Die sachlichen
Abweichungen des österr. und des ungarischen Betriebsreglement von der deutschen Verkehrsordnung sind nur unerheblich;
dasselbe schließt sich in einigen Punkten enger als die Verkehrsordnung an das
Berner internationale Übereinkommen über
den Eisenbahnfrachtverkehr (s. Eisenbahnrecht II, 3) an, auch da, wo dieses mit dem Handelsgesetzbuch
in
Widerspruch steht, während die deutsche Verkehrsordnung unzulässige
Abweichungen vom Handelsgesetzbuch
nicht enthalten kann, weil sie nicht durch Gesetz festgestellt ist. Die Beförderungsbedingungen für einzelne Gegenstände
der durch Bundesratsbeschluß vom neu festgestellten
Anlage B, insbesondere
Sprengstoffe, sind in
Österreich-Ungarn
[* 2] andere als im
DeutschenReich.
Erheblicher sind die Verschiedenheiten des Betriebsreglement des
Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen. In diesem fehlen
die
Abschnitte der Verkehrsordnung über die
Beförderung von Expreßgut (s. d.), von
Leichen und von lebenden
Tieren ganz, und
nur die
Abschnitte über
Beförderung von
Personen und
Gepäck stimmen mit denen der Verkehrsordnung vollständig überein. Der
Abschnitt über die
Beförderung von
Gütern enthält einen genauen
Abdruck des
Berner Übereinkommens nebst
den
Ausführungsbestimmungen, denen einige Zusatzbestimmungen mit den entsprechenden
Paragraphen der Verkehrsordnung beigefügt
sind. Um kenntlich zu machen, aus welcher
Quelle
[* 3] die verschiedenen
Teile der einzelnen
Paragraphen in dem
Abschnitte über Güterverkehr
entnommen sind, sind diese in verschiedenen Lettern gedruckt.
Die Betriebsreglement stellen sich in rechtlicher
Beziehung als Verwaltungsordnungen der einzelnen
Bahnen und, insoweit
sie auf Vereinbarungen verschiedener
Verwaltungen beruhen, als vertragliche Abmachungen dar. Dem Publikum gegenüber haben
sie die Bedeutung von veröffentlichten Vertragsbedingungen. Auch die Verkehrsordnung für die Eisenbahnen
Deutschlands
[* 4] besitzt
nicht Gesetzeskraft, weil sie nur vom
Bundesrate ohne Mitwirkung des
Reichstags beschlossen ist. Sie bildet
daher lediglich eine Verwaltungsvorschrift des
Bundesrats für die deutschen Eisenbahnverwaltungen; für das Publikum hat
sie ebenfalls nur die Bedeutung von Vertragsbedingungen, die erst durch
Abschluß des Frachtvertrags bindend werden. -
von
Buschmann,
Das neue Eisenbahn-Betriebsreglement
in Gegenüberstellung zum internationalen Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr
(Wien
[* 5] 1892).
Ackerbausystem, landwirtschaftliches Betriebssystem oder Wirtschaftssystem, die Gesamtheit
derjenigen Regeln und Grundsätze, nach welchen ein bestimmter
Boden bewirtschaftet wird, um auf demselben die größtmögliche
Menge Pflanzensubstanz hervorzubringen. Das Betriebssystem ist demnach der besondere Charakter, welchen eine
Landwirtschaft annimmt infolge
der Einwirkung von äußern, allgemeinen und lokalen Einflüssen. Bis zu gewissem
Grade sind die Betriebssystem abgängig von den beiden
Hauptfaktoren der
Vegetation,
Klima
[* 6] und
Boden.
Diese zu regeln und zu modifizieren, wie es dem jeweiligen Zwecke des Betriebes entspricht,
ist
Aufgabe der Wirtschaftskunst.
Gewöhnlich macht man einen Unterschied zwischen extensivem Betrieb und intensivem Betrieb; bei dem erstern wird mit den
möglichst geringen, bei letzterm mit den möglichst großenMitteln der höchste
Reinertrag oder die größte
Bodenrente zu erzielen gesucht. Natürlich kann jedes
System einer Wirtschaft ebensowohl extensiv als intensiv betrieben werden.
