1)
Kreis
[* 2] im preuß. Reg.-Bez. Köslin,
[* 3] hat 1127,12 qkm, (1890) 44547 E., 2
Städte, 68 Landgemeinden und 96 Gutsbezirke. –
2) Belgard (ehemals Bjaligrod, d. h. weiße
Burg), Kreisstadt im
Kreis an der Mündung der Leitnitz in die
Persante und den Linien
Stargard-Stolp-Zoppot und Belgard-Kolberg (35,80 km) derPreuß. Staatsbahnen,
[* 4] Sitz des Landratsamtes, eines
Amtsgerichts (Landgericht Köslin),
Zoll- und Steueramtes und einer Reichsbanknebenstelle, hat (1890) 7046 E., in Garnison
die reitende
Abteilung des Feldartillerieregiments Nr. 2, Post,
Telegraph,
[* 5] ein Schloß, drei evang.
Kirchen, städtisches Gymnasium
(Direktor Dr. Bobrik, 12
Lehrer, 190
Schüler), höhere Mädchenschule mit
Selekta,
Krankenhaus;
[* 6] Eisengießerei,
[* 7] zwei
Dampfschneidemühlen, eine Holzbearbeitungsfabrik, eine Tuchfabrik,
Landwirtschaft und drei große Pferdemärkte. Belgard wird
schon 1125 als Stadt genannt.
(Belgae),
Name der den nördl.
TeilGalliens bewohnenden, erst durch
Cäsars Feldzüge den
Römern bekannt gewordenen
Völker; nach den Belgen wurde seit
Augustus die nördlichste gallische
Provinz
(Belgica) genannt. Die große
Masse der
Völker von «Belgium» (die
Namen der und mehrerer belg.
Stämme treten im
Altertum auch in Britannien und
Irland auf)
war jedenfalls kelt. Abkunft. Allerdings behauptet
Cäsar, der ansehnlichste
Teil der Belgen sei aus
Germanien
[* 9] eingewandert; daß
aber deshalb nur eine Übersiedelung vom rechten Rheinufer nach dem linken, nicht eine ethnogr. Zusammengehörigkeit
der Belgen mit den
Germanen angenommen werden darf, hat Müllenhof («Deutsche
[* 10]
Altertumskunde», Bd. 2, Berl.
1887) endgültig nachgewiesen.
Die hauptsächlichsten
Stämme in dem
Lande, welches südlich durch
Marne und Seine, westlich durch das
Meer, nördlich und östlich
durch den Rhein, südöstlich durch das Moselgebiet begrenzt wurde, waren die
Bellovaker (bei
Beauvais),
die
Suessionen (bei
Soissons), die Remer (bei Reims),
[* 11] die Viromanduer (bei
Vermandois), die Ambianer (bei
Amiens);
[* 12] dann mehr
nördlich in
Artois die
Atrebaten, und an der
Küste die
Moriner und Menapier. Aus
Germanien rühmten sich eingewandert zu sein
die
Nervier an der
Sambre (im
Hennegau und Namur),
[* 13] die angeblich von den
Cimbern stammenden Aduatuker (zwischen
Schelde und Maas) und die Eburonen (zwischen Maas und Rhein).
Die belg.
Völker, wie sie
Cäsar kennen lernte, waren von den
Kelten des innern
Gallien in ihrer
Sprache
[* 14] nur dialektisch verschieden;
sonst standen sie hinter ihnen an
Civilisation noch weit zurück, übertrafen sie aber an zäher Tapferkeit.
Diese
Völker erkannten nur im
Kriege einen gemeinschaftlichen Führer an und machten, als
Cäsar seit 57
v. Chr. sie angriff,
den
Römern die Unterwerfung vorzugsweise schwer. Als der
KaiserAugustus das gallische Land zwischen Pyrenäen und Rhein 27
v. Chr.
organisierte, wies er die Südwesthälfte
Belgiens der
ProvinzBelgica, die Nordosthälfte der
Provinz Niedergermanien zu.
[* 19] (frz. La Belgique; hierzu Karte: Belgien und Luxemburg), einer der jüngsten
europ.
Staaten, ist aus dem südl.
Teile des durch den
Wiener Kongreß geschaffenen Königreichs der
Niederlande
[* 20] entstanden und
hat seinen
Namen erhalten in
Erinnerung an die Provincia
Belgica der röm. Reichseinteilung, zu deren Gebiet
es dem größten
Teile nach gehörte. Es begreift in seiner jetzigen Gestaltung etwa die ehemaligen österr.
Niederlande mit
Ausnahme des jetzigen Großherzogtums Luxemburg sowie das ehemalige Fürstbistum
Lüttich.
[* 21] Belgien liegt zwischen 49° 30’ und
51° 30’ nördl.
