1742 Belohnungen von 10 bis 50 Pfd. St. denjenigen zugesichert, durch deren Zeugnis
Straßenräuber, Diebe und Falschmünzer
überführt würden. Bei gewissen Diebstählen, z. B.
Einbruch und Pferdediebstahl, sollte nach einem Gesetze von 1699 der,
welcher den Verbrecher ergriffen und zu seiner Überführung mitgewirkt hatte, außer 40 Pfd. St.
noch einCertifikat erhalten, wodurch er von den lästigen Kirchspieldiensten, z. B. als Armenaufseher,
Kirchenvorsteher, frei wurde.
Solche Freischeine
(Tyburn tickets, Galgenscheine) waren verkäuflich, weil sie sonst dem, der sie zum zweitenmal erhielt,
keinen weitern
Vorteil gewährt hätten, und galten in großen
Städten 250-300 Pfd. St. Die
Summe der bar gezahlten Blutgeld betrug 1798 fast
8000, 1813 sogar 18000 Pfd. St. Zahlreiche falsche
Anklagen waren die Folgen dieses
Systems, dem viele
Menschen als Opfer fielen.
Mittels Parlamentsakte von 1818 wurde das Blutgeld im allgemeinen abgeschafft, in Rücksicht auf Banknotenfälschungen
blieb es aber bestehen. (S. auch
Blutacker.)
(Hämaturie) nennt man denjenigen krankhaften Zustand, bei welchem flüssiges oder geronnenes, meist mit
Urin mehr oder weniger vermischtes
Blut aus der
Harnröhre entleert wird. Die
Quelle
[* 2] der
Blutung kann in den
Nieren, den
Harnleitern,
der
Blase oder der
Harnröhre liegen.
In den beiden ersten Fällen ist dasBlut in der Regel innig mit dem
Urin vermischt, sodaß derselbe gleichmäßig rot erscheint, während bei Blasenblutungen häufig größere Klumpen und
Blutgerinnsel, meist unter Blasenbeschwerden, entleert werden.
In der Regel kann man in dem entleerten
Harn das
Blut mit seinen einzelnen Formbestandteilen, insbesondere die roten
Blutkörperchen,
[* 3] durch das Mikroskop
[* 4] leicht nachweisen; nur mitunter findet sich im
Harn nur gelöster
Blutfarbstoff bei
gänzlicher
Abwesenheit von roten
Blutzellen, sodaß man zum Nachweis des ausgeschiedenen
Blutes sich der
Spektralanalyse
[* 5] bedienen
muß. Man pflegt diese Fälle, welche durch den Zerfall roter
Blutkörperchen im
Kreislauf
[* 6] selbst zu stande kommen, und deren
Ursachen noch nicht hinlänglich erforscht sind, als
Hämoglobinurie zu bezeichnen. Blutharnen entsteht bald durch
mechan. Verletzungen der
Nieren und der
Blase, wie durch starke Erschütterungen des Körpers, durch scharfkantige
Nieren- und
Blasensteine, durch scharfe
Instrumente, z. B. bei der
Steinzertrümmerung u. s. w., bald durch den zufälligen oder absichtlichen
Gebrauch gewisser
Mittel, welche einen hohen Reizzustand derNieren- und Blasenschleimhaut herbeiführen,
wie der Kanthariden, des
Terpentinöls u.a., bald durch geschwürige Zerstörung der Blasenschleimhaut infolge von chronischem
Katarrh,
Krebs
[* 7] oder
Tuberkulose, endlich bisweilen durch leichte Zerreißlichkeit der
Gefäße bei
Brightscher Krankheit, Skorbut,
Bluterkrankheit,
Typhus u. s. w.
In denTropen
(Ägypten,
[* 8] Innerafrika,
Kap der Guten Hoffnung) kommt auch eine endemische Form
der
Hämaturie vor, bedingt durch einen kleinen, im menschlichen Körper schmarotzenden Saugwurm, Distoma haematobium, der
seine
Eier
[* 9] in den
Harnwegen ablegt und dadurch Gefäßverstopfungen, kapillare
Blutungen und
Geschwüre der Schleimhaut erzeugt.
