den Besitz mehrere nicht zugleich an der ganzen Sache haben. Besitzen mehrere, wie etwa die hinterlassenen
Erben, eine Sache zusammen,
so gilt der Besitz unter ihnen nach der
Auffassung des Gemeinen
Rechts als nach Bruchteilen aufgeteilt, wie entsprechend das Eigentum.
Das ist nur dann anders, wenn die Mehrern zusammen eine Kollektivgesellschaft oder eine jurist.
Person
bilden. Die Offene Handelsgesellschaft, die
Aktiengesellschaft, die Genossenschaft, die Korporation, der
Staat und die Gemeinde
bilden eine ungetrennte Einheit, welcher wie einer Einzelperson der Besitz ungeteilt zusteht.
Das versteht sich bei
Gütern, welche die Korporation für ihre Zwecke durch ihren Vorstand nützt und verwaltet, von
selbst. Es ist aber auch nicht anders bei solchen
Gütern, welche wie die
Allmende (s. d.) von den einzelnen Mitgliedern der
Gemeinde für ihre persönlichen Zwecke genutzt werden. Wie ferner das Eigentum eingeschränkt wird durch Dingliche
Rechte
(s. d.), z. B. durch Dienstbarkeiten, so können
auch an einem Grundstück oder an einer andern Sache, welche von dem Eigentümer oder von jemand, welcher
nicht Eigentümer ist, besessen wird, Handlungen ausgeübt werden, welche sich als Ausübung eines dinglichen
Rechts darstellen,
so daß an derselben Sache zugleich ein Sachbesitz und ein denselben einschränkender
Rechtsbesitz ausgeübt wird.
Über den
Besitz im
Völkerrecht s.
Besitzstand.
Litteratur.Savigny, Das
Recht des Besitz (7. Aufl.,
Wien
[* 2] 1865);
Bruns, Das
Recht des Besitz im Mittelalter und in der
Gegenwart (Tüb. 1848);
Die Besitzeinweisung durch die
Staatsgewalt erfolgt, wo auf
Grund der staatlichen Gewalt Eigentum an Grundstücken
übertragen wird, so bei der Enteignung,
Subhastation, bei der Zusammenlegung von Grundstücken im Separationsverfahren,
wo die ausgewiesenen neuen Pläne den einzelnen Besitzern zugewiesen werden; im Zwangsvollstreckungsverfahren, wenn der Schuldner
eine unbewegliche Sache oder ein bewohntes Schiff
[* 5] zu überlassen hat. Hier erfolgt die Besitzeinweisung durch den
Gerichtsvollzieher (Civilprozeßordn. §. 771). Ob die an Ort und
Stelle geschieht, entscheidet sich nach den einzelnen Gesetzen.
An sich ist das nur erforderlich, wenn
Widerstand erfolgt, sonst genügt der obrigkeitliche
Befehl, mit dessen Ausführung (Besitzergreifung)
dem Eingewiesenen der
Besitz erworben wird. Im röm.
Recht war die Missio in possessionem, welche ein Pfandrecht gab, noch
in andern Fällen angewendet, z. B. gegen einen abwesenden Schuldner, bei Versäumnisurteilen.
Das ist heute veraltet.
Über die Besitzeinweisung nach dem
Carbonianum edictum s. d.
und
-Verlust. Der
Besitz einer bis dahin von einem andern nicht besessenen Sache wird dadurch erworben,
das; sie jemand mit dem Willen zu besitzen
an sich nimmt, Grundstücke in
Besitz nimmt (Occupation). Wenn die Sache bereits
von jemand besessen wurde, wird der
Besitz 1) dadurch erworben, daß der bisherige
Besitzer die Sache einem
andern übergiebt, sich des
Besitzes zu Gunsten des andern entledigt, welcher dann den
Besitz übernimmt (traditio,
Übergabe).
Die
Übergabe kann auch so
geschehen, daß der bisherige
BesitzerStellvertreter des Erwerbers wird und seinen
Besitz als Innehabung
für diesen fortsetzt, z. B. der Verkäufer mietet oder pachtet vom
Käufer und bleibt so in der Innehabung, aber erkennt
den
Käufer als Herrn (jurist.
Besitzer) der Sache an
(constitutum possessorium). Verkauft der bisherige jurist.
