Mannigfaltigkeit des Vierwaldstättersees oder die Lieblichkeit der ital. Seen aufzuweisen.
Wohl aber macht die gewaltige Wasserfläche, namentlich vom östl. Ufer aus sowie von der Konstanzer
Gegend bei Abendbeleuchtung gesehen, mit ihrem verschwimmenden Horizont
[* 2] und ihren wechselnden, wundervollen Licht- und Farbeneffekten
einen überwältigenden Eindruck. Die Ufer sind anmutig, von Obst- und Weingärten, reichen Getreidefeldern,
üppigen Wiesen und Waldungen umgürtet. Am südl. Horizont türmen sich die Alpengipfel der
Sentisgruppe, des Rhätikon und dcs
Vorarlbergbis in die Firnregion auf. Im O. zeigen sich die grünen Voralpen des
Allgäus,
im NW. die Basaltkegel des
Hegaus mit ihren
Burgen
[* 3] und Ruinen.
Auf eine frühzeitige Besiedelung der Ufer des Bodensee weisen die zahlreichen Pfahlbaustationen,
besonders am
Überlinger- und
Untersee, sowie viele Überreste aus der Römerzeit hin. Heute gehört die Umgebung des Bodensee zu
den dichtbevölkertsten Gebieten
Deutschlands.
[* 4] Freundliche Schlösser und Villen,
Bauernhöfe und Fischerhütten, behäbige
reinliche Dörfer, belebte Marktflecken, stattliche, jetzt meist weltlichen Zwecken dienende Klöster,
altertümliche
Städte spiegeln sich im bunten
Kranze in den Uferwellen.
Handel und Schiffahrt sind trotz
Beschränkung durch den nahen Rheinfall bei Laufen infolge der starken
Besiedelung der Ufer und der in neuester Zeit vermehrten Verkehrswege außerordentlich lebhaft. Seit Eröffnung der bayr.
Eisenbahn (München-Lindau) und der württemb. (Stuttgart-Friedrichshafen)
Bahn, der
Vorarlberger Bahn
(Lindau-Bregenz-Bludenz),
der Linien Konstanz-Offenburg (bad.
Schwarzwaldbahn), Radolfszell-Schaffhausen,
Radolfszell-Ulm sowie der schweiz. Linien Winterthur-Konstanz-Romanshorn,
Zürich-Romanshorn-Rorschach, St. Gallen-Rorschach und Chur-Rorschach ist der Bodensee die
besuchteste Eingangspforte der
Schweiz
[* 12] geworden und damit seine kommerzielle Bedeutung, der
Personen- und Warenverkehr ungemein
gestiegen.
wird die erst teilweise (101 km) vollendete
Bahn genannt, die den ganzen
Bodensee umschließen
soll. Im Betrieb sind die
Strecken: Lindau-Bayr. Grenze (Bayr.
Staatsbahn)-Bregenz-St. Margarethen (Österr.
Staatsbahn)-Konstanz
(Vereinigte Staatsbahnen)-Radolfzell
(Bad.
[* 17] Staatsbahn) mit zusammen 94 km und Radolfzell-Stahringen
(Bad.
Staatsbahn) mit 7 km. Im
Bau ist die
Strecke Stahringen-Überlingen.
Friedrich Mart.
von, Dichter und Schriftsteller, geb. zu Peine, widmete sich anfangs dem Kaufmannsstande,
besuchte dann die
Universitäten Göttingen,
[* 18]
München
[* 19] und
Berlin,
[* 20] um alte und besonders neue
Sprachen, Geschichte
und
Philosophie zu studieren. 1840 kam er als Erzieher zu Fürst Galizin nach
Moskau.
[* 21] Damals entstand die
Anthologie «Kaslow,
Puschkin und Lermontow» (Lpz. 1843) und eine Sammlung kleinruss.
Volkslieder,
«Poet.
Ukraine» (Stuttg. 1845). Im Herbst 1843 ging
Bodenstedt nachTiflis, um ein Seminar zu leiten und am Gymnasium Latein und
Französisch zu lehren. 1845 durchstreifte
er
Armenien, die Kaukasusländer und kehrte über die Krim,
[* 22]
Türkei,
[* 23]
Kleinasien und die
Ionischen Inseln nach
Deutschland
[* 24] zurück.
Als
Früchte dieser Wanderungen erschienen «Die
Völker des
Kaukasus und ihre Freiheitskämpfe gegen die
Russen» (Frankf. 1848; 2. Aufl., 2 Bde.,
1855) und «Tausend und ein
Tag im
Orient» (2 Bde., Berl. 1849-50; 5. Aufl.
