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330° C. beginnt er unter Zersetzung zu schmelzen, indem Bernsteinsäure, Bernsteinöl und andere Brennprodukte entweichen, ein in Ölen lösliches Harz (Colophonium succini) aber zurückbleibt.
Über Gewinnung und Verarbeitung s. Bernsteinindustrie. - Verwendet wird der Bernstein [* 2] besonders zu Schmucksachen, [* 3] Cigarrenspitzen und andern Rauchrequisiten, ferner zur Firnis- und Lackbereitung (s. Bernsteinfirnis). Auch zu medizinischen Zwecken dient er vielfach und zwar zunächst in zerkleinertem Zustande als Räuchermittel, gegen Rheumatismus u. dgl. Er war früher auch offizinell, und die erste Ausgabe der «Pharmacopoea Germanica» (von 1872) hat ihn noch als Succinum aufgenommen, ebenso Bernsteinöl als Oleum succini und Bernsteinsäure (s. d.). Die zweite und dritte Auflage enthalten dieselben indes nicht mehr.
Vielfach ist noch gegenwärtig der Glaube verbreitet, daß das Tragen von Bernsteinperlen den Zahndurchbruch kleiner Kinder sehr erleichtere, überhaupt daß der Bernstein alle Krankheitsstoffe von Amme und Kind anziehe und dadurch seine Farben verändere. In einzelnen Teilen von Rußland ist dieser Glaube so fest, daß jede Amme selbst mehrere Ketten bis zu Pfundschwere tragen muß. Der Verbrauch ist so stark, daß diese Ammenketten einen ganz besondern Fabrikationsartikel bilden. Als Schutz gegen Krankheit trägt der Chinese und Koreaner kleine Amulette aus Bernstein, die meist mit Drachenblut gefärbt sind, und der Krieger in Marokko [* 4] schützt sich durch ein geweihtes Bernsteinamulett gegen die Gefahren des Krieges.
Geschichtliches. Die Verwertung des Bernstein ist uralt. In den alten ägypt. Gräbern ist der Bernstein äußerst selten, wenn er nicht ganz darin fehlt. Dagegen finden sich in alten Gräbern um 2000 v. Chr. beispielsweise bei Mykenä [* 5] schon große Mengen Bernsteinperlen. Im Norden [* 6] zählen die bekannten Steinzeitaltertümer von Schwarzort (1500 v. Chr.) nach vielen Hunderten. Ob der Bernstein bereits von Homer erwähnt wird, ist nicht entschieden, da sein Elektron wohl auf eine Metallkomposition zu beziehen ist; sicher aber hatten die alten Griechen bereits Bernstein, dafür spricht die Sage des Phaeton, dessen am Eridanus in Pappeln verwandelte Schwestern Bernstein weinten, besonders aber die zahlreichen Funde von in alten Gräbern. Mit dem Anfange des ersten Jahrtausends v. Chr. scheint der Bernstein eigentlich bei allen europ. und mit ihnen in Berührung gekommenen Völkern sehr häufig in Gebrauch gewesen zu sein. Namentlich die Gräber aus dem 1. Jahrh. n. Chr. sind äußerst reich an Bernsteinfunden. - Den ältesten Handel mit Bernstein vermittelten vor 1500 v. Chr. auf der Rhein- und Postraße die Philister.
Die Semiten des Pontus Euxinus bemächtigten sich später der Donaustraßc. Von 1300 bis 1100 standen die Sidonier mit Jütland in direktem Seeverkehr. Um das 11. Jahrh, blühte der Handel der Tyrier an der Rhonemündung. Von 1000 bis 500 haben die Phönizier am Golf von Genua [* 7] den Bernstein der Rheinstraße in den Händen. Von 600 v. Chr. teilen sich die Massilier, Ligurier und Etrusker in den Bernsteinhandel; die Beziehungen der letztern reichen um 400 weit über die Alpen [* 8] nach Norden. Um 250 v. Chr. nehmen die Römer [* 9] den Etruskern den Bernsteinhandel aus den Händen, der sich unter ihrer Führung bei direktem Verkehr nach Ostpreußen [* 10] (Sendung des Nero 54 u. Chr. nach Ostpreußen) äußerst entwickelt. Um 400 n. Chr. hören die röm. Handelsbeziehungen auf, und die Araber besuchen Ostpreußen.
