eine
Volksversammlung zu
Münsingen Revision
der Verfassung. Die Regierung dankte ab, und 31. Juli nahm das
Volk die
neue repräsentativ-demokratische
Verfassung an, durch die alle
Vorrechte der Hauptstadt beseitigt und die gesetzgebende Gewalt
einem
GroßenRate von 240 Mitgliedern, die vollziehende dem aus 16 Mitgliedern bestehenden Regierungsrat
übergeben wurde. Die Mängel dieser
Verfassung erweckten unter dem Einfluß der durch die Jesuitenfrage in der
Schweiz
[* 2] verbreiteten
Gärung, namentlich nach dem verunglückten zweiten Freischarenzuge nach Luzern
[* 3] (1845) und der zweideutigen
Stellung der Regierung,
das Verlangen nach einer Revision. Das
Volk forderte unter
Führung von
Stämpfli u. a. die Revision durch
einen besondern Verfassungsrat und genehmigte mit überwältigender Mehrheit den von diesem vorgelegten
Entwurf.
Durch diese bis 1894 geltende
Verfassung wurden das indirekte Wahlsystem und der Census für die Wählbarkeit in den
GroßenRat abgeschafft, das
Stimmrecht erweitert, die Zahl der Regierungsräte auf 9 herabgesetzt, die
Geschworenengerichte eingeführt,
dem
Volke das Vorschlagsrecht für die Bezirksbeamten und das Abberufungsrecht den
Behörden gegenüber gewährleistet. An der
Stelle der altliberalen Partei von 1831 trat seit 1816 die radikale in die Regierung ein, und unter ihr nahm der Kanton
[* 4] in den Wirren der Sonderbundszeit und bei der Einführung der Bundesverfassung von 1848 den ersten Platz
unter den centralistisch gesinnten Kantonen ein.
Aber schon 1850 wurde die radikale Regierung bei der Erneuerung des
GroßenRates von der konservativen Partei verdrängt.
Bei den Neuwahlen von 1854 fand ein
Kompromiß zwischen den Parteien statt, und die Regierung wurde aus den hervorragendsten
Männern beider Lager
[* 5] bestellt. Auch seither wurde das ausschließliche Parteiregiment meist ferngehalten
und 1869 das
Referendum mit Zustimmung beider Parteien eingeführt. In eidgenössischen Dingen vertritt Bern
[* 6] im ganzen, trotz
seiner starken und rührigen konservativ-reaktionären Partei, den entschiedenen Fortschritt.
Bei beiden
Abstimmungen über die Revision der eidgenössischen
Verfassung von 1872 und 1874 trat der Kanton
mit starker Mehrheit für die Revision ein. Seit 1870 ist auch hier der Kampf zwischen der
Staatsgewalt und der röm.-kath.
Hierarchie ausgebrochen, wobei der kath. Kantonsteil (der Jura) dem
Staate besonders Mühe bereitete. Der
Bischof Lachat und 97 andere
widerspenstige Geistliche wurden abgesetzt und an der
Universität eine altkath.Fakultät gegründet.
Die achtziger Jahre brachten dann einen Waffenstillstand zwischen
Kirche und
Staat, und wenn auch Bern 1885 an der Wiederherstellung
des
BistumsBasel
[* 7] nicht teilnahm, so legte es doch dem neuen
Bischof Fiala (gest. 1888) keine Schwierigkeiten in den Weg. Im polit.
Leben gelangte 1882 die radikale Partei zu ganz entschiedenem Übergewicht. Die Opposition verlegte nun
ihre Thätigkeit in das
Volk, organisierte sich als bernische
Volkspartei und brachte den
Plan einer Verfassungsrevision
im radikalen
Sinne durch die
Volksabstimmung zu Falle. Durch die
Wahlen von 1886 erhielt die konservative Partei in den
Behörden
wieder eine Stärkung. Im J. 1891 tagten in Bern der
InternationaleKongreß für Arbeiterunfälle und der
Internationale Geographen-Kongreß.
