«Arbeiterfreund, Zeitschrift des Centralvereins in
Preußen
[* 2] für das Wohl der arbeitenden
Klassen». Böhmert bekennt sich in seinen
Schriften entschieden zu den freihändlerischen Grundsätzen von
AdamSmith, Cobden und
Bastiat, sucht jedoch in dem «Arbeiterfreund»
in dem Kampfe der Manchesterschule und der socialpolit. Partei einer neuen socialstatist.
RichtungBahn zu brechen.
Auch hat Böhmert eine internationale
Enquete über die Versuche mit Gewinnbeteiligung der
Arbeitnehmer angeregt; die Resultate derselben
veröffentlichte er u. d. T. «Die Gewinnbeteiligung.
Untersuchungen über
Arbeitslohn und
Unternehmergewinn» (Bd. 32
u. 33 der
«Internationalen wissenschaftlichen
Bibliothek», Lpz.
1878). Seit 1875 giebt auch die «Zeitschrift des königlich sächs.
StatistischenBureaus» und seit 1877 die «Social-Correspondenz»
heraus. Seit 1879 ist Böhmert besonders mit an der
Reform der deutschen Armenpflege und an dem Kampf gegen die
Trunksucht und Unsittlichkeit
schriftstellerisch und praktisch beteiligt und hat im
Auftrage des
DeutschenVereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit das
Werk «Das
Armenwesen in 77 deutschen
Städten und
Landarmenverbänden» (2 Bde.,
Dresd. 1886) herausgegeben.
Böhmert steht in
Dresden
[* 3] an der
Spitze des
Vereins gegen Armennot und
Bettelei, des Bezirksvereins gegen den
Mißbrauch geistiger Getränke
und des
Vereins für
Volkswohl.
oder
Böhmisch-Bayrisches Waldgebirge,
Gebirge mit nordwestl. Streichung zwischen dem linken Donauufer von
Linz
[* 4] bis Passau
[* 5] und dem Südfuße des Fichtelgebirges auf der bayr.-böhm.
Grenze und auf der
Wasserscheide zwischen dem Gebiete der Nordsee und des
SchwarzenMeers, besteht in seinen Grundmassen vorherrschend
aus Granit und gneisartigen krystallinischen Gesteinen und sendet seine Wasser dem
Elb- und Donaugebiete zu. (S. Karten:
Bayern
[* 6] I und II.)
Recht eigentlich ein Waldgebirge,da sein Rücken bis zur Höhe von 1170 m mit dichtem
Wald bedeckt
ist, zeigt der Böhmerwald einen seltsamen Wechsel von Rücken-, Kamm-, Plateau- und Gipfelbildungen auf, und es fehlt
die gegliederte Abzweigung der Joche und
Ausläufer von einem deutlich markierten
Mittel- und Hauptrücken.
Die verschiedenen Bergzüge senken sich nach W. und
SW. in vielfachen Steilabsätzen in das Naabgebiet
und gegen die Donau herab, während sie sich gegen
NO. und O. in das innere
Böhmen
[* 7] im allgemeinen viel sanfter verflachen.
Daher der scheidende Charakter des Böhmerwald für
Bayern, den er für
Böhmen nicht hat. Das 190-237 qkm lange und 30-60 km
breite, 11 508 qkm im weitesten, 5700 qkm im engen
Sinne umfassende Gebirgsganze wird durch die 22 km breite Einsattelung
bei Neumark (449 m) oder die Gebirgslücke zwischen Neugedein und der tief eingesenkten, jetzt von der Eisenbahn benutzten
Thalsohle des Cham, der auf der böhm. Seite entspringt und auf der bayrischen
bei dem Orte Cham (370
m) in den
Regen mündet, in zwei ganz verschiedenartige Hälften geschieden: in die nordwestliche oder
den
BöhmischenWald (czech. Český Les) und in die südöstl., größere, breitere und höhere Hälfte, den eigentlichen
Böhmerwald, bei den
CzechenSchumava (Sumava) genannt. Die erstere entsendet nach der bayr. Seite
die Waldnaab, Pfreimt und Schwarzach, nach der böhmischen die
Mies und Radbusa, die letztere den
Regen mit Cham und die Ilz
nach
Bayern, die Moldau und Wotawa nach
Böhmen.
