Herm.
Heinr., preuß. Politiker, geb. zu
Elberfeld,
[* 2] studierte zu
Heidelberg,
[* 3]
Bonn
[* 4] und
Berlin
[* 5]
Rechts- und
Staatswissenschaft, wurde dann
Auskultator und
Referendar und ließ
sich in letzterer Eigenschaft 1847 nach Köln
[* 6] versetzen. Hier beteiligte er sich an den revolutionären
Bewegungen des J. 1848 als
polit.
Agitator und Journalist (daher der «rote» Becker genannt);
er wurde seines
Amtes entsetzt und zu mehrjähriger Festungshaft verurteilt. Nach Verbüßung derselben arbeitete er einige
Jahre in einem Handlungshause zu Dortmund,
[* 7] wobei er sich vielfach mit volkswirtschaftlichen und geschichtlichen
Studien beschäftigte.
Nachdem ihn der Wahlkreis
Bochum-Dortmund im Winter 1861‒62 in das preuß. Abgeordnetenhaus
gewählt hatte, gab er seine kaufmännische Thätigkeit auf. Zugleich erhielt er das
Amt eines Stadtverordneten in Dortmund
und wurde 1871 zum Oberbürgermeister dieser Stadt erwählt. Der
Kreis
[* 8] Dortmund übertrug ihm 1867 ein
Mandat für den Norddeutschen
Reichstag und 1871 für den ersten
DeutschenReichstag, dem er bis 1874 angehörte. Er schloß sich der
Fortschrittspartei an und trat namentlich bei kommunalen und wirtschaftlichen Angelegenheiten hervor;
doch trennte er sich
später in einzelnen Fragen von seiner Partei. 1872 wurde Becker als Oberbürgermeister von Dortmund ins Herrenhaus
berufen;
1875 beriefen ihn gleichzeitig Königsberg
[* 9] und Köln an die
Spitze ihrer Gemeindeverwaltung;
er folgte dem
letztern Rufe und wurde auch im Herrenhause
Vertreter von Köln.
Bei der Erneuerung des
Staatsrates wurde Becker 1884 in denselben
berufen. Er starb in Köln.
Jak., Genremaler, geb. in Dittelsheim bei Worms,
[* 10] erhielt seit 1833 seine
akademische Ausbildung in
Düsseldorf,
[* 11] wo Schadow ihn besonders beeinflußte. Indes vertauschte er, besonders
seit er 1840 als Professor an das Städelsche
Institut nach
Frankfurt
[* 12] a. M. übergesiedelt war, die romantische
Richtung der
Düsseldorfer Schule mit dem Realismus des volkstümlichen
Genres. Vornehmlich wußte er das Leben des deutschen Landmanns
mit lebendiger Frische zu behandeln. In seinen Gestalten und landschaftlichen
Kompositionen ist das poet.
Element des Volkslebens glücklich zur Geltung gebracht. Seine besten Werke sind: Die vom Gewitter ereilten Landleute (1840;
Nationalgalerie zu
Berlin), Der vom
Blitz erschlagene Schäfer (1844; StädelschesInstitut zu
Frankfurt a. M.). Sein Erfolg
verminderte sich bei seinen spätern Leistungen: Liebesantrag (Kunsthalle zu
Karlsruhe),
[* 13] Die Schmollenden, Die
Weinprobe, Die kriegsflüchtigen Dorfbewohner;
gleichwohl blieb ihnen die solide und feine Zeichnung eigen. Er starb in
Frankfurt a. M.
