Berlepsch (Sittig Eugen Heinr. Gottlob Aug., Freiherr von) - Berlin (Größe)
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irgend Handhaben dafür bot, mit Verordnungen über
Sonntagsruhe,
Kinderarbeit u. s. w. vor und suchte auch persönlich in
diesem
Sinne auf die Fabrikanten und Großindustriellen zu wirken. Auf seine Anregung wurde der
BergischeVerein für Gemeinwohl
gegründet, der, nur aus
Arbeitgebern bestehend, eine umfassende arbeiterfreundliche Thätigkeit entwickelte. In versöhnendem
Sinne wirkte auch bei dem großen Bergarbeiterstreik im rhein.-westfäl. Kohlengebiete, der im Mai 1889 ausbrach.
Im Okt. 1889 erhielt Berlepsch die
Berufung zum Oberpräsidenten der Rheinprovinz
[* 2] und, nachdem Fürst
Bismarck von der Leitung des
Handelsministeriums zurückgetreten war, wurde er zum Minister für
Handel und
Gewerbe ernannt und seinem Ressort
auch die
AbteilungBerg- und Hüttenwesen überwiesen. Er eröffnete und leitete die 15. bis 29. März tagende internationale
Arbeiterschutzkonferenz
(s. d.). Bereits in der 6. Mai beginnenden neuen Reichstagssession konnte eine
vom preuß. Handelsministerium und
Reichsamt des Innern ausgearbeitete Novelle zur Gewerbeordnung
(Arbeiterschutzgesetz) vorgelegt
werden, die vielfach umgestaltet nach langwierigen Verhandlungen die Zustimmung des
Reichstags
fand. 1893 unterbreitete Berlepsch der Öffentlichkeit zur Begutachtung einen
Entwurf zur Organisation des Handwerks in Fachgenossenschaften
und
Handwerkerkammern.
Sittig Eugen Heinr. Gottlob Aug.,
Freiherr von,
Bienenzüchter, geb. auf dem Gute Seebach bei
Langensalza,
[* 3] studierte
Theologie in Greifswald
[* 4] undMünchen,
[* 5] übernahm aber noch ziemlich jung das Gut
seines
Vaters. Hier unterhielt er einen zahlreichen Bienenstand und unterstützte durch
Beobachtungen die
Ansichten und Erfahrungen
Dzierzons, auch veranlaßte er die Professoren von Siebold, Leukart u. a. zu bedeutungsvollen
Untersuchungen über das Bienenleben. 1858 siedelte er nach Gotha,
[* 6] später nach
München über, wo er starb.
Sein Hauptwerk ist «Die
Biene
[* 7] und ihre Zucht in honigarmen Gegenden» (3. Aufl., Mannh.
1873); mit
Vogel gab er heraus: «Die
Bienenzucht
[* 8] nach ihrem jetzigen rationellen Standpunkte» (Berl. 1875; 2. Aufl.
1883).
altes schwäb. Adelsgeschlecht, das noch jetzt in zwei Linien, der zu
Jagsthausen und der zu Rossach, blüht, von denen die letztere Götz von Berlichingen, die
erstere dessen
BruderHans von Berlichingen (geb. 1476, gest. 1553) zum Ahnherrn
hat. Die Linie
Jagsthausen wird gegenwärtig durch
Freiherrn Götz
Otto Ernst von Berlichingen, geb. vertreten, die Linie
Berlichingen-Rossach hat den
Freiherrn Reinhard Götz von Berlichingen (geb. zum
Haupt. – Aus dieser Linie wurde
FriedrichWolfgang Götz von Berlichingen (geb. gest.
Abgeordneter des grundherrlichen
Adels und zweiter Vicepräsident in der bad. Ersten Kammer, in den württemb.
Grafenstand erhoben.
Er verfaßte: «Geschichte des Ritters Götz von und
seiner Familie» (Lpz. 1861). Sein Sohn Götz Maximilian Erich,
Graf von Berlichingen, geb. ist das Haupt dieses gräfl. Zweiges.
