Besonders in
Frankreich, wo im 16. Jahrh. unter den Katholiken die Löwener Bibel (1557, eine
Revision der
Übersetzung des Faber Stapulensis durch die Theologen von Löwen)
[* 8] beliebt gewesen war, erhoben sich während
des 17. Jahrh. über die Bibelübersetzung der Jansenisten (s. d.),
aber auch über die des freisinnigen Theologen Richard
Simon, große Streitigkeiten. Erstere wurde vom
Papste verdammt. Die neueste franz.
Übersetzung aus dem Urtext ist die von Ledrain (seit 1886, bis jetzt 7 Bde.).
In
Deutschland
[* 9] tauchten im 17., 18., 19. Jahrh. immer neue kath.
Bibelübersetzungen auf, die aber für die
Kirche stets Privatunternehmungen blieben, obwohl sie sich
auf die
Vulgata als die authentische Kirchenbibel gründeten (von Ulenberg, Köln
[* 10] 1630; den Mainzer
Jesuiten 1661; den
Benediktinern
von
Ettenheim-Münster 1751; von Kistemaker 1825;
Allioli [s. d.]; Reinhard 1878 u. a.).
Auch auf deutsch-protestantischer Seite hat es
bis in die neueste Zeit an Übersetzungsunternehmungen nicht gefehlt, ohne
daß das Ansehen der Lutherbibel je erschüttert worden wäre (vgl. Wilibald
Grimm, Kurzgefaßte Geschichte der luth. Bibelübersetzung
bis zur Gegenwart,
Jena
[* 11] 1884); am wenigsten gelang dies einseitigen religiösen
Richtungen, wie der pietistischen mit der
Berleburger Bibel
(s. d.), der Zinzendorfschen Bibel
(Büdingen 1739), oder der aufklärerischen mit der Wertheimer (1734) und
der Bahrdtschen (1773)
Übersetzung.
Unter den neuesten vom Standpunkte der fortgeschrittenen philol.-theol. Wissenschaft unternommenen Bibelübersetzungen ragen
besonders hervor die von
De Wette (Heidelb. 1832; 4. Aufl., Freib. i. Br.
1886), das
Neue Testament von
Weizsäcker (Tüb. 1875; 7. Aufl., Freib. i. Br.
1894), die in
Verbindung mit mehrern Gelehrten von
Kautzsch herausgegebene
Übersetzung des Alten
Testaments
(Freib. i. Br. 1890-94) und das
Alte Testament, übersetzt, eingeleitet und erläutert von Ed. Reuß,
[* 12] hg. von Erichson und
Horst (7 Bde., Braunschw. 1892-94).
Bunsens«Bibelwerk» (beendet von Holtzmann, 9 Bde., Lpz.
1858-70) legt gleichfalls den Urtext zu
Grunde, doch mit vielfältiger Berücksichtigung des luth.
Textes. Die
«Deutsche Protestantenbibel»
[* 13] (Lpz. 1873; 3. Aufl. 1879) giebt das
Neue Testament im Luthertexte mit erklärenden Anmerkungen, unter
die auch die erwünschten Übersetzungsverbesserungen
aufgenommen sind.
Vereine zur Beschaffung billiger
Bibeln und zu deren
Verbreitung. Von ältern
Versuchen abgesehen, nimmt die
Britische und Ausländische Bibelgesellschaft, begründet 1804, den ersten Platz ein, sowohl
durch die Großartigkeit ihrer Erfolge als auch durch ihre Weitherzigkeit. Sie gewährte Dissidenten aller Art den Zutritt
und nahm jeden als Mitglied auf, der ihren Zweck durch Jahresbeiträge oder sonstwie förderte. Sie wuchs
rasch zu großer Bedeutung heran; zahlreiche Hilfsvereine und Zweiggesellschaften bildeten sich in England; auch Frauenvereine
traten hinzu. So steigerten sich die Einnahmen von 15000 M. im ersten Jahre bis auf 5 Mill. M. 1890. Sie ließ auf ihre Kosten
Übersetzungen in die verschiedensten
Sprachen und Dialekte anfertigen und druckt gegenwärtig die
Bibel
in 300
Sprachen.