Jean, Violinspieler, geb. zu
Mannheim,
[* 14] wurde bad. Kammervirtuos, ging 1854 nach
Paris,
[* 15] um seine
Studien
unter
Alard abzuschließen. Seit 1857 machte er größere Kunstreisen in fast allen
Ländern Europas. Später
lebte er längere Zeit in
Florenz,
[* 16] teils mit der Leitung der dortigen, von Basevi gegründeten
Socièta del Quartetto, teils
mit der
Bildung eines eigenen
Streichquartetts beschäftigt, das, seit 1866 aus Becker selbst, den
Italienern Masi und Chiostri
(Violine und
Viola) und dem
Schweizer Hilpert (Violoncell) bestehend, zu hoher
Vollkommenheit gelangte und
als
Florentiner Quartett
[* 17] erfolgreich Europa
[* 18] bereiste. Becker starb in
Mannheim. ^[]
Karl,
Maler, geb. zu
Berlin, erhielt seine erste künstlerische
Bildung auf der dortigen
Akademie und
trat dann in das
AtelierA. von Klöbers. 1843 ging er nach
München
[* 19] und erlernte hier unter H.
Heß die
Freskomalerei, darauf als Stipendiat der
Berliner
[* 20]
Akademie nach
Paris und
Rom,
[* 21] wo er sich 1845‒47 aufhielt und sich neben dem
Studium von
Land undVolk hauptsächlich mit der Ausführung mytholog.
Bilder beschäftigte. Seine Wandgemälde im Niobidensaale
des
Neuen Museums zuBerlin, ebenso wie sein
Belisar (Museum in Hannover)
[* 22] ließen kühl; erst seine Genrebilder,
meist venet.
Inhalts (Juwelenhändler beim Senator, 1855; Ravenésche Sammlung zu
Berlin), begründeten seinen Ruf. Es folgten: Besuch des
Senators, Sitzung des
GeheimenRats, Der
Bravo,
Karneval von
Venedig,
[* 23]
Venetianische Balkonscene, Gnadengesuch beim Dogen,
Karl Ⅴ.
bei
Tizian, Dürer bei
Tizian,
Dürer in
Venedig. Kulturhistor.
Treue, eine kräftige Färbung, ein novellistischer
Zug
in dem oft sehr einfachen Vorgange zeichnen alle diese
Bilder sowohl wie auch jene aus, deren
Stoffe der deutschen Renaissance
entnommen sind; so Besuch
Karls Ⅴ. bei Fugger (1866; Nationalgalerie zu
Berlin), Scene aus «Götz vonBerlichingen»,
Geburtstag des Ratsherrn (Museum zu Königsberg),
Karl,
Statistiker, geb. zu Strohausen in Oldenburg,
[* 27] besuchte seit 1838 die Militärschule
zu Oldenburg, wurde 1842 zum Offizier ernannt, wohnte im oldenb. Kontingent den
Feldzügen von 1848 und 1849 gegen
Dänemark
[* 28] bei, trat 1850 als Hauptmann und Compagniechef in die schlesw.-holstein.Armee
und nahm als solcher an dem Feldzuge von 1850 teil. Nach
Auflösung der
Armee im
Frühjahr 1851 studierte Becker
Volkswirtschaft
und
Statistik an den
Universitäten Göttingen
[* 29] und
Berlin, organisierte nach Ablegung des Staatsexamens das zu Anfang 1855 errichtete
Großherzoglich oldenburgische statist.
Bureau und wurde als dessen Vorstand 1861 zum Ministerialrat ernannt. Unter seiner Leitung erschienen
«Statist. Nachrichten über das Großherzogtum Oldenburg» (13 Hefte, Oldenb.
1857‒72) und die
«Statistik der Rechtspflege im Großherzogtum Oldenburg»; auch beteiligte sich Becker als verantwortlicher
Mitredacteur an dem
«Magazin für die
Staats- und Gemeindeverwaltung im Großherzogtum Oldenburg» (9 Bde.,
1860‒69) und nahm an den Konferenzen teil, welche die amtlichen
Vertreter der
Statistik zum Zwecke einer
einheitlichen und in der Methode verbesserten
Darstellung der nationalen und staatlichen Verhältnisse
Deutschlands
[* 30] wiederholt
abhielten. Als Theoretiker erwarb er sich um die richtige mathem.
Auffassung der Bevölkerungsbewegung wesentliche Verdienste.
