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wichtigen Kurien (des Großgrundbesitzes, der städtischen und Landbezirke) sollen unter Fortbestand der Kurie des Großgrundbesitzes zwei neue Kurien treten: die der Abgeordneten der czech. und die der deutschen Wahlbezirke, und jede der drei Kurien sollte ein Vetorecht erhalten bei Beschlüssen über Änderungen der Landesordnungen und der Landtagswahlordnung sowie über Fragen, die den Gebrauch der Sprachen im öffentlichen Leben, bei autonomen Behörden und bei gewissen vom Landtage abhängigen Bildungsanstalten betreffen. Auch wurden Vereinbarungen über Errichtung und Erhaltung von Minoritätsschulen in gemischtsprachigen Gemeinden getroffen.
Von den
Vorlagen, welche demgemäß dem böhm. Landtage, an dessen Sitzungen sich die deutschen
Abgeordneten nach vierjährigem Fernbleiben wieder beteiligten, bei dessen Zusammentritt (19. Mai) unterbreitet
wurden, wurde nur die über die
Teilung des Landesschulrats nach nationalen
Gesichtspunkten 3. Juni angenommen. Auch auf dem nächsten
Landtage, im Nov. 1890, wurden nur 16
Paragraphen des Gesetzes über die
Teilung des Landeskulturrats angenommen, und das Stimmverhältnis
zeigte, daß überhaupt keine Aussicht war, die übrigen Ausgleichsvorlagen
zur
Annahme zu bringen, da
bei letztern die
Verfassung berührenden Gesetzen die Gegenwart von drei Vierteln aller
Abgeordneten erforderlich war. Bis
zum Jan. 1891, wo in einer neuen Landtagssession der Rest des Gesetzes über den Landeskulturrat zur
Annahme gebracht wurde,
waren die Freunde des
Ausgleichs noch mehr zusammengeschmolzen. Hatten schon die Verhandlungen über die
Ausgleichsvorlagen
eine Abbröckelung von der altczech. Partei zur Folge gehabt, so führten die im März stattfindenden
Reichsratswahlen geradezu zur Vernichtung derselben. Während die
Deutschen alle ihre
Mandate behaupteten und einen Wahlbezirk
gewannen, drang von den
Altczechen in den Landgemeinden gar keiner, in den
Städten nur einer durch. Selbst
der Führer der
Altczechen, Rieger, kam nur in die engere
Wahl. Infolgedessen faßten die
Altczechen den Beschluß, sich bei
den engern
Wahlen und den
Wahlen der Handelskammern gar nicht mehr zu beteiligen, sodaß Böhmen
[* 2] im Reichsrate nur noch durch
Jungczechen,
Feudale und Deutsche
[* 3] vertreten war. Auch bei der Landesausstellung 1891 waren die
Jungczechen tonangebend.
Russische
[* 4] und franz. Gäste wurden in
Prag
[* 5] in demonstrativer
Weise empfangen und mit ihnen als Feinden der
Deutschen Verbrüderungsfeste
gefeiert. Der
Kaiser, der die
Ausstellung besuchte, legte seinen Wunsch nach Herstellung des Friedens in Böhmen bei verschiedenen
Gelegenheiten an den
Tag und ignorierte die
Jungczechen vollständig. Die
Altczechen suchten den letzten
Rest ihres immer mehr schwindenden Einflusses im
Lande dadurch zu retten, daß sie sich ebenfalls gegen den
Ausgleich erklärten,
wenn sie auch ihren Wortbruch noch einigermaßen zu verschleiern suchten, indem sie als Vorbedingung weiterer
Beratung «die
volle Durchführung der Gleichberechtigung beider Landessprachen», d. h.
die
Anerkennung des
Czechischen als Amtssprache forderten. Da auch der feudale Großgrundbesitz, mit dessen Hilfe wenigstens
die nur eine einfache
Majorität erfordernde nationale Abgrenzung der Gerichtsbezirke hätte durchgebracht werden können,
den konservativen
Altczechen zuliebe seinem Worte untreu wurde, so gelang es, die Vertagung der im März 1892 von
der Regierung im Landtag eingebrachten Ausgleichsvorlagen
durchzusetzen.
Die Regierung beschloß nun, am
Ausgleich festhaltend,
in der Abgrenzung der Gerichtsbezirke auf administrativem Wege vorzuschreiten und veröffentlichte nach
Schluß des Landtags
zunächst eine Verordnung, die Errichtung eines deutschen Bezirksgerichts in Weckelsdorf betreffend.
Der von den
Jungczechen
im österr. Abgeordnetenhaus gestellte
Antrag, den Justizminister Schönborn deswegen in Anklagezustand
zu versetzen, wurde 5. Mai mit großer Mehrheit abgelehnt. Auch in der kurzen Landtagssession im Sept. 1892 machte der
Ausgleich
keine Fortschritte.
In dem zusammengetretenen Landtag hatte die Regierung wieder
Vorlagen auf Errichtung eines deutschen
Kreisgerichts in
Trautenau und dreier neuer
Bezirksgerichte eingebracht. Als erstere
Vorlage entgegen dem
Verlangen der
Jungczechen 17. Mai auf die
Tagesordnung gesetzt wurde, verhinderten sie durch Lärm und Gewaltthätigkeiten die
Beratung. Infolge dieser Vorgänge wurde der Landtag, noch vor Erledigung des
Budgets, geschlossen. Aufrührerische Straßenkrawalle
(besonders am Vorabend des kaiserl.
Geburtstages, 17. Aug.) und vielfache andere Ausschreitungen in
Prag, die
von dem revolutionären czech. Geheimbund «Omladina» (s. d.)
ausgingen, veranlaßten 13. Sept. die Verhängung des Ausnahmezustandes über
Prag und Umgebung. 76 Mitglieder der «Omladina»,
mit der auch die
Jungczechen
Beziehungen unterhalten hatten, wurden vor Gericht gestellt und nach lärmenden Verhandlungen 21. Febr. größtenteils
zu
Freiheitsstrafen verurteilt. Inzwischen war nach dem Rücktritt des
Grafen Taaffe das Koalitionsministerium unter Fürst
Windischgrätz gebildet worden das alle großen polit. Fragen ruhen zu lassen beschloß, infolgedes zunächst
auch von der weitern Betreibung der nationalen Abgrenzung in Böhmen abgesehen wurde.
Litteratur. Außer den zahlreichen Publikationen des Vereins für Geschichte der Deutschen in Böhmen (wie: Deutsche Chroniken aus Böhmen, 3 Bde., Prag 1879-84), der Gesellschaft der Wissenschaften in Prag, des Landesarchivs und des Böhm.
Museums vgl.: Pelzel, Geschichte der Böhmen (4. Aufl., 2 Bde., ebd. 1817);
Palacky, Geschichte von Böhmen (5 Bde. in 10 Abteil., ebd. 1845-74);
Gindely, Staré paměti dějin českých (Monumenta historiae bohemica, 4 Bde., ebd. 1864-67);
Tomek, Geschichte B.s (2 Bde., ebd. 1864-65);
Schlesinger, Geschichte B.s (2. Aufl., ebd. 1870);
Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae (4 Tle. in 21 Bdn., ebd. 1855-92);
Menger, Der böhm. Ausgleich (Stuttg. 1891).