Der
nördliche Böhmerwald, dessen westlicher in
Bayern liegender
Teil Oberpfälzer
Wald (s. d.) genannt wird, beginnt im N., ohne mit
dem Fichtelgebirge zusammenzuhängen, an dem südlich von
Eger
[* 8] gelegenen Plateau von Waldsassen, auf dem sich der Tillenberg
(Düllenberg, Dillenberg) beim Egerpaß zu 939 m erhebt, und zieht sich dann zunächst gegen SO.
mit
Erhebungen, wie dem Pfefferbühel (787 m), dem Pleßberg (764 m), bis zu der nur 460 m hohen Einsenkung
bei dem Pfraumberg (847
m) als ein walzenförmiger, mit abgerundeten Kuppen besetzter Bergzug, der gegen W. in Steilrändern,
gegen
Böhmen in sanftern Mittelgebirgen abfällt.
Jenseit der Pfraumberger Senke zieht südostwärts in einem Viertelkreisbogen um
Bischofteinitz in mehrern Parallelketten
das Klattauergebirge, das in dem Czerkow oder Tscherchowberge 1039 m aufsteigt und gegen S. zu allmählich
zu der erwähnten Gebirgslücke bei Neumark herabsinkt. Südlich der letztern erhebt sich auf bayr.
Seite isoliert derHohebogen mit dem Eckstein (1067 m), dessen Gipfelplateau (der
Burgstall) eine schöne Übersicht über
den nördlichen Böhmerwald bietet.
Die Südhälfte des gesamten Gebirgswalls, der eigentliche Böhmerwald
(Schumava), besteht aus zwei Parallelketten,
welche die Längenthäler der Moldau nach SO. und der Wotawa und
Angel nach N. zu umschließen, aber zwischen denselben durch
die ausgedehnte Bergmasse des Schwarzbergs zusammengehalten werden. Die von letzterm Hauptknoten gegen WNW. gerichtete Gabel,
das Künische
Gebirge, enthält in der östl. oder böhm.
Kette den gewaltigen Ossa oder Osser (1280 m),
ferner die Seewand (1341 m) am lieblichen Angelthal, und andere Gipfel, während in der höhern westl.
oder bayr. Parallelkette die Arbergruppe, aus dem Gefilde (Kvildy) genannten Hochplateau hervorragend,
mit dem 1458 m hohen
GroßenArber (s. d.), dem Kulminationspunkte des ganzen und dem
KleinenArber (1391
m), ferner der
Rachel (1454 m), der Mittagsberg (1314 m) und der Lusen (1369 m) die bedeutendsten
Erhebungen sind.
Die vom
Schwarzenberg nach OSO. geöffnete Gabel gestaltet sich im östl. oder böhm.
Arme zuerst als Hochrücken, dann um Winterberg her als ausgebreitete Hochebene mit verschiedenen Einzelgipfeln, wie
dem 1358 m hohen
Kubany, und setzt sich endlich als Lissa- und
Blanskerwald mit dem Schöninger (1080 m)
gegen das nordwärts gerichtete Querthal der Moldau fort. Der westl. oder bayr.
Arm dagegen erhebt sich zunächst im
Dreisesselberg (1331 m) und Plöcklstein (1375 m), der Grenzmarke zwischen
Bayern,
Böhmen
und Oberösterreich, und imHeidelberg
[* 9] (1210 m), zieht sich nun als zusammenhängender Felsenkamm zu dem
Hochfichtet (1335 m) und fällt dann zu 1040 m und im Unterwuldauer
Paß
[* 10] selbst bis 736 m herab.
