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Titicacasee, zwischen Sucre und der argentin. Grenze und zwischen Oruro und Cochabamba; sonst spielen Maultiere und Lamas noch eine Rolle als Transportmittel. An Eisenbahnen waren 1893 500 km in Betrieb, und zwar die wichtige von Antofagasta ausgehende Linie Ascotan-(chilen. Grenze) Huanchaca, die bis Oruro weiter geführt worden ist; geplant sind zahlreiche Linien, wie Huanchaca-Potosi, Tacna-(in Chile) [* 2] La Paz-Oruro, Oruro-Cochabamba und La Paz-Route. Doch wird die Ausführung noch lange auf sich warten lassen. Die Post beförderte 1891 im innern Verkehr 604 536, im äußern 294 414 Sendungen. Von den 222 km Telegraphenlinien ist eine, Sucre-Tupiza, staatlich, die wenigen andern (La Paz-Puno, La Paz-Corocoro und Arica, Sucre-Potosi, Huanchaca-Antofagasta) in Privatbesitz.
Verfassung und Verwaltung. Nach der Konstitution vom ist die Verfassung eine repräsentative, wurde aber seitdem mehrfach verändert. Die Gesetzgebende Versammlung bildet ein aus direkten Wahlen hervorgegangener Kongreß (Nationalversammlung). Die Exekutivgewalt übt ein auf 4 Jahre gewählter Präsident, dem zwei von ihm ernannte Vicepräsidenten und ein dem Kongreß (Senatoren- und Deputiertenkammer) verantwortliches Ministerium zur Seite stehen.
In administrativer Hinsicht ist das Land in 8 Departamentos mit 32 Provinzen eingeteilt, von denen jede wieder in Distrikte zerfällt. Sie lassen sich in zwei Regionen gruppieren:
1) die Andenregion, der Sitz des größten Teils der boliv. Bevölkerung [* 3] und des ausgedehntesten Bergbaues, mit den fünf nach ihren Hauptstädten benannten Depart. Potosi, Sucre (Chuquisaca), Cochabamba, Oruro und La Paz;
2) die
Region der vorwiegend Llanosprovinzen, enthält die drei Depart. Sta.
Cruz und
Beni (seit 1842 errichtet) mit dem Hauptorte
Trinidad, und Tanja. Die Hauptstadt der Republik,
nach der jeweilig herrschenden Partei wechselnd, jetzt La Paz, früher
Sucre (auch Chuquisaca genannt), hat (1893) etwa 45000 E.
Auch
Sucre, Oruro,
Cochabamba beanspruchen diesen Rang.
Die andern Departamentoshauptstädte sind La Paz (40000 E.),
Cochabamba
(19 500),
Potosi (11 944), Sta.
Cruz de la
Sierra (10 288), Oruro (10000), Tanja (15000) und
Trinidad (4535
E.).
Die Staatsreligion ist die katholische. In kirchlicher Hinsicht bildet ein Erzbistum, dessen Erzbischof und Metropolit in Sucre seinen Sitz hat und dem die drei Bischöfe von Cochabamba, Santa Cruz de la Sierra und La Paz untergeordnet sind. Es bestehen zahlreiche örtliche Gerichte, 7 Distriktshöfe und ein Oberster Gerichtshof. Von höhern Bildungsanstalten besitzt Bolivia 5 Universitäten mit Fakultäten der Jurisprudenz, Medizin und Theologie (La Paz, Chuquisaca, Cochabamba, Sta. Cruz und Tanja), eine Schule für Architektur und Bergbau [* 4] in La Paz, dann 8 Lyceen und 4 staatlich unterstützte Seminare, 4 Töchterschulen und 493 Elementarschulen mit mangelhaftem Unterrichte und nur 24 244 Schülern.
Die innern und finanziellen Angelegenheiten sind infolge der häufigen Revolutionen noch nicht fest begründet. Das Budget für 1893 wurde auf 5 737 200 Bolivianos Einnahmen und 5 937 200 Ausgaben geschätzt: die äußere Schuld betrug (1891) 3 703 273, die innere 4 484 916, zusammen 8 248 189 Bolivianos. Hauptgläubiger sind europ. und chilen. Kapitalisten. Die Einnahmen zerfallen in nationale (Ein- und Ausfuhrzölle, Abgaben der Minen- und andern Aktiengesellschaften, Münze und Stempelsteuer) und departamentale (Grundsteuer, Abgaben auf Vieh, Tabak, [* 5] Koka, Zucker [* 6] und Kautschuk).
Das Heer hatte 1889 8 Generale, 359 Stabs- und 654 Subalternoffiziere. Hiervon dienten die wenigsten im aktiven Heere, und 1889 haben viele Offiziere mit weniger als 10 Dienstjahren Abschied nehmen müssen. Von den unruhigen und unbrauchbaren 2000 Mann sind nach einer Revolte vom Sept. 1888 nur 2 Bataillone Infanterie, 2 Abteilungen Kavallerie und 1 Eskadron Artillerie (900 Mann) unter Waffen [* 7] behalten worden. Die Nationalgarde ist erst in einigen Departamentos eingerichtet.
