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Gewerbe-, 18 Gesang- und Musik-, 30 land- und forstwirtschaftliche, 48 weibliche Arbeitsschulen und 26 sonstige Lehr- und Erziehungsanstalten.
Litteratur. Außer den Publikationen der statist.
Centralkommission in Wien [* 2] und der Kommission zur Landesdurchforschung von [* 3] in Prag, [* 4] vgl. Schaller, Topographie des Königreichs Böhmen (16 Tle., Prag 1785-91);
Sommer, Das Königreich Böhmen statistisch-topographisch dargestellt (16 Bde., ebd. 1833-49);
Topogr. Lexikon von Böhmen (ebd. 1852);
Heber, [* 5] B.s Burgen, [* 6] Festen und Bergschlösser (7 Bde., ebd. 1843-53);
Kapper und Kandler, Das Böhmerland (ebd. 1864);
Mikowec, Altertümer und Denkwürdigkeiten B.s (2 Bde., ebd. 1859-65);
Hickmann, Industrieatlas von Böhmen (ebd. 1862 -64);
Balling, Die Eisenindustrie B.s (ebd. 1868);
Andree, Nationalitätsverhältnisse und Sprachgrenze in Böhmen (2. Aufl., Lpz. 1871);
ders., Tschechische Gänge.
Böhm. Wanderungen und Studien (Bielef. 1872);
Jechl, Der böhm. Großgrundbesitz (Prag 1874);
Orts-Repertorium für das Königreich Böhmen (ebd. 1878);
Langhans, Das Königreich Böhmen (Wien 1881);
Bernau, Album der Burgen und Schlösser im Königreich Böhmen (Bd. 1, Prag 1881);
Procházka, Topogr.-Statist.
Schematismus des Großgrundbesitzes von Böhmen (ebd. 1880);
Rivnáč, Reisehandbuch für das Königreich Böhmen (ebd. 1882);
Special-Ortsrepertorium für das Königreich Böhmen (Wien 1893);
Schlesinger, Die Nationalitätsverhältnisse B.s (Stuttg. 1886);
Pollack, Die böhm. Braunkohle in den letzten 25 Jahren (Dresd. 1887);
Berichte der Handelskammern von Prag, Budweis, Pilsen, [* 7] Eger, [* 8] Reichenberg [* 9] (1886 -87);
Katzer, Geologie [* 10] von Böhmen, 1.-3. Abteil. (Prag 1889-92).
Geschichte. Böhmen erhielt seinen Namen von dem kelt. Volke der Bojer (s. d.), die aber in der ersten Zeit des Augustus durch die deutschen Markomannen verdrängt wurden. Unter diesen errichtete Marbod einen Kriegsstaat nach röm. Vorbilde, der aber bald zerfiel. In den ersten Jahrzehnten des 6. Jahrh. siedelten die Markomannen nach Bayern [* 11] über, wo sie sich dauernd niederließen. Nach dem fast verödeten Böhmen wanderten nun slaw. Stämme, die bald unter dem Gesamtnamen Czechen erscheinen.
Diese wurden kurz nach ihrer Niederlassung in Böhmen von den Avaren unterworfen. Gegen deren harten Druck erhoben sich die Czechen um 623 unter einem eingewanderten Franken Namens Samo. Durch diesen wurde Böhmen mit den angrenzenden slaw. Ländern zu einem Reiche vereinigt, das sich gegen die Angriffe der fränk. Könige behauptete, aber nach Samos Tode 658 wieder zerfiel, sodaß es in den nächsten zwei Jahrhunderten in Böhmen nur Stammeshäuptlinge gab. Bei den Avarenkriegen Karls d. Gr. wurde Böhmen mehrfach von fränk. Heeren durchzogen und in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis von Deutschland [* 12] gebracht.
Auch das Christentum empfing Böhmen von Deutschland her; die Einwirkungen der Slawenapostel Cyrillus und Methodius sind vorübergehend. 845 ließen sich 14 czech. Häuptlinge in Regensburg [* 13] taufen. Dorthin zogen 895 die Häuptlinge abermals, um nach der vorübergehenden Herrschaft Swatopluks, des Fürsten des Großmährischen Reichs, dem deutschen König Arnulf zu huldigen. Die durch die Einfälle der Magyaren entstandenen Wirren benutzte Spythiniew I., um die verschiedenen slaw. Stämme des Landes unter einem Herzog aus seiner (der přemyslidischen) Familie zu vereinigen (912). Auf Spythiniew folgte sein Bruder Wratislaw, der Gemahl der sagenhaften Drahomira.
