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Ostkette fällt zu einem tropisch-feuchten Urwaldgebiete ab; die Westkette dagegen zu der dürren Wüste, an der ärmliche Gesträuche, Steppen, Kaktusgruppen vorherrschen. In der Puna-Region fehlen die Bäume gänzlich, nur Kräuter und Gräser [* 2] dienen dem Vieh zur Weide; [* 3] der spärliche Ackerbau beschränkt sich auf Kartoffeln, Gerste, [* 4] Oca (die Knolle von Oxalis tuberosa Molin) und Quinoa (Chenopodium Quinoa L.). Wesentlich verschieden von der Puna sind die Cabezeras de los valles (die obern Thalstufen), zwischen 3300 und 2900 m ü. d. M., in denen schon eine angenehme Wärme [* 5] und größere Feuchtigkeit herrscht und die gegen die heftigen Stürme der Puna geschützt sind.
Infolgedessen zeigt sich hier schon Baumwuchs, und man baut mit Erfolg Weizen, Mais, Gemüse, mehrere Obstsorten und in besonders günstigen Lagen sogar schon Wein und Feigen. In der nächsten Stufe, den Valles oder Medio Yungas (2900-1600 m), gedeihen alle Feld- und Gartenfrüchte der gemäßigten Zone, in vollster Üppigkeit schon vielfach untermischt mit denen der heißen Zone, wie Bananen und Bataten. Wälder finden sich in großer Ausdehnung, [* 6] reich an Chinarindenbäumen (Chincona calisaya Wedd. u. a.), welche aber nur in den tropischen Bergwäldern der Ostgehänge vorkommen und dort den Charakter geben. In den Yungas endlich, die alles Land des Ostabfalles unter 1600 m umfassen, findet sich die ganze Üppigkeit der Tropen. Hier erstreckt sich der Anbau auf alle Kulturgewächse der heißen Zone, namentlich Koka, Kakao, Kaffee, Zuckerrohr, Ananas, Bananen, Melonen, Reis, Pfeffer, und der Charakter dieser Region stimmt mit dem des brasil. obern Amazonasgebietes überein.
Tierwelt. Die Tierwelt ist außerordentlich reich, aber namentlich in senkrechter Richtung sehr abwechselnd. Im Hochgebirge treffen Formen des gemäßigten Nordens und Südens zusammen, wie Viscachas (Lagostomus), Vicuña, Guanaco, Wasseramseln (Cinclus), Insektenformen (Carabus) des nördl. Amerika [* 7] u. s. w. In den Yungas haben fast alle tropisch-amerik. Sippen ihre Vertreter, so die Sopajus (Cebui), Spinnenaffen (Ateles), Saimiris (Chrysotrix), Brüllaffen (Mycetes), Marmosets (Hapale), Vampyre, Puma, Jaguar, der merkwürdige Waldhund (Icticyon venaticus Lund), Pekaris, Wickelbären u. s. w. Kolibris [* 8] sind zahlreich von der tropischen Ebene bis an die Grenze des ewigen Schnees, auch Papageien sind häufig sowie Spechte, und beide gehen in einzelnen Formen hoch hinauf ins Gebirge. Höher aber als alle, bis über das Gebirge hinaus, erhebt sich der Kondor. Der Reichtum an Vögeln überhaupt, an Reptilien und schwanzlosen Amphibien ist ein großartiger, wundervolle Insekten [* 9] finden sich in zahlreichen Arten, aber in wenigen Individuen.
Mineralreich. Der Hauptreichtum des Landes beruht in seinen Mineralschätzen. Der größte Teil der Flüsse [* 10] führt Gold, [* 11] und an verschiedenen Stellen werden Goldwäschen betrieben, freilich meist noch in sehr roher Art. Das reichste Goldlager befindet sich im Depart. La Paz am Flusse Chuquiagallo, wo zur Zeit der span. Herrschaft ein Klumpen von 45 Pfd. gefunden wurde. In der östl. Hauptkette der Cordilleren, z. B. am Illimani, finden sich vielfach goldhaltige Quarzgänge.
