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auswählen (1771), worunter sich die Familie Bonaparte befand. Durch den Einfluß des franz. Gouverneurs Marboeuf wurde Carlo Bonaparte 1773 zum königl. Rat und Assessor der Stadt und Provinz Ajaccio ernannt. 1777 ward er Mitglied der cors. Adelsdeputation, die an den franz. Hof [* 2] ging. Bonaparte nahm seine zwei ältesten Söhne, Joseph und Napoleon, für die er Freiplätze im Seminar zu Autun und in der Militärschule zu Brienne zugestanden erhalten hatte, mit nach Frankreich. Ein Erbschaftsprozeß führte ihn 1784 nochmals dahin.
Jetzt nahm er seine Kinder, Lucian und Elisa, mit; die letztere hatte eine Freistelle im Erziehungsinstitut St. Cyr erhalten. Carlo Bonaparte starb in Montpellier. [* 3] Aus seiner Ehe mit Lätitia hinterließ er 8 Kinder (s. oben die Übersicht), die man mit ihren Nachkommen in Rücksicht auf Napoleon I. im allgemeinen als Napoleoniden zu bezeichnen pflegt. Successionsrechte auf den franz. Thron [* 4] erhielten durch die Volksabstimmung und den Senatsbeschluß vom außer Napoleon, nur dessen Brüder Joseph und Ludwig mit ihren Nachkommen, während Lucian und Hieronymus ausgeschlossen wurden, weil sie sich gegen den Willen des Kaisers verheiratet hatten.
Indes wurde Hieronymus, der sich auf Befehl des Kaisers von seiner Gattin trennte, durch ein Senatskonsult vom als franz. Prinz und etwaiger Thronerbe anerkannt. Bei der Proklamation der Zusatzakte vom soll zwar Napoleon I. die Absicht gehabt haben, auch seinem Bruder Lucian das Successionsrecht in aller Form zu verleihen, doch wurde dieser Akt nicht vollzogen. Die Nachkommen Ludwig B.s behielten demnach, da der älteste Bruder Napoleons I., Joseph, keine Söhne hatte, ihr Vorrecht, und auch durch das Dekret vom wurde die eventuelle Thronfolge nur der Linie des Hieronymus, nicht der des Lucian zugesprochen.
Die Gattin Carlo B.s, Maria Lätitia Ramolino, aus einem Patriciergeschlecht von Ajaccio, geb. zeichnete sich durch seltene Schönheit wie durch Verstand und Willenskraft aus. Als 1793 Corsica [* 5] durch die Paoli unter brit. Botmäßigkeit geriet, während die Familie Bonaparte die Partei des revolutionären Frankreich ergriffen hatte, flüchtete sie mit ihren Kindern nach Marseille, [* 6] wo sie in großer Dürftigkeit von der Pension lebte, die der Konvent den cors. Flüchtlingen gewährte.
Erst nachdem Napoleon seine Feldzüge begonnen hatte, kam sie in bessere Verhältnisse. Nach dem 18. Brumaire (1799) zog sie nach Paris; [* 7] 1804, mit Napoleons Thronbesteigung, erhielt sie den Titel «Madame Mère» und einen glänzenden Hofstaat. Bescheiden, ihres frühern Mißgeschicks eingedenk, sparte sie für künftige schlimmere Tage. Sie blieb durchaus Corsin und sprach auch französisch schlecht und mit cors. Accent. Der Kaiserin Marie Luise war sie abgeneigt. Nach dem Sturze Napoleons lebte sie mit ihrem Stiefbruder, dem Kardinal Fesch (s. d.), im Winter zu Rom, [* 8] im Sommer zu Albano. Sie starb -
Vgl. Arndt, Letitia Bonaparte, geb. Ramolino (Mütter berühmter Männer, Hft. 10, Lpz. 1875);
Larrey, Madame mère (2 Bde., Par. 1892).
Kinder von Carlo und Maria Lätitia Bonaparte:.
