Linien von Köln
[* 2] nach dem Neckar und von Heilbronn
[* 3] nach
Amsterdam
[* 4] gebildet haben, um in dem Dienste
[* 5] der Segelschiffe eine
gewisse Regelmäßigkeit der Fahrten zu erzielen und einer angeblich nachteiligen Konkurrenz unter den Schiffseigentümern
entgegenzutreten. Unter der Obhut dieser Schiffergilden finden die
Reisen der betreffenden Fahrzeuge als Rang-, Reihe- oder
Beurtschiffahrt statt, indem die nämliche Flußstrecke von den Schiffen der
Vereinigten
[* 6] der Reihe nach befahren wird, und
jedes derselben nur eine gewisse Zeit in Ladung liegt, um dann abzusegeln und dem nachfolgenden (dem sog.
Buglieger) Platz zu machen.
Der einem solchen
Vereine angehörige Schiffer wird Beurtmann genannt. Nicht alle derartigen
Vereine nennen
sich übrigens Beurten. Die Beurtfahrt kommt hier und da auch zur See vor; so z. B.
besteht sie für die meisten der zwischen
Hamburg
[* 7] (oder
Altona)
[* 8] und
Norwegen,
[* 9] ferner für die zwischen
Amsterdam und
Bremen,
[* 10] dann
auch für die zwischen Lübeck
[* 11] und
Petersburg
[* 12] gehenden Segelschiffe. In
Emden
[* 13] besteht eine Schiffergilde,
der jeder auf
Amsterdam,
Hamburg,
Bremen,
Leer
[* 14] und Halte fahrende Schiffer angehören muß, nach welchen Plätzen wöchentlich
eine bestimmte Zahl Schiffe
[* 15] in der Beurt (nach der Reihe) segelt.
Diese
Vereinigungen verfehlen zwar in der Regel nicht den Zweck, die Konkurrenz unter den Schiffern abzuschwächen, wohl aber
den andern, auf den es schließlich doch abgesehen, den Gesellschaften zu angemessenem Verdienst und
genügendem Einkommen zu verhelfen. Wenn es den in neuerer Zeit überall auf schiffbaren
Strömen und selbst in der Küstenfahrt
auftretenden Dampfschleppschiffahrts-Unternehmungen verhältnismäßig da am leichtesten geworden ist, den sog.
Kahnschiffern vernichtende Konkurrenz zu machen, wo die letztern sich in Beurten vereinigt fanden,
so liegt der
Grund dieser Erscheinung gewiß zum
Teil darin, daß in den und durch dieselben die einzelnen in eine gewisse
Schlaffheit verfielen, sowie darin, daß es den Ladungsinteressenten selbstverständlich nicht zusagen kann, sich immer nur
der Schiffer bedienen zu dürfen, die eben im Augenblicke des Bedarfs
Buglieger sind. Die Beurtschiffe
auf dem Niederrhein sind häufig nur teilweise beladen.
altes, aus der
Altmark stammendes Geschlecht, jetzt in den sächs.
Ländern und in
Schlesien
[* 16] begütert. - Joachim
von Beust, geb. zu Möckern, studierte seit 1539 in
Leipzig,
[* 17] erwarb 1548 zu
Bologna die jurist.
Doktorwürde. Nach der Rückkehr 1550 zum kursächs.
Rat ernannt, wurde er 1551 Professor zu Wittenberg,
[* 18] 1580 Konsistorialrat
zu
Dresden
[* 19] und 1591 Aufseher der Prinzen. 1592 nahm er an der Generalvisitation der sächs.
Kirchen und Schulen teil. Er starb Von seinen
Schriften ist die «Enarratio evangeliorum et epistolarum»
oft gedruckt. -
Friedrich von ein Nachkomme des vorigen, hatte zwei
Söhne: Joachim
Friedrich von Beust, geb. 1696, gest. 1771 als
dän. Wirkl.