^[]
Götz oder
Gottfried von, mit der eisernen
Hand,
[* 11] ein rechter
Typus des Raubrittertums, war 1480 zu
Jagsthausen
im Württembergischen auf dem Stammschlosse seines Geschlechts geboren. Seit 1498 in das Kriegsleben
eingeführt, diente er anfangs dem Markgrafen
Friedrich Ⅳ. von
Brandenburg-Ansbach; hierauf trat er im Landshuter Erbfolgekrieg
(s.
Albrecht Ⅳ. von
Bayern)
[* 12] zu
Albrechts Partei. In diesem Kampfe verlor er bei der
Belagerung von Landshut
[* 13] die rechte
Hand,
sie wurde künstlich durch eine eiserne ersetzt, die noch in
Jagsthausen gezeigt wird.
Seither führte er dem Landfrieden zum Trotz zahlreiche
Fehden, u. a. mit
Nürnberg,
[* 14] Köln,
[* 15] Kurmainz. Berlichingen stand 1519 dem
HerzogUlrich von
Württemberg
[* 16] gegen den Schwäbischen
Bund bei und verteidigte Möckmühl. Wahrscheinlich nicht durch Verrat, sondern
bei einem
Ausfall gefangen, saß er bis 1522 in Haft zu Heilbronn.
[* 17] Am großen
Bauernkriege (s. d.), 1525,
nahm er, wie er selbst sagt, gezwungen als Hauptmann der Aufständischen Anteil, entwich indessen, als der entscheidende
Zusammenstoß mit dem
Heere des Schwäbischen
Bundes bevorstand.
Vom Kammergericht für schuldlos erklärt, wurde er doch 1528 von
Dienern des Schwäbischen
Bundes niedergeworfen und, als
er seinem Gelöbnis treu sich in
Augsburg
[* 18] stellte, dort 2 Jahre in Haft gehalten, worauf er die nächsten 11 Jahre
in einer Art von halber Gefangenschaft auf Schloß Hornberg zubringen mußte. Der
Kaiser verwendete ihn nach seiner
Befreiung 1542 im
türk. und 1544 im franz. Feldzuge. Berlichingen starb Seine
Selbstbiographie wurde zuerst hg. von
Pistorius (Nürnb. 1731; Neudruck von Bieling,
Halle
[* 19] 1886), später von Schönhuth (2.
Aufl., Heilbr. 1859); sie wurde die
Quelle
[* 20] für
Goethes «Götz». –
Vgl. F. W. Götz
Graf von Berlichingen-Rossach, Geschichte
des Ritters Götz von Berlichingen mit der eisernen
Hand (Lpz. 1861).
[* 21] (hierzu zwei Karten: Berlin, Stadtplan, und Berlin und Umgegend),
Hauptstadt des Königreichs
Preußen
[* 22] und des
DeutschenReichs und erste Residenzstadt des
DeutschenKaisers und Königs von
Preußen, nach
London
[* 23] und
Paris
[* 24] die größte Stadt
Europas, liegt unter 52° 30' 17" nördl.
Br. und 13° 23' 54" östl. L. von Greenwich in einer von niedrigen
Anhöhen umsäumten, sandigen Ebene, in 32 m (Spreespiegel) bis 49 m (Teltowerstraße) Höhe an beiden Ufern der hier schiffbaren
Spree (18 km von ihrer Mündung in die
Havel), die sich in mehrere
Arme teilt und die Panke inmitten der Stadt aufnimmt. Die
Durchschnittsluftwärme betrug 1890: +9,1° C. (+31,8° Maximum, -17,0° Minimum), die Bodenwärme +9,3°
(in der
Tiefe von 0,5 m), +10,3° (1 m), +10,3° C. (3 m), der Luftdruck 761,7
mm, die Niederschlagsmenge 486,8
mm, der mittlere
Grundwasserstand 31,38 m. ^[Abb: Wappen
[* 25] von Berlin]
Größe. Das Weichbild von 38,08 qkm mußte 1861 auf 59,19 qkm (1,77 Wasserläufe) erweitert werden;
die Gemeinden Moabit und Wedding nebst
Teilen von Charlottenburg,
[* 26] Schöneberg,
Tempelhof und der Hasenheide, wo 1852 erst 6238,
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792 1858 schon 29951 und 1864 bereits 52263 Personen wohnten, sind damals mit der Hauptstadt vereinigt worden. Die 1743–1802
erbaute Stadtmauer, die durch 19 Thore die Verbindung mit der Umgebung gestattete, wurde 1867/68 beseitigt. Nachdem Teile
der Gemeinde Lichtenberg mit 1,32 qkm und der Thiergarten, Seepark, Zoologische Garten,
[* 28] Hippodrom
und das Schloß Bellevue mit 2,55 qkm einverleibt worden sind, hat das Weichbild der Stadt 1888: 44,4 km Umfang, 63,37 qkm
Fläche; die Ausdehnung
[* 29] von O. nach W. beträgt 10,3 km, von N. nach S. 9,2 km. Von der Gesamtfläche
sind 20,89 qkm bebaute Grundstücke, 13,5 qkm Wege, Straßen und Eisenbahnen, 1,91 qkm Wasser und 27,07
qkm landwirtschaftlich benutzt (20,27 steuerpflichtige, 6,8 qkm steuerfreie Liegenschaften).