1891),
zwei Werke, die B.s Ruf begründeten. Im Mai 1818 wurde er Redacteur am
«Österreichischen Lloyd» in
Triest.
[* 25] Ende 1850 Redacteur
der
«Weser-Zeitung» in
Bremen
[* 26] und lebte, nachdem er Schwiegersohn desHess. Obersten
Osterwald geworden (B.s
Gattin Mathilde ist die «Edlitam» der Gedichte), 1852 teils auf dessen
Gut, teils auf dem des
Freiherrn von der Malsburg bei
Cassel. 1853 ging er nach Friedrichroda, dann auf Wunsch
Herzog Ernsts
nach Gotha,
[* 27] 1854 folgte er einem Rufe König Maximilians nach
München.
Bodenstein - Bodenwöhr
* 32 Seite 53.200.
Als Professor an der
Universität las er über slaw.
Sprachen und Litteratur, seit 1858 vorzugsweise über
ältere engl. Litteratur. Im Herbst 1866 berief ihn
HerzogGeorg von
Meiningen
[* 28] zur Leitung der Hofbühne. Hier blieb er, das
MeiningerTheater
[* 29] der Vervollkommnung zu einer Musterbühne mit entgegenführend, 1867 geadelt, bis 1870, später ließ er
sich dauernd in
Wiesbaden
[* 30] nieder. Bodenstedt bereiste 1881 die
Vereinigten Staaten,
[* 31] hielt dort Vorlesungen und
beschrieb die Fahrt in «Vom Atlantischen zum
Stillen Ocean» (Lpz. 1882). 1880 begründete er in
Berlin die
«Tägliche Rundschau.
Zeitung für unparteiische Politik», von deren Leitung er 1888 zurücktrat. Er starb inWiesbaden,
wo ihm 1894 ein
Denkmal errichtet wurde.
¶
mehr
Als Ergebnisse seiner slaw. Studien erschienen Lermontows «Poet. Nachlaß» (2 Bde., Berl.
1852),
Puschkins «Poet. Werke» (3 Bde., ebd. 1854 - 55) und Turgenjews «Erzählungen» (2 Bde.,
Münch. 1864 - 65) in gelungenen Übertragungen; von seiner umfassenden Beschäftigung mit der ältern engl.
Litteratur zeugen «Shakespeares Zeitgenossen und ihre Werke» (3 Bde.,
Berl. 1858 - 60),
treffliche Verdeutschungen und Charakteristiken, sowie eine deutsche Nachbildung der «Sonette» Shakespeares
(4. Aufl., ebd. 1873). An der Gründung der DeutschenShakespeare-Gesellschaft (1864) beteiligt, gab er die beiden ersten Bände
von deren «Jahrbuch» (1865 und 1867),
sowie in Verbindung mit O. Gildemeister, Herwegh, P. Heyse, Kurz,
Wilbrandt, Delius u. a. eine Gesamtübersetzung von Shakespeares «Dramat. Werken» (5. Aufl.,
Lpz. 1890) heraus, der er «W. Shakespeare. Ein Rückblick auf sein Leben und Schaffen» (ebd. 1871) einfügte. Auch schilderte
er «Shakespeares Frauencharaktere» (4. Aufl., Berl. 1887).
Eine Reihe von Vorlesungen vereinigte Bodenstedt u. d. T. «Aus
Ost und West» (ebd. 1861). Beiträge zur Kenntnis des russ. Staats- und Volkslebens in seiner histor. Entwicklung
bieten die «Russ. Fragmente» (2 Bde., Lpz.
1862).
Den Glanzpunkt unter B.s eigenen poet. Schöpfungen bilden die «Lieder des Mirza-Schaffy»
(Berl. 1851; 100. [Jubel-]Aufl. 1881; 141. Aufl.
1892),
die seinen Namen der Weltlitteratur einverleibten und in fast alle europ. Sprachen, sogar ins Hebräische
übersetzt wurden. Sie galten lange Zeit als Übertragungen morgenländ. Urtexte, sind aber mit Ausnahme von «Mullah,
rein ist der Wein» von Bodenstedt selbst gedichtet und nur seinem geliebten tatar. Lehrer in Tiflis in den Mund gelegt. Während hier
Liebe und Wein im Vordergrund stehen, huldigt in der Fortsetzung «Aus
dem Nachlaß des Mirza-Schaffy» (Berl. 1874; 17. Aufl., Lpz.
