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Extrakts während der Hauptgärung, nach der Saccharimeteranzeige vor und nach derselben, in Alkohol und Kohlensäure zerlegt wurden, beträgt für vollmundige Biere 50-55 Proz., für weinige Biere 60-75 Proz. Beispiel: Angenommen, die Konzentration der Würze beim Einleiten der Gärung durch Zugabe von Hefe [* 2] betrug 14,0 Proz., die Saccharimeteranzeige beim Fassen 7,0 Proz.;
während der Hauptgärung wurden also in Alkohol und Kohlensäure zerlegt 14,0-7,0 = 7,0 Proz., also 14,0:100 = 7,0:x; x = 50,0 Proz. scheinbarer Vergärungsgrad.
Der wirkliche Vergärungsgrad ist die Prozentangabe des thatsächlich vergorenen Extrakts, der nicht aus der Saccharimeteranzeige des Biers, sondern aus der des von Alkohol befreiten Biers ermittelt werden kann. Der Vergärungsgrad wird beeinflußt durch die Hefenrasse und durch den Charakter des Malzes und andere Ursachen (s. Attenuation). Ist das Bier zum Fassen (Schlauchen) reif, so entfernt man durch Abheben die braune Decke [* 3] des Biers und zapft den Bottich an einer oberhalb der Hefenschicht befindlichen Öffnung an. Das Bier fließt durch Schläuche entweder direkt in den unterhalb des Gärkellers befindlichen Lagerkeller oder wird dahin gepumpt.
Ist der Lagerkeller weiter entfernt, so wird das Bier mittels sog. Fuhrfässer transportiert. Nachdem das Bier vollständig abgelaufen ist, wird die Hefe entfernt. Dieselbe lagert in drei Schichten auf dem Boden des Bottichs; die obere Schicht besteht aus leichten Hefen und Mikroorganismen sowie den während der Gärung ausgeschiedenen Substanzen, die mittlere aus den gut entwickelten Hefezellen, die untere aus mechan. Verunreinigungen und Gelägerbestandteilen der Bierwürze.
Zur Weiterverwendung, d. h. zum Anstellen neuer Gärungen wird nur die beste Hefe, also von der mittlern Schicht genommen, während die Hefe der beiden andern Schichten zur Verwendung in Brennereien z. B., als Abfallhefe verkauft wird. Die Bierhefe (der Satz) wird mit Wasser gewaschen und nach zweimaligem Wechsel des Wassers in hölzernen oder eisernen Wannen unter Wasser aufbewahrt, jedoch selten in flüssigem Zustande länger als 24 Stunden. Gepreßt und unter Luftabschluß an einem kühlen Orte aufbewahrt, kann Hefe längere Zeit hindurch konserviert werden.
Auch durch Gefrieren läßt sich dieselbe zweckmäßig konservieren. Die Hefe vermehrt sich während einer Gärungsperiode um das 10-20fache, sie soll beim Fassen des Biers auf dem Boden des Gärbottichs fest abgelagert sein. Dieselbe Hefe kann verschieden oft (gewöhnlich 10-15mal) angestellt (geführt) werden. Die Ursache des Unbrauchbarwerdens, des Degenerierens der Hefe, liegt besonders in der Verunreinigung der Würze und Hefe durch Bakterien und wilde Saccharomycesformen.
IV. Aufbewahrung und Behandlung des Biers. Das Bier, welches von den Gärbottichen abgezogen wird, heißt Grün- oder Jungbier. Dasselbe wird in dem Lagerkeller auf Fässer geschlaucht, in welchen es eine ruhige Gärung, die Nachgärung, durchmacht. Hierbei klärt sich das Bier durch Absetzen der Hefe. Bei der niedrigen Kellertemperatur wird die stetig langsam entwickelte Kohlensäure vom Bier gebunden. Das Bier reichert sich immer mehr mit Kohlensäure an. Biere mit einer Lagerdauer von 3 bis 6 Wochen heißen Schank-, Abzug-, Winterbiere, solche mit mehrmonatiger Lagerung Lager- oder Sommerbiere.