Br. und 2° 32’ und 6° 7’ östl. L. von Greenwich und grenzt im
N. an
Holland, im O. an holländ. Limburg,
[* 22] Rheinpreußen und an das Großherzogtum Luxemburg,
gegen
S. und
SW. an
Frankreich, im NW. an die Nordsee. Die größte Längenausdehnung (270 km) hat es von
Ostende
[* 23] im NW. nach
Arlon im SO., in derRichtung von S. nach N. von Chimay nach
Turnhout (180 km). Der Gesamtflächenraum beträgt
29457,12 qkm.
Oberflächengestaltung. Belgien ist vorwiegend Flach- und Hügelland, die mittlere Höhe ist zu 163 m, von andern
auf 148 m berechnet worden; doch greift in den südöstl.
Teil, der durch die Maas und
Sambre abgeschnitten
wird, der Westflügel des Ardennenplateau (höchster Punkt 674 m) ein, für das industrielle Leben ein Umstand von Bedeutung.
Die
Thonschiefer- und Grauwackenmassen der
Ardennen sind von
Streifen Grauwackenkalksteins durchsetzt, und mächtige
Eisen- und
Steinkohlenlager begleiten die Ufer der Maas, bevor die Tertiärschichten von
Hennegau und
Südbrabant zu dem Alluvialboden
der flandr.
Ebenen übergehen und hier zu solcher
Tiefe absteigen, daß künstliche Deiche und Polder dort, wo die natürlichen Schutzwehren
der Dünen
Lücken lassen, das
Einbrechen der Meereswellen abwehren müssen. Mit den Heidestrecken der
Kempen
(Campine) im nordöstl.
Teile von
Antwerpen
[* 24] beginnt zwar eine Zone unfruchtbarer Landstriche, doch die Kultur weist ihnen immer
engere Grenzen
[* 25] an. Die reiche
Bewässerung des
Landes wird, mit Ausnahme der unterhalb Nieuport mündenden Yser (Yperlee),
durch die
Systeme der Schelde und Maas bewirkt, welche beide
Flüsse
[* 26] schiffbar von
Frankreich aus ins Land eintreten, aber auch
außerhalb desselben im Königreich der
Niederlande münden.
Die Hauptzuflüsse der bei
Antwerpen 700 m breiten und 10 m tiefen Schelde sind links
Lys, rechts
Dender
und Rupel (letzterer aus Nethe und Dyle gebildet); die der Maas sind links
Sambre, rechts Lesse, Ourthe und Vesdre. Die günstigen
hydrogr. Verhältnisse sind mit großem
Vorteil zu Kanalanlagen benutzt worden, welche
Brüssel
[* 27] und Löwen
[* 28] mit
dem Rupel,
Brüssel mit
Charleroi,
Mons
[* 29] mit Condé,
Ostende mit
Brügge und Gent
[* 30] und dieses mit
Terneuzen in
Verbindung setzen.
Seit 1859 ist auch der Verbindungskanal zwischen Schelde und Maas durch das Gebiet der
Kempen, mit Abzweigung nach
Turnhout,
vollendet, wodurch die Urbarmachung jenes Gebietes erheblich gefördert wurde. Außerdem verbindet seit 1850 ein
Kanal
[* 31] links von der Maas die
StädteLüttich und Maastricht.
[* 32] Die schiffbare Gesamtstrecke der
Flüsse und
Kanäle beträgt 2205,28
km.
¶
mehr
Das Klima trägt in den der See benachbarten Ebenen fast oceanischen Charakter und zeichnet sich durch Milde und Gleichmäßigkeit
vor den höhern Landesgegenden im SO. aus, wo heißere Sommer mit kältern Wintern schroffer wechseln. Die mittlere Jahrestemperatur
der Gegenden von 0 bis 100 m Höhe beträgt etwa 10° C.; landeinwärts nehmen die Schwankungen der extremen
Monate zu, ebenso die Regenmengen, die in Ostende 700, in Brüssel 730, in Lüttich 770, in Stavelot (in den Ardennen) 965 mm erreichen.
Tier- und Pflanzenwelt. Die Tierwelt des Landes bietet wenig Besonderes und unterscheidet sich von der des nordwestl. Deutschlands
[* 34] nur durch das Fehlen verschiedener Arten. Auch die Fauna des Meers ist infolge der sandigen und schlammigen,
nirgends felsigen Küste arm. In ihrem pflanzlichen Charakter schließen sich Flandern, Antwerpen und Limburg an die Niederlande
und Nordwestdeutschland an, Hennegau und Lüttich dagegen an die rheinische Flora. Weite Heiden sind in den Ardennen; ein häufiger
Schmuck der Wälder ist die Stechpalme (Ilex).