Das Wappen von Bolivia zeigt einen elliptischen Schild, [* 8] welcher von einer oben goldenen, unten blauen Borde gefaßt wird. Diese Borde trägt oben den Namen der Republik, unten 9 goldene Sterne. Das Wappenbild besitzt landschaftlichen Charakter und zeigt im Vordergrunde rechts ein Pako, links vor einem Pisangbaum ein Ährenbündel. Weiter rückwärts erscheint auf einem Hügel ein Bergwerk. Im Hintergrunde erhebt sich ein schneebedeckter Berg von einer strahlenden Sonne [* 9] beleuchtet. Auf dem Schilde fußt ein flugbereiter Kondor vor einem Lorbeer- und Kokazweige. Als Dekoration dienen rot-gold-grüne Fahnen, Kanonen und Gewehre, sowie eine Freiheitsmütze und ein Liktorenbeil. Die Flagge hat die Farben Rot, Gold, [* 10] Grün. (S. Tafel: Flaggen [* 11] der Seestaaten.) Es besteht ein Orden [* 12] der Ehrenlegion.
[* 1] ^[Abb.]
Geschichtliches. Der westl. Teil des jetzigen Freistaates Bolivia bildete einen Teil des alten Reichs der Inka [* 13] von Cuzco. Nachdem seit 1538 die Spanier auf den Hochebenen B.s sich festgesetzt hatten, wurde das Land zu dem Königreich Peru [* 14] geschlagen, dann nach Bildung des Vicekönigreichs La-Plata, oder Buenos-Aires, 1780, mit diesem vereinigt und Charcas genannt. In diese Zeit fällt der letzte Versuch der indian. Bevölkerung, das span. Joch abzuschütteln. Tupac Amarú, ein Abkomme der Inka, ließ sich zum König ausrufen und eroberte in kurzer Zeit den größten Teil von Bolivia. Bei der Belagerung von La-Plata jedoch wurde er von Coronel Roseguin geschlagen, gefangen genommen und mit vielen Anhängern hingerichtet. Die Nachricht von den folgenschweren Unruhen in Spanien [* 15] rief auch in Bolivia ebenso wie in den andern span. Besitzungen in Südamerika [* 16] schon 1809 ernste Wirren hervor, die zu heftigen Kämpfen mit wechselndem Erfolge führten. Im Jahre 1818 wurde das Land von den ¶
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Spaniern besetzt und infolge der tapfern Verteidigung des Generals Oluñeta erst durch das Treffen von Tamasla, von denselben befreit. Die 4 Provinzen Charcas oder Potosi, La Paz, Cochabamba und Santa Cruz traten zu einer Repräsentativrepublik unter Simon Bolivars (s. d.) Schutz zusammen, worauf 11. Aug. der junge Freistaat den Namen Bolivia annahm. Am nahm ein neuer Kongreß die von Bolivar entworfene Konstitution, den «Code Boliviano», an. Hiernach ward der columb.
General Sucre, der sich um die Befreiung Südamerikas besondere Verdienste erworben hatte, zum lebenslänglichen Präsidenten gewählt. Die Verfassung erregte aber wegen ihrer allzuwenig demokratischen Form bald große Unzufriedenheit, und nach wiederholten Aufständen in La Paz mußte der Präsident General Sucre im April 1828 mit seinen columb. Truppen Bolivia verlassen. Der zu Chuquisaca eröffnete Kongreß veränderte die Verfassung in wesentlichen Stücken und wählte den Großmarschall Santa-Cruz, der als Gesandter in Chile war, zum Präsidenten; dieser lehnte aber die Wahl ab. Nach einem Jahre revolutionärer Verwirrung, während welcher Zeit Velasco die Präsidentenwürde an sich gerissen hatte, trat eine provisorische Regierung an die Spitze, die dem Großmarschall Santa-Cruz nochmals die Präsidentenwürde übertrug. Im Mai 1829 kam er nach La Paz, beruhigte die Republik, gab 1831 ein neues Gesetzbuch, «Código Santa-Cruz», ordnete die Finanzen, verbesserte die Landstraßen und schloß einen Friedens- und Handelsvertrag mit Peru.
Zur Schlichtung des Streits, der um die peruan. Präsidentenwürde entbrannt war, rückte Santa-Cruz 1835 in Peru ein, eroberte das Land und wurde zum Oberhaupt von Süd- und Nordperu (d. i. Bolivia und Peru) ausgerufen. Er erließ hierauf eine Verfassung, wonach jeder der beiden Staaten seine innern Angelegenheiten selbständig verwalten, der gesamte Bundesstaat aber einer Centralregierung unterworfen sein sollte, deren Leitung für 10 Jahre ihm selbst als Protektor übertragen wurde.
Allein die Fortschritte des neuen Eroberers weckten die Eifersucht der Nachbarstaaten, namentlich Chiles. Nachdem es schon seit 1836 zu Feindseligkeiten gekommen war, ward Santa-Cruz in einer mörderischen Schlacht bei Yungay von den Chilenen und dem General Gamarra geschlagen, worauf letzterer zum Präsidenten von Peru ernannt wurde. Der in Bolivia kommandierende General Velasco, der sich auch gegen Santa-Cruz und die Konföderation erklärt hatte, wurde nun von dem zu Chuquisaca versammelten Kongreß als provisorischer Präsident bestätigt, worauf er sogleich mit Chile Frieden schloß.
