Die jüngere Linie, Bentheim-Bentheim und Bentheim-Steinfurt, begründet von
GrafArnold von Bentheim (gest. 1643), erhielt in der
Person des
Grafen Ludw. Wilh. von Bentheim (gest.
den preuß. Fürstenstand. Gegenwärtiges Haupt der Linie ist Fürst
Alexis, geb. Sohn des Fürsten
Ludwig von
Bentheim (geb. gest. erbliches Mitglied
des preuß. Herrenhauses. -
Friedrich Wilhelm Belgicus, Prinz von
Bentheim-Bentheim, österr. Feldmarschalllieutenant, geb. zu
Steinfurt als Sohn des spätern Fürsten
Ludwig Wilhelm von
Bentheim-Steinfurt, trat 1799 in das österr.
Heer ein, wurde 1809 auf dem Schlachtfelde von
Aspern
[* 2] zum Obersten ernannt und kämpfte ruhmvoll in den
Schlachten
[* 3] von
Wagram
[* 4] (1809),
Dresden
[* 5] und Kulm (1813).
Bald darauf ward er
General, erhielt dann den
Auftrag, eine
deutsche Legion zu errichten, die
gegen Ende des franz.
Krieges 1814 im südl.
Frankreich noch wesentliche Dienste
[* 6] leistete. Nach dem
Pariser
Frieden war er im Interesse der mediatisierten deutschen Fürsten als deren
Bevollmächtigter thätig. Zum
Heere zurückgekehrt,
ward er 1827 Feldmarschalllieutenant und trug 1831 zur Unterdrückung der
Bewegung im Kirchenstaate bei. Als Commandeur des 2.
Armeekorps
in
Italien
[* 7] starb er zu Villafranca.
ein Geschlecht, das schon im 14. Jahrh. in Geldern ansässig war, später
auch nach England und Oldenburg
[* 8] verpflanzt wurde.
1) Die ältere Linie ward begründet und nach England übergeführt durch Wilhelm Bentinck, geb.
1649, der mit Wilhelm III. nach England hinüberging und von ihm 1689 zumBaron Cirencester, Viscount
Woodstock und
Grafen von Portland erhoben wurde. Sein ältester Sohn
Heinrich erhielt 1716 den
Titel eines
Herzogs von Portland.
Da des letztern Sohn Wilhelm sich mit der Erbin der
Herzöge von Newcastle,
[* 9] Margarete
Cavendish-Harley vermählte, so nahm
die Familie den heute noch geführten
NamenCavendish-Bentinck an.
Der zweite Sohn des dritten
Herzogs von Portland war Lord William
Cavendish-Bentinck, geb. Er
stieg schnell in der
Armee auf, war 1803-7 Gouverneur von
Madras,
[* 10] wurde aber abgerufen, weil man seinen Maßregeln eine Revolte
der Sepoys zuschrieb. Nach diplomat. und militär. Verwendung in
Spanien
[* 11] wurde er 1811 als engl.
Vertreter
und Befehlshaber der engl. Hilfstruppen gegen Napoleon nach
Sicilien geschickt. Er trat hier mit hochmütigen Herrschaftsansprüchen
auf, zwang den König, dem
Lande eine
Verfassung nach engl.
Muster zu verleihen, und zog sich besonders die Feindschaft der
Königin Karoline Marie zu. 1813 leitete er eine wenig erfolgreiche Expedition nach der span.
Ostküste, eine glücklichere 1814 gegen Genua.
[* 12]
Nach Beendigung der Napoleonischen
Kriege (1815) lebte er mehrere Jahre ohne
Amt. 1827-35 war er
Generalgouverneur von
Bengalen,
ordnete durch Sparsamkeit in der
Verwaltung die ind.
Finanzen, nahm sich der Rechtspflege und der Erziehung der Eingeborenen
an, verwandte letztere im Dienst der Regierung, gab der
Presse
[* 13] größere
Freiheit und ging besonders streng
gegen das Verbrennen der
Witwen vor. 1833 wurde er der erste
«Generalgouverneur von
Indien». Weniger gut war unter seiner Leitung
die Haltung der ind. Lehnsstaaten.
1835 legte er sein
Amt nieder und ging nach England zurück. Er starb in
Paris.
[* 14]
Lord
GeorgeCavendish-Bentinck (Will.
George Frederick), dritter Sohn des vierten
Herzogs von Portland, geb. trat 1819 als
Kornett in die
Armee, wurde schon 1825 Major, entsagte aber dem aktiven Dienst seit seinem Eintritt ins
Unterhaus 1826. Er war
gemäßigter
Whig, ein Bewunderer
Cannings, trat für die Katholikenbefreiung ein, wohl auch für Parlamentsreform,
neigte aber dabei schon den
Tories zu und verließ 1834 die
Whigs ganz und hielt zu Peel. Ein ministerielles
Amt wies er jedoch
wiederholt ab. Bei Peels Übergang zum
Freihandel wurde er als Schutzzöllner dessen Gegner und Führer der Protektionistenpartei,
die in der Opposition zu Peels
Sturz 1846 beitrug; sein
Berater in dieser Zeit war Disraeli
(Beaconsfield).