Besitzer an
seinen
Pächter, welcher das Grundstück innehat, so bedarf es keiner besondern
Übergabe.
DerPächter, welcher bisher für den
Verpächter innehatte, erwirbt dadurch den
Besitz, daß er zufolge
des
Kaufs von jetzt ab die Sache als Herr hat und haben will (traditio
brevi manu,
Übergabe kurzerhand). Bei der körperlichen
Übergabe ist nicht gerade erforderlich, daß dem Erwerber
bewegliche Sachen in die
Hand
[* 6] gegeben, daß das
Grundstück sofort von dem Erwerber beschritten wird. Es genügt ein Verhalten der Parteien, aus welchem erhellt, daß der
bisherige
Besitzer den
Besitz aufgegeben hat und der neue mit dem Willen für sich zu besitzen auch die Fähigkeit erlangt
hat, über die Sache zu verfügen (traditio longa manu,
Übergabe langerhand).
Der
Besitz kann aber 2) auch dadurch erworben werden, daß eine Sache dem, welcher sie besitzt, genommen
wird, mit Gewalt oder heimlich. Der
Besitzer kann sie dann zwar von dem, welcher ihn aus dem
Besitz gesetzt hat, klagend zurückfordern.
Vorläufig hat aber der bisherige
Besitzer den
Besitz verloren und der andere ihn erworben. Für Grundstücke
ist das besondere Gesetz geschrieben, daß der
Besitz nicht schon dadurch verloren, also von dem Dritten nicht schon dadurch
erworben wird, daß dieser sich hinter dem Rücken des Besitzers in den
Besitz setzt. Sonst wird der
Besitz verloren, wenn
der
Besitzer nicht mehr in dem körperlichen Verhältnis steht, über die Sache beliebig in
Person oder
durch einen andern verfügen zu können, oder wenn der Besitzwillen aufgegeben und dieser Verzicht ausgeführt wird.
Besitzrechtsmittel, Klagen, die zum
Teil zur
Erhaltung eines gegenwärtigen, zum
Teil auch zur Wiedererlangung
eines verlorenen
Besitzes dienen. Die erstere Art, bei denRömern das interdictum
uti possidetis (bei Grundstücken)
und utrubi (bei beweglichen Sachen), heutzutage die ordentliche Besitzklage (possessorium ordinarium), wird veranlaßt durch
wörtliche oder thätliche
Störung des
Besitzes, geht auf
Anerkennung des
Besitzes, Verbot fernerer
Störungen,
Schadenersatz
und ist nur innerhalb eines Jahres zulässig.
Wenn Besitzhandlungen beider
Teile vorliegen, wird der geschützt, welcher die ältesten Besitzhandlungen
nachweisen kann, unter der
Voraussetzung, daß er seitdem den
Besitz nicht verloren hat. Hatte der Kläger den
Besitz von dem
Beklagten fehlerhaft erlangt, d. h. mit Gewalt (vi), heimlich (clam) oder auf
Widerruf (precario), so wird er abgewiesen.
Der Schutz im jüngsten
Besitz, das Summariissimum, ist durch die
Deutsche Civilprozeßordnung
[* 7] beseitigt.
Zur Wiedererlangung verlorenen
Besitzes diente bei den
Römern das interdictum unde vi, seit dem Mittelalter die
Spolienklage,
für welche der Grundsatz gilt: spoliatus ante omnia est restituendus, d. h. wer gewaltsam
aus dem
Besitz gesetzt ist, darf vor allem die Wiedereinsetzung in den
Besitz fordern. Sie steht auch dem
Pächter oder Mieter und dem Entsetzten auch gegen den Dritten zu, welcher den
Besitz von dem, der ihn gewaltsamerweise weggenommen,
mit dem
Bewußtsein jener
¶
mehr
Wegnahme erlangt hat. Der Verklagte wird mit Einreden, er sei der Eigentümer oder der Kläger habe selbst erst fehlerhaft
von dem Beklagten den Besitz erlangt, nicht gehört. - Zum Schutz des Besitzes an Rechten dienen teils die vorstehenden Besitzklagen, teils
sind besondere Klagen eingeführt. -
Vgl. Bruns, Die Besitzklagen des röm. und heutigen Rechts (Weim. 1874);
Pflüger,
Die sog. Besitzklagen des röm. Rechts (Lpz. 1890).