Bevölkerung.
[* 30] hat infolge der Begünstigung seitens der preuß. Herrscher an Einwohnerzahl sehr rasch zugenommen; so
unter der Regierung des Großen Kurfürsten von 6000 auf 20000, unter Friedrich Wilhelm Ⅰ. von 55000 (1709)
auf 102400 (21300 Militär) bei seinem Tode. 1755 hatte Berlin 126661 E. (26658 Militär), 1763 nur 119219 E.; 1790: 150803 (28930
Militär), 1804: 182157 (25496 Militär), 1810 nur 162971 (9901 Militär). 1816 wurden gezählt 195200 E. (15716 Militär),
1840: 322620 (18739 Militär), 1858: 448610 (19676 Militär).
Seitdem ist die Bevölkerung gleich der anderer Großstädte, und fast alle europäischen noch weit überragend,
überaus schnell gewachsen, wozu in nicht geringem Maße die den Staat vergrößernden und das Deutsche Reich
[* 31] begründenden
Ereignisse beigetragen haben. Die ortsanwesende Bevölkerung betrug 1867: 703120, 1871: 824580, 1875: 964240, 1880: 1122330
(20293 Militärpersonen, 320 des diplomat. Korps und 2543 der Strombevölkerung), 1885: 1315287 (20565
Militärpersonen), 1890: 1578794 (19596 Militärpersonen), d. i. eine Zunahme 1880–85 von 192783 Personen oder 17,19 Proz.,
1885–90: 263507 oder 20,03 Proz. Am betrug die fortgeschriebene Bevölkerungszahl 1656698. Wie
bedeutend sich der Fremdenverkehr B.s entwickelt hat, dürften die folgenden Zahlen ergeben. Im J. 1888:
418442, 1889: 469357, 1890: 505492, 1891: 504702, 1892: 502634. Der stärkste Fremdenzufluß findet stets im August und September
mit 35–60000 Personen statt, während in den übrigen Monaten die Zahl der Fremden zwischen 25–40000 variiert.
Die größte Zunahme (1885–90) zeigte der Stadtteil Friedrich-Wilhelmsstadt (s. unten) und Moabit (93463
gegen 48258 E.) mit 93,67 Proz., es folgt der Thiergarten mit 87,7 Proz.,
dann die nördl. Rosenthaler Vorstadt und die östl. Luisenstadt
jenseit des Kanals mit 62 Proz.; eine Abnahme trat dagegen in den alten Stadtteilen ein: im Friedrichswerder (-21,27 Proz.),
in Alt-Kölln (-10,27), in der Dorotheenstadt (-3,27), Berlin-Kölln (-2,22), Friedrichsstadt (-1,29)
und der Luisenstadt diesseit des Kanals (-0,14). Berücksichtigt man das Verhältnis der Bodenfläche und der Wasserläufe
zur Einwohnerzahl, so kamen 1890 nur noch 40,87 qm auf 1 E., während es 1885 noch 57,48 qm waren; am ungünstigsten ist
dies Verhältnis in der Luisenstadt jenseit des Kanals mit 16,55 qm, am günstigsten auf dem Wedding mit
91,86 qm, wo noch größere verfügbare Bodenflächen vorhanden sind.