Er starb -
Vgl. Disraeli, Lord
C.-Bentinck, a political biography (Lond. 1851; deutsch
Cassel 1853).
2) Die jüngere Linie der Bentinck ward begründet von einem jüngern Sohn des obenerwähnten
Grafen von Portland,
Wilhelm von Bentinck (geb. gest.
Herrn zu Rhoon und Pendrecht, Präsident der Ritterschaft in den
Staaten von
Holland und Westfriesland, der zum
Reichsgrafen erhoben wurde, sich 1733 mit Charlotte
Sophie, der Erbtochter des letzten
Grafen von Aldenburg,
Antons II, vermählte
und dadurch das gräfl. Aldenburgische
Fideïkommiß, die freie Herrschaft Kniphausen, die Edelherrschaft
Varel nebst
Gütern im Oldenburgischen an sein Haus brachte. Der Reichsgraf Wilhelm von Bentinck hinterließ zwei
Söhne, durch die
sich die jüngere Hauptlinie wieder in zwei Zweige spaltete,
ChristianFriedrichAnton, der
Stifter der westfälischen Linie,
und
JohannAlbert, geb. der in engl. Seedienste trat, dadurch
der
Stifter einer zweiten englischen Linie ward und starb.
ChristianFriedrichAnton (geb. gest. hatte wieder zwei
Söhne, Wilhelm Gustav
Friedrich und
JohannKarl,
durch die sich die westfälische Linie von neuem in den ältern und jüngern Zweig teilte. Der erstere,
Wilhelm Gustav
Friedrich, geb. im Haag,
[* 15] kam 1768 in den
Besitz der Fideïkommißherrschaften und
war in erster
Ehe
mit einer
FreiinvanReede verheiratet, die 1799 starb und ihm eine Tochter und einen Sohn hinterließ, welcher 1813 starb.
Dann lebte er seit 1800 mit Sarah Margarete Gerdes, der Tochter eines oldenburg. Landmanns in Bockhorn, in einer sog.
Gewissensehe bis 1816, wo er sich förmlich mit ihr trauen ließ. Von ihr hatte er mehrere
Kinder, darunter drei
Söhne, Wilhelm
Friedrich (geb. 1801, gest. 1867), Gustav
Adolf (geb. 1809, gest. und
FriedrichAnton (geb. 1812).
Dem ältesten trat der
Vater (der nach der Wiederherstellung des niederländ.
Staates 1813 wiederum in die Ritterschaft
Hollands
aufgenommen war, schon 1827 die Mitregentschaft über die Fideïkommißherrschaften ab, die während der franz.
Invasion eine Zeit lang zuHolland, dann als bloße Privatgüter zum franz. Kaiserreich gehört hatten, 1818 aber
unter oldenburg. Hoheit gekommen waren und zuletzt durch das
Berliner
[* 16]
Abkommen von 1825 als mediatisierte Herrschaften mit
vielen
Rechten und Privilegien ihrem vormaligen
¶
mehr
Landesherrn zurückgegeben wurden. Als jedoch der älteste Sohn auf die Nachfolge in allen väterlichen Gütern verzichtete,
sich nach Missouri in den Vereinigten Staaten
[* 18] begab und siech daselbst ankaufte, wurde seinem zweiten Bruder 1834 die Mitregentschaft
der Fideïkommißherrschaften vom Vater eingeräumt, der 22. Okt. 1835 starb. - Der Bruder des letztern, JohannKarl, geb. 1763, gest. als brit.
Generalmajor in London
[* 19] hatte ebenfalls drei Söhne hinterlassen, Wilhelm FriedrichChristian, niederländ. Kammerherr
(geb. gest. KarlAnton Ferdinand (geb. gest. und HeinrichJohann Wilhelm (geb.
großbrit. General, gest.
Schon bei Lebzeiten des Grafen Wilhelm Gustav Friedrich hatte, nachdem dieser die Fideïkommißherrschaften auf seinen Sohn
übertragen, der Bruder des erstern, JohannKarl, die Successionsfähigkeit seiner Neffen bestritten, deshalb Einspruch bei
der Bundesversammlung erhoben und 1829 förmliche Klage bei dem Oberappellationsgerichte zu Oldenburg eingereicht. Dies
war der Anfang des sog. Bentinckschen Erbfolgestreits. Nach JohannKarls und Graf Wilhelms Tode setzten ihre Söhne denselben
fort; es handelte sich dabei um die beiden Herrschaften Kniphausen und Varel.