Neben
Boden,
Klima und
Lage beeinflußt der
Absatz oder die thunlichst vorteilhafte Verwertung der gewonnenen Produkte die
Bildung
eines am meisten. Die
Aufstellung und Befolgung eines Betriebssystem ist keineswegs
Bedingung der Produktion, im Gegenteil
wird letztere auf dem weitaus größten
Teil der Erde ohne ein solches erzielt. Die Bodenkultur auf ihrer niedrigsten und
auf ihrer höchsten
Stufe hat keine
Systeme; diese bilden gewissermaßen nur den Leitfaden, mittels dessen sich die minder
Vorgeschrittenen endlich bis zur völligenFreiheit des Betriebes hinanarbeiten. Die bestehenden landwirtschaftlichen
Betriebssystem lassen sich in folgende Gruppen bringen ^[Doppelpunkt fehlt]
1) Die
Brandwirtschaft. Die
Vegetation eines
Bodens wird in bestimmten Zeiträumen durch
Feuer zerstört, das durch die
Asche
gekräftigte Erdreich als
Acker bestellt, solange es sich hinreichend ertragsfähig zeigt, sodann wiederum dem Wildwachstum
überlassen. Diese in uncivilisierten Gegenden häufige Kulturmethode ist auch in
Deutschlands Waldgebirgen
noch hier und dort mit regelmäßiger Wiederkehr üblich. Als verbesserte
Brandwirtschaft ist zu betrachten die im nordwestl.
Europa
[* 7] noch vielfach durchgeführte
Moorbrand-Plaggenwirtschaft. Sie ist auf dem
Terrain der
Heiden und
Moore heimisch; die oberste
Narbe des
Bodens mitsamt der Pflanzendecke wird abgeschält, die «Plaggen»
genannten
Stücke werden in Haufen gesetzt, langsam schwelend verbrannt, die
Asche verteilt und untergeackert. Hierauf wird
das Neuland, vielleicht mit einiger Düngernachhilfe, mehrere Jahre hindurch mit
Buchweizen, Roggen oder Hafer
[* 8] bestellt, alsdann
der Natur überlassen; abermals überziehen es
Heidekräuter oder Moorgräser, bis es wiederum reif ist
zum Plaggenhauen. Diese Betriebsart verursacht den Höhenrauch (s. d.); sie ist
schon den alten
Römern bekannt gewesen, wie eine
Stelle in
Virgils «Georgica» zeigt. Zur Urbarmachung jungfräulicher Territorien
ist überall die Hilfe des
Feuers unentbehrlich. Nicht zu verwechseln mit der Moorbrandwirtschaft ist die in der neuesten
Zeit so höchst erfolgreich eingeführte
Melioration der
Moordammkultur (s.
Moorkultur) nach Rimpau u. a.
2) Die Koppel- oder Dreeschwirtschaft. Ein kleinerer
Teil oder auch die Hälfte des
Areals kommt unter den Pflug
[* 9] und wird jährlich
mit Nutzpflanzen bestellt, der andere
Teil bleibt zur
Weide,
[* 10] aber im Wechsel mit dem ersten, liegen, und der
Reinertrag wird
aus der Viehzucht
[* 11] gewonnen. Bloße Gras- oder reine Weidewirtschaft, wie sie in den
Marschen oder auf
Gebirgsweiden sich findet, hat mit
Ackerbau nichts zu thun; sie beschränkt sich auf die Erzeugung von tierischen Produkten.
3) Die
Körnerwirtschaft widmet sich ausschließlich dem Anbau der Cerealien, welche nur mit dem Wechsel zwischen Winter-
und Sommerfrucht aufeinander folgen; die hierdurch unausbleibliche Erschöpfung des
Bodens wird auszugleichen gesucht durch
die
Brache, ein Jahr der Ruhe ohne
Bestellung. Die
Körnerwirtschaften heißen auch
¶
mehr
Feldersysteme, und zwar nach der Anzahl der Felder oder Abteilungen eines Landguts, die nebeneinander mit verschiedenen Nutzpflanzen
bestellt sind; sonach hat man Zweifelderwirtschaft, Dreifelderwirtschaft u. s. w. Letztere,
schon bei den alten Römern allgemein und durch sie nach Deutschland
[* 13] gebracht, war und ist noch das verbreitetste aller Betriebssystem. Sie
bringt nach Brache zweimal Getreide
[* 14] und muß das zur Produktion des Düngers notwendige Futter von außen,
d. i. von Wiesen beziehen, ohne welche letztere sie nicht haltbar ist.
Durch die Einführung des Klees und der Kartoffeln wurden die Körnerwirtschaften in ihrem Wesen erschüttert; die letztern
waren nicht anders unterzubringen als in der Brache, welche zu diesem Zwecke bestellt werden mußte. An
die Stelle der reinen Brache, welche nach der Bearbeitung mit dem Pfluge den Namen Schwarzbrache führt, tritt also bei der
«verbesserten Körnerwirtschaft» die grüne oder besömmerte Brache. AlleKörnerwirtschaften begünstigen vorzugsweise den Raubbau,
die Ausbeutung der Pflanzennährstoffe des Bodens ohne genügenden Ersatz, zumal wenn sie nicht durch
ein bedeutendes Areal an Weiden und Wiesen oder durch besondere günstige lokale Verhältnisse von außen unterstützt werden.