Selten bringt das Blutharnen augenblickliche Gefahr, ist aber zuweilen ein sehr hartnäckiges
Leiden,
[* 10] welches allmählich die
Kräfte
desKranken erschöpft. Die Behandlung, welche sich nach der Grundursache richten muß, besteht bei stärkern
Blutungen in ruhiger horizontaler Lagerung, milder Diät, Eiswasserumschlägen auf den Leib, unter Umständen Einspritzungen
von kaltem Wasser in die
Blase und der innerlichen Darreichung von
Ergotin und adstringierenden
Mitteln.
der Rinder,
[* 11] auch Rotharnen,
Röten, Weideseuche, Weiderot genannt, besteht in der Entleerung
eines rot gefärbten
Urins neben Steifheit der Nachhand und größerer Empfindlichkeit der Hinterhand. Als
Ursachen gelten
scharfe, giftige, mit der Nahrung aufgenommene
Stoffe
(Giftpflanzen),
[* 12] ferner pilzbesetztes Futter (faulende Schlempe, faule
Rüben), endlich Erkältung wie bei der
Harnwinde (s. d.) des
Pferdes. Nach neuern Forschungen scheint dem
seuchenartigen ein specifischer Ansteckungsstoff zu
Grunde zu liegen. Die Behandlung hat vor allem Änderung des Futters herbeizuführen.
Das
Leiden selbst ist nach den einzelnen Erscheinungen zu behandeln.
Aug.Ed.Victor, Schriftsteller, geb. zu Zörbig, studierte
in
Halle
[* 13]
Theologie, leitete dann eine Privatschule und wohnte seit 1871 als Mitbearbeiter eines theol.
Lexikons in
Elberfeld.
[* 14] 1876-77 leitete er die «Krefelder
Zeitung», lebte dann in
Leipzig,
[* 15] wo er 1878-80 der Redaktion der
«Gartenlaube»
angehörte, und siedelte 1881 nach Freienwalde
a. d. O. über. Einen glücklichen Versuch, den alten Volkskinderreim weiter
zu bilden, machten B.s Begleitverse zu Bilderbüchern von O. Pletsck: «Unser Hausgärtchen» (1876),
«Stillvergnügt»
(1877),
«Guckaus» (1878) u. a.;
von J. Kleinmichel, «Im Flügelkleide» (1881)
und von F. Werckmeister,
«Jung Mieze» (1882).
Ferner schrieb er den
Text zu F.
Flinzers «Schelmenspiegel» (1876),
z. B. «Harte
Steine»; Sammelbände sind: «Lebensfrühling» (1885),
«Zum Nachtisch» (1886),
«Der Weg zum
Glück» (1888). Fruchtbar und erfolgreich
war Blüthgen als Novellist; er veröffentlichte u. a. «Bunte
Novellen» (2 Bde., 1880; 2. Aufl., 1 Bd.,
1887),
«Die Stiefschwester» (1887). Die gewandte
Erzählung «Der
Preuße» (1884; 3. Aufl. 1886) nähert sich schon mehr dem
Roman, der durch «Aus gärender Zeit» (1877
in der
«Gartenlaube»; völlig umgearbeitet, 2 Bde., 1884)
trefflich vertreten ist. Insbesondere ist Blüthgen für Stimmungsmalerei begabt, die auch seine formgewandten lyrischen
«Gedichte» (1881) auszeichnet.
Jul. Ferd., Pianofortebauer, geb. zu
Falkenhain im Regierungsbezirk Merseburg,
[* 18] begründete 1853 mit 3
Arbeitern in
Leipzig eine Pianofortefabrik,
die er zu einer der bedeutendsten Europas erhob (Firma: «Kgl. Sächs.
Hof-Pianofortefabrik Julius Blüthner»). Die Fabrikräume
wurden von Jahr zu Jahr erweitert, sodaß das Etablissement nun ein ganzes Straßenviertel von 24 250 qm bildet und, bei
¶
mehr
ausgedehntestem Dampfbetrieb, 600 Arbeiter beschäftigt. Jährlich vollendet werden ungefähr 3000 Flügel und Pianinos je
zur Hälfte, 1891 waren im ganzen 35000 Instrumente geliefert. Die Fabrik exportiert nach allen Weltgegenden und ist an allen
bedeutenden Plätzen vertreten. Blüthner, dessen Instrumente sich durch edlen Ton und sorgfältige Arbeit auszeichnen, hat mannigfache
Verbesserungen erreicht; 1856 erhielt er eine neue Repetitionsmechanik patentiert; berühmt sind namentlich
seine sog. Aliquotflügel, bei denen zu jedem Ton ein in der höhern Oktave gestimmter ChorSaiten sympathetisch mitklingt. Mit
H. Gretschel gab ein «Lehrbuch des Pianofortebaues in seiner Geschichte, Technik und Theorie» (Lpz. 1872; 2. Aufl., Weim.
1886) heraus.