mehr
Halbinsel links an der Aare, an den Linien Basel-Olten-Bern-Thun (138 km) der Schweiz. [* 2] Centralbahn, Chaux-de-Fonds-Biel-Bern (77 km), Bern-Genf (157 km) und Bern-Luzern (95 km) der Jura-Simplonbahn und hat (1888) mit ihrer ausgedehnten Gemarkung 47151 E., darunter 42504 Evangelische, 3931 Katholiken, 358 Israeliten und 358 andere.
[* 1] ^[Abb: Wappen [* 3] von Bern] [* 4]
Anlage, Brücken. [* 5] Bern ist die bestgebaute Stadt der Schweiz; die Straßen und Plätze sind breit, regelmäßig von O. nach W. und von N. nach S. angelegt und werden in zahlreichen Kanälen vom Stadtbach durchflossen. Die burgartige Lage auf dem von der Aare umspülten, 30-40 m hohen Felsplateau und die massive Bauart der Häuser, die meist aus Sandstein erbaut und mit Arkaden (Lauben) an der Straßenseite versehen sind, verleihen der Stadt ein ernstes Aussehen. Auf drei Seiten von der Aare eingeschlossen, hat sich die Stadt, seitdem ihr Schanzengürtel teils abgetragen, teils in Promenaden umgewandelt worden ist, hauptsächlich am westl. Ende ausgedehnt, wo 5 Vorstädte fächerförmig von der Altstadt auslaufen.
Charakteristisch ist die große Zahl laufender Brunnen, [* 6] meist aus dem 16. Jahrh., mit allerlei Standbildern (Simson, Gerechtigkeit, Anna Seiler, Schütze, Kindlifresser, Dudelsackpfeifer u. s. w.). Über die Aare führen 6 Brücken: eine Eisenbahngitterbrücke und eine Kettenbrücke (Altenbergbrücke) im N., eine Gitterbrücke (Dalmazibrücke) im SW. und die Nydeckbrücken im O. der Stadt. Die untere wurde 1461, die obere, die 3 Bogen [* 7] enthält, deren mittelster 30 m hoch und 50 m weit ist, 1841-44 erbaut; am östl. Ende der letztern liegt als Wahrzeichen von Bern, der Bärengraben, in dem von alters her das Wappentier der Stadt und des Kantons gehegt wird.
Die eiserne Kirchenfeldbrücke (229 m lang, 13 m breit, 34 m hoch) im S., 1882-83 für 1½ Mill. Frs. erbaut, führt in 2 Bogen von je 87 m Spannung zum Helvetiaplatz nach dem neuen Stadtteil Kirchenfeld (s. Tafel: Eisenbrücken [* 8] I, [* 1] Fig. 2). Der Bau einer neuen Brücke [* 9] (Kornhausbrücke) im N. der Stadt ist 1895 begonnen worden. Von mittelalterlichen Bauten hat Bern infolge des großen Brandes von 1405 wenig aufzuweisen; die meisten Gebäude der Altstadt gehören dem 17. und 18. Jahrh. an.
Bauwerke, Denkmäler. Obenan steht das 1421-1598 erbaute, 1850 wiederhergestellte Münster, [* 10] ein spätgot. Bau (85 m lang, 34 m breit, 23 m hoch) mit einem um das Dach [* 11] laufenden durchbrochenen Steingeländer, wertvollen Glasmalereien (15. und 16. Jahrh.), Chorstühlen von 1522, Wappentafel Bertholds von Zähringen, 1600 von der Stadt gestiftet, und berühmter Orgel. Der unvollendete Turm [* 12] (71 m) wurde 1894 nach Plänen des Ulmer Dombaumeisters Beyer ausgebaut. Die Münsterterrasse (in 536 m Höhe, Plattform, ehemals Kirchhof, 86 m lang, 67 m breit), auf 30 m hohen Stützmauern ruhend, mit Baumreihen bepflanzt und mit dem ehernen Standbild des Gründers der Stadt, Berthold V. von Zähringen (nach Tscharners Entwurf), geschmückt, dient jetzt als Promenade.