1) Joseph Bonaparte, geb. zu Corte auf Corsica, erhielt seine Bildung im Seminar zu Autun. Den Plan, in die Armee zu treten, gab er 1785 beim Tode seines Vaters auf, studierte in Pisa [* 9] und ließ sich 1788 in Ajaccio als Advokat nieder. Er schloß sich, wie seine Brüder, an Paoli (s. d.) an, mußte aber 1793 nach dem Bruch mit diesem Corsica verlassen und mit den Seinen in der Provence eine Zuflucht suchen. Nach der erfolgreichen Belagerung von Toulon, [* 10] die seinem Bruder Napoleon zur Geltung verhalf, zum Kriegskommissar in Marseille ernannt, heiratete Bonaparte eine Kaufmannstochter, Julie Clary (s. unten), und lebte zumeist in Genua. [* 11] 1796 begleitete er Napoleon im ital. Feldzuge, der ihm den Auftrag verschaffte, die Verwaltung Corsicas nach Abzug der Engländer zu reorganisieren. Im März 1797 wurde er Gesandter beim Herzog von Parma, [* 12] Anfang Mai in Rom, das er nach des Generals Duphot Ermordung Ende Dezember verließ. Von einem cors. Departement in den Rat der Fünfhundert gewählt, bewahrte er eine gemessene Haltung, trat auch aus, kurz bevor sein Bruder (Okt. 1799) aus Ägypten [* 13] zurückkehrte, half aber heimlich sehr wesentlich mit, durch Verbindung mit Sieyès u. a. eine Änderung der Verfassung herbeizuführen.
Nach dem 18. Brumaire ernannte ihn sein Bruder zum Staatsrat und Tribun. Er ward 1800 Bevollmächtigter für den Abschluß eines Freundschafts- und Handelsvertrags mit den Vereinigten Staaten [* 14] von Amerika, [* 15] sodann bevollmächtigter Minister beim Friedenskongreß zu Lunéville. Als solcher unterzeichnete er den Frieden und 1802 den mit England zu Amiens. [* 16] Zugleich leitete er nebst Cretet und Bernier die Unterhandlungen mit Kardinal Consalvi, Erzbischof Spina und Pater Caselli über das Konkordat vom Als Napoleon Kaiser geworden war, ward Joseph zum Inhaber der Senatorie Brüssel, [* 17] zum Großoffizier der Ehrenlegion, endlich zum franz. Prinzen und Großwahlherrn von Frankreich erhoben.Die Krone des «Königreichs Italien», [* 18] die ihm Napoleon antrug, schlug er aus, da er sein Anrecht auf den franz. Thron nicht opfern wollte.
Während der
Kaiser 1805 in
Deutschland
[* 19] kämpfte, war
Joseph sein
Stellvertreter in
Frankreich. Nach 3
Monaten
erhielt er den Oberbefehl
über die
Armee von Neapel,
[* 20] dessen Beherrscher er wurde, nachdem die Bourbonische Dynastie entthront
war.
Joseph zog in Neapel ein und wurde durch das kaiserl. Dekret, das die
Verfassung des
Reichs bestimmte, 30. März zum
König ernannt. Seine
an sich vortrefflichen
Reformen in
Verwaltung, Justiz, Agrar- und Steuerwesen,
Kirche und Schule fanden
bei der
Masse der noch in mittelalterlichen Zuständen verharrenden
Bevölkerung
[* 21] kein Verständnis. Es brachen fortwährend
Aufstände aus, und alles war im
Schwanken, als
Joseph durch Napoleons Machtwort, den
Thron
Spaniens
erhielt.
Vor seiner Abreise von Neapel, 23. Mai, machte er, noch ehe Murat an seine Stelle trat, die eiligst entworfene Konstitution des Reichs bekannt. Am 7. Juni kam Joseph nach Bayonne, am 20. Juli zog er, während die Revolution in allen Provinzen aufflammte, in Madrid [* 22] ein, am 31. Juli mußte er wieder bis hinter den Ebro zurückweichen. Napoleon gewann dann im Winterfeldzuge von 1808 Madrid und seinem Bruder den Thron wieder. Doch genoß Joseph als Monarch sehr wenig Ansehen. Die Generale, die von Napoleon unmittelbar ihre Befehle erhielten, waren die Herren, er selbst ein Schattenkönig, von jenen mit Geringschätzung, von Napoleon mit Zorn und Drohbriefen überhäuft, da der Kaiser 1810 daran dachte, seine unmittelbare Herrschaft auch über Spanien [* 23] ¶
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auszudehnen. Die Revolution gegen das fremde Regime zeigte sich unbesieglich, und die Engländer unter Wellington gewannen von Portugal aus immer mehr Boden. Nach der Niederlage bei Vittoria, verließ Joseph Spanien auf immer und zog sich auf sein Landgut Morfontaine zurück. Als der Kaiser im Dez. 1813 im Traktat von Valencay Ferdinand VII. als König von Spanien anerkannte, weigerte sich Joseph, seine Abdankung zu unterzeichnen, mußte jedoch bald nachgeben.