Das Mineralreich liefert, außer beträchtlichen Ausbeuten an Blei,
[* 35] Kupfer,
[* 36] Zink, Galmei, Alaun,
[* 37] Torf, schönem Marmor, der glänzendschwarz
bei Visé und Theux gefunden wird, Kalkstein und Schiefer und, nächst England, die wertvollsten Schätze an Eisen
[* 38] und Steinkohlen.
Die 134 im Gange befindlichen Hochöfen und 18 Eisenhütten lieferten (1889) 832226
t Eisen im Werte von 44,491 Mill. Frs. (1850 nur 11½ Mill.). Der Steinkohlenreichtum lagert in den drei Hauptbassins von Bergen
[* 39] (Mons), Lüttich und Charleroi (insgesamt 143030 ha), welche 1889 in 256 Gruben nahezu 20 Mill. t Steinkohlen, im Werte von 87,7
Mill. Frs., lieferten. Unter den Mineralquellen sind die Stahlquellen zu Spaa die berühmtesten und ziehen,
nebst den Seebädern Ostende, Blankenberghe, Heyst und Nieuport, eine bedeutende Anzahl von Fremden ins Land.
Bevölkerung.
[* 40] Die Bevölkerung betrug (1893) 6262272 (3124068 männl., 3138204 weibl.) E., d. i. 213 auf 1 qkm; Belgien ist also
der am dichtesten bevölkerte Staat Europas. Von 1831 bis 1840 stieg die Bevölkerung um 7,59 Proz., von 1841 bis 1850 um
8,67, von 1850 bis 1860 um nahezu 10, von 1860 bis 1880 um 10 Proz. Seit 1841 beträgt der jährliche
Zuwachs durchschnittlich 0,90 Proz. Die Anzahl der Gemeinden betrug (1889)
2595, darunter 4 (Brüssel, Antwerpen, Gent und Lüttich) mit je über 100000, 17 mit je 25‒100000, 7 mit
20‒25000, 8 mit 15‒20000, 36 mit 10‒15000 und mit 5‒10000 E. Die Zahl der bewohnten Häuser betrug (1880) 1061469
mit 1210706 Haushaltungen, der unbewohnten 65066. Die Einwanderung betrug (1885) 18302, (1892)
21774, (1893) 21686; die Auswanderung 13277, 22532 und 22117 Personen.
Die Mehrzahl der Bevölkerung bekennt sich zur kath. Kirche. Die Zahl der Protestanten schätzt man auf 15000, die der Israeliten
auf 3000. Die Katholiken werden durch den Erzbischof von Mecheln
[* 41] und die fünf Diöcesanbischöfe zu Brügge, Gent, Tournai
(Doornik), Namur und Lüttich geleitet. Die kleinen, in den größeren Städten und Dorfgemeinden befindlichen
prot. Gemeinden teilen sich in anglikanische und reformierte, die vom Staatsbudget, und in solche, die, meist aus kath.
Konvertiten entstanden, von der in Brüssel bestehenden evang. Gesellschaft unterhalten werden.
Beinahe
und mehr als verdoppelt hat sich die Einwohnerzahl also in Antwerpen, Lüttich und Brabant.
Die Bevölkerung besteht aus einem Mischvolke german. und keltogallischer Abkunft, in welchem
die Stämme der Vlamingen und Wallonen gegenwärtig noch durch Festhalten ihrer Mundart, der vlämischen
und wallonischen, hervortreten. Als Sprache des Umgangs der gebildetern Stände sowie der Staatsbehörden und des höhern und
mittlern Unterrichts hat das Französische die Oberherrschaft behalten, doch sind neuerdings der sog. flamändischen
Bewegung Zugeständnisse gemacht worden.
Läßt man die Kinder unter 2 Jahren unberücksichtigt, so ergeben die Sprachenverhältnisse im einzelnen
(1880) folgendes Bild; es sprachen:
Land- und Forstwirtschaft. Während die Ardennenwaldungen Holz
[* 42] im Überfluß liefern, bietet die Ebene Getreide
[* 43] aller
Art, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Ölgewächse, Hanf, Flachs (besonders schön in Flandern), Tabak
[* 44] (in
Westflandern), viel Hopfen,
[* 45] Farbekräuter und Cichorien. Doch genügt der reiche Ertrag des Bodens an Getreide dem Bedarf der
Bevölkerung nicht, so daß Brotkorn und Mehl
[* 46] in großer Menge eingeführt werden muß. Das angebaute Land umfaßt 85,3
Proz. der Gesamtfläche, davon sind 49,3 Proz. Ackerland, 4 Proz.
Garten- und Weinland, 17 Proz. Wiesen- und Weideland, 15 Proz.
Waldungen, und zwar in Westflandern nur 3,4, in
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