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Nordindien nördlich vom Windhjagebirge umfaßt. An der
Spitze derselben wie der übrigen Präsidentschaften und
Kommissariate
steht der
Vicekönig-Generalgouverneur mit dem
Indischen
Rate (Viceroy oder
Governor-General in Council). - III. Bengalen
im engern
Sinne, d. h. die gegenwärtige
Lieutenant-Gouverneurschaft Bengalen
oder der Untern
Provinzen (Lower Provinces), jetzt meist Niederbengalen
(Lower Bengal) genannt, hat einschließlich Kotsch-Bibar,
Berg-Tripura (s.
Tripura) und 24 kleinerer
Staaten
in Tschutia-Nagpur und
Orissa 500372 qkm und (1891) 746321996 E. (darunter 47824000
Hindu, 23658300 Mohammedaner, 192500
Christen
und 194700 Buddhisten) und wird begrenzt im N. von Nepal,
Sikkim und
Bhotan, im O. von
Assam und unerforschter Gebirgsgegend,
im S. von
Britisch-Birma, dem Golf von Bengalen
, der Präsidentschaft
Madras
[* 2] und den
Centralprovinzen, im W. von
der zu Centralindien gehörenden Agentschaft Bagalthand und den Nordwestprovinzen. Es steht unter einem Lieuteuant-Gouverneur,
dem ein Parlament beigegeben ist (eine Folge der frühern vorwiegenden Bedeutung B.s), während die beiden andern
Lieutenant-Gouverneurschaften
(die sog. Nordwestprovinzen und das Pandschab) eines Parlaments entbehren.
Seit etwa 1888 ist die
Lokalverwaltung in Bengalen
größtenteils wählbaren einheimischen Gemeinderäten (von den 1800 Mitgliedern
waren 1889 nur 283 Europäer) anvertraut; das
Wahlrecht ist durch den Steuercensus beschränkt. Auch läßt man seit dieser
Zeit Eingeborene von Rang in
Civil- und Kriminalsachen als unbezahlte Ehrenrichter fungieren. hat vier
Provinzen:
Bihar (s.d.), Orissa,(Tschhota- oder) Tschutia-Nagpur und das sog. (IV.) eigentliche Bengalen
(Bengal
proper). Die
Provinz Bengal proper besteht aus fünf Divisionen: der Präsidentschafts-Division (the Presidency),
Bardwan,
Radschschahi, Dhaka und
Tschittagong, und zählt (1881) auf 182409 qkm 33185000, (1891) 38114280 E.
Bodengestaltung. Die
Lieutenant-Gouverneurschaft Bengalen
(III.), von der im folgenden allein die Rede ist, besteht
mit Ausnahme ihres südl.
Teils, der
Provinz Tschutia-Nagpur, einer sich wellenförmig bis gegen 1000 m
ü.
d. M. erbebenden
Bergebene, und des östlich an dieselbe angrenzenden
Teils
Katak der
Provinz
Orissa sowie des im Nordosten des
Busens von Bengalen
gelegenen
Distrikts
Tschittagong fast ganz aus einem sehr niedrig gelegenen Flachlande. Der Himalaja, durch Nepal,
Sikkim und
Bhotan von Bengalen
getrennt, erstreckt sich in letzteres kaum noch mit seinen untersten
Stufen hinein.
Die Niederung von Bengalen
bildet die untern
Stromgebiete des
Ganges und des
Brahmaputra. Zwischen den
vor der Mündung des aus der
Vereinigung beider hervorgehenden Meghna gelegenen
Rabnabad-Inseln und der
vor der Mündung des westlichsten,
Hugli genannten
Armes des
Ganges liegenden
Insel Sagar erstrecken sich die
Sundarban (s. d.). Durch die
Vereinigung des
Brahmaputra
mit dem
Ganges, die vielen und mächtigen Nebenflüsse zu beiden Seiten des letztern, die zahlreichen, häufig miteinander
in
Verbindung stehenden
Arme, durch welche er sich in das
Meer ergießt, ist Bengalen
eins der am besten bewässerten
und an Wasserwegen reichsten
Länder auf der Erde. Daher war dasselbe, bis es in verschiedenen
Richtungen von Eisenbahnen durchzogen
wurde, sehr arm an Landwegen, und aller Verkehr geschah und geschieht auch jetzt noch hauptsächlich
zu Wasser. Von
den
Bahnen sind die wichtigsten und ältesten die Linien von Kalkutta
[* 3] nach Patna und nach Siliguri.
Klima. [* 4] Bei der hohen, 26,7° C. betragenden mittlern Jahrestemperatur, welche während des kältesten Monats (Januar) nur auf 18,7 sinkt, in dem heißesten Monate (Mai) aber bis anf 41° C. steigt, trägt der Ganges dadurch, daß er fortwährend eine gewaltige Masse Schlammes mit sich nach unten führt und diesen auf die von ihm durchströmten Niederungen absetzt, sobald er während der periodischen Regenzeit über seine Ufer tritt, in hohem Maße zu der außerordentlichen Fruchtbarkeit von Bengalen bei. Diese jährlichen, sich weit über das Delta [* 5] hinauf erstreckenden Überschwemmungen setzen namentlich das zwischen dem Ganges und dem Brahmaputra gelegene Land auf Hunderte von Quadratmeilen unter Wasser. Der Regenfall ist stark, jährlich im Inlande 133, an der Küste bis zu 203 cm.