Im 12. Jahrh. n. Chr. legt der Deutsche [* 11] Ritterorden auf den Bernstein Beschlag und sorgt für seinen Absatz. Es entstehen in verschiedenen deutschen Städten Bernsteindreherzünfte (Paternostermacher), welche den Bernstein direkt vom Orden [* 12] bezogen: Brügge und Lübeck [* 13] (um 1300), Stolp, [* 14] Kolberg, [* 15] Danzig [* 16] (um 1450), Elbing [* 17] (um 1500), Königsberg [* 18] (um 1640). Als Haupthandelsplätze galten im 15. Jahrh. Venedig, [* 19] Frankfurt [* 20] a. M., Köln [* 21] und Nürnberg. [* 22] Das Bernsteinregal ist sehr alten Ursprungs und wurde schon von den pomerellischen Herzögen für die Küsten von Westpreußen und Pommern [* 23] ausgeübt.
Von den pomerellischen Herzögen ging das Regal auf den Deutschen Orden über, der es auch auf Ostpreußen ausdehnte. Der Orden übertrug die Ausübung des Regals 1264 an den Bischof von Samland, 1312 an die Danziger Fischer, 1342 an das Kloster Oliva. Auch der Frieden zu Thorn [* 24] 1466 und die Teilung Polens 1773 änderten diese Gerechtsame mannigfach. Gegenwärtig ist der Bernstein Regal an den Stranden von Ost- und Westpreußen und der pommerschen Kreise: [* 25] Neu-Stettin, Dramburg, Belgard [* 26] und Bütow;
im Binnenlande in ganz Ostpreußen und im Bistum Pomesanien.
Auf der Strecke von Weichselmünde bis Polsk ist die Bernsteingewinnung ausschließlich Recht der Stadt Danzig. Sonst ist der Bernstein frei und gehört dem Besitzer des Grundes, auf dem er gefunden wird. (Preuß. Gesetz vom westpreuß. Provinzialrecht §§. 73-75.) An den Stranden von Ost- und Westpreußen wurde das Recht der Bernsteingewinnung seit 1811 in Generalpacht gegeben, seit 1837 aber meistbietend verpachtet und zwar meist an die angrenzenden Besitzer. Die Summe, welche dadurch dem Staate zufloß, betrug in der Zeit vor Stantien & Becker, deren Unternehmungen 1860 begannen, kaum 30000 M. jährlich, durch diese Firma ist aber die Pachtsumme so gestiegen, daß Stantien & Becker seit einer Reihe von Jahren etwa 800000 M. jährliche Pacht bezahlen. Sie beherrschen gegenwärtig den ganzen Bernsteinmarkt, da gegen ihre Produktion die gesamte andere Bernsteingewinnung fast ganz verschwindet.
Schwarzer Bernstein ist soviel wie Jet (s. d.).
Litteratur. Hagen, [* 27] Geschichte der Vorwelt.
Der Bernstein (Königsb. 1824): W. von Ray, Ansichten über Entstehung usw. des Bernstein (Danzig 1840);
Berendt, Die im B. befindlichen organischen Reste (Berl. 1845);
R. Klebs, Der Bernsteinschmuck der Steinzeit [* 28] (Königsb. 1867);
Zaddach, Das Tertiärgebirge des Samlandes (ebd. 1867);
Elditt, Das Bernsteinregal (ebd. 1868);
Helm, Mitteilungen über Bernstein (Danzig 1881 fg.);
Göppert und Menge, Flora des Bernstein (ebd. 1883; fortgesetzt von H. Conwentz, 1888);
Waldmann, Der Bernstein im Altertum (Fellin 1883);
Roetling, Die Fauna des samländischen Tertiärs (ebd. 1885);
R. Klebs, Die Gasteropoden des Bernstein (ebd. 1886);
ders., über die Farbe und Imitation des Bernstein (Königsb. 1887);
Tesdorpf, Gewinnung usw. des in Preußen [* 29] (Jena [* 30] 1887);
R. Klebs, Der und seine Geschichte (Königsb. 1889);
Conwentz, Monographie der baltischen Bernsteinbäume (Danzig 1890);
R. Klebs, über die Fauna des Bernstein (im «Tageblatt der 52. Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte», Heidelb. 1890);