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stetigen, nach allen Seiten vordringenden, in Form und
Inhalt gleichmäßig fortschreitenden, durch unerschöpfl
ichen Reichtum
wahrhaft neuer Erfindungen immer wieder überraschenden
Entwicklung seiner Schöpferkraft. In einem planmäßigen Entwicklungsgange
bemächtigte sich Beethoven zuerst der verschiedenen Formen der
Kammermusik von der Klaviersonate, die er zu ihrer vollen künstlerischen
Bedeutung ausbildete, bis zum Quartett (deren er 16 geschrieben hat), um das auf diesem Gebiete Gewonnene
auf die Orchestermusik zu übertragen, und bildete die gesamte
Instrumentalmusik in einem neuen großen
Stile aus. Mit sicherer
Hand
[* 2] ergriff er alle
Mittel des musikalischen
Ausdrucks, welche
Mozart und
Haydn überliefert hatten, und erweiterte und bereicherte
sie, indem er ihren Gehalt vertiefte und die architektonischen Formen ausbaute. Das innere Leben und
die äußere Erscheinung von
Sinfonie und
Sonate, die ganze
Instrumentalmusik trat so durch Beethoven auf eine neue, höhere
Stufe.
Mit der dritten Sinfonie, der «Eroica» (1804), ist diese Richtung vollständig entschieden, die von da an in jeder neuen Komposition eigentümlich sich ausspricht. Namentlich sind es die Sinfonien in B-dur (1806), in C-moll, die Pastorales ^[richtig: Pastorale] (1807-8) und dann die in A-dur und F-dur (1812), welche wie Marksteine den Gang [* 3] des Meisters bezeichnen. Ihnen reihen sich die zwei großen Leonoren-Ouverturen in C-dur (1805 und 1806; beide das Op. 72 bildend), die drei russ. Streichquartette (1806, Graf Rasumowski gewidmet) und die großen Konzerte für Klavier und Violine an. Auch auf dem Gebiete der Gesangsmusik blieb Beethoven nicht unthätig.
Neben Liedern und kleinern
Stücken schrieb er 1803 die Kantate
«Christus am
Ölberg», 1805 folgte die
Oper «Fidelio», welche
damals und in abgekürzter Form 1806 wenig Erfolg hatte, aber 1814, teilweise umgearbeitet, Beifall und
von da an einen dauernden Platz auf allen deutschen
Bühnen errang. Es war
die erste Leistung seit
Mozarts «Zauberflöte»
, die
eine weitere
Entwicklung ankündigte. Doch kam Beethoven trotz wiederholter
Anläufe nicht wieder dazu, eine
Oper zu schreiben.
Nur noch zwei Festspiele, die er zur Eröffnung des
Theaters in
Pest 1812 komponierte: «König
Stephan» und «Die Ruinen von
Athen»,
[* 4] ferner das
Ballett «Die Geschöpfe des Prometheus» (1801),
die Musik zu Goethes «Egmont» (1810) und die Ouvertüre zu Collins «Coriolan» (1807) bilden die weitern dramat. Arbeiten B.s.
Als 1809 Beethoven als Kapellmeister des Königs von Westfalen [* 5] nach Cassel berufen wurde, traten der Erzherzog Rudolf (B.s Schüler und Freund), Fürst Lobkowitz und Graf Kinsky zusammen und sicherten ihm ein Jahrgeld von 4000 Fl. gegen die einzige Bedingung, Österreich [* 6] nicht zu verlassen. Zwar schmälerten der Staatsbankrott 1811 und der bald darauf eingetretene Konkurs des Fürsten Lobkowitz wie der Tod des Grafen Kinsky dieses Einkommen, doch sicherte es dem in der Vollkraft des Schaffens stehenden Künstler eine unabhängige Stellung.
Das Kongreßjahr 1814 fand ihn auf der Höhe seines Ruhms: großartige Aufführungen seiner siebenten und achten Sinfonie, der Sinfonie «Die Schlacht bei Vittoria» und einer Gelegenheitskantate «Der glorreiche Augenblick», die Wiederaufnahme des «Fidelio» hatten ihn zu einer Berühmtheit Wiens gemacht. Allein Beethoven war nicht im stande, eine solche Anerkennung vollkommen zu empfinden, da sich eine schon früh aufgetretene Harthörigkeit seit 1802 zu hochgradiger Taubheit gesteigert hatte.