Flora. Haupterzeugnisse der Pflanzenwelt sind Reis, das Hauptnahrungsmittel, in einer Menge von Spielarten, Weizen, Gerste, [* 6] mehrere Arten von Sorghumhirse, Mais, verschiedene Öl- und Hülsenfrüchte, die Ricinus- und Sesampflanze, Ingwer und Spanischer Pfeffer, die meisten europ. und viele einheimische Gemüsearten. Von Fruchtbäumen werden hauptsächlich Mangobäume, der ganzblätterige Brotfruchtbaum (Artocarpus integrifolia L.), viele Arten von Citronen- und Orangebäumen, Tamarinden, Kokos-, Dattel- und Arecapalmen, Bananen, Guava- und Maulbeerbäume gezogen.
Vorzugsweise für den Handel und die Ausfuhr angepflanzte Gewächse sind Baumwolle, [* 7] Indigo, [* 8] Kaffee, Jute, [* 9] Saflor, Hanf, Flachs, Tabak, [* 10] Zuckerrohr und für die Gewinnung des Opiums Mohn. Nach dem sog. Monopolsystem ist der Anbau des Mohns nur in ausgewählten Bezirken B.s gestattet und auch hier nur in beschränktem Maße. Der gewonnene Rohstoff wird dann in zwei Fabriken für den Markt verarbeitet. 1890 wurden in Bengalen 186300 ha Land der Mohnkultur gewidmet. Bengalen liefert drei Fünftel der ind. Opiumrevenuen. Auch hat die Theekultur in den letzten 5 Jahren einen großen Aufschwung genommen; 1889 90 betrug der Wert des ausgeführten Thees 105560000 M.
Fauna. Es kommen Elefanten, Rhinocerosse, wilde Schweine, [* 11] Antilopen, Hirsche, [* 12] Rehe, wilde Büffel und wilde Ochsen, von Raubtieren Tiger, Panther, Bären, Wölfe, Luchse und Füchse sowie mehrern Arten wilder Hunde [* 13] vor. Von Affen [* 14] wimmelt es in allen Wäldern. Von Haustieren finden sich, außer dem gezähmten Elefanten, Büffel, Rinder, [* 15] Schweine, Schafe [* 16] und Ziegen. Die Pferde [* 17] sind teils aus Arabien und Persien [* 18] eingeführt, teils in Bengalen von einheimischer Rasse gezeugt. Letztere stehen bedeutend hinter den erstern zurück. An Geflügel ist allenthalben Überfluß. Seidenraupen und Bienen, letztere namentlich des Wachses wegen, werden in großer Menge gezogen.
Mineralien. [* 19] Auch an mineralischen Produkten zeigt Bengalen großen Reichtum. In Bardwan sind Kohlen-, Eisen- und Kupferbergwerke. In vielen kommen gewaltige Dampfmaschinen [* 20] zur Verwendung. Salz [* 21] wird in Menge in den Sundarban und im Distrikt Puri gewonnen.
Bevölkerung. [* 22] Die ungeheure Dichtigkeit der Bevölkerung in einzelnen Gegenden (im Durchschnitt beträgt sie 176 Seelen auf 1 qkm) ist eine der Ursachen von der in Bengalen trotz seiner überschwenglichen Fruchtbarkeit so häufig vorkommenden Hungersnot, ¶
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durch welche noch 1866 und 1873-74 viele Hnnderttausende um das Leben kamen. Etwa ein Dritteil der Bevölkerung (31,2 Proz.) besteht aus Mohammedanern, 65,3 Proz. sind Hindu, der Rest hauptsächlich Buddhisten, Christen und wilde Ureinwohner (s. oben). Die Mohammedaner sind aber nur zum kleinsten Teile Nachkommen der alten mohammed. Eroberer von Hindustan, sondern hauptsächlich im Laufe der Zeit zum Islam übergetretene Hindu der niedrigsten Kasten. Dieselben, ungleich verteilt, leben auch keineswegs vorzugsweise an den frühern Hauptsitzen der mohammcd. Machthaber. Ihre Zahl ist auch im Zunehmen. Hauptsprachen sind das Bengali, das Urija und das Hindustaui oder Urdu; s. Indische Sprachen). 98 Proz. der Bevölkerung sind Landbauer; im ganzen sind nur 39 Städte mit mehr als 20000 E. vorhanden.
Die inländische Industrie hat durch die massenhafte, stets zunehmende Einfuhr aller nur denkbaren engl. Manufakte außerordentlich gelitten. Die früher berühmten, ausgebreiteten Musselinwebereien in Dhaka sind gleich den Baumwollwebereien zu Balasor fast gänzlich zu Grunde gegangen. In und um Kalkutta bestehen jedoch noch ziemlich bedeutende Fabriken von groben Baumwollstoffen, Segeltuchwebereien, Seilereien, Zuckerraffinerien, Rumbrennereien und Gerbereien. Zu Kaßipur, auf dem linken Hugliufer, befindet sich eine Stückgießerei, wo jährlich gegen 200 Kanonenrohre verfertigt werden können.