Das Salnauerqebirge geht vom
Kubany am linken Moldauufer bis Oberplan, mit den nicht besonders die Kammhöhe (950 m) überragenden
Kuppen des Spitzberges (1215 m), des
Sternberges (1117 m) und der Fuchswiesen (1187 m). Von dem Unterwaldauer
Passe senkt sich der Grenzrücken (das St.
Thomasgebirge), welcher in südöstl.
Richtung gegen Hohenfurth zieht. In der Mitte
liegt, von großen Forsten umgeben, die Ruine Wittigshausen (1041 m). Die weitere Fortsetzung des
Salnauer Zuges bilden die
Berge von Prachatitz und Krumau (Chum 1185 m und Aibin 1089 m). Das südl.
Ende des Böhmerwald bildet
¶
mehr
unter dem Namen der Donauberge, Karlsberge u. s. w. eine vielfach gespaltene Bergmasse von 630 bis 720 m
Höhe und fällt mit steilen Wänden zur Donau ab. Der weite Sattel des nur noch 700 m hohen Passes von Kerschbaum, durch
den die Linz-Budweiser Eisenbahn führt, trennt dieselbe von einer andern ähnlich gestalteten Bergmasse,
welche die südöstliche bis 1137 m hohe Vorstufe des Böhmerwald bildet und unter dem NamenGreinerwald, Gfällerwald und Manhartsberg
als steiler Rand die Donau begleitet. Eine bedeutende westl. Vorstufe des Hauptwalls des Böhmerwald ist
der BayrischeWald oder Bayerwald, der, durch die Thäler des Regen und der Ilz von der Hauptmasse geschieden,
steil zur Donau abfällt und im Predigtstuhl 1026 m, im Hirschenstein 1091 m, im Dreitannenriegel 1216 m aufsteigt. Der BayrischeWald ist der schönste Teil des Böhmerwald, ausgezeichnet durch malerische Donauufer, runde Kuppen, Schlösser und obstreiche Thäler
(Winkel).
[* 12]
Geologisch betrachtet besteht der nördl. Teil des Böhmerwald vom Czerkow bis zum Regenflusse aus Glimmerschiefer,
in dem häufig Granaten
[* 13] vorkommen. Der Hauptbestandteil des eigentlichen Böhmerwald ist Gneis mit einzelnen großen
Granitlagern. Die Richtung der Gneisschichten geht nach Nordwesten. Der Gneis ist auf der böhm. Seite der
Hercyner, auf der bayrischen der rötliche Bojer. Granitgebirgszüge, die sich sehr deutlich vom Gneis
unterscheiden, sind das Plöcklstein- und das Salnauergebirge, welche, besonders der Dreisesselberg, durch seine großen tafeligen
Granitblöcke das Ansehen riesiger Ruinen haben.
Der Granulit tritt am meisten im Blanskerwalde, besonders beim Schöninger (1080 m) hervor. Reiche Graphitlager finden sich
bei Schwarzbach und Mugrau. Am Kubany finden sich noch weite Bestände jungfräulich erhaltener Urwälder
aus Buchen, Fichten und Tannen, welche geschützt werden. Der Waldreichtum ist im ganzen Gebirge bedeutend und die Tanne
[* 14] zeigt
sich überall in Riesenformen. Die obern mit Triften bedeckten Kuppen stehen in ihren Alpenpflanzen dem Riesengebirge weit
nach, sind am Arber und Rachel am reichlichsten. Berühmt ist die Region der «Filze» in 1000 m Höhe, in
denen Knieholz von der Bergkiefer oder Sumpfbirke dichte Gebüsche bildet und die hochnordische Zwergbirke vorkommt.
Der Böhmerwald ist ungemein reich an Niederschlägen. Stubenbach hat eine jährliche Regenmenge von 2199 mm (Budweis 636, Prag
[* 15] nur 389 mm).