Die Agnaten behaupteten vornehmlich: zu dem gräfl. Aldenburgischen Fideïkommiß seien bloß legitime Nachkommen aus standesmäßiger
Ehe berufen, den Beklagten gehe aber diese Eigenschaft ab, da sie Söhne einer Leibeigenen und nur durch
nachfolgende Ehe legitimierte Mantelkinder wären, also schon nach dem Gemeinen Rechte des deutschen hohen Adels nicht succedieren
könnten. Dem allem ward von den Beklagten widersprochen und besonders bestritten, daß die Grafen von Aldenburg, für welche
das Fideïkommiß gestiftet worden, zum hohen Adel gehört hätten, da sie weder Anteil an einer reichsgräfl.
Kuriatstimme auf den Reichstagen noch Kreisstandschaft gehabt hätten. Für alle Fälle liege auch in der Stiftung des Aldenburgischen
Fideïkommisses durch AntonGünther zu Gunsten seines nur mittels Reskripts legitimierten Sohnes von vornherein ein Ausschluß
alles Erbfolge-Rigorismus. Für die Kläger schrieben Claus in Frankfurt
[* 20] und Hesster, ferner Tabor, Wilda,
Mühlenbruch und Zachariä; gegen sie Klüber, Dieck, Eckenberg, Michaelis, Wasserschleben, Boden.
Pözl und Bluntschli wollten die Sache als eine Frage des öffentlichen Rechts der gerichtlichen Kompetenz ganz entzogen wissen.
Für die Dauer des Prozesses hatte die oldenburg. Regierung den Besitzstand des Grafen Gustav Adolf vorläufig
anerkannt, ihm jedoch aufgegeben, nichts von den Gütern zu seinen Gunsten zu verwenden. Nachdem der Mitkläger GrafKarlAnton
Ferdinand den vergeblichen Versuch gemacht hatte, sich mit List und Gewalt in den Besitz zu setzen, fiel 1842 ein
Urteil der Juristenfakultät in Jena,
[* 21] an welche die Akten versendet worden, für die Beklagten aus; allein
die Kläger legten dagegen Berufung ein, über welche die Juristenfakultät zu Gießen
[* 22] entscheiden sollte.
Während der Jahre, welche die Abfassung der umfangreichen Schriften zur Begründung und Widerlegung des Rechtsmittels und
die Entscheidung selbst in Anspruch nahmen, suchten die Kläger ihre Sache namentlich diplomatisch zu fördern,
wobei sie in ihren Beziehungen zur engl. und niederländ. Regierung den nötigen
Rückhalt finden
mochten. Sie erlangten bei der Bundesversammlung die Erklärung, daß der Familie Bentinck nach
ihrem Standesverhältnisse zur Zeit des DeutschenReichs (was noch Gegenstand gerichtlicher Erörterung
war) die Rechte des hohen Adels im Sinne des 14. Art. der Bundesakte zukämen.
Hierauf traten sie bei dem Bunde mit dem Antrage hervor, dem Grafen Gustav Adolf V. die Successionsfähigteit abzusprechen
und die von diesem angemaßte Landeshoheit auf die rechtmäßigen Nachfolger zu übertragen, erwirkten auch bei
der Provisorischen Centralgewalt einen entsprechenden Beschluß. Der Besitzer protestierte dagegen unter dem bei
der Bundescentralkommission, und da auch die oldenburg. Regierung darauf bestand, die gerichtliche Entscheidung abzuwarten,
so blieben die weitern Schritte der Kläger am Bunde vorderhand ohne Erfolg.
Endlich schlug Oldenburg 1854 einen Vergleich vor, worin es sich zum Ankauf des B.schen Fideïkommisses
um einen Preis von etwa 2 Mill. Thlr. und zur ratenweisen Verteilung dieser Summe unter die streitenden Teile erbot. Der Vergleich
ward in der That von dem Beklagten, dem Grafen Gustav Adolf, unter Abtretung seines Besitzes angenommen, ebenso von dem
Grafen Wilhelm (gest. im Haag) und 1855 vom GrafenKarl (gest. zu Bergheim in Waldeck),
[* 23] der sich auch 200000
Thlr. auf die Vergleichsumme von Oldenburg zahlen ließ. Der Sohn des letztern, Graf Wilhelm, geb. ist gegenwärtig
Haupt der Familie; seine Residenz ist Schloß Middachten bei Arnheim. -
Vgl. Boden, Zur Kenntnis und Charakteristik
Deutschlands
[* 24] in seinen Rechtszuständen u. s. w. (2. Aufl.,
Frankf. 1856);
Eine vollständige Angabe der früher über den B.schen Erbfolgestreit erschienenen Schriften der obengenannten Rechtsgelehrten
enthält das ebenfalls oben angeführte, 1842 gefällte Urteil der Juristenfakultät zu Jena.