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mänen, Forsten, Kautionen, Lotsen- und Leuchtturmtaxen u. s. w.) 17,03 Mill. Frs. Die Ausgaben zerfallen in Staatsschuld (Zinsen und Renten) 107,75 Mill. Frs., Dotationen für den König und den Grafen von Flandern 4,59 Mill. Frs., Justizministerium 19,14, Ministerium des Innern und des Unterrichts 23,66, des Ackerbaues u.s.w. 17,70, der Eisenbahnen, Post und Telegraphen [* 2] 103,4i, des Krieges 47,11, der Finanzen 15,7, des Äußern 2,5, andere Ausgaben 1,5 Mill. Frs.
Geistige Kultur. Die geistige Bildung des belg. Volks steht dessen Entwicklung auf industriellen und merkantilem Gebiete noch nach, aber auch hierin zeigt sich ein stetiger Fortschritt. Haupthindernis der intellektuellen Entwicklung war die Verschiedenheit der Sprachen, die namentlich eine selbständige nationale Litteratur nicht aufkommen ließ. Doch haben die vielen vom Staate, vom König, von Privaten und wissenschaftlichen Gesellschaften aufgestellten Preisbewerbungen für die verschiedenen Zweige geistigen Schaffens eine Thätigkeit geweckt, wie sie sich kaum anderswo unter entsprechenden Verhältnissen kräftiger und fruchtbarer darbietet.
Unterrichtswesen. Die Einrichtung des Schulwesens war bei der durch die Konstitution gewährleisteten Lehrfreiheit und dem übermächtigen Einfluß der Geistlichkeit vou Anfang an für den neu errichteten belg. Staat eine höchst schwierige Aufgabe. Das zuerst abgefaßte Unterrichtsgesetz (Sept. 1834) betraf das höhere Schulwesen, darauf folgte (Sept. 1842) ein Gesetz über den Primärunterricht, zuletzt (Febr. 1850) eins über den mittlern Unterricht, selbstverständlich ist seitdem von der ursprünglichen Organisation jeder dieser Unterrichtszweige in der mannigfachsten Weise abgewichen worden.
Bei der Organisation des höhern Unterrichtswesens (1834) erhielten die Universitäten Lüttich [* 3] und Gent [* 4] den Charakter von (wallonischen und vlamländischen) Staatsuniversitäten. Sofort benutzte die kath. Geistlichkeit die grundgesetzliche Lehrfreiheit zur Errichtung einer kath. Universität in Mecheln [* 5] der aber von liberaler Seite sehr bald die freie Universität in Brüssel [* 6] gegenübergestellt wurde; die kath. Universität wurde alsbald nach der alten Universitätsstadt Löwen [* 7] verlegt.
Nur letztere hat eine theol. Fakultät; die übrigen nur vier Fakultäten. Doch stehen mit der Genter und Lütticher Universität außer den mit ihnen verbundenen Lehrerseminaren noch gewisse technische Hochschulen und Ingenieurakademien in Verbindung. Lüttich hat eine Bergschule, eine Polytechnische Schule, eine Schule für mechan. Technologen und Elektricitätsingenieure, Gent ebenfalls eine Polytechnische Schule und Schule für Ingenieure und Architekten.
Bald sind auch Brüssel mit einem Polytechnikum, Löwen mit technischen Spezialschulen nachgefolgt. Akademische Grade werden erworben nach bestandener Prüfung vor einer centralen Staatskommission, an welcher die Professoren der verschiedenen Universitäten sich beteiligen, ein System, womit man die mannigfachsten Versuche gemacht hat. 1891 hatte Gent 783, Lüttich 1383, Brüssel 1092, Löwen 1800 Studierende, gegen 396, 331, 279, 490 im J. 1840.
Der belg. mittlere Unterricht ist mit dem deutschen schwer vergleichbar. Man unterscheidet den mittlern Unterricht höhern und niedrigern Grades. Die Schulen der ersten Gattung sind an erster Stelle königl. Atheneen. Diese haben eine Abteilung für Humaniora (stehen aber an Gediegenheit der klassischen Bildung den deutschen Gymnasien weit nach) und eine Abteilung, welche eine Bildung bezweckt, die für andere höhere Berufsarten als die eigentlich gelehrten befähigt, in deren Lehrprogramm die neuern Sprachen eine hervorragende Stelle einnehmen.
Ziemlich gleichartig mit den Atheneen, aber nicht vom Staate, sondern von den Gemeinden unterhalten, sind die sog. Collèges communaux und die sog. patronierten, d. h. von den Gemeinden unterstützten privaten Colleges. Der mittlere Unterricht niedrigern Grades umfaßt mittlere Staats-, Gemeinde- und patronierte Schulen für Knaben und, seit dem Gesetz von 1881, für Mädchen, welche eine geringere, mehr unmittelbar für das praktische Leben verwendbare Bildung bezwecken.