Obwohl Napoleon Josephs Mangel an Thatkraft kannte, ernannte er ihn vor seiner Abreise von Paris im Jan. 1814 zum Generallieutenant des Reichs und Oberkommandanten der Nationalgarden. Bei Annäherung der Verbündeten erließ Joseph zwar 29. März eine energische Proklamation, ermächtigte aber 30. März die Marschälle, den Alliierten Kapitulationsanträge zu machen, und flüchtete nach Blois, wohin ihm Kaiserin Marie Luise 29. März vorangegangen war. Mit einem ihm zugesicherten Einkommen von 500000 Frs. zog sich Joseph nach Napoleons Absetzung in das Waadtland zurück, wo er das Landgut Prangin kaufte, erschien aber 1815 in Paris als franz. Prinz und Präsident des Conseils.
Nach der Schlacht von Waterloo [* 25] folgte er seinem Bruder nach Rochefort, von wo aus beide sich nach Amerika begeben wollten. Erst als er den Entschluß seines Bruders, sich den Engländern zu ergeben, erfuhr, verließ er Frankreich und begab sich nach den Vereinigten Staaten. Im Besitz eines bedeutenden Vermögens, lebte er als Graf von Survilliers auf dem früher von Moreau bewohnten Landgute Point-Breeze am Delaware. In einer an die franz. Deputiertenkammer gerichteten Adresse vom erhob er gegen die Thronbesteigung eines Bourbonen Einspruch zu Gunsten seines Neffen, des Herzogs von Reichstadt, dessen Rechte nach Napoleons I. Abdankung die Repräsentantenkammer anerkannt habe.
Als dieser starb, reiste Joseph, der sich nun als nächsten Erben erklärte, 1832 nach London [* 26] und hielt sich zur großen Besorgnis Ludwig Philipps in England auf. 1837 nach Amerika zurückgekehrt, erschien er 1839 wieder in England, bis er 1841 die Erlaubnis erhielt, nach Italien überzusiedeln, wo seine Gemahlin lebte. Joseph starb zu Florenz. [* 27] Im Juni 1862 wurde sein Leichnam im Dom der Invaliden zu Paris beigesetzt. Es wird ihm ein Roman «Moina» (Par. 1799 u. 1814) zugeschrieben. Seine «Mémoires es correspondance politique et militaire» gab Du Casse heraus (10 Bde., Par. 1853-55: 2. Aufl. 1856-58); sie enthalten manches wertvolle histor. Material.
Vgl. Abbott, History of Joseph Bonaparte (Neuyork [* 28] 1869);
Miot de Melito, Mémoires (3 Bde., 1788-1815);
Du Casse, Les Rois frères de Napoléon I (Par. 1883). -
Seine Gemahlin, Julie Marie Clary, geb. Tochter des reichen Seidenhändlers Clary zu Marseille, Schwägerin Bernadottes (s. Karl XIV., König von Schweden), [* 29] war eine einfache, anspruchslose, aber begabte Frau und wußte sich in ihren spätern Verhältnissen mit Würde zu benehmen. Sie ging nie nach Spanien, auch hielt sie sich als Königin nur wenige Wochen zu Neapel auf. Ihrer Gesundheit wegen vermochte sie nicht, ihrem Gemahl 1815 nach Amerika zu folgen.