Sie erstreckt ihren Wirkungskreis auf alle
Länder der Erde, sendet
Agenten und
Kolporteure von Kalkutta
[* 16] aus nach
Asien,
[* 17] von
Malta aus nach
Afrika
[* 18] und
Spanien, und gründete
Stationen in allen
Städten Europas. Seit ihrem Bestehen bis 1892 hat sie über 131 Mill.
Bibeln,
Testamente und
Teile verbreitet, 1892-93 4049756
Bände bei einer
Ausgabe von 4419133,67 M. Auch hat
sie die neu entstehenden Bibelgesellschaften anderer
Länder mit
Geld,
Pressen, Lettern oder Lieferung billiger Bibelausgaben unterstützt.
Ähnliche
Vereine traten in allen prot.
Ländern hervor, in
Württemberg
[* 19] 1813, in den
Niederlanden,
Schweden
[* 20] und
Dänemark
[* 21] 1814,
in
Amerika 1816 u. s. w. Selbst in
Rußland wurde 1812 eine Bibelgesellschaft begründet, welche in kurzer
Zeit die
Bibel in 17
Sprachen neu übersetzen und in 30 drucken ließ, aber 1826 verboten wurde; eine neue seit 1869 bestehende
solche Gesellschaft veranstaltet selbst keine Bibelausgaben, sondern verbreitet nur die
Ausgaben des
HeiligenSynod
durch
Agenten und
Kolporteure (bis 1889 1 ¼ Mill. Exemplare).
Außerdem besteht eine
Evangelische Bibelgesellschaft in
Rußland (seit 1831) mit dem Sitz in
Petersburg
[* 22] und zahlreichen Hilfsgesellschaften
im
Lande außer
Finland, das eine besondere Bibelgesellschaft hat. Die zu Neuyork
[* 23] gestiftete Bibelgesellschaft sorgt auch für
den Druck von
Bibeln in den Indianersprachen und in den
Sprachen aller
Länder, in denen amerik. Missionare
wirken, außerdem für
Blinde. In
Frankreich entstanden 1815 die
Straßburger, 1818 die
Pariser Bibelgesellschaft;
An der Spitze dieser steht die preuß. Hauptbibelgesellschaft in Berlin
[* 31] seit 1814, der schon 8 Jahre früher eine Berliner
[* 32] Bibelgesellschaft
vorangegangen war. Sie hatte 1893 eine Jahreseinnahme von 254374 M. und einen Umsatz an heiligen Schriften
von über 136000 Exemplaren; seit ihrem Bestehen hat sie 2184866 Bibeln und 554968 NeueTestamente verbreitet. An zahlreichen
Orten bestehen Tochtergesellschaften, die im Interesse der Hauptbibelgesellschaften arbeiten.
seit 1831 sind im ganzen 1060321
biblische Bücher verteilt worden, und zwar in luth.-deutscher, kath., poln.
und litauischer Übersetzung.
Die deutschen Bibelgesellschaften vereinigten sich 1887 zu einem Verbande, grenzten ihre Arbeitsgebiete ab, verabredeten
gemeinsame Bibelausgaben und einheitliche Verkaufspreise und verständigten sich über die Verbreitung derBibel im deutschen
Heere und in der Marine sowie unter den Deutschen im Auslande.
In den J. 1825-27 entbrannte im Schoße der engl. Bibelgesellschaft der Apokryphenstreit. Die Frage, ob die Apokryphen (s. d.
und Bibel) würdig seien, mit den kanonischen Schriften gedruckt und verbreitet zu werden, wie dies nach dem Vorgange Luthers
in Deutschland verlangt und geübt wird, wurde in England meist verneint. Nach langen Verhandlungen
ließ die engl. Bibelgesellschaft die Apokryphen weg und entzog den Gesellschaften, welche die Apokryphen verbreiten, ihre
Unterstützung, während die Bibelgesellschaften auf dem Kontinent sich von der britischen ablösten. In neuerer Zeit
beginnt die letztere sich ganz aus Deutschland zurückzuziehen. Die nach langjähriger Arbeit fertig gestellte
Revision der luth. Übersetzung ist von einer Anzahl Bibelgesellschaften, wie von der preußischen und württembergischen, angenommen
worden.