Die Einteilung und Frequenz der mittlern Schulen erhellt aus folgender Tabelle:
Mittlere Schulen | Zahl der Schulen 1860 | Zahl der Schüler 1860 | Zahl der Schulen 1890 | Zahl der Schüler 1890 | |
---|---|---|---|---|---|
Königl. Atheneen | 10 | 2939 | 20 | 5726 | |
Colleges der Gemeinde | 14 | 1133 | 8 | 564 | |
Patronierte Collèges | 11 | ? | 7 | 831 | |
Mittlere Schulen des Staates für Knaben | 50 | 6962 | 79 | 12473 | |
Mittlere Schulen der Gemeinden für Knaben | 3 | 888 | 5 | 1422 | |
Patronierte mittlere Schulen | 6 | ? | 4 | 392 | |
Mittlere Schulen des Staates für Mädchen (1881) | 26 | 3427 | 34 | 5721 | |
Mittlere Schulen der Gemeinden für Mädchen (1881) | 4 | 1025 | 4 | 1273 |
Für Lehrerbildung für den mittlern Unterricht niedrigern Grades giebt es ein Seminar zu Nivelles und eine sog. Section normale zu Gent, ersteres 1882 mit 47, 1889 mit 12, letztere 1882 mit 34, 1889 mit 6 Schülern.
Für den höhern Unterricht gab es bis 1891 in Lüttich ein Seminar für Sprachen (1882 mit 52, 1889 mit 12 Schülern), in Gent ein Seminar für exakte Wissenschaften (1882 mit 29, 1889 mit 5 Schülern). Seminare für Lehrerinnen giebt es in Lüttich (1882 mit 45, 1891 mit 28 Schülerinnen) und Brüssel (1882 mit 29, 1891 mit 17 Schülerinnen).
Der belg. Primärunterricht umfaßt Kindergärten, eigentliche Primärschulen, Schulen für Erwachsene (organisiert 1869) und Lehrerseminare. Vom Staate völlig unabhängige Schulen giebt es jetzt nur sehr wenige; am zahlreichsten sind die von den Gemeinden errichteten und unterhaltenen Schulen, welche aber seit dem Gesetz vom unter starkem Einfluß der Geistlichkeit stehen. Zugleich aber können Privatschulen, fast ausschließlich Schulen der Geistlichkeit, von der Gemeinde adoptiert werden, was seit jenem Gesetze vom wegen der Bestimmung, daß Adoptierung von Privatschulen zur Aufhebung bestehender Kommunalschulen berechtige, häufig geschehen ist.
Öffentliche Kindergärten bestanden:
Im Jahre | In den Gemeinden | Adoptiert | Zahl der Kinder |
---|---|---|---|
1845 | 17 | 84 | 9405 |
1869 | 119 | 233 | 43512 |
1881 | 684 | 24 | 56408 |
1885 | 642 | 234 | 85483 |
1890 | 689 | 456 | 113172 |
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Die Zahl der Lehrer und Schüler an den eigentlichen Primärschulen betrug:
Im Jahre | Gemeindeschulen Lehrer | Gemeindeschulen Schüler | Adoptierte Schulen Lehrer | Adoptierte Schulen Schuler | Gesamtzahl Lehrer | Gesamtzzahl Schüler | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
1845 | -- | 218054 | -- | 108559 | -- | 326613 | |
1869 | 5799 | 424349 | 1308 | 69036 | 7107 | 493385 | |
1883 | 8657 | 345687 | 12 | 325 | 8669 | 346012 | |
1885 | 7941 | 422150 | 2726 | 166654 | 10667 | 588804 | |
1890 | 8591 | 440646 | 3204 | 175445 | 11795 | 616091 |
Die Zahl der Schüler in den Schulen für Erwachsene betrug:
Im Jahre | Gemeindeschulen | Adoptierte Schulen | Zusammen | |
---|---|---|---|---|
1845 | 6385 | 31765 | 38150 | |
1869 | 67668 | 6497 | 74165 | |
1881 | 76253 | 665 | 76918 | |
1885 | 61759 | 2589 | 64348 | |
1890 | 62159 | 5516 | 67675 |
Die Seminare für Lehrer und Lehrerinnen sind teils Staatsinstitute, teils von Provinzen, Gemeinden und Privatleuten errichtet und vom Staate anerkannt worden; außer den förmlichen Seminaren giebt es noch vom Staate unterhaltene, weniger umfassende Einrichtungen für denselben Zweck, sog. Schulabteilungen für Lehrerbildung (Sections normales). In der letzten Zeit ist ebenfalls die große Mehrzahl der Schüler von den Staatsinstituten in die weit mehr unter dem Einfluß der Geistlichkeit stehenden sog. anerkannten Seminare übergegangen. Eine Übersicht der Seminare giebt folgende Tabelle:
Im Jahre | Für Lehrer | Für Lehrerinnen | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Staatsseminare | Sections normales | Anerkannte Seminare | Staatsseminare | Sections normales | Anerkannte Seminare | |||||||
Zahl der Schulen | Zahl der Schüler | Zahl der Schulen | Zahl der Schüler | Zahl der Schulen | Zahl der Schülerinnen | Zahl der Schulen | Zahl der Schülerinnen | Zahl der Schulen | Zahl der Schülerinnen | |||
1845 | 2 | 103 | -- | -- | 7 | 365 | -- | -- | -- | -- | -- | -- |
1850 | 2 | 205 | 2 | 19 | 7 | 316 | -- | -- | -- | -- | 10 | 69 |
1875 | 2 | 235 | 5 | 321 | 8 | 643 | 1 | 77 | -- | -- | 22 | 1139 |
1884 | 6 | 634 | 8 | 756 | 2 | -- | 4 | 653 | 5 | 652 | 8 | -- |
1885 | 6 | 643 | 3 | 325 | 10 | 689 | 4 | 450 | 5 | 505 | 23 | 960 |
1890 | 5 | 250 | 2 | 87 | 11 | 720 | 3 | 205 | 3 | 161 | 23 | 1085 |
Die Pflege der schönen Wissenschaften in franz. Sprache [* 9] wird durch die Überflutung der aus Frankreich eindringenden Produktionen in hohem Maße zurückgedrängt. Aber auch das eigene Schaffen ist stark und in stetem Fortschritt begriffen und zahlreiche Namen haben sich wenigstens im Inlande Ruf und Ansehen erworben. Reicher ist die schöne Litteratur der Vlämen. (S. Vlämische Sprache und Litteratur.)