Die Winterbiere werden meist grün, die Lagerbiere lauter gefaßt; erstere lagern bei einer Temperatur von 2,5 bis 5° C., letztere bei einer solchen von 0,6 bis 1,9° C. Das Schankbier wird auf gepichte, d. h. mit Pech ausgekleidete Fässer von 10 bis 25 hl Inhalt verteilt, welche, damit die Klärung nicht allzusehr verzögert werde, nach mehrern Tagen bereits voll gemacht werden. An dem Spundloche der Fässer wird sich bald, nach 12-48 Stunden, eine Schaumhaube zeigen, die umso größer wird, je lebhafter die Nachgärung verläuft.
Nach einigen Tagen färbt sich die Schaumhaube dunkler und fällt mit dem Nachlassen der Gärung ganz zurück. Mit dem Zurückfallen der Haube soll das Bier klar und trinkbar sein. Hat es jedoch die erwünschte Reinheit noch nicht erreicht, so füllt man die Fässer mit Bier oder reinem Wasser ein bis zweimal nach, worauf wieder eine kleine Schaumhaube sichtbar wird. Die Klärung des Biers wird beschleunigt durch Zugabe von Spänen. Dieselben werden aus Haselnuß- oder Buchenholz gefertigt und etwa 40 cm lang, 5 cm breit, 2 mm dick geschnitten.
Vor ihrer Verwendung werden die Späne tüchtig ausgekocht und in kaltem Wasser ausgewaschen. Die Späne sind ein mechan. Klärmittel, denn sie nehmen auf ihrer Oberfläche die in dem Biere suspendierten festen Bestandteile wie Hefe, Hopfenharz u. s. w. auf. Außer den Klarspänen ist noch Hausenblase zur Klärung in Verwendung. Soll das Bier zum Verbrauche kommen, so schließt man gewöhnlich die Fässer, damit sich die entwickelnde Kohlensäure ansammle und das Bier schäumend werde, Mousseux erhalte, was man Spunden nennt. Man treibt zu dem Zwecke einen aus weichem Holz [* 4] gefertigten und mit Hanf umwickelten Spund in das Spundloch des Fasses, wodurch ein vollständig hermetischer Verschluß hergestellt wird. Die Dauer des Spundens richtet sich nach dem Zustande der mehr oder weniger starken Nachgärung und der Temperatur des Lagerkellers. Dieselbe schwankt zwischen 8-20 Tage. - Das Lagerbier wird auf Fässer von 30 bis 60 hl Inhalt verteilt. Um die Nachgärung für die mehrmonatige Lagerdauer möglichst in die Länge zu ziehen, und um ein in der Farbe und dem Geschmacke stets gleichmäßiges Produkt zu erhalten, werden die einzelnen Fässer sehr langsam eingeschlaucht, in der Weise nämlich, daß z. B. alle 8 Tage ein bestimmtes Quantum Bier auf jedes Faß [* 5] kommt.
Das gänzliche Vollfüllen der Fässer erfolgt erst dann, wenn die erste Periode der Nachgärung beendet ist. Über die Klärung und das Spunden des Lagerbiers gilt das bei Behandlung des Winterbiers Erwähnte. Ist das Bier zum Verkaufe reif, so wird es auf die sog. Transportfässer gefüllt (abgezogen). Die Haltbarkeit und der Wohlgeschmack des Biers hängt von der Hefereinheit und guten Beschaffenheit der ursprünglichen Würze ab. Bei längerer Aufbewahrung oder Transport des Biers ist indes die Haltbarkeit eine begrenzte und verringert sich besonders dann, wenn das Bier höhern und wechselnden Temperaturen ausgesetzt wird, weil auch in völlig klarem Biere noch Gärungserreger vorhanden sind, die nur einer Anregung bedürfen, um sich zu vermehren und Trübung und Absatz zu bilden. Um diese Einflüsse zu vermeiden wird das Bier auch auf dem Transport bei möglichst niedrigen Temperaturen erhalten und zu diesem Zweck in besondere Wagen, Biertransportwagen, untergebracht, die im Sommer mit Eis [* 6] gekühlt werden. Man lagert das Bier bis zum Konsum ferner in Eiskellern. Auch zu große Kälte kann der Klarheit ¶
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eines Biers (durch Ausscheidung der in der Kälte weniger löslichen Extraktbestandteile: Eiweiß-, Stärketrübung) schaden, weshalb man im Winter Wärmvorrichtungen in den Bierwagen anbringt.
