mehr
oben auf Menschen und Tiere herabfallen lassen, gewisse Gegenden geradezu unpassierbar machen.
Die Blutegel [* 2] teilt man in die bereits genannten beiden Unterordnungen. Zu den Kieferegeln gehören vor allen die medizinischen Blutegel (s. unten); ferner der in Deutschland [* 3] lebende, von Schnecken [* 4] sich nährende und fälschlich Pferdeegel genannte Aulastomum (Aulacostomum gulo Moq. Tand.), sowie der mehr in Südeuropa und Nordafrika heimische Haemopis vorax Moq. Tand., der, von Menschen oder Tieren mit dem Trinkwasser verschluckt, sich im Schlunde festbeißt und bösartige Zustände veranlassen kann. Die Rüsselegel sind kleinere Formen; es gehört hierher u. a. die in unsern Tümpeln und Lachen häufige Clepsine; eine mexik. Gattung (Haementaria) dient auch zu mediz. Zwecken, ihr Biß soll mitunter nachteilige Folgen haben.
Der medizinische Blutegel findet sich in zwei nicht scharf voneinander geschiedenen Abarten; einer mehr nördlichen, dem deutschen Blutegel (Hirudo medicinalis L., s. Tafel: Würmer, [* 5] Fig. 21) mit sechs rostfarbenen, teilweise schwarzgefleckten Längslinien auf dem Rücken, sowie mit schwarzgeflecktem Bauche, und einer südlichern Form, dem ungarischen Blutegel (Hirudo officinalis Sav.) mit grünem, rot oder braun gesäumtem Mittelstreifen und unterbrochenen, roten oder braunen bis schwarzen Seitenstreifen über den Rücken und einfarbig grünlich gelbem Bauche. Er kann sich bis 20 cm lang ausdehnen lassen, die Zahl der Ringel beträgt bis 100; die Zähnchen der Kiefer sind sehr fein und sehr zahlreich, sodaß die Bißwunde scharfe Ränder bekommt und leicht zuheilt.
Die Cocons von der Größe einer Haselnuß werden mit gewöhnlich 10-15 (0,15 mm großen) Eiern in feuchter Erde vom Mai bis in den Juli abgelegt; im Juli und August kriechen die jungen Würmer hervor; sie besitzen schon ganz die Körperform der Eltern, nähren sich aber zunächst von den Körpersaften kaltblütiger Tiere. Erst gegen die Zeit der Geschlechtsreife hin, die zwischen dem dritten und fünften Jahre eintritt, bedürfen sie des Blutes von Warmblütern und sind dann zum mediz. Gebrauche tauglich. Sie können 12-20 J. alt werden.
Man verwendet die Blutegel zu lokaler Blutentziehung aus den Kapillargefäßen der Haut, [* 6] wo Blutentziehungen anderer Art nicht möglich sein würden, so bei Entzündungen aller Art, bei Quetschungen, Kongestionen u. s. w. Soll ein Blutegel angesetzt werden, so wird der Wurm in einem leeren Weinglase über die betreffende, vorher sorgfältig gereinigte und eventuell mit etwas Milch, Blut u. s. w. befeuchtete Stelle gestürzt; am Zahnfleisch, der Zunge u. s. w. bedient man sich zur sichern Führung auch kleiner Glascylinder u. dgl. Das Quantum Blut, das ein Blutegel aufzunehmen im stande ist, beträgt bei einem jungen etwa das 4,5fache, bei einem alten nur das 3,5fache des Eigengewichtes; zur Verdauung dieser Massen brauchen die Tiere durchschnittlich ½ Jahr, während welcher Zeit sie natürlich nicht von neuem anbeißen.
Vollgesogen, lassen sie von selbst los und fallen ab; soll die Blutentziehung vorher abgebrochen werden, so ziehe man den Wurm nicht gewaltsam ab, sondern bestreue ihn mit Salz, [* 7] Tabaksasche oder dergl., worauf er losläßt. Die Nachblutung wird, falls sie nicht künstlich weiter erhalten werden soll, gewöhnlich durch Aufdrücken von Schwamm zu stillen gesucht. Um die vollgesogenen Blutegel möglichst bald wieder zum Gebrauche tauglich zu machen, entzieht man ihnen das genossene Blut durch Einlegen in eine schwache Salzlösung, oder gewaltsames Auspressen. In diesem Falle sind sie schon nach wenigen Wochen wieder verwendbar.
Die Anwendung der Blutegel erreichte in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrh. ihre größte Ausdehnung; [* 8] 1829-36 sollen allein in den Pariser Hospitälern jährlich 5-6 Mill. Blutegel, die an 1 500000 Frs. kosteten und gegen 85000 kg Blut jährlich genossen, verbraucht worden sein. Daneben hatte man noch besonders erfundene Instrumente (Bdellometer oder künstliche Blutegel, s. d.) in Gebrauch, die bei der Blutentziehung die Blutegel ersetzen sollten. Da aber trotzdem der großen Nachfrage auf gewöhnlichem Wege nicht zu genügen war, so wurde bald die künstliche Blutegelzucht (s. d.) in Deutschland, Frankreich, England u. s. w. ein lohnender Berufszweig, der Blutegel selbst ein wichtiger Handelsartikel. Deutschland allein führte jährlich mehrere Millionen aus, und zwar teils künstlich im Lande gezogene, teils von Rußland, Ungarn [* 9] u. s. w. eingeführte. Seitdem jedoch die Blutentziehung infolge der neuern wissenschaftlichen Anschauungen ihre frühere Bedeutung in der Heilkunde verloren hat, ist auch die Anwendung der Blutegel beschränkt worden und der Handel damit gesunken. -
Vgl. Scheel, Der medizinische Blutegel (2. Aufl., Bresl. 1844);
Otto, Der medizinische Blutegel (Weim. 1835);
Ebrard, Nouvelle monographie des sangsues (Par. 1857);
Rathke, Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Hirudineen (Lpz. 1862).