Geheimrat und Generalsalineninspektor, der in den Freiherrenstand erhoben wurde, und
KarlLeopold von Beust, der die
Reichsgrafenwürde erhielt. Diese beiden wurden die Begründer der ältern, freiherrlichen, und der jüngern,
gräfl. Linie des Geschlechts. Der Enkelsohn des ersten
Freiherrn,
FriedrichKarlLeopold von Beust, starb als sächs.
Kammerherr und Oberhofgerichtsrat und hinterließ zwei
Söhne: Friedr.
Konstantin von Beust (s. d.) und Friedr.
Ferdinand
Graf von Beust (s. d.), 1868 in den Grafenstand erhoben
und dadurch
Stifter eines neuen gräfl. Hauses.
GrafKarl Leop. von Beust, der
Stifter der jüngern Linie, hinterließ zwei
Söhne. Der ältere,
Graf Gottlob von Beust, starb als herzogl.
sachsen-gothaischer Wirkl. Geheimrat und Konsistorialpräsident zu
Altenburg
[* 20] Er hatte vier
Söhne:
1)
GrafHeinrich Gottlob von Beust (geb. gest. zu
Dresden ohne Nachkommen). Seine Gemahlin, Philippine Wilhelmine (geb. gest.
als Schriftstellerin bekannt, veröffentlichte u. a.: «Die
Familie Willmore» (Bresl. 1829). 2)
GrafKarlLeopold von Beust, geb. gest. als
großherzoglich sachsen-weimar. und herzoglich sächs. Wirkl. Geheimrat
und vormaliger Gesandter der sächs. Herzogtümer am
Bundestage.
3)
GrafTraugottFriedrich von Beust, auf Serba (geb. gest. als
herzoglich sachsen-altenb. Kammerherr und Oberjägermeister),
Vater desGrafenKarl Louis von Beust (s. d.).
4)
GrafErnstAugust von Beust (geb. gest.
preuß. Oberberghauptmann und Direktor der
Abteilung für Bergwesen im preuß. Ministerium.
Friedr. Ferd.,
Graf von, Staatsmann, geb. zu
Dresden, studierte 1826-30 in Göttingen
[* 21] und
Leipzig die
Staatswissenschaften, erlangte 1831 die Zulassung zum Ministerium des
Auswärtigen in
Dresden, trat 1832 als
Assessor in die Landesdirektion ein und wurde nun gleichzeitig in diesem Kollegium und in dem
AuswärtigenAmte beschäftigt.
Nachdem er 1834 eine
Reise nach der
Schweiz,
[* 22]
Frankreich, England u. s. w. unternommen hatte, wurde er 1836 zum Legationssekretär
in
Berlin,
[* 23] 1838 in
Paris
[* 24] und 1841 zum Geschäftsträger in
München
[* 25] ernannt.
BeimAusbruch der Revolution von 1848 lebte er in
London,
[* 26] wo er seit 1846 Ministerresident war, ging aber
im Mai als sächs. Gesandter nach
Berlin. Nach dem Rücktritt des Ministeriums
Braun übernahm er unter dem Vorsitz
Helds die
Verwaltung der auswärtigen Angelegenheiten. (S.
Sachsen,
[* 27] Königreich.) Eine der ersten Handlungen
des Ministeriums, an der auch Beust teilhatte, war die Veröffentlichung der von der
Deutschen Nationalversammlung zu
Frankfurt
[* 28] beschlossenen Grundrechte des deutschen
Volks. Dagegen widerriet Beust dem Könige die
Anerkennung der Reichsverfassung vom
wodurch die Sprengung des Ministeriums herbeigeführt wurde. Gegen den darauf in
Dresden ausgebrochenenAufstand
rief Beust 3. Mai preuß. Hilfe an, die, mit der
Aufforderung, die Reichsverfassung nicht anzuerkennen, von
Preußen
[* 29] bereits angeboten
worden war.