Des letztern Sohn, der heil. Wenzel (s. d.), ein eifriger Beförderer des Christentums, ward durch König Heinrich 1. (929) genötigt, die deutsche Lehnsherrlichkeit anzuerkennen. Seine Vorliebe für das Deutschtum und Christentum rief eine slaw.-heidn. Verschwörung hervor, als deren Opfer er 936 fiel. Aber auch sein Bruder Boleslaw I. (s. d.), der im Innern den Adel beugte, mußte endlich 950 die Oberherrschaft Deutschlands [* 14] anerkennen. Sein Sohn Boleslaw II. (s. d.) gebot in Mähren, Schlesien [* 15] und im heutigen Westgalizien.
Unter ihm löste Kaiser Otto II. Böhmen von der Regensburger Diöcese, zu der es bis dahin gehört hatte, durch Stiftung des Prager Bistums (973) los. Unter Boleslaw III. (s. d.) gingen jene Eroberungen an Polen verloren, und dessen tapferer Herzog (Boleslaw Chrobry) gewann (1003) auch Böhmen selbst. Da befreite der deutsche König Heinrich II. das böhm. Land und setzte Jaromir, einen Přemysliden, als Herzog ein (1004), dessen Bruder Ulrich, ein treuer Anhänger Kaiser Konrads II., auch Mähren gewann (1029). Ulrichs Sohn, Břetislaw I. (s. d.), führte die sog. Senioraterbfolge ein.
Herzog Wratislaw II. (1061-92) erhielt für seine Dienste [* 16] von Kaiser Heinrich IV. 1086, und sein Enkel Wladislaw II. (1140-74) von Kaiser Friedrich I. 1158 die Königskrone, aber beide nur vorübergehend. Von 1173 bis 1197, wo nicht weniger als 10 Prinzen des alten Herrscherhauses den schwankenden Thron [* 17] einander streitig machten, war B.s Macht im tiefsten Verfall, bis Přemysl Ottokar I. (1197-1230) die alte Senioraterbfolge in eine Primogeniturerbfolge veränderte und die durch Philipp (1198) verliehene und durch Friedrich II. (1212) bestätigte Königskrone durch Politik und Schwert sicherte.
Unter seinem Enkel Přemysl Ottokar II. (s. d.) erhob sich Böhmen (1253-78) zu ansehnlicher Macht, indem es alle sonst zum Deutschen Reiche gehörigen Länder der österr. Monarchie, mit Ausnahme von Tirol [* 18] und Salzburg, [* 19] umfaßte. Doch verlor Ottokar mit seinem Leben auch diese Eroberungen im Kampfe gegen Rudolf von Habsburg; dagegen gelangte sein kluger Sohn Wenzel II. (s. d., 1283-1305) durch Heirat und Wahl in den Besitz von Polen. Durch seines Enkels Wenzels III. Ermordung zu Olmütz, [* 20] erlosch das Haus der Přemysliden. Unter den letzten Königen wurde die deutsche Kolonisation mit Erfolg begünstigt, viele Städte gegründet und die Grenzwälder von deutschen Bauern besetzt.