Dem Geschlecht nach waren 1890: 759623 männl., 819171 weibl.; während 1885 von 1000 E. 480 männl.
und 520 weibl. waren, stellt sich 1890 das Verhältnis auf 481 zu 519. Dem Civilstand nach
waren 462846 männl. und 459013 weibl.
Personen ledig, 277874 männl. und 277429 weibl. verheiratet, 15309 männl. und 76829 weibl.
verwitwet, 2284 männl. und 5118 weibl. geschieden. Dem Alter nach gab es 161903 Kinder (81217 Knaben, 80686 Mädchen) unter 5 J.;
über 90 J. waren 159 Personen.
Dem Religionsbekenntnis nach waren: 1352559 Evangelische, 135407 Römisch-Katholische, 79286 Israeliten, 187 Mennoniten, 1119 Baptisten, 270 der
engl. Hochkirche Angehörige, 314 Methodisten, 1791 Irvingianer, 378 Griechisch-Katholische, 1376 Freireligiöse, 3486 Dissidenten, 1570 Konfessionslose
und Ungetaufte, 237 Atheïsten und 394 mit unbekannter Religion. Bei denEvangelischen betrug die Zunahme gegen 1885: 18,4 Proz.,
bei den Israeliten 23,2 Proz., bei den Katholiken 36,1 Proz.
Wie wenig störend übrigens das Bekenntnis auf das Zusammenleben einwirkt, ist aus der Zahl der Mischehen zu ersehen. Es
bestanden 28464 Mischehen.
Davon 26083 evang.-römisch-katholisch, 1175 evang.-jüdisch, 118 röm.-kathol.-jüdisch und 1088 dissidentische
und verschiedenen andern Konfessionen
[* 32] angehörend. Die Evangelischen gehören 5 Personal-, 13 Anstalts-
und 32 örtlichen Parochialgemeinden mit 63 Gotteshäusern an. Unabhängig von der Landeskirche halten sich 7 prot. Gemeinden.
Die Katholiken sind in 4 Kirchen und 4 Kapellen eingepfarrt. Die Altkatholische Gemeinde (Altkatholikenverein für Berlin
und Umgegend) wird von Breslau
[* 33] aus pastoriert; sie hat 480 (280 männl., 200 weibl.) Mitglieder.
Die Freireligiöse Gemeinde und der Verein zur Pflege freireligiösen Lebens (zur Pflege lebendiger auf Vernunft und den Ergebnissen
der fortschreitenden Wissenschaft beruhenden Religiosität) besitzen je einen Betsaal. Neben der Freireligiösen Gemeinde
besteht seit 1887 der Humanistische Frauenverein. Die israel. Gemeinde besitzt 3 Synagogen und mehrere Bethäuser, die israel.
Reformgemeinde 1 Gotteshaus.
Der Gebürtigkeit nach waren 642651 (306308 männl. und 336343 weibl.) Berliner (= 40,71 Proz.), 839556 (400521
männl. und 439035 weibl.) aus andern preuß. Provinzen, 70210 (38063 männl. und 32147 weibl.) aus dem übrigen Deutschland, 25730
(14380 männl. und 11350 weibl.) Ausländer und 647 (351 männl. und 296 weibl.) unbekannten Geburtslandes.
Unterscheidet man die Bevölkerung (1890) in geborene Berliner und Auswärtsgeborene, so zeigen erstere einen starken Rückgang
seit 1880; damals gab es unter 1000 E. noch 434 geborene Berliner, 1885: 424 und 1890 nur 407. Der Anteil der geborenen Berliner
ist übrigens beim weiblichen Geschlecht ständig ein größerer als beim männlichen.
Zwischen und den preuß. Provinzen besteht durch innere Wanderungen ein stetiger Bevölkerungsaustausch; namentlich aus Brandenburg
[* 34] und Schlesien,
[* 35] demnächst aus den übrigen östl. Provinzen und Sachsen
[* 36] findet ein sehr starker Bevölkerungszuzug nach Berlin statt,
und weibliche Personen, welche in den mannigfaltigen Gewerbebetrieben der Großstadt, sowie als Dienstboten
leichter als in den Provinzen Erwerb finden, ziehen namentlich aus Brandenburg, Pommern,
[* 37] Sachsen, Posen,
[* 38] Ostpreußen
[* 39] und Westpreußen
in größerer Menge als männliche zu.
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