In dem nach Niederwerfung des
Aufstandes neu gebildeten Ministerium Zschinsky übernahm Beust zu dem Departement des
Auswärtigen
noch das des
Kultus(14. Mai). Am 30. Mai ward derAbschluß des sog. Dreikönigsbündnisses mit
Preußen oder
der
Union durch eine von Beust mit unterzeichnete königl. Proklamation verkündigt.
Aber schon nach wenigen
Monaten trat Beust auf
Grund eines früher geheimgehaltenen, gleichzeitig von
Stüve für Hannover
[* 30] gemachten
Vorbehalts, wonach im Fall des Nichtbeitritts des
Südens neue Verhandlungen eröffnet werden sollten, thatsächlich von
der
Union wieder zurück, rief den Gesandten aus dem
¶
mehr
Verwaltungsrate der Union ab und verweigerte die Beschickung des Unionsparlaments zu Erfurt.
[* 32] In beiden Kammern des Ende 1849 zusammenberufenen
neuen Landtags ward er deshalb auf das stärkste angegriffen, noch weit stärker, als er, nach dem fruchtlosen Versuche eines
Vierkönigsbündnisses (einer engern Vereinigung der vier Königreiche außer Preußen mit Anschluß an
Österreich),
[* 33] die Wiederherstellung des alten Bundestags im Bunde mit Österreich betrieb.
Infolgedessen fand die Auflösung des Landtags und unmittelbar darauf die Wiedereinberufung der 1848 aufgehobenen
alten Stände, zugleich mit dem Erlaß äußerst strenger Verordnungen über die Presse
[* 34] und das Vereinsrecht, statt. Beust galt
für den Haupturheber dieser Maßregeln wie überhaupt für die Seele der seitdem mit immer größerer
Entschiedenheit hervortretenden Reaktionspolitik. Als Kultusminister machte Beust eine positivere religiöse Richtung in Kirche
und Schule geltend, veranlaßte die BerufungHarleß' zum Oberhofprediger sowie das Gesetz vom das die Volksschullehrer
einer strengen Beaufsichtigung unterwarf, aber zugleich ihnen ein Minimaleinkommen sicherte. Im Frühjahr 1853 gab
Beust das Kultusministerium an von Falkenstein ab und übernahm dagegen das erledigte Ministerium des Innern. Nach dem Tode Zschinskys
ward auch dem Namen nach der Leiter des Kabinetts, was er thatsächlich längst gewesen war. Gegen das Drängen Österreichs
auf Teilnahme des Bundes an dem Auftreten gegen Rußland im Krimkriege schloß Beust im NamenSachsens mit den
andern Mittelstaaten eine Sondereinigung (die Bamberger Konferenz, s. d.), während er im ItalienischenKriege von 1859 für
eine Unterstützung Österreichs durch den Bund wirkte.
Der nationalen Strömung gegenüber, die seit 1859 in Deutschland
[* 35] sich wieder regte, erklärte sich Beust bei
der Beratung der deutschen Frage in der sächs. Kammer von 1860 bis 1861 bereit, eine Bundesreform
vorzuschlagen, und löste dieses Versprechen alsbald nach dem Schlusse des Landtags ein, indem er Vorschläge zu einer Umgestaltung
der Bundeseinrichtungen machte, besonders zur Einberufung einer Volksvertretung, die freilich nur in Landtagsdelegationen
bestehen sollte.
Für das von Wien
[* 36] aus 1863 angeregte Bundesreformwerk zeigte Beust lebhaftes Interesse. In den innern Angelegenheiten kam er namentlich
auf gewerblichem Gebiete den Forderungen der Zeit zum Teil entgegen. Eine hervorragende Rolle spielte er 1864 gegenüber den
im Holsteinischen Kriege alliierten Vormächten als Führer der Mittelstaaten, da er vom Bundestage den
Auftrag erhielt, den Bund als eine besondere Macht, unabhängig von den beiden deutschen Großmächten, auf der Londoner Konferenz
zu vertreten. Beust sah damit zugleich einen längst von ihm gehegten Lieblingsplan, die sog.