Sie wohnte einige Zeit zu Frankfurt, [* 30] durfte sich dann zu Brüssel niederlassen, ging aber 1823 nach Florenz, wo sie starb. Sie hatte zwei Töchter: a. Zenaide Charlotte Julie, geb. die, an Lucian B.s ältesten Sohn, den Fürsten von Canino (s. unter 3), verheiratet, die Mutter einer zahlreichen Familie wurde und zu Neapel starb;
bonaparte Charlotte Napoléone, geb. die sich mit Napoleon Louis, dem zweiten Sohne des Exkönigs Ludwig Bonaparte (s. unter 5) vermählte und zu Sarzana starb.
2) Napoleon Bonaparte, s. Napoleon I.
3) Lucian Bonaparte, wegen seiner nicht standesmäßigen Ehe vom Kaiser nicht als franz. Prinz anerkannt, geb. zu Ajaccio, besuchte das Collège zu Autun, dann die Militärschule zu Brienne, endlich das Seminar zu Aix. 1792 kehrte er nach Corsica zurück, schloß sich Paoli (s.d.) an, brach aber mit diesem gleich seiner Familie und ging ihr voraus nach Marseille. Napoleons Glücksstern brachte ihm 1795 die Stellung eines Kriegskommissars, in der er in die Niederlande, [* 31] dann nach Corsica (1798) ging, wo er in der Wahl der Mittel, sich zu bereichern, nicht ängstlich war. Im März 1798 in den Rat der Fünfhundert gewählt, gewann er bald bedeutenden Einfluß und bildete mit Joseph Bonaparte eine Parteigruppierung, die dem Direktorium entgegen und den ehrgeizigen Absichten seines Bruders vorarbeitete.
Kurz vor dem 18. Brumaire (1799) zum Präsidenten des Rats der Fünfhundert gewählt, ward er der eigentliche Held dieses Tages. Als er die durch Napoleons Eintritt entstandene Gärung nicht zu dämpfen vermochte, verließ er seinen Sitz, setzte sich zu Pferde, [* 32] sprengte an die Fronte der versammelten Truppen und forderte sie auf, ihren General, den man ermorden wolle, zu retten. Nach dem Staatsstreiche zum Minister des Innern ernannt, überwarf er sich bald mit Fouché, der selbst nach diesem Portefeuille strebte, und seinem Bruder.
Ein völliger Bruch ward verhütet, indem Lucian das Ministerium niederlegte und als Gesandter im Nov. 1800 nach Madrid ging, wo er den engl. Einfluß beseitigte und zum Kriege mit Portugal trieb. Der für Frankreich ungünstige Friede zu Badajoz zu dem er vorschnell die Hand [* 33] bot, konnte das Verhältnis beider Brüder nicht bessern. Lucian gab daher seine Stellung auf und ging nach Paris. Hier ins Tribunat berufen, vertrat er den Plan zur Errichtung der Ehrenlegion, deren Großoffizier er wurde, und erwarb sich die Gunst des Papstes Pius VII. durch Befürwortung des Konkordats.
Als Lucian nach dem Tode seiner ersten Gattin (s. unten) die ihm vom Kaiser zugedachte verwitwete Königin von Etrurien ausschlug und gegen dessen Willen eine bürgerliche Ehe einging, führte dies zum völligen Bruch mit Napoleon. Lucian zog sich auf eine Villa bei Rom zurück, um den Künsten und Wissenschaften zu leben (April 1804). Vergebens bot ihm 1807 der Kaiser den Thron von Spanien an, indem er Trennung von seiner Gattin verlangte. Ebenso verweigerte Lucian seine Zustimmung zu der Verheiratung seiner Tochter mit dem Prinzen von Asturien.
Napoleon wurde dadurch so erbittert, daß jener den Plan faßte, sich nach Nordamerika [* 34] in Sicherheit zu bringen. Er schiffte sich zu Civita-Vecchia ein, wurde jedoch durch einen Sturm genötigt, in Cagliari einzulaufen. Hier von brit. Kreuzern angehalten, ward er nach England gebracht und zum Kriegsgefangenen erklärt. Napoleons Sturz gab ihm seine Freiheit; er ging wieder nach Rom, wo ihn der Papst 1814 mit dem von ihm erkauften kleinen Fürstentum Canino belehnte. Nach Napoleons Rückkehr von Elba 1815 begab sich Lucian nach Paris und trat ¶