Als 1872 das
Statistische Amt des
¶
mehr
DeutschenReichs errichtet wurde, trat er als Direktor desselben in den Reichsdienst. 1878 wurde er Geh. Oberregierungsrat, 1891 trat
er in den Ruhestand. Unter seiner Leitung sind außer den «Vierteljahrsheften»
(1873‒76),
Karl Ferd.,Sprachforscher, geb. zu Lieser an der Mosel, besuchte das Priesterseminar
zu Hildesheim,
[* 32] wurde hier 1794 Lehrer am Josephinum, studierte seit 1799 in Göttingen Medizin, wirkte seit 1803 als Arzt zu
Höxter, wurde 1810 Unterdirektor der Pulver- und Salpeterbereitung im westfäl. Depart. der
Leine und des Harzes, 1814 Vorstand mehrerer Kriegshospitäler, 1815 Arzt in Offenbach,
[* 33] wo er 1823 eine Erziehungsanstalt
begründete und starb.
Durch naturwissenschaftliche und philos. Bildung unterstützt, betrachtete Becker, als er sich in vorgerückten Jahren der Erforschung
der Sprache
[* 34] widmete, diese als einen nach streng logischen Gesetzen geordneten Organismus; er glaubte durch Nachweis der
Denkformen und ihrer Anwendung in der Sprache eine gemeingültige Grammatik zu schaffen, da die Unterschiede
der Sprachen nach ihm nur auf ihrer leiblichen, d. h. lautlichen Seite beruhten. Seine Forschungen
trugen für die deutsche Syntax und Stilistik reiche Frucht, wenn sie sich auch mit den Ergebnissen der histor. und vergleichenden
Grammatik, die Becker fern lag, nur zum Teil decken. Becker gewann in einer der philos. Sprachforschung sehr geneigten
Zeit großen Einfluß. Auf «Deutsche
[* 35] Wortbildung» (Frankf. 1824) folgte
«Organismus der Sprache» als erster Teil einer «DeutschenSprachlehre» (ebd. 1827),
deren zweiter die «Deutsche Grammatik» (ebd.
1829) ist; eine Erweiterung beider erschien als «Ausführliche deutsche Grammatik» (3 Abteil., ebd. 1836‒39; 2. Aufl., 2 Bde.,
Prag
[* 36] 1870). Dazu traten außer vielbenutzten Schulbüchern namentlich «Das
Wort in seiner organischen Verwandlung» (Frankf. 1833) und sein trefflichesBuch «Der deutsche Stil» (ebd. 1848; 3. Aufl.,
neu bearbeitet von Lyon,
[* 37] Lpz. 1884). –
Vgl. Helmsdörfer, Becker der Grammatiker (Frankf. 1854).
Karl Ferd., Organist und musikalischer Schriftsteller, geb. zu
Leipzig,
[* 38] wurde dort 1825 Organist an der Peterskirche, 1837 an der Nikolaikirche und 1843 an dem neugegründeten Konservatorium
Lehrer des Orgelspiels. Allgemeine Verdienste erwarb sich Becker als Sammler und Statistiker. Zu nennen sind in dieser Beziehung:
«Sammlung von Chorälen aus dem 16. und 17. Jahrh.» (Lpz. 1831),
«66 vierstimmige Choralmelodien zu Spittas
Psalter und Harfe» (ebd. 1841),
desgleichen zu den sämtlichen geistlichen Liedern von P. Gerhardt (ebd. 1843),
und die Choräle
von J. S. Bach in Partitur (ebd. 1844); ferner: «Systematisch-chronol. Darstellung der musikalischem Litteratur» (2. Abteil.,
ebd. 1836; Nachtrag 1839),
«Die Hausmusik in Deutschland
[* 39] in dem 16., 17. und 18. Jahrh.» (ebd. 1840),
«Die Tonwerke des 16. und 17. Jahrh.» (ebd.
1847). Becker gab 1854 seine Stellenauf und starb Seine musikalische Bibliothek hatte er
der Leipziger Stadtbibliothek
vermacht, der sie als musikalische Abteilung unter dem NamenBeckersStiftung einverleibt wurde. ^[]
Karl Friedr., Geschichtschreiber, geb. 1777 in Berlin, studierte in Halle
[* 40] Philosophie und
Geschichte und war eine Zeit lang Hauslehrer in Cottbus,
[* 41] dann 1798‒1800 Mitglied des Seminars für gelehrte Schulen in Berlin.