Die bedeutendsten Goldwäschen liegen am Rio [* 12] Tipuani, ebenfalls im Depart. La Paz. Neuerdings sind bedeutende Goldlager in der Quebrada de Sta. Rosa (Depart. Sta. Cruz) aufgefunden worden, doch verzinst der Goldbau die darauf verwandten Kapitalien nur sehr schwach. Weit wichtiger ist der Reichtum an Silber: die Minen von Potosi (s. d.) sind die reichsten Silberminen der Welt und liefern noch jetzt im Durchschnitt 3 Mill. M. trotz mangelhaften Betriebes; von den übrigen sind die wichtigsten die zu Porco, Aullagas, Portugalete, Chorolque, Oruro, Poopo, Antequero und Carguaycollo.
Die von Caracoles sind an Chile [* 13] verloren gegangen. Die Gesamtproduktion an Silber erreicht jetzt fast noch einen Wert von 7 Mill. Pesos, ein großer Teil der Minen ist durch Raubbau betriebsunfähig geworden. In bedeutendem Maße hat der Bergbau [* 14] auf Kupfer [* 15] zugenommen; die Minen von Corocoro allein liefern jährlich 60-70000 Ctr. Kupfer, die von Chacarilla (56 km südlich von Corocoro) an 17-20000 Ctr. Es wird hauptsächlich als Barilla (Kupfersand mit einem Gehalt von 70-85 Proz. an gediegenem Kupfer) und Charque (in Blättern, Zweigen und krystallinischen Stücken von 85-95 Proz. Gehalt) in den Handel gebracht. Außerdem ist Bolivia noch reich an Zinn und Blei, [* 16] wovon nur ersteres bis jetzt in geringem Maße ausgebeutet wird. Bei der schwachen Bevölkerung [* 17] ist der Bergbau noch immer die einzige Industrie des Landes. Die Guanolager der Küste hat Chile erobert.
Bevölkerung. Bolivia hatte (1892) 1 192000 E., ohne die wilden Indianer (etwa 245000), d. i. im ganzen 1 auf 1 qkm. Sie zerfallen der Rasse nach in Weiße, Cholos und Indianer. Neger, Mulatten und Zambos finden sich fast gar nicht. Die Weißen gehören fast ausschließlich der span. Rasse an. Die Indianer zerfallen zunächst in civilisierte (ansässige) und wilde. Die erstern gehören fast ausschließlich den beiden Stämmen der Aymara und Quechua (Ketchua) an und hausen hauptsächlich in der Puna und den Valles; sie gehören zur andoperuan.
Familie der indian. Rasse und besitzen große geistige Anlagen. Ihre Sprachen sind noch jetzt sehr im Gebrauch. Großenteils zum Christentum bekehrt, aber fast ausschließlich von Jagd und Fischerei [* 18] lebend, sind die im Gebiete des Amazonas wohnenden und vielfach geteilten Familien der Mojo und Chiquito. Im Gebiete des Paraguay endlich wohnen in Bolivia eine Anzahl ganz wilder Stämme, der Familie der Guarani angehörig, darunter die tapfern Chiriguano und Toba. Der Vermischung von Weißen und Indianern entstammen die Cholos, die sich durch Intelligenz auszeichnen und denen Bolivia seine Befreiung von der span. Herrschaft verdankt, freilich auch die unaufhörlichen Unruhen, welche seitdem den Fortschritt des Landes verhindert haben.
Handel. Da Bolivia durch seine ungünstige Lage gezwungen ist, den größten Teil der Ein- und Ausfuhr über chilen. Gebiet zu führen, so ist der Handel nicht nur von den eigenen Revolutionen, sondern auch von den Zöllen des Nachbarstaates fortwährend abhängig. Der Wert der Ausfuhr wurde 1891 auf 1,8 Mill., der der Einfuhr auf 1,2 Mill. Pfd. St. geschätzt. Zu den Hauptgegenständen des erstern gehören: Chinarinde, Alpacawolle, Zinn, Wismut, Kupfer, Gold und vor allem Silber. An diesem Handelsverkehr haben Chile von Antofagasta und Peru [* 19] von Arequipa aus den Hauptanteil.