Von 1310 bis 1437 wurde Böhmen von Königen aus dem Hause Luxemburg [* 21] regiert. König Johann (s. d., 1310-46), der Sohn des Kaisers Heinrich VII. und Gemahl von Wenzels III. Schwester Elisabeth, brachte die Lausitz sowie die Oberhoheit über Schlesien an sich gegen Verzichtleistung auf die poln. Krone. Karl I., als deutscher Kaiser Karl IV. (1346-78), hob das Land durch feste innere Ordnung, Belebung des Handels und der Gewerbe, Hebung [* 22] der Landwirtschaft, Gründung der Universität Prag (1348) und sonstige Förderung jeglicher Kultur. Er erwarb für die böhm. Krone auf kurze Zeit den größten Teil der Oberpfalz und die Mark Brandenburg. Unter Wenzel IV. (1378-1419) entstanden durch das Auftreten von Johs. Huß (s. d.) u. a. religiöse Wirren und zugleich czech.-nationale Bestrebungen, die nach Wenzels Tode 1419 den 16jährigen Hussitenkrieg (s. Hussiten) hervorriefen. Das ¶
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entschiedene Übergewicht der hussitischen Waffen [* 24] verwandelte Böhmen thatsächlich in ein Wahlreich. So gelangte nach Ladislaus' Posthumus (1453-57) Tode der hussitisch gläubige, schlaue und kräftige Reichsverweser Georg von Podiebrad 1458 in den Besitz des böhm. Throns, auf dem er sich auch, trotz der päpstl. Bannstrahlen und der Feindseligkeit des Königs Matthias Corvinus von Ungarn [* 25] sowie eines großen Teils seiner vornehmsten Vasallen, bis zu seinem Tode behauptete. Sein Nachfolger, ein poln. Königssohn aus dem Hause der Jagellonen, Wladislaw II. (1471-1516), gelangte 1490 durch Wahl auch in den Besitz der ungar. Krone und verlegte hierauf seinen Sitz nach Ofen, wo auch sein Sohn und Nachfolger Ludwig (1516-26) residierte. Nachdem Ludwig 1526 in der Schlacht gegen die Türken bei Mohacs geblieben, kamen und Ungarn an den von den Ständen erwählten Gemahl seiner Schwester Anna, den Erzherzog Ferdinand von Österreich, [* 26] den spätern Kaiser Ferdinand I. Dieser wollte die Böhmen bewegen, in dem Schmalkaldischen Kriege wider den Kurfürsten von Sachsen [* 27] die Waffen zu ergreifen. Da sie aber seinen Wünschen schroff entgegentraten, strafte er nach seines Bruders Karl V. Siege bei Mühlberg die Widerspenstigen auf das empfindlichste, vernichtete auf dem sog. Blutigen Landtage von 1547 die Privilegien der Stände, besonders der autonomen Städte, und setzte wieder die Anerkennung der Erbrechte seines Hauses durch.
Ihm folgte 1564 sein Sohn Maximilian und diesem die Söhne Rudolf, 1576, und Matthias, 1611. Gegen das Lebensende des letztern entstanden wegen verletzter Religionsfreiheit der Protestanten Unruhen, die das Haus Österreich mit dem Verlust B.s bedrohten. Denn mit Übergehung Kaiser Ferdinands II., der schon bei Lebzeiten seines Vetters Matthias zum König von Böhmen gekrönt worden war, wählte man, in falschem Vertrauen auf die Hilfe seines Schwiegervaters Jakob I. von England, 1619 den Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz.
Als aber der Sieg am Weißen Berge bei Prag, (s. Dreißigjähriger Krieg), zum Vorteil des Kaisers entschieden hatte, wurden 27 der Urheber und Teilnehmer des Aufstandes hingerichtet, 16 verbannt oder zu ewigem Gefängnis verurteilt und ihre Güter eingezogen. Letzteres Schicksal traf auch die bereits gestorbenen und die 29 entwichenen. Auch von solchen, die weniger beteiligt waren, wurden in Böhmen 480 Edelleute, in Mähren über 300 Personen ihres Vermögens ganz oder teilweise beraubt.