Das Maximum liegt im Februar, April und Oktober, das Minimum im August und September. Das Klima des bayrischen
Böhmerwald ist milder als das des böhmischen. Der Böhmerwald ist reich an schönen und tiefen Seen, insbesondere
sind zu nennen der Schwarze See (1185 m hoch, 19 ha groß, 90 m tief), der Teufelssee (990 m hoch, 9 ha
groß, 34 m tief), der GroßeArbersee (934 m hoch, 10 ha groß, 34 m tief), der Rachelsee (1054 m hoch, 15 ha groß, 90 m
tief) und der Plöcklsteinsee (1058 m hoch, 13 ha groß, 58 m tief). Die bedeutendsten Städte des eigentlichen Gebirges sind
Cham am Einfluß des Cham in den Regen, 370 m ü. d. M.; Furth, Waldmünchen, Zwiesel in Bayern, Wallern (741
m), Winterberg, Bergreichenstein, Neuern in Böhmen.
Der rauhe und unzugängliche Charakter hat dem Böhmerwald stets eine wichtige histor. Bedeutung verliehen, und sein
scheidender Einfluß machte sich mehr geltend als bei manchen höhern Gebirgen. Die Slawen fanden in ihm
eine natürliche Grenze
westl. Vorschreitens, und seine düstern Wälder und versteckten Schluchten boten in den kriegbewegten
ZeitenDeutschlands
[* 16] dem Flüchtlinge Zuflucht, aber auch von Zeit zu Zeit dem Verbrecher sichere Räuberhöhlen. Die eigentliche
Gebirgsnatur gewährt dem Bewohner nur karge Spenden.
Sie liefert an Getreide
[* 17] bloß Hafer,
[* 18] Flachs, wenig Obst an den Abhängen, aber schöne Weiden zur Viehzucht
[* 19] und einen reichen Holzvorrat, der unmittelbar verarbeitet, roh verflößt oder im Verein mit nutzbaren Mineralien
[* 20] in den Glashütten,
Eisenhämmern und verschiedenen Industriewerkstätten verwendet wird. Der Waldreichtum des hat jedoch in der neuesten Zeit
durch verheerende Orkane und die darauf folgende Verwüstung des Borkenkäfers eine empfindliche Einbuße
erlitten.
Die Bewohner sind kräftig, genügsam, kühn, aber roh, verschlagen und starrsinnig und bewahren Sitte und Brauch der Vorfahren.
Die Sprache
[* 21] der Wäldler ist mit dem Überwiegen deutscher Elemente auch vorherrschend deutsch, aber im volltönigen, vokalreichen,
eigentümlichen Dialekte sehr von der bayr. Mundart verschieden. Die Sprachgrenze
zwischen Deutschen (im W.) und Czechen (im O.) läuft von Kaplitz im S. über Krumau, Kalsching, Prachatitz, Winterberg, Hartmanitz
im Kreise
[* 22] um Schüttenhofen (czechisch) herum, nähert sich bei Neugedein, Taus und Klentsch hart der bayr. Grenze, weicht
sodann über Bischofteinitz, Staab bis nahezu Pilsen
[* 23] (czechisch) zurück, um bei Manetin (czechisch) nach
Osten umzubiegen. Zur Hebung
[* 24] des Deutschtums im südwestl. Böhmen wurde 1884 der Deutsche
[* 25] Böhmerwaldbund gegründet, der Ende 1889 in 179 Ortsgruppen
über 22000 Mitglieder zählte.
Borowsky,
Führer durch den Böhmerwald (ebd. 1883);
Führer durch den Böhmerwald, hg. vom Deutschen Böhmerwaldbunde (Budw. 1888);
Bernau, Der Böhmerwald. Mit 200 Originalillustrationen
(Prag 1889-90).
Schilderungen des Volkslebens im Gebirge gewähren die Bilder und Erzählungen Joseph Ranks: Aus dem Böhmerwald (3
Bde., Lpz. 1851). Karten: Wagner, Generalkarte vom südwestl. Böhmen [1:220000] (2. Aufl., Prag 1891); Waltenberger, Karte
des bayrischen und des Böhmerwalds [1:250000] (3. Aufl., Passau 1892); ders., Routenkarte des
bayrischen und des Böhmerwalds [1:300000] ebd. 1891).