Handel und Verkehrswesen. Die Ausfuhr besteht hauptsächlich in Baumwolle, Rum, Reis, Indigo, Zucker, [* 24] Salpeter, Lack, Seide, [* 25] Opium, Kaffee und Tabak, die Einfuhr vorzüglich in engl. Baumwollmanufakten, Salz, Eisen, [* 26] Kupfer, [* 27] Stahl und Eisenwaren. Die Ausfuhr und Einfuhr finden fast ausschließlich über Kalkutta statt. 1889-90 belief sich die Gesamtausfuhr auf 764 284 339 M., die Einfuhr auf 505 244 218 M. Landwege vermitteln den Verkehr mit Nepal, Sikkim, Bhotan und Tibet. Durch Eisenbahnen steht Bengalen mit allen Teilen der Vorderindischen Halbinsel in Verbindung. Innerhalb der Lieutenant-Gonverneurschaft sind die East-Indian- und die Eastern-Bengal-Bahn sowie zahlreiche Provinzialbahnen in Betrieb. 1888 betrug die Gesamtlänge des Eisenbahnnetzes von Bengalen 3120 km, die der Telegraphenlinien 8176 km. Die Dardschiling-Himalaja-Bahn gehört zu den großartigsten Gebirgsbahnen der Welt. (S. Himalajabahn.)
Geschichte. Von der ältesten Geschichte von Bengalen (mit Ausnahme etwa von Orissa) ist nur wenig bekannt, und dieses Wenige besteht zum großen Teil in halb mythischen Legenden. Erst mit den Einfällen der Mohammedaner in Indien werden die Überlieferungen zuverlässiger. 1203 wurde von letztern Bihar erobert, und 1225 ganz Bengalen mit dem Reiche Dehli vereinigt, später, 1279, versuchte es der Gouverneur von Bengalen, Tograb, sich unabhängig zu machen. Er nahm den Königstitel an, unterlag aber in dem zwischen ihm und seinem Gebieter entstandenen Kriege.
Auch die spätern Statthalter wiederholten mit größerm oder geringerm Erfolge den Versuch, sich von der Herrschaft von Dehli zu befreien, so daß die Geschichte von Bengalen während des Mittelalters nur in einer Reihenfolge von Revolutionen und Usurpationen für kürzere oder längere Zeit bestand. Von 1539 bis 1576 stand Bengalen unter der afghan. Dynastie, die von ihrem Stifter, dem hervorragenden Herrscher und Erbauer großartiger Verkehrswege, Scher Schah den Namen trägt.
Erst dem Großmogul Akbar gelang es, Bengalen wieder mit dem Reiche von Dehli zu vereinigen. Seit 1585 wurde es von «Subadar», d. h. Provinzinhabern verwaltet. Als die Engländer 1634 die Erlaubnis erhalten hatten, in Bengalen Handel zu treiben, errichteten sie daselbst Faktoreien und breiteten sich mehr und mehr aus. Unter ihren Faktoreien waren die zu Hugli und Quaßimbasar die bedeutendsten. 1698 erhielten sie das Recht, dieselben zu befestigen. Vier Jahre später verlegten sie die Faktorei von Hugli nach dem gegenwärtigen Kalkutta, nachdem sie diesen Ort sowie Sutanati und Gobindpur angekauft hatten. 1756 vertrieb der Statthalter von Bengalen, Siradschud-daula, ein erbitterter Feind der Engländer, dieselben aus Quaßimbasar und rückte vor Kalkutta, welches sich nach kurzer Verteidigung ergeben mußte. 146 gefangene Engländer wurden in ein unter dem Namen «black hole» (schwarze Höhle) berüchtigt gewordenes Gefängnis geworfen, wo der größte Teil von ihnen umkam.
Der Generalgouverneur Clive aber nahm 1757 Kalkutta wieder ein. Der Friede wurde geschlossen; aber sehr bald kam es zu neuen Feindseligkeiten, welche zu der die Macht der Engländer in Indien begründenden Schlacht von Palaschi (englisch Plassy) führten. Wenige Jahre später, 1765, wurden von dem Großmogul Schah Alam die Provinzen (Suba) Bengalen, Bihar und Orissa an die Englisch-Ostindische Compagnie übertragen. Die weitere geschichtliche Entwicklung B.s fällt mit der Ostindiens zusammen.
Litteratur.
Vgl. Dalton, Descriptive ethnology of Bengal (Kalk. 1872);
Barton, Bengal. An account of the country from the earliest times (Lond. 1874);
Hunter, Statistical account of Bengal (5 Bde., ebd. 1875);
Murray, Handbook of the Bengal presidency (ebd. 1882);
Agricultural and administrative reform in Bengal.
By a Bengal Civilian (ebd. 1883); Hunter, The Imperial Gazetteer of India (2. Aufl., 14 Bde., ebd. 1885-87).