Vor dem reichen Westportal (Skulpturen, das Jüngste Gericht darstellend) der Kirche das Reiterstandbild des Siegers von Laupen (1339), Rudolf von Erlach. Das kantonale Rathaus, 1406 erbaut, 1868 erneuert, hat eine got. Treppe [* 13] und als Fries die Wappen der bernischen Ämter, der Zeitglockenturm (15. Jahrh.) ein künstliches Uhrwerk (1527). Aus dem 18. Jahrh. stammen die 1726-29 erbaute Heiliggeistkirche, das palastähnliche Bürgerspital, das Inselspital, die Münze, das Kornhaus mit Gewerbemuseum, großen Kellern und Lagerfässern, das Theater, [* 14] die Stadtbibliothek (75000 Bände, wertvolle Inkunabeln, 1500 Handschriften) mit einer histor. und ethnogr.
Sammlung, das Regierungsgebäude (Stift) und der Erlacherhof, jetzt Sitz der städtischen Behörden. Von den neuern Gebäuden sind zu erwähnen das alte Bundesrathaus, ein Sandsteinbau im florentin. Palaststil (122 m lang, 50 m tief), 1852-57 nach Plänen von Stadler und Studer erbaut, das Naturhistorische Museum und das Kunstmuseum, zwei reiche Renaissancebauten, jenes 1881, dieses 1879 vollendet, das Gesellschaftsmuseum, die Gebäude der Kantonal- und der Eidgenössischen Bank, das Verwaltungsgebäude der Jurabahn, die Entbindungsanstalt und zahlreiche andere Universitätsgebäude, die roman.-gotische (seit 1873) altkath.
Kirche, 1858-64 nach Plänen von Deperthes (Reims) [* 15] erbaut, das neue Bundesrathaus, 1888-92 von Auer erbaut, und das neue Bernische historische Museum im Stadtteil Kirchenfeld, nach Lamberts Plänen erbaut. Auf dem Beundenfeld im N. der Stadt erheben sich die neuen Militäranstalten des Kantons (1874-78 erbaut für 4½ Mill. Frs., Zeughaus, Verwaltungsgebäude, Reitbahnen, Kaserne), 3 km nordöstlich von Bern die Irrenanstalt Waldau. Jahrhundertelang Residenz einer mächtigen Aristokratie, ist Bern jetzt Sitz der Bundes- und Kantonsbehörden und der fremden Gesandtschaften.
Bildungs- und Vereinswesen. Obenan steht die 1834 reorganisierte Universität (1895: 630 Studierende, davon 82 weibliche) mit evang. und altkatholischer theol. Fakultät, Tierarzneischule, tellurischem Observatorium und botan. Garten. [* 16] Das städtische Gymnasium, bestehend aus Progymnasium (4 Jahrgänge mit je 2-3 Parallelklassen), Litteraturschule (4½ Jahrgänge), Realschule (4½ Jahrgänge) und Handelsschule (4 Jahrgänge), das Freie Gymnasium mit Elementarschule (3 Obergymnasialklassen, 6 Progymnasialklassen und Realabteilung, 4 Elementarklassen), 2 Knabensekundärschulen, eine höhere Mädchenschule mit Seminar- und Handelsklassen, neue Mädchenschule (Schupplischule), eine Handwerker-, eine Kunst- und eine Musikschule. An Bibliotheken bestehen die Eidgenössische Centralbibliothek (20000 Bde.), ferner die Stadtbibliothek (80000 Bde.), die Bibliothek der Lesegesellschaft (45000 Bde.) und die Universitätsbibliothek. Unter den wissenschaftlichen Vereinen sind hervorzuheben die Naturforschende, die Historische, die Geographische und die Ökonomische Gesellschaft. Die Pflege der Musik und des Gesanges (Berner Liedertafel) nehmen in Bern eine bedeutende Stellung ein.