Litteratur.Außer den ältern
Chroniken von
Justinger,
Valerius Anshelm, Stettler u. s. w. vgl. Tscharner, Historie
der Stadt Bern (2 Bde., Bern
1765-66);
Walthard, Description topographique et historique de la ville de Bern (ebd. 1827);
Tillier,
Geschichte des eidgenössischen Freistaats Bern (6 Bde.,
ebd. 1838-40);
Stadt im
Kreis
[* 11] Matera der ital.
Provinz Potenza, an der Linie
Neapel-Brindisi des Mittelmeernetzes, hat (1881) 6997 E.,
Post,
Telegraph,
[* 12] Safran- und Baumwollkultur.
(spr. -nahr,Bernard du Grail de La
Villette), Charles de, franz. Romanschriftsteller, geb. zu
Besançon,
[* 13] gest. zu Sablonville, war
Balzacs Freund und
Schüler. Seine besten
Romane sind: «Une aventure de magistrat»
(1861),
«Le pied d'argile», «La
chasse aux amants», «Gerfaut», sein Meisterwerk (1838),
«Les ailes d'Icare» (2 Bde.,
1840),
«Le paravent» (2 Bde.,
1859),
«La peau du lion» (2 Bde.,
1841),
«Le gentilhomme campagnard» (6 Bde., 1847 u. ö.).
Sein
Stil ist rein, lebendig, gedrängt, oft ironisch; die Gesellschaft hat Bernard scharf beobachtet und
fein geschildert.
(spr. -nahr),Claude, franz. Physiolog, geb. zu
St. Julien (Depart. Rhône), studierte in
Paris
[* 15]
Medizin und wurde 1854 an der dortigen
Universität zum Professor der allgemeinen
Physiologie, 1855 nach
MagendiesTod zum Professor der Experimentalphysiologie am Collège de
France ernannt. Seine ersten wissenschaftlichen
Untersuchungen betrafen die
Ausleerungen des Verdauungskanals und ihren Anteil an der
Verdauung. Die
«Gazette
médicale» brachte 1844 von ihm eine
Abhandlung über die Art und
Weise, wie der
Magensaft sich absondert und die Nahrungsstoffe
vermittelst dieser Flüssigkeit sich umgestalten.
AndereAbhandlungen über den
Speichel, den
Darmsaft und den Einfluß der Nervenpaare
auf die
Verdauungsorgane erschienen als Beiträge zu den «Comptes rendus de la
Société de biologie».
Größern Ruhm erlangte
er durch seine in den «Comptes rendus de l'Académie des sciences» (1856)
abgedruckten
¶
mehr
«Recherches sur les usages du pancréas», worin er nachwies, daß die Bauchspeicheldrüse die Verdauung fetter Körper bewirke.
Gleichzeitig machte er seine ersten Entdeckungen über die Zucker
[* 17] erzeugende Eigenschaft der Leber bekannt. Zu den wichtigsten
seiner zahlreichen Entdeckungen gehören die der vasomotorischen Funktionen des Halssympathicus, der sekretorischen der Chorda
tympani und die der künstlichen Hervorrufung der Zuckerkrankheit (Diabetes) durch experimentelle Verletzung
des vierten Hirnventrikels.
Seit 1856 ließ er seine am Collège de France gehaltenen Vorlesungen regelmäßig im Druck erscheinen. Unter dem zweiten
Kaiserreich gehörte er dem Senat an (1869‒70); auch war er Mitglied der Französischen Akademie. Bernard starb zu
Paris. Seine wichtigsten Werke sind: «Leçons de physiologie expérimentale appliquée à la médecine» (Par. 1856; neue Ausg.
1865),
«Leçons sur la physiologie et la pathologie du système nerveux» (2 Bde.,
ebd. 1858),
«Leçons sur les effets des substances toxiques et médicamenteuses» (ebd.
1857; 2. Aufl. 1883),
«Leçons sur les anaestésiques et sur l’asphyxie»
(ebd. 1875),
«Leçons sur la chaleur animale, sur les effets de la chaleur et sur la fièvre»
(ebd. 1875; deutsch von Schuster, Lpz. 1876),
«Leçons sur le diabète» (Par. 1877; deutsch
von Posner, Berl. 1878),
«Leçons sur les phénomènes de la vie commune aux animaux et
aux végétaux» (2 Bde., Par.
1879).