Triasidee, d. h. den Gedanken, neben Preußen und Österreich die übrigen deutschen Staaten als dritte Gruppe
gleichberechtigt hinzustellen, wenigstens für den einzelnen Fall verwirklicht. Seine Politik machte Sachsen 1866 zum Verbündeten
und Schicksalsgenossen von Österreich.
Nach der Schlacht von Königgrätz
[* 37] ging Beust im Gefolge des Königs nach Wien. Hier bemühte er sich während der Nikolsburger
Verhandlungen für Anschluß Sachsens an einen SüddeutschenBund, wollte zum Zweck der Friedensunterhandlungen
zwischen Sachsen und Preußen selbst nach Berlin reisen, mußte aber, da Bismarck sich weigerte, ihn
als Unterhändler zu empfangen,
seine Entlassung aus dem sächs. Staatsdienste nehmen. Darauf trat er im Okt. 1866 als Minister des Auswärtigen in österr.
Dienste, wurde nach dem SturzeBelcredis Ministerpräsident, erhielt die seit Metternich
erloschene Würde eines Reichskanzlers und ward in den erblichen Grafenstand erhoben. In wenigen Monaten erwirkte
Beust die Wiederherstellung der Februarverfassung von 1861, die Berufung des verfassungsmäßigen Reichsrates diesseit, die Wiederherstellung
der Verfassung von 1848 und ein parlamentarisches Ministerium jenseit der Leitha, endlich die Krönung
FranzJosephs in Ofen.
Die Einführung der dualistischen Staatsform, der Ausgleich mit Ungarn
[* 38] sind sein Werk; auch veranlaßte er die Verfassungsrevision
vom Dez. 1867 und die Berufung des Bürgerministeriums, das er 2 Jahre lang unterstützte, die Sanktion der konfessionellen
Gesetze bei der Krone vermittelnd. In der auswärtigen Politik suchte er die Errichtung eines SüddeutschenBundes zu ermöglichen, jedoch mit der ausdrücklichen Erklärung, daß jede Beziehung desselben zu Österreich ausgeschlossen
sein müsse, kündigte 1870 das Konkordat mit Rom,
[* 39] nachdem er schon vorher dessen thatsächliche Beseitigung ohne Bruch mit
Rom herbeigeführt hatte, und verließ die traditionelle Politik Österreichs als Anwalt der Pforte.
Zum Sturze des föderalistischen Ministeriums Hohenwart trug er dadurch bei, daß er, freilich erst nach dem Erscheinen des
ihm unbekannt gebliebenen, das böhm. Staatsrecht anerkennenden Reskripts, dem Kaiser die Unmöglichkeit
einer auswärtigen Politik bei einer solchen staatlichen Organisation nachwies. Weil er aber den Kaiser nicht zeitig genug
vor den Folgen dieser Politik gewarnt hatte, wurde er seines Amtes als Reichskanzler und Minister des Auswärtigen
und des kaiserl. Hauses enthoben und zum Herrenhausmitgliede und Botschafter in London ernannt. Im Okt. 1878 wurde
Beust österr.-ungar. Botschafter in Paris, wo er im Jan. 1882 bei einer Versammlung der Association Littéraire erklärte: «Mon
âme est reconnaissante, mon cœur est français». Auf seinen Wunsch wurde Beust in den Ruhestand versetzt, (S. Österreichisch-Ungarische
Monarchie.) Er zog sich nun auf sein Schloß Altenberg bei Greifenstein in Niederösterreich zurück und
starb daselbst Nach seinem Tode erschienen voll ihm Denkwürdigkeiten u. d. T. «Aus drei Viertel-Jahrhunderten.
Erinnerungen und Aufzeichnungen» (2 Bde., Stuttg. 1887).
-
Vgl. Ebeling, Friedr. Ferdinand, Graf von Beust. Sein Leben und vornehmlich staatsmännisches Wirken (2
Bde., Lpz. 1870-71).