Wohlthätigkeitsanstalten. Unter den zahlreichen Anstalten sind außer den erwähnten zu nennen die bürgerlichen Waisenhäuser, das Frauen- und das Kinderspital, das Gemeindespital, nach seinem Stifter gewöhnlich Zieglerspital genannt, das Greisenasyl, die Blindenanstalt in Schloß Könitz bei Bern, das Spital für Augenkranke und die Diakonissenanstalt. Bern steht in Bezug auf die Bestrebungen zur Erbauung von Arbeiterwohnungen, Versicherung gegen Arbeitslosigkeit und Arbeitsnachweis obenan; auch ist es der Hauptsitz der Thätigkeit des Blauen Kreuzes. ¶
mehr
Industrie, Gewerbe, Handel. Ein 350 m langer Schwellendamm zweigt von der Aare einen Kanal [* 18] für den Betrieb der städtischen Wasserwerke und des Elektricitätswerkes ab. Die Fabriken liefern Woll-, Seiden- und Baumwollwaren, Maschinen, mathem. und physik. Instrumente, Schokolade u. s. w. Der Handel wird durch die Kantonalbank, die Hypothekarkasse und andere Geld- und Kreditanstalten gefördert. Bedeutend sind auch die beiden Messen und die Vieh- und Pferdemärkte. Die Stadt wird der Länge nach von W. nach O. von einer durch komprimierte Luft getriebenen Straßenbahn durchzogen, hat eine Drahtseilbahn vom alten Bundesrathaus hinab nach Aarziehle und elektrische Straßenbeleuchtung.
Die Umgebung der Stadt ist ungemein anmutig; hohe schattige Baumgänge führen nach vielen Richtungen zu den herrlichsten Fernsichten; die schönsten und besuchtesten Punkte sind das Schänzli, die Enge, in deren Nähe der Hirschgarten liegt, und der Gurten (860 m), dessen Gipfel ein Panorama der Hochebene bis zum Jura und den Alpen, [* 19] vom Pilatus bis zu den Savoyer Bergen [* 20] gewährt.
Geschichte des Kantons und der Stadt. Zahlreiche Funde beweisen, daß das jetzt bernische Gebiet schon in prähistor. Zeit und im Altertum bewohnt war. Nach dem Sturze der röm. Herrschaft wurde es von Alamannen und in den westl. Grenzstrichen von Burgundern besiedelt. 534 kam das Land unter fränk. Herrschaft, 888 an das zweite burgund. Königreich und mit diesem 1032 an das Deutsche Reich, [* 21] von dem seit 1127 die Herzöge von Zähringen (s. d.) das Rektorat über Burgund zu Lehn trugen.
Berthold V. gründete 1191 auf Reichsboden die Stadt Bern als festen Platz zur Sicherung der Zähringer Herrschaft gegen den burgund. Adel. Durch den Tod Bertholds und das Aussterben der Zähringer 1218 erlangte Bern Reichsfreiheit, und damit begann seine Blüte. [* 22] Der kleine Adel und die freien Bauern der Umgegend, Klöster und Stifte, benachbarte Städte und Landschaften bewarben sich um den Schirm oder das Bündnis der Stadt. Diese ergab sich 1255 den Grafen von Kyburg und Savoyen, erhielt aber 1267 ihre Freiheit wieder.
Wegen Steuerverweigerung hatte Bern 1288 zwei Belagerungen durch Rudolf von Habsburg zu bestehen; sein Sohn Rudolf schlug 1289 die Berner vor der Stadt. Durch die Siege am Dornbühl 1298 und bei Laupen 1339 brach es mit Hilfe der Waldstätte die Macht des burgund. Adels und der mit diesem verbündeten Stadt Freiburg. [* 23] 1353 trat es dem Bunde der Eidgenossen bei; 1375 schlug es die Gugler unter Ingelram von Coucy zurück. Ruhmvollen Anteil nahm es 1474-77 an den Kriegen gegen Herzog Karl von Burgund und 1499 gegen Kaiser Max. Seine staatskluge und kräftige Politik war beständig auf Vergrößerung des eigenen Gebietes durch Eroberung oder Kauf von den verarmten Dynasten und auf Erweiterung der Eidgenossenschaft durch neue Bündnisse gerichtet. Bern eroberte 1415 den Aargau bis zur Reuß; [* 24] 1536 entriß es den Herzögen von Savoyen die Waadt (s. d.), und sein Gebiet erstreckte sich nun von den Quellen bis fast zur Mündung der Aare, von den Grenzen [* 25] Savoyens und Hochburgunds bis zu den Waldstätten. Bei der Reformation, die Bern 1528 annahm und auch in der neu eroberten Waadt einführte, vermehrte es das Staatseigentum durch die Säkularisation von Klöstern und Stiften und nahm seitdem neben Zürich, [* 26] an dessen Seite es in den Religionskriegen von 1656 und 1712 focht, die erste Stelle in der Eidgenossenschaft ein. (S. Schweiz.)
