonaparte», voll Schmeicheleien für Napoleon, den er dadurch zur Nachsicht mit seinen amtlichen Unregelmäßigkeiten und seiner sittenlosen Lebensführung stimmen wollte.
Während des ersten Aufenthalts in London schrieb er das mittelmäßige Heldengedicht «Charlemagne ou l'Eglise délivrée» (2 Bde., Lond. 1814. Par. 1815),
das gegen seinen Bruder eiferte und die Bourbonen erhob. Später gab er ein Heldengedicht in 12 Gesängen heraus: «La Cyrnéide ou la Corse sauvée» (Par. 1819),
worin er die Vertreibung der Saracenen aus Corsica besang. Von seinen «Mémoires» erschien 1836 ein Band [* 29] (deutsch, Darmst. 1836),
der bis zum J. VII der Republik reichte. 1845 gab die Witwe ein weiteres Bruchstück über den 18. Brumaire heraus, das übrige erst 1882 Oberst Jung: «Lucien et ses mémoires 1775-1840» (3 Bde., Par. 1882-83). Die «Mémoires secrets sur la vie privée, politique et littéraire de Lucien Bonaparte» (2 Bde., Lond. 1819), nicht überall zuverlässig, sollen von Alphonse de Beauchamp (s. d.) verfaßt sein.
Lucian war Vater einer zahlreichen Familie; 1794 hatte er sich mit Christine Eleonore Boyer, einer Bürgerstochter aus St. Maximin, verheiratet, und nach deren Tode schloß er 1803 eine zweite Ehe mit der schönen, aber nicht günstig beleumundeten Witwe des Wechselagenten Jouberthon, Alexandrine Laurence de Bleschamp, geb. zu Calais, [* 30] gest. zu Sinigaglia. Aus erster Ehe gingen hervor: a. Charlotte, geb. die sich zu Rom mit Fürst Mario Gabrielli (gest. vermählte, in dieser Ehe einen Sohn und drei Töchter gebar, 1842 die Gattin des röm. Arztes Centamori wurde und zu Paris starb;
bonaparte Christine Egypte, geb. 1818 mit dem schwed. Grafen Arved Posse, 1824 mit Lord Dudley Stuart vermählt, gest. zu Rom.
Aus Lucians zweiter Ehe stammten fünf Söhne und vier Töchter, nämlich:
a. Charles Lucien Jules Laurent Bonaparte, Fürst von Canino und Musignano, geb. vor der Vermählung der Eltern. Er studierte auf ital. Universitäten und begab sich, nachdem er 1822 seine Cousine Zenaïde (s. unter 1) geheiratet hatte, zu seinem Oheim nach Amerika. Hier widmete er sich naturwissenschaftlichen Arbeiten und veröffentlichte die «American ornithology» (3 Bde., Philad. 1825 fg.). Nach Italien zurückgekehrt, schrieb er: «Sulla seconda edizione del regno animale di Cuvier» (Bologna 1830),
«Saggio di una distribuzione metodica degli animali vertebrati» (Rom 1831) und insbesondere eine «Iconografia della Fauna italica» (3 Bde., ebd. 1833). 1840 wurde er nach dem Tode seines Vaters Fürst von Canino; 1848 trat er mit Cernuschi, Sterbini u. a. an die Spitze der Radikalen, wurde in die röm. Constituante gewählt und deren Vicepräsident. Nach dem Einmarsch der Franzosen flüchtete er nach Paris, wo er, zu seinen Studien zurückkehrend, einen «Conspectus system. masto-zoologiae, ornithologiae etc.» (Leid. 1850) und einen «Conspectus generum avium» (2 Bde.. ebd. 1851-57) veröffentlichte und starb. Er hatte acht Kinder:
1) Joseph, geb. zu Philadelphia, [* 31] polit. Gegner seines Vaters zu Rom, wo er starb:
2) Lucian, geb. zu Rom, trat 1853 in den geistlichen Stand und wurde 1868 Kardinal;
3) Julie, geb. heiratete 1847 Alessandro Marquis del Gallo-Roccagiovine;
4) Charlotte, geb. heiratete 1848 den Grafen Peter Primoli, verwitwet seit 1883;
5) Marie, geb. heiratete 1851 den Grafen Paul Campello und starb Aug. 1890;
6) Auguste, geb. heiratete Fürst Placido Gabrielli;
7) Napoleon, geb. zu Rom, war franz. Offizier in Algier und Mexiko, [* 32] vermählte sich 1868 mit der Fürstin Christine Ruspoli (zwei Töchter);
8) Mathilde, geb. heiratete 1856 Graf Cambacérès, starb
bonaparte Lätitia Bonaparte, geb. heiratete 1821 den Irländer Thomas Wyse (gest. als brit. Gesandter zu Athen), [* 33] der sich jedoch ihres sittenlosen Lebenswandels halber von ihr trennte. Sie befreite ihren geisteskranken Sohn Alfred aus einem Irrenhause bei Nancy, [* 34] wohin ihn der Vater gebracht hatte, eine That, die d'Arlincourt in dem Roman «Le [* 35] Pèlerin» (2 Bde., Par. 1843) behandelt, und starb zu Florenz.
c. Jeanne Bonaparte, geb. zu Rom, heiratete den Marchese Honorati und starb, eine Tochter, Clelia, hinterlassend, 1828 zu Jesi bei Ancona. [* 36] Sie war eine hervorragend schöne, liebenswürdige und geistvolle Frau. Aus ihrem Nachlaß veröffentlichte ihre Mutter Gedichte: «Inspirazioni d'affetto di una giovine musa».
d. Paul Marie Bonaparte, geb. 1808 zu Rom, nahm 1827 am griech. Befreiungskriege teil und bewies als Unterkommandant auf der Fregatte Hellas großen Mut. Als Cochrane Ende Dez. 1827 im Hafen von Nauplia zwei türk. Schiffe [* 37] angreifen wollte, eilte in die Kajüte, um sich zu bewaffnen, tötete sich aber dabei selbst unversehens durch einen Pistolenschuß.
e. Louis Lucien Bonaparte, geb. zu Thorngrove in Worcester während der Gefangenschaft des Vaters in England, that sich durch sprachwissenschaftliche Werke hervor und ließ, außer verschiedenen verdienstlichen Beiträgen zur Kenntnis der Baskischen Sprache (s. d.) ein «Specimen lexici ¶