Das trotz aller Heilversuche immer wachsende Übel verdüsterte seinen von Kindheit an zur Melancholie neigenden Sinn, machte ihn mißtrauisch und ließ ihn vereinsamen. Eine neue Quelle [* 7] von Widerwärtigkeiten und Kümmernissen entstand 1815, als er die Erziehung des von seinem verstorbenen Bruder Karl hinterlassenen Sohnes übernahm, seine äußern Verhältnisse verschlimmerten sich, selbst seine Schaffenskraft stockte. Die Ernennung des Erzherzogs Rudolf zum Erzbischof von Olmütz, [* 8] die 1818 bekannt wurde, erregte in Beethoven den Gedanken, zu dessen Installation eine Messe zu schreiben; die mit der hingebendsten Begeisterung ausgeführte Komposition nahm ihn bis 1822 in Anspruch.
Während eine früher für den Fürsten Esterházy komponierte Messe (1808) im wesentlichen den Haydn-Mozartschen Charakter festhält, sind in diesem neuen Werke, das nach Ausdehnung, [* 9] Mitteln und Intentionen die gewöhnlichen Dimensionen überschreitet, die religiösen Empfindungen mit leidenschaftlicher Inbrunst ausgesprochen. Nach Vollendung dieser «Missa Solemnis» machte sich Beethoven mit gleichem Eifer an die Ausführung eines lange gehegten Plans, einer Sinfonie, deren letzter Satz mit Chören über Schillers Lied an die Freude schließt.
Anfang 1824 war auch dieses Werk, das ebenfalls durch
Ausdehnung und technische Schwierigkeiten, namentlich in den Gesangspartien,
ungewohnte
Ansprüche machte, vollendet. Diesem folgten, zum
Teil unter schweren körperlichen
Leiden
[* 10] geschrieben, fünf große
Quartette, die auch heute noch mehr ein Gegenstand des
Studiums als des allgemeinen Genusses sind. Beethoven starb
nach längern
Leiden an
Wassersucht.
Denkmäler von Beethoven befinden sich in
Bonn
[* 11] (Erzstatue von Hähnel, errichtet 1845)
und
Wien
[* 12] (von Zumbusch, 1880). Die sämtlichen Werke B.s erschienen bei
Breitkopf & Härtel (24
Serien, Lpz. 1862-64). Ein
chronol. Verzeichnis der Werke veröffentlichte Thayer (Berl. 1865), ein thematisches
mit histor. Nachweisen über die Entstehung lieferte
Nottebohm (Lpz. 1868; 2. Aufl.
des
Breitkopf & Härtelschen Verzeichnisses).
Ein Beethoven-Museum befindet sich in B.s Geburtshaus zu
Bonn.
Litteratur. Wegeler und Ries, Biographische Notizen über Beethoven (Kobl. 1838);
Schindler,
Biographie von L.
van Beethoven (Münst.
1840; 4. Aufl.
1881);
von Lenz, Beethoven, eine Kunststudie (5 Tle., Kassel [* 13] und Hamb. 1855-60);
Marx, L.
van Beethoven Leben
und Schaffen (Berl. 1859; 4. Aufl.
1884);
Ulibischeff, Beethoven, ses critiques et ses glossateurs (Lpz. 1857; deutsch von Bischoff, ebd. 1859);
Nohl, B.s Leben (3 Bde., Wien u. Lpz. 1864-77);
ders., Beethoven, nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen (Stuttg. 1877);
Nottebohm, Ein Skizzenbuch von Beethoven (Lpz. 1865);
ders., Beethoveniana (ebd. 1872);
ders., B.s Studien, Bd. 1 (ebd. 1873);
ders., Zweite Beethoveniana (ebd. 1886);
Hiller, L. van Beethoven (ebd. 1871);
Thayer, Ludwig van B.s Leben (deutsch von H. Deiters, 3 Bde., Berl. 1866-79);
ders., Ein kritischer Beitrag zur Beethoven-Litteratur (ebd. 1877);
von Breuning, Aus dem Schwarzspanierhause.
Erinnerungen an Beethoven (Wien 1874);
Jahn, L.
van Beethoven (2. Aufl.
,
Elbing
[* 14] 1875);
Wilder, Beethoven, sa vie et son œuvre d'après les documents authentiques et les travaux les plus récents (Par. 1883);
Frimmel, und Goethe (Wien 1883);
ders., Neue Beethoveniana (ebd. 1888; Neuausg. 1890);
von Wasielewski, L. van Beethoven (2 Bde., Berl. 1887);
Kalischer, Die «Unsterbliche Geliebte» B.s (Dresd. 1891). ¶