Ursprünglich herrschte in Bern mehr demokratische Rechtsgleichheit. Die Regierung bestand bis 1798 aus dem Schultheißen, dem Kleinen Rat, dem Rat der Zweihundert (1294 eingeführt) und der gesamten Bürgerschaft, die sich in vier Quartiere gliederte unter je einem den vier ersten Handwerkergesellschaften entnommenen Venner (Bannerträger) und Steuereinzieher. Das erkaufte und eroberte Land trat der Stadt gegenüber in ein Unterthanenverhältnis und wurde durch Landvögte aus städtischen Geschlechtern regiert.
Die Erwerbung des Bürgerrechts wurde vom 16. Jahrh. an erschwert, die Zahl der regimentsfähigen Geschlechter 1790 auf ein Minimum von 76 festgesetzt. Aber auch innerhalb dieser Geschlechter gab es wieder verschiedene Abstufungen («Regierende» und «Nichtregierende»). Der Rat der Zweihundert galt als der eigentliche Souverän. Er ergänzte sich selbst, immer ausschließlicher aus dem engen Kreise [* 27] der «patricischen» Familien; so machte sich der Absolutismus des 17. Jahrh. auch hier geltend, und die Regierung wurde oligarchisch.
Der Staatshaushalt war wohlgeordnet, die Verwaltung im allgemeinen milde und gerecht, der Wohlstand namentlich unter der Bauernschaft beträchtlich; Militärwesen, Straßenwesen und öffentliche Sicherheit standen nach damaligen Begriffen auf hoher Stufe. Dagegen wurden der öffentliche Unterricht, Handel und Gewerbe vernachlässigt. Der Mangel an polit. Rechten der Landschaft, der Druck des oligarchischen Regiments weckten trotz der materiellen Wohlfahrt namentlich in den Municipalstädten und im Waadtland, aber auch in der Hauptstadt große Unzufriedenheit.
Zwar gelang es der Regierung, die Freiheitsbestrebungen des Landvolks im Bauernkriege von 1653 blutig zu unterdrücken, und der Versuch des Majors Davel (s. d. und Waadt) 1723, die Waadt von Bern loszureißen, blieb ebenso erfolglos wie die Verschwörung Sam. Henzis (s. d.) 1749 zum Sturz der Regierung; aber den Stürmen der Französischen Revolution konnte das Staatsgebäude nicht widerstehen. Im Aargau und dem Waadtland entstanden Unruhen, im Jan. 1798 fiel die Waadt von ab; die Truppen der Französischen Republik rückten ins Land und zogen 5. März, nach tapferer Gegenwehr des bernischen Heers (gleichzeitig Sieg bei Neuenegg und Niederlage am Grauholz), in die Hauptstadt ein, der sie ungeheure Brandschatzungen auflegten und den großen Staatsschatz wegnahmen.
Das Gebiet des Staates zerfiel nun unter der ganz unhaltbaren Helvetischen Republik (s. d.) in die Kantone Waadt, Aargau, und Oberland; 1802 entschied der «Necklikrieg» den Sieg der Föderalisten über die Unitarier, doch verhinderte Napoleons Einschreiten die Wiederherstellung des Alten. Seine Mediationsakte (1803) vereinigte das Oberland wieder mit Bern. Der Aargau und die Waadt blieben selbständige Kantone und wurden als solche im Wiener Kongreß anerkannt. Bern, das 1815 am liebsten seine frühere Territorialherrschaft hergestellt hätte, erhielt für den Verlust des Aargaues und der Waadt den größten Teil des Bistums Basel [* 28] samt den Städten Biel und Neuenstadt.
Im Kanton [* 29] Bern wurde die frühere aristokratische Verfassung wiederhergestellt, doch dem Rat der Zweihundert 99 Mitglieder aus den Städten und Landschaften des ganzen Kantons beigegeben. Beim Ausbruch der franz. Julirevolution verlangte auch in Bern ¶