Die bildenden Künste, besonders Malerei und Baukunst, [* 10] verdankten schon dem Reichtum der flandr. Städte und dem Glänze des burgund. Hofs eine schöne Blütezeit: aber es trat auch hierin nach der vorübergehenden Glanzperiode Rubens' und seiner Schüler ein langer Schlummer ein, bis die Kräfte neuerdings wieder zu schöpferischer Thätigkeit gespornt wurden. Eines hohen Rufs genießt das großenteils vom Staat unterhaltene, seit Fétis' Tod von Gevaert geleitete Konservatorium zu Brüssel.
Das belg. Theater [* 11] war dagegen bisher ohne allen nationalen Charakter. Das Staatsbudget von 1887 hatte einen Posten von 6 Mill. Frs. für künstlerische Anstalten und Zwecke, dasselbe ungefähr für beide Staatsuniversitäten. Zur Förderung wissenschaftlicher Thätigkeit sind vom Staate für das Gebiet der exakten und schönen Wissenschaften verschiedene Fünf- oder Dreijahrspreise errichtet worden, wozu sich seit 1874 die durch den König erfolgte Stiftung eines Jahrespreises von 25000 Frs. gesellt.
Zeitungen und Zeitschriften. 1605 erschien bereits zu Antwerpen, [* 12] wie es scheint in unbestimmten Zwischenräumen, eine illustrierte Kriegszeitung u. d. T. «Nieuwe tijdinghen» (seit 1637 «Posttijdingen»),
als deren Nachfolgerin die erst 1827 eingegangene Gazette van Antwerpen» angesehen wird. Unter der span. und österr. Herrschaft besaß jede bedeutendere Stadtgemeinde ihre privilegierte Zeitung, jedoch ohne polit. Tendenz. zu erwähnen sind unter denselben der 1649 auftauchende «Courrier véritable des Pays-Bas», der mit der einzigen Unterbrechung 1746-49 und unter verschiedenen Titeln (zuletzt «Gazette des Pays-Bas») sich bis 1794 erhielt, das «Journal de Liège» (1764) und die 1667 gegründete „Gazette von Gent", die beide noch heute bestehen.
Unter der franz. Herrschaft sind neben der Unzahl der franz., vorschriftsmäßig eingerichteten Departementsblätter von histor. Wert: «Le [* 13] Compilateur» (1798-1810),
«Le vrai Brabançon» mit kath.-österr. Färbung (1790-92),
das «Journal de la Société des amis de la liberté et de l'égalite» (1792-93) nebst dem «Républicain du Nord», streng französisch-republikanisch. Als Tageblatt erhielt sich das «Oracle» (1800-27). Unter der niederländ. Regierung waren die Bestimmungen des Preßgesetzes vom scharf genug, um die Preßprozesse sehr stark zu mehren. Außer der amtlichen «Gazette des Pays-Bas» und dem noch bestehenden farblosen «Journal de la Belgique» sind hervorzuheben der «Nain jaune réfugié», ein Spottblatt gegen die bourbon.
Familie, dessen Redacteure 1818 des Landes verwiesen wurden; der «Vrai Libéral», der 1816 aus der Vereinigung des «Mercure surveillant» und des «Nain janne» entstand, aus dem sich 1821 der durch seine erbitterte Opposition berühmt gewordene «Courrier des Pays-Bas» herausbildete. Daneben galten als die wichtigsten Oppositionsblätter vom ultramontanen Standpunkte der 1820 begründete «Courrier de la Meuse», der 1841 nach Brüssel übersiedelte und zum jetzigen «Journal de Bruxelles» umgestaltet wurde; in Brüssel der geistvoll von Devaux, Lebeau und Rogier geleitete «Mathieu Laensberg», der, 1824 begründet, seit 1828 «Politique», seit 1841 «Tribune» hieß, aber 1849 unter letzterer Benennung sich zum Organ des Republikanismus an der Stelle des ultraliberalen «Libéral liégeois» (1845-49) umwandelte; der ¶