Verkehrswesen. Es mangelt noch sehr an guten Fahrstraßen infolge technischer und finanzieller Schwierigkeiten. Bis jetzt giebt es gute Verbindungen nur zwischen La Paz-Oruro und dem ¶
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Titicacasee, zwischen Sucre und der argentin. Grenze und zwischen Oruro und Cochabamba; sonst spielen Maultiere und Lamas noch eine Rolle als Transportmittel. An Eisenbahnen waren 1893 500 km in Betrieb, und zwar die wichtige von Antofagasta ausgehende Linie Ascotan-(chilen. Grenze) Huanchaca, die bis Oruro weiter geführt worden ist; geplant sind zahlreiche Linien, wie Huanchaca-Potosi, Tacna-(in Chile) La Paz-Oruro, Oruro-Cochabamba und La Paz-Route. Doch wird die Ausführung noch lange auf sich warten lassen. Die Post beförderte 1891 im innern Verkehr 604 536, im äußern 294 414 Sendungen. Von den 222 km Telegraphenlinien ist eine, Sucre-Tupiza, staatlich, die wenigen andern (La Paz-Puno, La Paz-Corocoro und Arica, Sucre-Potosi, Huanchaca-Antofagasta) in Privatbesitz.
Verfassung und Verwaltung. Nach der Konstitution vom ist die Verfassung eine repräsentative, wurde aber seitdem mehrfach verändert. Die Gesetzgebende Versammlung bildet ein aus direkten Wahlen hervorgegangener Kongreß (Nationalversammlung). Die Exekutivgewalt übt ein auf 4 Jahre gewählter Präsident, dem zwei von ihm ernannte Vicepräsidenten und ein dem Kongreß (Senatoren- und Deputiertenkammer) verantwortliches Ministerium zur Seite stehen.
In administrativer Hinsicht ist das Land in 8 Departamentos mit 32 Provinzen eingeteilt, von denen jede wieder in Distrikte zerfällt. Sie lassen sich in zwei Regionen gruppieren:
1) die Andenregion, der Sitz des größten Teils der boliv. Bevölkerung und des ausgedehntesten Bergbaues, mit den fünf nach ihren Hauptstädten benannten Depart. Potosi, Sucre (Chuquisaca), Cochabamba, Oruro und La Paz;
2) die Region der vorwiegend Llanosprovinzen, enthält die drei Depart. Sta. Cruz und Beni (seit 1842 errichtet) mit dem Hauptorte Trinidad, und Tanja. Die Hauptstadt der Republik, nach der jeweilig herrschenden Partei wechselnd, jetzt La Paz, früher Sucre (auch Chuquisaca genannt), hat (1893) etwa 45000 E. Auch Sucre, Oruro, Cochabamba beanspruchen diesen Rang. Die andern Departamentoshauptstädte sind La Paz (40000 E.), Cochabamba (19 500), Potosi (11 944), Sta. Cruz de la Sierra (10 288), Oruro (10000), Tanja (15000) und Trinidad (4535 E.).
Die Staatsreligion ist die katholische. In kirchlicher Hinsicht bildet ein Erzbistum, dessen Erzbischof und Metropolit in Sucre seinen Sitz hat und dem die drei Bischöfe von Cochabamba, Santa Cruz de la Sierra und La Paz untergeordnet sind. Es bestehen zahlreiche örtliche Gerichte, 7 Distriktshöfe und ein Oberster Gerichtshof. Von höhern Bildungsanstalten besitzt Bolivia 5 Universitäten mit Fakultäten der Jurisprudenz, Medizin und Theologie (La Paz, Chuquisaca, Cochabamba, Sta. Cruz und Tanja), eine Schule für Architektur und Bergbau in La Paz, dann 8 Lyceen und 4 staatlich unterstützte Seminare, 4 Töchterschulen und 493 Elementarschulen mit mangelhaftem Unterrichte und nur 24 244 Schülern.