Seine schwächliche Gesundheit nötigte ihn jedoch, dieser Thätigkeit zu entsagen; er beschäftigte sich seitdem mit geschichtlichen
Arbeiten und starb Außer einer jetzt vergessenen Schrift: «Die Dichtkunst aus dem Gesichtspunkte
des Historikers» (Berl. 1803),
erschien von ihm «Die Weltgeschichte für Kinder und Kinderlehrer» (10 Bde., ebd. 1801‒9),
ein Werk, das durch zweckentsprechende Auswahl und Darstellung zu großer Berühmtheit und Verbreitung gelangte. Die Fortsetzer
und Umarbeiter des Werkes: Woltmann, A. Menzel (1824),Adolf Schmidt (18 Bde., Berl. 1860‒64),
von Loebell, E. Arnd (22 Bde., bis 1871), Bulle (bis 1877 ergänzt, Lpz. 1874‒79) und neuerdings W. Müller (12 Bde., Stuttg.
1884‒86; 3. Aufl. 1891‒93), haben dem populären Geschichtswerke mehr wissenschaftliche Gediegenheit
verliehen, aber freilich auch das ursprüngliche Gepräge und den Reiz der Beckerschen Darstellung verwischt.
In gleichem Geiste schrieb auch die «Erzählungen aus der Alten Welt» (3 Bde.,
Halle 1801‒3; 18. Aufl. von Masius, ebd. 1890),
welche Günther durch «Die Perserkriege» (ebd. 1842; 3. Aufl. 1861) und G.
F. Hertzberg durch die «Geschichte der MessenischenKriege» (3. Aufl., ebd. 1875) selbständig vermehrten.
Nikol., der Dichter des «Rheinliedes», geb. zu
Bonn, studierte daselbst die Rechte und ward 1838 Auskultator. Hier dichtete er 1840 unter den Eindrücken, die der Waffenruf
der nach dem linken Rheinufer trachtenden franz. Kriegspartei auf den deutschen Patriotismus hervorbrachte, das Lied «Sie
sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein», das durch ganz Deutschland rauschenden Beifall fand,
Becker berühmt machte und ihm eine Stelle als königl. Friedensgerichtsschreiber eintrug. Auch die Musik bemächtigte sich des
Liedes: über 70 Kompositionen erschienen, von denen jedoch keine wirklich volkstümlich wurde. A. de Musset antwortete 1841 mit
dem übermütigen «Nous l'avons eu, votre Rhin allemand»;
versöhnlicher war Lamartines «Friedensmarseillaise» (1841). Becker starb zu Hunshoven-Geilenkirchen Seine
«Gedichte» (Köln 1841) enttäuschten sehr.
Oskar, bekannt durch sein Attentat auf König Wilhelm von Preußen,
[* 42] wurde zu Odessa
[* 43] geboren als Sohn
des Lyceumsdirektors Becker, studierte seit Ostern 1859 in LeipzigRechts- und Staatswissenschaften. 1861 reiste
er nach Baden-Baden,
[* 44] wo sich der König zur Kur aufhielt, und schoß am Morgen des 14. Juli auf denselben in der Lichtenthaler
Allee. Der König erlitt indes nur eine ganz leichte Verletzung am Halse. Becker erklärte als sein Motiv: der König
sei den Umständen nicht gewachsen, die Einigung Deutschlands herbeizuführen. Nachdem die gerichtliche Voruntersuchung jeden
Verdacht einer Mitwissenschaft anderer Personen beseitigt, wurde Becker zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt. Auf Fürsprache des
Königs von Preußen wurde er 1866 aus der Haft entlassen, worauf er über Belgien
[* 45] nach Nordamerika
[* 46] ging; dann besuchte er
den Orient und starb in Alexandria.
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