Die Güterkonfiskationen wurden in Böhmen auf einen Wert von 30, in Mähren von 5 Mill. Fl. geschätzt. Die Union der Böhmischen Brüder und die luth. Kirche, zu denen sich ein sehr großer Teil des Adels- und Bürgerstandes sowie ein Teil der Bauern bekannte, wurden unterdrückt, die frühere Verfassung 1627 aufgehoben, in ein rein monarchisches und rein kath. Erbreich verwandelt. An 36000 Familien, darunter 185 aus dem Herren- und Ritterstande, alle prot. Prediger und Lehrer, eine Menge Künstler, Kaufleute und Handwerker, die nicht katholisch werden wollten, wanderten aus nach Sachsen, Brandenburg, [* 28] Polen, Schweden, [* 29] Holland u. s. w. Durch den Ankauf der konfiscierten Güter bereicherten sich insbesondere Wallenstein (der Herzog von Friedland) und der Statthalter Fürst Liechtenstein. [* 30]
Sehr viele Besitzungen wurden vom Kaiser dem Erzbistum Prag, den Jesuiten und andern Geistlichen geschenkt. Furchtbar wütete nachher der Dreißigjährige Krieg im Lande. Von den 3 Mill. E., die Böhmen 1618 gezählt haben soll, waren 1648 nur noch 800000 übrig. Seitdem nahm das Land immer mehr einen provinziellen Charakter an, der gesetzlich durch die Pragmatische Sanktion Karls VI., der die Stände 1720 zustimmten, zum vollen Ausdruck gelangte. Nach Karls VI. Tode, 1740, machte Karl Albrecht, Kurfürst von Bayern, auf Böhmen Anspruch und ließ sich in Prag von den Ständen huldigen; allein Maria Theresia behauptete das Land (s. Österreichischer Erbfolgekrieg); ebenso später, als im zweiten Schlesischen und im Siebenjährigen Kriege die Preußen [* 31] wiederholt nach oder vor Prag gerückt waren. Unter Joseph II. war Böhmen eins jener Länder, auf das sich die reformatorische Thätigkeit dieses Monarchen vorzugsweise richtete, wie es denn die Aufhebung der Leibeigenschaft ihm verdankt.
Durch die Kriege der Napoleonischen Zeit wurde Böhmen wenig betroffen; auch die franz. Julirevolution ließ Böhmen unberührt; erst später entwickelte sich dort eine Art ständischer Opposition, die sich, freilich vorsichtig und in untergeordneten Dingen, gegen den Druck des Metternichschen Systems richtete. Als jedoch die europ. Revolution von 1848 ausbrach, geriet auch in heftige polit. Bewegung. Mit der freien Regung der heimischen Elemente trat aber zugleich auch der Gegensatz derselben zu Tage.
Die deutsche Bevölkerung [* 32] B.s, von nationaler Begeisterung erfaßt, sah in der Nationalversammlung zu Frankfurt [* 33] das Bollwerk ihrer Freiheit, die czechische ihrerseits erblickte wieder in der Paulskirche die drohendsten Gefahren für ihren nationalen Bestand. Die Flamme [* 34] der Zwietracht loderte auf. Um dem deutschen Streben ein Gegengewicht zu setzen, wurde ein Slawenkongreß nach Prag berufen. Am trat derselbe zusammen, beendete aber seine Sitzungen nicht.
Denn ein Konflikt zwischen Volk und Militär am Pfingstmontage (11. Juni) erregte einen blutigen Straßenkampf, der 15. Juni ein Bombardement, die Unterwerfung Prags und die Sprengung des Slawenkongresses zur Folge hatte. Indessen dauerte der nationale Widerstreit fort. Auf dem ersten konstituierenden Reichstage Österreichs bildeten die czech. Deputierten in geschlossener Masse die Rechte, die zur Regierung hielt, während die deutschen Abgeordneten B.s mit wenig Ausnahmen der Linken angehörten. Beim Ausbruche der Wiener Oktoberrevolution flüchteten die czech. Deputierten und bewirkten namentlich die Verlegung des Reichstags nach Kremsier (in Mähren).
Sie stützten die Regierung in ihrem Kampfe gegen die Magyaren und übten einen bedeutenden Einfluß auf den Gang [* 35] der Dinge. Mit der Auflösung des Reichstags im März 1849 erreichte dieser Einfluß der Czechen sein Ende. Dagegen wurden im Lande die nationalczech. Bestrebungen dem deutschen Elemente gegenüber auf dem socialen und litterar. Gebiete fortgesetzt. Als der für Österreich ungünstige Ausgang des Italienischen Krieges von 1859 die innere Lage im Kaiserstaate änderte, trat die czech. Agitation auch auf dem eigentlich polit. Gebiete wieder hervor, und die Partei begann ihre Endziele, die Czechisierung des Landes und die Herstellung der «Krone Böhmen», aufzudecken. Auf dem im Frühjahr 1861 infolge des Oktoberpatents und der Februarverfassung versammelten böhm. Landtage hatte die czech. Partei das Übergewicht. Sie protestierte anfangs gegen die Reichsratswahlen, setzte aber hierauf die Wahl ihrer Parteiführer durch, die sich nun im ¶