4) Die Wechselwirtschaft beruht auf dem Princip, daß nicht alle Nutzpflanzen dem Boden die gleiche Menge von Nährstoffen
entziehen, sondern bald des einen, bald des andern in größerm Maße bedürfen, so daß, wenn z. B. der
Acker durch den Bedarf einer Getreideernte die Fähigkeit verloren hat, eine zweite Getreideernte zu liefern, er immer
noch im stande ist, eine gute Ernte
[* 15] an Hackfrüchten oder Futterkräutern zu gewähren. In diesem Falle hatte die Körnerfrucht
den Gehalt des Bodens an Phosphorsäure, dessen sie zu ihrer Entwicklung bedarf, erschöpft, nicht aber
denjenigen an Kali, den die nachfolgende Frucht dann vorwiegend in Anspruch nahm.
Das Wesen der Wechselwirtschaft besteht demnach darin, daß sie das Areal zur Hälfte mit Marktpflanzen, zur andern Hälfte
mit Futtergewächsen bestellt. Allein auch diese Kombination schließt die Bodenerschöpfung keineswegs aus,
sie verlangsamt sie nur. Der Fruchtwechsel (wie diese Wirtschaft ebenfalls häufig genannt wird) verstattet durchaus nicht
eine völlige Wiedergabe aller dem Boden entzogenen Bestandteile der Pflanzennahrung: das verkaufte Getreide, die Wolle und
die Milch der Tiere, die Mineralbestandteile und Proteinstoffe der Rübe und der Kartoffel, sie gehen meistens verloren für
den Boden, der sie erzeugte, es muß daher eine Zeit kommen, wo der Boden daran darbt und dies in der Abnahme seines Produktionsvermögens
deutlich zeigen wird.
Auf die Dauer kann die Wechselwirtschaft nur bestehen unter Beihilfe des sog. künstlichen Düngers, welcher dem Acker diejenigen
Mineralbestandteile wiedergiebt, welche ihm trotz der reichhaltigen Unterstützung durch eine gesteigerte
Viehhaltung dennoch entzogen werden. Da bei diesem Betriebssystem die Hälfte des Areals dem Futterbau gewidmet ist, so muß auch die
Viehzucht die Hälfte des Reinertrags bringen. Die Wechselwirtschaft ist übrigens nicht, wie vielfach angenommen, neuern
Ursprungs, sie ist gleichfalls schon den alten Römern bekannt gewesen und von ihnen geübt worden; sie
schieden die für das Frumentum (Getreide) und die für die Leguminosen
[* 16] (Futterkräuter) bestimmten Feldabteilungen voneinander
und ließen dieselben in der Regel abwechseln. Die richtigen Gesetze der
Wechselwirtschaft datieren aber erst seit den von
Liebig aufgestellten Grundsätzen der Pflanzenernährung.
Die freie Wirtschaft ist kein eigentliches System; dieselbe bindet sich an keine andern Normen als an
diejenigen des Gleichgewichts zwischen Erschöpfung und Ersatz; sie produziert, nicht was sie kann, sondern was sie will.
Möglich ist es aber nur mit Erfolg, sobald genügende Betriebsmittel zu Gebote stehen und Intelligenz sie leitet. Das Wesen
der freien Wirtschaft besteht darin, daß eine bestimmte Fruchtfolge niemals im voraus festgesetzt ist,
ebenso die sich gleichbleibende Schlageinteilung des Ackerlandes wegfällt. Sie ist ein Industrialbetrieb, dessen Produktion
sich der Nachfrage anzubequemen weiß; sie ist der Gipfel der Hochkultur.
Die geographische Verbreitung der Wirtschaftssysteme nachzuweisen, ist eine schwierige, bis jetzt nur mangelhaft gelöste
Aufgabe. Der größte Teil der produktiven Erdoberfläche wird gegenwärtig noch gar nicht systematisch
bewirtschaftet, sondern nur benutzt; den nächstgrößten Raum nimmt wahrscheinlich die freie Wirtschaft ein, welche in China,
[* 17] Japan, Indien, Nordamerika
[* 18] vollkommen einheimisch ist. Die Verbreitungskreise der Körnerwirtschaft und der Weidewirtschaft
halten sich so ziemlich die Wage;
[* 19] die Brandwirtschaft findet sich nur vereinzelt.
Aus der Litteratur über die Betriebssystem sind hervorzuheben: Koppe, Revision der Ackerbausysteme (Berl. 1818);
Kreißig, Ökonomische
und physik.
Beleuchtung
[* 20] der wichtigsten Feldbau- oder Wirtschaftssysteme (Lpz. 1833);
Schwerz, Natur, Wahl und Wert aller bekannten
Fruchtfolgen und Feldsysteme (Bd. 3 von dessen Anleitung zum
praktischen Ackerbau, 3. Aufl., Stuttg. 1843);