Bewußtseins, welche dem gesunden
Menschen im völlig wachen Zustand zukommt und sich kundgiebt in der Fähigkeit, richtige
Vorstellungen von der Außenwelt zu bilden, innere Vorgänge
(Gedanken, Gefühle u. s. w.) als solche zu erkennen und willkürlich
die
Aufmerksamkeit innern oder äußern Vorgängen zuzuwenden. Während der gewöhnliche Sprachgebrauch unter Bewußtlosigkeit im
wesentlichen Zustände versteht, wo keinerlei Zeichen von Wahrnehmung äußerer Eindrücke, insbesondere
keine den Charakter der Willkür tragenden
Bewegungen und Handlungen vorhanden sind, wendet die mediz., besonders die gerichtliche
Psychologie diesen
Ausdruck auch an für Zustände, bei welchen noch Vorgänge im
Bewußtsein (Phantasievorstellungen, Gefühle,
Hallucinationen) stattfinden und sich in eventuell selbst komplizierten Handlungen äußern, bei
denen aber die Fähigkeit, sich eine richtige
Vorstellung von den jeweiligen innern und äußern Erlebnissen zu bilden, und
die
Kontrolle der
Gedanken durch äußere Wahrnehmungen aufgehoben ist und demnach die Fähigkeit zu freiem, zweckmäßigem
Handeln fehlt.
Das Prototyp der Bewußtlosigkeit im erstern
Sinn und gleichzeitig die einzige im normalen Leben vorkommende Form von
Bewußtlosigkeit ist der völlig traumlose tiefe Schlaf. Hier fehlt nach dem Erwachen jede
Erinnerung an innere
(Träume) oder äußere Vorgänge
während der Zeit des Schlafens, was das wesentlichste, aber keineswegs immer völlig zuverlässige
Merkmal für stattgehabte
Bewußtlosigkeit ist. Die zweite Form wird z. B. repräsentiert durch
den von lebhaften
Träumen beunruhigten Schlaf, in welchem den willkürlichen gleichende Handlungen (aus dem
Bett
[* 2] springen,
Nachtwandeln) ausgeführt werden können.
Ähnliche Zustände kommen vielfach vor bei krankhaften Zuständen des
Nervensystems, besonders des
Gehirns, als desjenigen
Organs, welches das Selbstbewußtsein vermittelt, z. B. bei
Entzündungen im Schädelinnern, bei
Epilepsie,
Hysterie, beiVergiftungen
durch im Körper entstandene
(Harn-, Gallenbestandteile) oder von außen einverleibte
Gifte, besonders
Narkotika,
Alkohol u. s. w.,
bei fieberhaften, insbesondere typhösen
Krankheiten, endlich auch schon bei Einwirkungen, welche heftigen
Schmerz
(Geburt)
oder hochgradige
Affekte (Schreck,
Angst) mit sich bringen.
Diese meist als Delirien bezeichneten Zustände beeinträchtigten Selbstbewußtseins, bei welchen nach dem Erwachen
(Genesen) die
Erinnerung völlig fehlt oder lückenhaft ist, gehen ohne scharfe Grenzen
[* 3] über in die Bewußtlosigkeit mit
Abwesenheit aller
Zeichen von Bewußtseinsvorgängen, welche sich bei Einwirkung der nämlichen Schädlichkeiten einstellen, sofern die letztern
eine höhere Intensität erreichen, wie nach Hirnerschütterung, bei hochgradiger
Blutarmut des Hirns, bei
Blutungen in demselben
u. dgl. Diese Form von Bewußtlosigkeit, welche von der klinischen
Medizin meist als Coma bezeichnet wird, findet sich auch als Teilerscheinung der gewöhnlichen
Ohnmacht. Eine besondere Modifikation
von Bewußtlosigkeit wird beim
Hypnotismus (s. d.) beobachtet. (S. auch
Ohnmacht, Scheintod,
Schlafsucht,
Delirium,
Schlaftrunkenheit,
Nachtwandeln,
Ekstase,
Betäubung,
Anästhesieren.)