Bald darauf erlangte jedoch die Partei des Santa-Cruz wieder die Oberhand, Velasco wurde gefangen genommen und Santa-Cruz, der nach Ecuador geflohen war, wieder zum Präsidenten ausgerufen. Da er jedoch nicht alsbald zurückkehrte, vereinigten sich seine Anhänger mit denen des Generals Ballivian, der nun einstimmig als Präsident anerkannt wurde. Später wurde Velasco in Cochabamba von der Partei des Generals Santa-Cruz gefangen und zum Präsidenten ausgerufen. 1841 suchte Gamarra, der Präsident von Peru, die Provinz La Paz von Bolivia loszureißen, wurde aber 18. Nov. auf der Pampa von Ingavi bei Viacha von Ballivian geschlagen und fiel auf dem Schlachtfeld.
Hierauf wurde zu Pasco ein Friede abgeschlossen, der im wesentlichen das Verhältnis vor Beginn der Feindseligkeiten herstellte. Santa-Cruz fiel 1844 in ein, wurde aber gefangen und an Chile ausgeliefert, wo er lange in strenger Haft blieb. Auch Ballivian konnte sich nicht behaupten und zog sich 1848 nach Valparaiso [* 18] zurück. An Ballivians Stelle als Präsident trat wieder der General Velasco. Doch auch dieser vermochte die Ruhe und Zufriedenheit im Lande nicht herzustellen.
Bereits gegen Ende 1848 brach infolge der Militärrevolution des Generals Belzu ein Bürgerkrieg aus; auch machte Ballivian von Chile aus wieder Versuche zu seiner Erhebung und noch mehrere andere Prätendenten traten auf. Belzu wußte sich als Präsident zu behaupten, bis er 1855 genötigt wurde abzudanken; doch brachte er eine seiner Kreaturen, den General Córdova, auf den Präsidentenstuhl. Gegen letztern erhob sich Sept. 1857 in allen Provinzen ein Aufruhr, der Córdova zwang, das Land zu verlassen. An seine Stelle trat Nov. 1857 der Urheber der Revolution, Dr. José Maria Linares, der sich schließlich zum Diktator aufwarf.
Nachdem dieser abgesetzt und dafür José Maria de Acha zum Präsidenten erwählt war, trat gegen Acha im Dez. 1864 Maria Melgarejo auf, der nun fast vom ganzen Lande als Präsident anerkannt wurde. Verschiedene Revolutionsversuche, März 1865 seitens des frühern Präsidenten Belzu, Mai 1865 seitens Castro Arguedas, Okt. 1866 seitens der Demokraten, wurden unterdrückt. Im Febr. 1869 wurde die 1868 vereinbarte Konstitution von Melgarejo wieder aufgehoben, der seitdem bis 1871 thatsachlich als Diktator regierte. Im Febr. 1870 brach in den östl. Teilen des Landes ein Aufstand der Indianer aus, der erst nach längerer Zeit niedergeworfen wurde. Im Juni 1871 wurde Melgarejo von Morales vertrieben, der aber schon ermordet wurde. Hierauf folgte Adolf Ballivian als Präsident und nach dessen Tode Thomas Frias.
Infolge einer Revolution vom wurde General Hilarion Daza zum provisorischen Präsidenten ernannt. Unter diesem kam es zum Kriege mit Chile infolge von Streitigkeiten über den Besitz reicher Guano- und Salpeterlager, die längs des schmalen, zwischen dem 23. und 25.° südl. Br. liegenden Küstenstrichs, der von dem Stillen Ocean und den Anden begrenzt wird, sich befinden. Auf dieses Gebiet, das größtenteils von der Wüste von Atacama umschlossen wird, hatten Chile und Bolivia beiderseits lange Jahre hindurch Anspruch erhoben; aber durch Verträge vom und vereinbarten sie eine gemeinschaftliche Verwaltung. 1878 brachen neue Streitigkeiten über die Steuern und Zölle aus, die rasch zum Kriege führten; Chile blockierte die ganze boliv.
Küste; Peru aber, das ein geheimes Bündnis mit Bolivia geschlossen hatte, nahm nunmehr auch am Kriege teil. Im Mai 1879 wurde die peruan. Flotte vernichtet und die boliv. Küste blieb in der Gewalt der Chilenen. Ein langwieriger Landkrieg folgte. Am wurde Präsident Daza durch eine Revolution abgesetzt und General Campero trat an seine Stelle. Am wurden die vereinigten boliv. und peruan. Streitkräfte bei Tacna geschlagen. Seitdem nahmen die Bolivianer keinen thätigen Anteil mehr an dem Kampfe, der bis 1883 währte. (S. Chile.) Am wurde ein förmlicher Waffenstillstand und ein Friedensvertrag zwischen und Chile ¶