Der Bierkonsument stellt hohe Anforderungen nicht nur an den Geschmack, sondern auch an die Farbe und Klarheit. Diesen Anforderungen läßt sich nicht immer sicher entsprechen, weil das Bier eine hochkomplizierte Substanz und den verschiedensten Veränderungen zugänglich ist. Ein allen Ansprüchen vollkommen entsprechendes Bier kann durch etwas geringere Klarheit einem weniger normalen, aber «glanzfeinen» Biere hintangesetzt werden, was die Brauer zwang, zu künstlichen Mitteln zu greifen, indem sie das Bier beim Abziehen durch zweckmäßige Filter drücken, wodurch trübende Bestandteile zurückgehalten werden.
Wie im Faß, so ist auch Bier auf Flaschen nur begrenzt haltbar. Um es längere Zeit unverändert zu erhalten, wird dasselbe in den verschlossenen Flaschen einer höhern Temperatur, 50-70° C., ausgesetzt. Man nennt dieses Verfahren das Pasteurisieren (s. d.), weil Pasteur es zuerst zur Haltbarmachung von Wein angewendet hat. Beim Pasteurisieren wird zunächst die Hefe, deren Tötungstemperatur bei etwa 60° C. liegt, entweder getötet oder wenigstens geschädigt und damit jede weitere Nachgärung aufgehalten, desgleichen werden andere organisierte Verunreinigungen abgetötet oder geschwächt. Zum Pasteurisieren des Biers bedient man sich besonderer Apparate, und man ist in jüngster Zeit bestrebt, das Verfahren auch für Faßbier in größern Mengen möglich zu machen.
Obergäriges Bier wird bei höherer Temperatur in viel kürzerer Zeit zur Vergärung gebracht. Die starken engl. Biere werden durch Obergärung erzeugt, desgleichen in Belgien, [* 8] Frankreich, Holland und andern Ländern die leichtern gewöhnlichen Biersorten. Sog. Weißbier wird aus Weizenmalz mit oder ohne Zusatz von Gerstenmalz bereitet, daher man es auch an manchen Orten als Weizenbier bezeichnet. Manche Biere werden durch Selbstgärung erzeugt, wie das Lambic der Belgier.
Die Würze wird der Luft ausgesetzt und durch die aus derselben hereinfallenden Keime allmählich zur Gärung gebracht. Solche Gärung dauert oft jahrelang. Da die im Malz enthaltene Diastase weit mehr Stärkemehl, als im Malz selbst enthalten ist, in Maltose und Dextrin überzuführen vermag, so wird in Ländern, in welchen es gestattet ist, in ausgedehntem Maße von stärkehaltigen Surrogaten Gebrauch gemacht, d. h. von solchen Stoffen, welche als Ersatz für Malz gelten können.
Hierauf beruht die sog. Rohfruchtbrauerei, bei welcher ein Teil des Gerstenmalzes durch ungemalztes Getreide [* 9] (Gerste, [* 10] Reis, Mais u. s. w.) ersetzt wird. Auch Zucker, [* 11] und zwar Rohr- und Stärkezucker, Sirup u. s. w., finden Anwendung. In Bayern [* 12] ist jedweder Zusatz von Surrogaten durch ein Gesetz verboten; als Materialien dürfen nur verwendet werden, Wasser, Malz, Hopfen [* 13] und Hefe. Im deutschen Brausteuergebiet, in Württemberg, [* 14] Baden [* 15] ist die Verwendung von Reis, Zucker u. s. w. erlaubt. Um das Bier dunkler zu färben, wird in den bierbrauenden Ländern entweder sog. Farbmalz verwendet, ein durch Röstung wie Kaffee gebranntes Malz, oder, wo es das Gesetz gestattet, Biercouleur, eine hauptsächlich aus Karamel bestehende und aus Zucker gewonnene stark färbende dicke Flüssigkeit.