der allgemeinste
Ausdruck für die
Thatsache, daß irgend etwas irgend jemand bewußt
ist. Das, was einem bewußt ist oder sein kann, heißt Bewußtseinsinhalt, das Bewußt-sein selbst oder die
Beziehung des
Bewußtseinsinhalts auf ein
Ich, welches dieses
Inhalts sich bewußt ist, wird, der sichern Unterscheidung halber, auch
wohl
durch das seltenere
Abstraktum «Bewußtheit» bezeichnet. DieBedingungen nachzuweisen, von denen es abhängt,
daß wir von irgend einer
Veränderung in unserm Organismus ein Bewußtsein haben, ist eine
Aufgabe der
Physiologie.
Für die
Philosophie enthält das Bewußtsein andere, schwerwiegende Probleme, hauptsächlich in zwei
Richtungen. Einerseits scheint
das Bewußtsein recht eigentlich die Subjektivität zu bedeuten. In dieser Hinsicht bezeichnet es
das Problem der
Psychologie; sie hat die
Aufgabe, den Befund des subjektiven Bewußtsein klar herauszustellen und auf seine letzten
subjektiven
Wurzeln (Empfindung oder Gefühl?) zurückzuführen. Die andere
Aufgabe ist dieser gewissermaßen entgegengesetzt:
das Bewußtsein bedeutet doch zugleich auch die Erkenntnis;
für diese aber ist die Erscheinung nicht mehr das schlechthin
Subjektive, sondern vielmehr Repräsentant des Objekts. Es entsteht also die
Aufgabe, zu zeigen, auf welchen Grundgesetzen
die Objektivierung der Erscheinungen (d. h. des ganzen, vorher bloß als subjektiv betrachteten
Inhalts des Bewußtsein) beruht.
Das ist die
Aufgabe der Erkenntnistheorie (s. d.), welche demnach mit der
Psychologie ihrem ganzen Gebiete
nach zusammenfällt, in der
Richtung ihrer Untersuchung aber ihr geradezu entgegengesetzt ist. Hat es
die
Psychologie mit der ganzen Mannigfaltigkeit der Bewußtseinserscheinungen zu thun, so ist der höchste Punkt, auf den
die Erkenntnistheorie zielt, vielmehr die Einheit des in der die Einheit des Gegenstandes und damit der Erkenntnis wurzelt.
Im Verhältnis zu ihr hat sie allen sonstigen
Inhalt des Bewußtsein zu erwägen, weil von diesen: Verhältnis
der objektive Wert desselben abhängt.
Auf ihr beruhen
Begriff, Gesetz, Wahrheit, auf dem Verhältnis zu ihr auch der Gegensatz des Apriorischen und
Empirischen in der
Erkenntnis. Sie ist der höchste
Ausdruck nicht bloß des Objektbewußtseins, sondern auch des Selbstbewußtseins;
denn die höchste Bewußtheit bedeutet nicht bloß die strengste, gesetzmäßige
Beziehung unter dem gesamten
Inhalt, der uns
bewußt ist, welche identisch ist mit der höchsten
Stufe der Objektivierung, sondern damit zugleich die strengste
Beziehung
des ganzen so begriffenen objektiven Erkenntnisinhalts auf den Erkennenden; nicht bloß die höchste
Konzentration des objektiven
Inhalts (in der Einheit der Erkenntnis), sondern zugleich die höchste Konzentration des Bewußtsein selber
in der Einheit des
Ich (vgl.
Apperception).