1891; Prachtausg. 1877 und 1883) reiferer und mehr beschaulicher Lebensweisheit. «Der
Sänger von Schiras. Hafisische Lieder» (3. Aufl., Jena
[* 33] 1884) und «Die Lieder und Sprüche des Omar Chajjâm verdeutscht» (Bresl.
1881; 4. Aufl. 1889) sind lediglich Übersetzungen orient. Poesie. In denjenigen Dichtungen, in denen Bodenstedt sich
des exotischen Tons enthält, ist seine Originalität geringer; so in den «Gedichten»
(3. Aufl., Berl. 1859),
«Aus Morgenland
und Abendland. Neue Gedichte und Sprüche» (Lpz. 1882; 3. Aufl. 1887),
«Neues Leben. Gedichte und Sprüche» (Bresl. 1886). B.s «Neun Kriegslieder» (Bielef. 1870) und «Zeitgedichte»
(Berl. 1870) vervollständigen sein vielseitiges Schaffen auf seinem Hauptgebiete, dem der Lyrik, dem er auch durch beliebte
Anthologien diente («Album deutscher Kunst und Dichtung», 8. Aufl., Berl. 1892; «Kunst
und Leben», Stuttg. 1877 - 78; «Verschollenes
und Neues», Hannov. 1877-78; «Liebe und Leben»,
Lpz. 1892). Das Epische lag B.s Natur nicht so günstig. Doch ragen «Ada, die Lesghierin» (Berl. 1853) und «Sakuntala»
(Lpz. 1887 u. 1889),
erstere den Kampf der Tscherkessen gegen das russ. Joch verherrlichend, letztere eng an Kalidasa angelehnt,
durch kunstvolle Schilderungen in Einzelscenen hervor; seine jüngste epische Dichtung ist «Theodora. Ein
Sang aus dem Harzgebirge» (Lpz. 1892). Geschlossenere Komposition zeigen die kleinern «EpischenDichtungen» (Berl. 1862),
namentlich
«Herun und Habakuk» und «Andreas und
Mafa» (in der Spenser-Stanze). Sehr thätig war Bodenstedt späterhin in der Prosaerzählung.
Hier sind zu nennen: «Kleinere Erzählungen» (Münch. 1863),
die eigene Erlebnisse verwerten, und eine
Reihe von Romanen und Novellen, z. B. «Vom Hof
[* 34] Elisabeths und Jakobs» (2 Bde., Jena 1871; 4. Aufl. 1882),
«Aus deutschen Gauen»
(2 Bde., ebd. 1871; 4. Aufl. 1882),
«Die letzten Falkenburger» (2. Aufl., Berl. 1887),
«Eine Mönchsliebe. Das Mädchen von Liebenstein» (2. Aufl.,
ebd. 1887),
«Lady Penelope» (2. Aufl., ebd. 1887),
«Feona. Ein Mißverständnis» (2. Aufl., ebd.
1889),
«Thamar und ihr Kind. Die geheimnisvolle Sängerin. Oheim und Neffe» (ebd. 1889); eine Sammlung mehrerer davon u. d. T.:
«Erzählungen und Romane» (7 Bde., Jena 1871 - 72; 2. bez. 3. Aufl. 1874 - 78). Formvollendet und sinnvoll sind sie fast alle,
doch ohne hervorstechende Eigenart und in der Erfindung unbedeutend. Noch weniger war Bodenstedt für das Drama beanlagt. Die Tragödie
«Demetrius» (Berl. 1856),
«KaiserPaul» und «Wandlungen»
(zusammen als «Theater», ebd. 1876) und «Alexander in Korinth»
[* 35] (Hannov. 1876; neu bearbeitet Lpz. 1883) ermangeln
trotz dichterischer Schönheiten des bühnenmäßigen Zuschnitts, während er im Gelegenheitsstück eher den richtigen Ton
traf. Gewandtheit und Vornehmheit des Stils und der Form wahrte Bodenstedt jederzeit trotz seiner großen Fruchtbarkeit,
wie bilden einen Hauptzug seines Wesens, wie es auch aus seinen Memoirenwerken hervortritt («Aus
meinem Leben. Erinnerungsblätter, Bd. I: Eines Königs Reise. Erinnerungsblätter an König Max», Lpz. 1879; 3. Aufl. als «Eine
Königsreise», 1883; «Erinnerungen aus meinem Leben», Bd. 1 u. 2, Berl. 1888 - 90). B.s «Gesammelte
Schriften» (12 Bde., ebd. 1865 - 69; neue Ausg.
1892) umfassen nur einen Teil der Werke. -
Vgl. Friedrich von Bodenstedt. Ein Dichterleben in seinen Briefen (1850 - 92), hg. von Schenck
(Berl. 1893).