Die innern und finanziellen Angelegenheiten sind infolge der häufigen Revolutionen noch nicht fest begründet. Das Budget für 1893 wurde auf 5 737 200 Bolivianos Einnahmen und 5 937 200 Ausgaben geschätzt: die äußere Schuld betrug (1891) 3 703 273, die innere 4 484 916, zusammen 8 248 189 Bolivianos. Hauptgläubiger sind europ. und chilen. Kapitalisten. Die Einnahmen zerfallen in nationale (Ein- und Ausfuhrzölle, Abgaben der Minen- und andern Aktiengesellschaften, Münze und Stempelsteuer) und departamentale (Grundsteuer, Abgaben auf Vieh, Tabak, [* 21] Koka, Zucker [* 22] und Kautschuk).
Das Heer hatte 1889 8 Generale, 359 Stabs- und 654 Subalternoffiziere. Hiervon dienten die wenigsten im aktiven Heere, und 1889 haben viele Offiziere mit weniger als 10 Dienstjahren Abschied nehmen müssen. Von den unruhigen und unbrauchbaren 2000 Mann sind nach einer Revolte vom Sept. 1888 nur 2 Bataillone Infanterie, 2 Abteilungen Kavallerie und 1 Eskadron Artillerie (900 Mann) unter Waffen [* 23] behalten worden. Die Nationalgarde ist erst in einigen Departamentos eingerichtet.
Das Wappen von Bolivia zeigt einen elliptischen Schild, [* 24] welcher von einer oben goldenen, unten blauen Borde gefaßt wird. Diese Borde trägt oben den Namen der Republik, unten 9 goldene Sterne. Das Wappenbild besitzt landschaftlichen Charakter und zeigt im Vordergrunde rechts ein Pako, links vor einem Pisangbaum ein Ährenbündel. Weiter rückwärts erscheint auf einem Hügel ein Bergwerk. Im Hintergrunde erhebt sich ein schneebedeckter Berg von einer strahlenden Sonne [* 25] beleuchtet. Auf dem Schilde fußt ein flugbereiter Kondor vor einem Lorbeer- und Kokazweige. Als Dekoration dienen rot-gold-grüne Fahnen, Kanonen und Gewehre, sowie eine Freiheitsmütze und ein Liktorenbeil. Die Flagge hat die Farben Rot, Gold, Grün. (S. Tafel: Flaggen [* 26] der Seestaaten.) Es besteht ein Orden [* 27] der Ehrenlegion.
[* 20] ^[Abb.]
Geschichtliches. Der westl. Teil des jetzigen Freistaates Bolivia bildete einen Teil des alten Reichs der Inka [* 28] von Cuzco. Nachdem seit 1538 die Spanier auf den Hochebenen B.s sich festgesetzt hatten, wurde das Land zu dem Königreich Peru geschlagen, dann nach Bildung des Vicekönigreichs La-Plata, oder Buenos-Aires, 1780, mit diesem vereinigt und Charcas genannt. In diese Zeit fällt der letzte Versuch der indian. Bevölkerung, das span. Joch abzuschütteln. Tupac Amarú, ein Abkomme der Inka, ließ sich zum König ausrufen und eroberte in kurzer Zeit den größten Teil von Bolivia. Bei der Belagerung von La-Plata jedoch wurde er von Coronel Roseguin geschlagen, gefangen genommen und mit vielen Anhängern hingerichtet. Die Nachricht von den folgenschweren Unruhen in Spanien [* 29] rief auch in Bolivia ebenso wie in den andern span. Besitzungen in Südamerika [* 30] schon 1809 ernste Wirren hervor, die zu heftigen Kämpfen mit wechselndem Erfolge führten. Im Jahre 1818 wurde das Land von den ¶