Bier Biersorten und Analysen. Als Haupttypen der nach dem Dekoktionsverfahren hergestellten untergärigen Biere gelten:
1) das Münchener Bier (Bock-, Märzen-, Salvatorbier, Tafelbier);
2) das Wiener Bier (Märzen- und Abzugsbier);
3) das böhmische oder Pilsener Bier.
Durch Obergärung erzeugte Biertypen sind 1) die Weißbiere: Münchener, Kehlheimer, Berliner; [* 16]
2) die engl. Biere: Ale, Porter, Stout;
3) die belg. Biere: Lambic, Faro, Mars. [* 17]
Während früher die Güte des Biers von sachkundigen Bierbeschauern oder Bierkiesern mittels Zungenprobe geprüft wurde, bedient man sich heute allgemein der chem. Analyse, welche die genaue Ermittelung des Gehaltes an Extrakt, Alkohol u. s. w. sowie den Nachweis unerlaubter Zusätze, wie Hopfensurrogate, ehem. Klär- und Konservierungsmittel u. s. w., ermöglicht. Eine gewöhnliche Handelsanalyse kostet 10-20 M. und bezieht sich auf die Bestimmung von spec. Gewicht, Alkohol, Asche, Extrakt, Phosphorsäure und Salicylsäure (letztere qualitativ) sowie auf den daraus berechneten Extraktgehalt der Stammwürze und den Vergärungsgrad. Die Einzelbestimmungen von Alkohol, Asche, Extrakt, Säure, spec. Gewicht kosten je 2-3 M. In folgendem sind für die bekanntesten Biersorten Alkoholgehalt, Extraktgehalt und Konzentration der Stammwürze angegeben.
Biersorten | Alkohol Gewichts-Proz. | Extrakt Proz. | Konzentration der Stammwürze Proz. | |
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Münchener Lagerbier | 3,9 | 7,1 | 14,5 | |
" Winterbier | 3,3 | 7,2 | 13,6 | |
" Hofbräuhaus-Bock | 4,7 | 11,3 | 19,9 | |
" Zacherl-, Salvator | 4,6 | 10,1 | 18,8 | |
Wiener Sommerbier | 3,7 | 5,7 | 13,2 | |
" Winterbier | 2,9 | 4,4 | 10,4 | |
Böhmisches Lagerbier | 3,4 | 5,45 | 12,4 | |
Ale | 4,9 | 6,0 | 15,4 | |
Porter | 5,3 | 7,6 | 17,6 | |
Lambic | 6,4 | 4,5 | 16,5 | |
Faro | 4,3 | 5,1 | 13,4 | |
Münchener Weißbier | 3,7 | 5,7 | 12,9 | |
Berliner | " | 2,8 | 4,2 | 9,6 |
Reisbier | 4,0 | 6,8 | 14,5 |
C. Bierproduktion und Bierkonsumtion im ganzen und pro Kopf der Bevölkerung. [* 18]
Jahre | Produktion 1000 hl | Konsumtion 1000 hl | Konsum pro Kopf der Bevölkerung |
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I. Deutsches Reich. | |||
1) Brausteuergebiet. | |||
1891/92 | 32632 | 34237 | 87,9 |
1892/93 | 33171 | 34943 | 88,7 |
1893/94 | 34385 | 36284 | 91,1 |
2) Königreich Bayern. | |||
1891 | 14490 | 12340 | 219,4 |
1892 | 15104 | 12852 | 227,3 |
1893 | 15025 | 12689 | 222,6 |
3) Königreich Württemberg. | |||
1891/92 | 3454 | 3472 | 169,9 |
1892/93 | 3749 | 3777 | 182,2 |
1893/94 | 3478 | 3514 | 171,1 |
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