Doch wird auch auf dieser höchsten
Stufe weder ein Objekt
an sich noch ein
Subjekt als
Substanz erkannt, sondern, wie die Objektivität,
auch in der reinsten Objektivierung der Erscheinungen, doch an die Grundbedingungen unserer Erfahrung
gebunden bleibt, so bedeutet andererseits das Bewußtsein hier so wenig wie auf irgend einer der niedern
Stufen der Bewußtheit eine
selbständige, beharrende Existenz, sondern eine stets an den gegebenen
Stoff gebundene, für sich an
Inhalt gänzlich leere
Funktion, von der wir nicht wissen, was ihr als letztes
Subjekt (im
Sinne von
Substanz) zu
Grunde liegen
mag. Diese eigentümlichen und schwierigen Verhältnisse mit nüchterner Klarheit entwirrt zu haben, ist eins der größten
Verdienste der Vernunftkritik Kants.
Unter der Enge des Bewußtsein versteht man die
Thatsache, daß in einem bestimmten Zeitmoment nur eine begrenzte
Anzahl von Einzelvorgängen bewußt vorhanden ist. Man hat sie experimentell für bestimmte Sinnesgebiete nachgewiesen, indem
man die
¶
mehr
Anzahl gleichzeitig auffaßbarer Gesichts- oder Schalleindrücke feststellte. Dieselben sind nun nicht alle mit gleicher Deutlichkeit
oder Intensität gegeben, und man drückt das auch so aus, daß man von einem verschiedenen Bewußtheitsgrade redet. Dieser
Ausdruck darf jedoch nicht so verstanden werden, als wäre das Bewußtsein eine selbständige, der Stärkeabstufungen
fähige Funktion. Dieser Vorstellung entspricht ein Begriff des Unbewußten, welcher von einigen Philosophen
und Psychologen angenommen ist.
Danach bleiben Empfindungen, Gefühle und Willensakte das, was sie sind, mögen sie nun im B. oder außer demselben zu finden
sein. Dem gegenüber ist eine doppelte Bedeutung des Unbewußten zu betonen. Entweder werden als unbewußt
bezeichnet alle nicht im B. gegebenen Inhalte oder Vorgänge, und dann hat dieser Begriff keinen spezifisch psychol. Wert,
sondern bildet nur den kontradiktorischen Gegensatz zum Bewußten. Oder man nennt unbewußt diejenigen im B. gegebenen Inhalte
oder Vorgänge, welche kein konstatierendes Wort oder Urteil direkt oder indirekt reproduziert haben, die also
vereinzelt, ohne Verbindung mit andern Inhalten bleiben. In der letztern Auffassung ist die einzige der modernen Psychologie
angehörende Verwendung dieses Begriffs enthalten.
Im Selbst- oder Ichbewußtsein hat man die Mannigfaltigkeit der auf ein Ich bezogenen Eigenschaften und Thätigkeiten zu unterscheiden
von der Einheitlichkeit des Beziehungspunktes für dieselben. Die Sphäre, innerhalb deren der Besitz oder
Inhalt desIchs gesucht wird, ist der eigene Körper, durch den die räumliche Scheidung einer innern und äußern Welt erst
möglich wird. Erst die philos. Reflexion
[* 5] macht den Körper auch zu einem Außending und erblickt nur in einer Seelensubstanz
das Ich.
Außer den den Körper repräsentierenden Vorstellungen und Empfindungen und den an dieselben geknüpften
Gefühlen werden aber noch alle bewußten seelischen Vorgänge und die Fähigkeiten zu solchen auf das Ich bezogen. Die Einheitlichkeit
des letztern wird von einigen auf die organische Einheit des eigenen Körpers oder die Einfachheit eines substantiell gegebenen
Seelenwesens, von andern auf das Wort Ich, nach einer dritten Ansicht auf die qualitative Einfachheit des
Wollens basiert, welches in engem Zusammenhange mit dem Selbstbewußtsein steht. -
Vgl. Joh. Wolff, Das und sein Objekt (Berl.
1889);
Emil Schlegel, Das Bewußtsein Grundzüge naturwissenschaftlicher und philos.